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Blog des Museums Burg Posterstein

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„ein Orthe wo meine Phantasie mich oft führte“ – Der Salon der Herzogin von Kurland in Paris

Geschichte & Geschichten Veröffentlicht am 13. Mai 2019 von Museum Burg Posterstein1. Juli 2021
Die Herzogin Anna Dorothea von Kurland unterhielt Anfang des 19. Jahrhunderts mehrere Salons. (Sammlung Museum Burg Posterstein)

Zar Alexander I. reiste persönlich nach Löbichau, um die Ehe von Dorothée von Biron (1793-1862), Prinzessin von Kurland, mit Edmond de Talleyrand-Périgord (1787-1872), dem Neffen des französischen Staatsmanns Talleyrand, in die Wege zu leiten. Das Paar heiratete 1809 in Frankfurt am Main und die 16-jährige Dorothée zog mit ihrer Mutter Anna Dorothea von Kurland (1761-1821) nach Frankreich, wo sie später Hofdame am kaiserlichen Hof Napoleons wurde. Die Chance, Teil der Pariser Gesellschaft zu werden, ließ sich Anna Dorothea von Kurland, die bereits in Löbichau und Berlin ein reges gesellschaftliches Leben pflegte, nicht entgehen.

Die gesellschaftliche Bühne der Frau

Aus den Pariser Salons des 18. Jahrhunderts, in denen sich Mitglieder des Hofes, Gelehrte und Künstler begegneten, ging in der Zeit der Aufklärung eine Kultur hervor, die sich über ganz Europa ausbreitete. Den gesellschaftlichen Mittelpunkt bildete stets die Gastgeberin. Ende des 18. Jahrhunderts entwickelte sich Schloss Löbichau zu einem solchen Zentrum des geistig-kulturellen Lebens in Deutschland. Der Salon der Herzogin von Kurland (1761-1821) in Löbichau gehörte zu den bekanntesten seiner Art.

Zu den bekannten Pariser Salonieren zählte Madame Genlis, bei der Anna Dorothea von Kurland auch Gast war. (Sammlung Museum Burg Posterstein)

Von Löbichau nach Paris

Seit über 20 Jahren beschäftigt sich das Museum Burg Posterstein mit dieser beeindruckenden Dame, die nicht nur in Löbichau und Tannenfeld einen europaweit vernetzten Musenhof unterhielt, sondern auch in Berlin und Paris Salons führte. Anna Dorothea von Kurland, eine schöne, begehrte und vor allem reiche Dame der herrschenden europäischen Adelsgesellschaft, gehörte zu jenen bekannten Salonieren des 19. Jahrhunderts, die weltoffen und geistreich gleichsam als Vermittlerinnen von Kultur und Politik agierten. Ihr Medium war die Konversation. Willkommen war jeder, der zu einer niveauvollen Unterhaltung beitragen konnte, und zwar unabhängig von seinem Stand.

Nach seinem Aufenthalt in Löbichau im Sommer 1819 resümierte Jean Paul über die Redefreiheit des Musenhofes:

„[…] Schöne Leserin, Sie konnten, wenn Sie in Löbichau an der Tafel saßen oder nachher auf dem Kanapee, welche Meinung Sie wollten, ergreifen oder angreifen – gegen oder für Magnetiseurs – gegen oder für Juden – gegen oder für die Ultras und Liberale; – ja Sie konnten besonders im letzten politischen Falle, wie Sie da wohl als Dame zuweilen tun, Ihre schöne Stimme geben als eine lauteste: niemand wird etwas dagegen sagen – als höchstens seine Gründe […]“

Paul, Jean: „Briefblättchen an die Leserin des Damen-Taschenkalenders bei gegenwärtiger Übergabe meiner abgerissenen Gedanken vor dem Frühstück und dem Nachtstück in Löbichau“, in: Paul, Jean: Taschenbuch für Damen auf das Jahr 1821, Tübingen bey Cotta 1821. S. 293.

Im Paris Napoleons

So verhielt es sich auch im Pariser Salon der Herzogin von Kurland. 1809 reiste sie das erste mal „[…] an ein Orthe wo meine Phantasie mich oft führte“ (ThULB, FA Biron, Tagebuch X, 4. Mai 1809).

Ihr erstes Quartier fand die Herzogin im Haus Talleyrands in der Rue Florentin. Später unterhielt sie eine eigene Wohnung im Hotel de Perigord. Zwar legte sich die Euphorie und Begeisterung über die Stadt schnell: „ […] die boulevards die ich passiere erinnern mich an Berlin. […] Petersbourg scheint mir eine schönere stadt als Paris“ (ThULB, FA Biron, Tagebuch X, 6. Mai 1809), resümierte Anna Dorothea nur zwei Tage nach ihrer Ankunft, doch fand sie durch den bekannten Politiker Talleyrand Zugang zur hohen Gesellschaft der französischen Hauptstadt. Sie traf den Österreicher Metternich, den Russen Kurakin, ihren guten Bekannten Batowski und verschiedene Minister und Vertreter des Hochadels. Kontakte pflegte sie zur bekannten Saloniere Madame Genlis und besuchte die Ateliers von Gérad, Prud’hon und David. Der Maler Grassi stattete der Herzogin einen Besuch ab und fertigte ein Portrait ihrer Tochter Dorothée. Besonders mit der französischen Kaiserin Josephine, der ersten Frau Napoleons, schien sich die Herzogin gut zu verstehen und war oft zu den kaiserlichen Empfängen geladen.

Von einem Aufenthalt in Paris hatte Anna Dorothea von Kurland schon länger geträumt, als sie 1809 das erste Mal dorthin kam. (Sammlung Museum Burg Posterstein)

„Mir geht es hier ganz wohl, und ich habe in dem Laufe von 10 Monathen die wichtigsten Begebenheiten beygewohnt. Nach der Vermählung des Kaysers u. den Feyerlichkeiten denke ich Ende May nach Deutschland über Wien zu gehen u. dort meine drey ältesten Kinder zu sehen, die sich vereint daselbst befinden“, schreibt die Herzogin am 14, März 1810 an Maria Elisabeth Neander.

In einem Brief an Agathe Neander schreibt Dorothea von Kurland am 30. Oktober 1818: „Von mir kann ich Ihnen nur noch sagen, daß ich 2 Monathe in Valencey mit meiner Tochter und meine Enkel angenehm verlebt habe. Die Witterung begünstigt das Landleben, die Wiesen deckten zum zweiten Male mit Frühlingsblumen, sogar der Wein schmückte sich zum andern male an einigen Orthen mit Blüthen. Mein Garten an meinem Hause ist voller Rosen u. grün, wie im Sommer. Ein mildes Klima hat doch einen großen Vorzug. Ich kehrte früher nach Paris zurück als ich wollte, in der Hoffnung, den Kayser [Alexander I.] aufzuwarten, er blieb aber nur 6 Stunden, die er dem König gab und eilte zum Kongress nach Aachen zurück. Sr. Majestäth waren aber so gütig, mir seinen Adjutanten zu schicken und sagen zu lassen, daß sein kurzer Aufenthalt ihn behindert, mich zu besuchen.“

Beide Zitate stammen aus dem Kapitel „Das briefliche Erbe der Herzogin Dorothea von Kurland in Lettland“ von Valda Kvaskova im Buch „Die Herzogin von Kurland im Spiegel ihrer Zeitgenossen – Europäische Salonkultur um 1800. Zum 250. Geburtstag der Herzogin von Kurland.“ (Museums Burg Posterstein, 2011).

Ihre letzte Reise nach Paris unternahm Anna Dorothea von Kurland 1820. Über den dortigen Umgang und die Redekultur berichtet unter anderen Gustav Parthey in seinen „Jugenderinnerungen“. Gustav Friedrich Konstantin Parthey (1798–1872) wurde später Altertumsforscher und Buchhandler. Er stammte aus der ersten Ehe des Hofrates Friedrich Parthey (1745–1822) mit Charlotte Wilhelmine (1767–1803), der ältesten Tochter des Buchhandlers Friedrich Nicolai. Mit seinen Eltern und seiner Schwester Lilly war er oft Gast auf den Schlössern der Herzogin von Kurland.

Gustav Parthey über Dorothea von Kurlands Salon in Paris

Nach Abschluss seines Studiums in Heidelberg ging Gustav Parthey auf Grand Tour durch Europa. Auf Bitten seines Vaters verbrachte er auch einige Zeit in Paris und wurde von der Herzogin von Kurland in die dortige Gesellschaft eingeführt. Am 26. Oktober 1820 reisten die beiden aus Löbichau ab und fuhren über Bayreuth und Heidelberg in die französische Hauptstadt. Sein Quartier fand Parthey in der Rue de Bourgogne, Ecke Rue de l’Université, im Petit hôtel de Rome.

„Die Herzogin wohnte im vornehmsten Theile der Stadt, im Faubourg Saint Germain in der Rue Saint Dominique. […] Man wandelte zwischen langen, hohen, zuweilen von Bäumen überragten Backsteinmauern, in denen man nur große geschlossene Thorwege und kleine Gitterthüren bemerkte. […] Im Hintergrunde des Hofes stand das meist einstöckige Wohnhaus mit allem wirtschaftlichen Zubehör an Stallung und Remisen. Hinter dem Hause lag ein schattiger wohlgepflegter Garten. So lebten die Bewohner in gänzlicher Abgeschiedenheit, und genossen inmitten der geräuschvollen Hauptstadt einer vollkommenen Ruhe.“

Gustav Parthey: Jugenderinnerungen, Teil II., Berlin 1907, S. 413f.
Fürst Talleyrand verband eine enge Freundschaft mit Anna Dorothea von Kurland, deren jüngste Tochter seine ständige Begleiterin und später seine Universalerbin wurde. (Sammlung Museum Burg Posterstein)

Im Pariser Salon der Herzogin lernte Parthey Fürst Talleyrand kennen, der mit der jüngsten Tochter der Herzogin, Dorothée, oft zu Besuch kam. Zu der regelmäßigen Gesellschaft zählte auch ein älterer, italienischer Herr namens Giamboni de‘ Sposetti.

„Er besaß die natürliche Anlage, das Tischgespräch ohne Zwang, Anstrengung oder vorlautes Wesen immer im Flusse zu erhalten. Solche Personen sind in großen Häusern von unschätzbarem Werthe: denn es kann vorkommen, daß die geistreichen Personen mit einander zu Tische sitzen, und daß trotzdem, sei es durch üble Laune oder Trägheit oder irgend ein widerhaariges Wort veranlaßt, plötzlich ein allgemeines Stillstehen der Unterhaltung erfolgt. […] Durch sanft herausfordernde Fragen wußte er [Giamboni de‘ Sposetti] einen wirksamen Widerspruch hervorzurufen; der niemals ermangelte, die Unterhaltung anzuregen“.

Gustav Parthey: Jugenderinnerungen, Teil II., Berlin 1907, S. 417.

Den politischen Diskurs hielten vor allem die beiden Gesellschaftsdamen der Herzogin von Kurland am Laufen, die unterschiedlicher nicht hätten sein können.

„Noch muß ich der beiden Gesellschaftsdamen der Herzogin erwähnen, einer Gräfin von Chassepot und einer Madame Waldron. Die erste, von Geburt eine Kurländerin, glänzte in ihrer Jugend als Fräulein von Knabenau durch ausgezeichnete Schönheit, heiratete einen Baron von Rönne und nach dessen Tode einen Grafen von Chassepot […] Der Graf Chassepot, ein Legitimist vom Kopf bis zur Zeh, rühmte sich, mit einem im Jahre 1815 in Belgien organsierten Freicorps bedeutende Kriegsthaten zu Gunsten der Restauration verübt zu haben; […] Seine Frau theilte seine ultraroyalistischen Gesinnungen.“

Gustav Parthey: Jugenderinnerungen, Teil II., Berlin 1907, S. 418.

Im Gegensatz zur Gräfin Chassepot war die Herzogin von Kurland lange Zeit eine Verehrerin Napoleons gewesen. Doch die Napoleonischen Kriege hatten dieses Bild erschüttert und sie hatte sich den Ideen der konstitutionellen Parteien zugewandt. „Sie misbilligte auf das entschiedenste das Hetzen und Wühlen der Reactionäre“ (Gustav Parthey: Jugenderinnerungen, Teil II., Berlin 1907, S. 419.), was laut Parthey oft zu heftigen Diskursen im Salon führen konnte.

„Die Gräfin Chassepot stritt so heftig und so anhaltend über diese Materie mit der Herzogin, daß ich oft Gelegenheit fand, die Geduld und Nachsicht der letzteren gegen ihre geistig unebenbürtige Gegnerin zu bewundern. Mehr als einmal dachte ich an die Regel unserer guten Madame Clause: toujours se souvenir, que la troisièmereplique es tune impertinence! [Denken Sie immer daran, dass die dritte Entgegnung eine Unverschämtheit ist!] Danach mußte ich die Gräfin zu den impertinentesten Personen rechnen […].“

Gustav Parthey: Jugenderinnerungen, Teil II., Berlin 1907, S. 419.

In solchen Situationen stand Madame Waldron der Herzogin von Kurland bei.

„Die zweite Gesellschaftsdame, Madame Waldron, eine alte gutmüthige Engländerin mit einem lahmen Beine, Wittwe eines englischen See-Offiziers, besaß negative Lebensart genug, um auch in der feinsten Gesellschaft nicht anzustoßen. […] In der Politik kannte Madame Waldron nichts höheres als das englische Parlament, und blickte sehr verachtend auf die französischen Versuche, etwas ähnliches einzuführen. Ihrer Gesinnung nach ganz liberal, unterstützte sie getreulich die Herzogin in ihren Kämpfen gegen die Gräfin Chassepot.“

Gustav Parthey: Jugenderinnerungen, Teil II., Berlin 1907, S. 419f.

Die Kultur der Rede- und Meinungsfreiheit der literarischen und politischen Salons um 1800 war auch das Aushängeschild des Salons der Herzogin von Kurland. Die einzige Grenze, die im Diskurs nicht überschritten werden durfte, war der höfliche Ton. So entwickelten sich diese kulturellen Orte zu Vermittlungsstellen von Kultur und Politik.

1821 verließ die Herzogin von Kurland Paris und kehrte auf ihr Schloss Löbichau zurück. Es sollte ihre letzte Reise sein. Am 20. August 1821 starb Anna Dorothea von Kurland nach langer Krankheit mit 60 Jahren in ihrem Schloss in Löbichau. 7000 Gäste begleiteten ihren Sarg zur Ruhestätte im Hain nahe des Schlosses. Ihr Sarg wurde Jahrzehnte später von der kurländischen Familie nach Sagan in Schlesien überführt.

Von Franziska Engemann & Marlene Hofmann / Museum Burg Posterstein

Zum Weiterlesen:

Die Herzogin von Kurland im Spiegel ihrer Zeitgenossen – Europäische Salonkultur um 1800. Zum 250. Geburtstag der Herzogin von Kurland. Museum Burg Posterstein, 2011. (248 Seiten, farbig, ISBN 978-3-86104-086-6, 29,00 Euro

Die Herzogin von Kurland im Spiegel ihrer Zeitgenossen – Europäische Salonkultur um 1800. Zum 250. Geburtstag der Herzogin von Kurland. Museum Burg Posterstein, 2011. 

„Es fehlt eine europäische Öffentlichkeit“ – Auswertung #SalonEuropa 1: Der Salonabend

Geschichte & Geschichten Veröffentlicht am 6. November 2018 von Museum Burg Posterstein4. Dezember 2018

Zum ersten Salonabend #SalonEuropa diskutierten sechs Gäste über Ideen für Europa.

Zum ersten Salonabend #SalonEuropa diskutierten sechs Gäste über Ideen für Europa.

Wie könnte ein „Salon“ heute aussehen? Dieser Frage geht das Projekt #SalonEuropa nach. Während die Blogparade #SalonEuropa digital ein Podium für Austausch und Gespräche über Ländergrenzen hinweg geboten hat (eine Auswertung folgt demnächst), fand am 27. Oktober 2018 ein ganz analoger Salonabend mit rund vierzig Gästen im Museum statt. Beide Formate fanden großen Zuspruch und waren gut besucht. Und beide rückten ähnliche Fragen in den Mittelpunkt des Austauschs. Eine Zusammenfassung.

Europa erscheint im Augenblick als ein Kontinent im Umbruch. Ängste, Zweifel, Hoffnungen, Widersprüche und Idealvorstellungen zu Europa und seine politischen Institutionen stehen auf der medialen Tagesordnung. Rechtspopulistische Meinungen erhalten europaweit Zuspruch, etablierte Parteien verlieren an Kontur. Europa scheint gespalten wie nie.

„Man muss die europäischen Menschen zusammenbringen“

Um herauszufinden, wie eigentlich jüngere Generationen zu Europa und der EU stehen, luden wir gemeinsam mit der Heinrich-Böll-Stiftung Thüringen, sechs interessante Gäste ins Museum Burg Posterstein ein:

Anders Heger, Doktorand an der Uni Jena im Fach Politikwissenschaft, stammt aus Tschechien und promoviert zum Thema Euroskeptizismus in Ostmitteleuropa. Er erwies sich auf dem Podium als Spezialist für die osteuropäische Sicht auf Europa und verwies auch auf die historischen Gründe dafür. „Im Osten Europas hat man Angst, dass die EU eine Art neue Sowjetunion wird“, sagte er beispielsweise.

Andi Jung ist Landschaftsfotograf aus Erfurt und reiste für ein Fotoprojekt an Europas Außengrenzen. Als nördlichsten Punkt fotografierte er eine Steilwand in Island, als südlichsten eine Steilwand in Gibraltar. „Dahinter steckte alles, was mir an Europa wichtig ist“, sagte er, „Mir ist dabei bewusst geworden, dass uns so viel zusammenhält, dass aber auch große Unterschiede bestehen.“

Lena Niethammer verfasst als freie Journalistin Reportagen und Gesellschaftsporträts. Für eine Reportage im Greenpeace-Magazin befragte sie junge Menschen in sieben europäischen Ländern. „Überall hörte man, dass ‚unsere Art zu leben‘ bedroht sei“, erzählt sie über ihre Motivation zu dem Artikel, „Aber was ist das eigentlich? Der Status Quo?“ Deshalb wollte sie von jungen Europäern wissen: Worauf dürfen wir hoffen? Wovor müssen wir Angst haben?

Manja Reinhardt betreibt mit ihrem Mann in ihrer Freizeit den Reiseblog Vogtlandzauber und nahm bereits an der Blogparade #SalonEuropa teil. Für sie ist das Vogtland, das teilweise in Tschechien, teilweise in Sachsen und Thüringen liegt, auf seine eigene Art europäisch. „Wir müssen Europa auch auf Ebene der Regionen denken“, sagte sie in der Gesprächsrunde.

Maria Geußer, Studentin im Master of Public Policy an der Willy Brandt School hat sich in ihrem Studium auf die Fächer European Public Policy und Non-Profit Management spezialisiert. Täglich lernt sie gemeinsam mit Studenten aus aller Welt. Über die EU sagt sie: „An vielen Stellen wurde bisher verpasst, die Basis mitzunehmen.“

Thomas Laubert, Architekt aus Gera, ist aktiv in der Initiativgruppe Gera2025, die die Bewerbung der Stadt Gera zur europäischen Kulturhauptstadt vorantreibt. Er kritisiert: „Europa wird im Moment nur auf Ebene des Geldes und der Politik, nicht auf Ebene der Menschen, diskutiert. Wenn wir das wieder zusammenbringen, brauchen wir uns auch nicht vor Europa zu fürchten.“

Salonabend in der Ausstellung #SalonEuropa im Museum Burg Posterstein

Salonabend in der Ausstellung #SalonEuropa im Museum Burg Posterstein

Der Gesprächsrunde wohnten bei Tee und Gebäck rund 30 Gäste bei, die sich auch aktiv und engagiert in die Diskussion einbrachten. Bewusst wurde nur dann moderierend eingegriffen, wenn bestimmte Gesprächspartner mehr einbezogen werden sollten. Folgende Themen wurden am häufigsten angesprochen:

Auswertung des Diskurses am Salonabend nach Themen, die am häufigsten angesprochen wurden.

Auswertung des Diskurses am Salonabend nach Themen, die am häufigsten angesprochen wurden.

„Außerhalb Europas gilt Europa als Erfolgsgeschichte“

Eines der großen Themen waren die verschiedenen Blickwinkel auf Europa: von Ost und West, Außen und Innen, Jung und Alt. Während Europa außerhalb Europas als Erfolg gilt, wie Anders Heger betonte, sei das in den Mitgliedsstaaten leider nicht immer so. In seinem Heimatland Tschechien gäbe es ganz andere Erwartungen an die EU: „Dort soll EU nur Wirtschaft sein.“

Lena Niethammer sammelte bei der Recherche für ihren Artikel ganz andere Erfahrungen. „Rumänien war das Land mit der größten Europabegeisterung“, erzählte sie, „Nirgendwo gab es so wenig Begeisterung für Europa wie bei uns.“

Anders Heger nahm den Gedanken auf und bemerkte: „Es ist wichtig, dass die Zusammenarbeit der Regionen gefördert wird – die Leute grenzübergreifend zusammenzubringen ist das wichtigste Anliegen der EU.“

Die Grenzen Europas waren immer wieder Gegenstand der Diskussion. Thomas Laubert sagte: „Europa hat Grenzen und die sind auch wichtig, aber das negative daran (die Abgrenzung) muss man ja nicht so in den Vordergrund rücken. Wie thematisieren wir Grenzen? Denken wir an Mitteldeutschland, dann liegen Gera und das Altenburger Land gerade im Herzen dieser Metropolregion. Wahrgenommen werden sie aber als Außenrand Thüringens.“

Andi Jung betonte: „Ich habe die Hälfte meines Lebens in der DDR verbracht, für mich hat das noch eine ganz andere Bedeutung. Bildet die Außengrenze Europas unsere gemeinsame Identität?“

Von dieser Idee kam die Diskussion kurzzeitig auf die Utopie eines Europas der Regionen, wo Nationalstaaten keine Rolle mehr spielen würden, und auf die europäische Identität. „Ich fühle mich eher europäisch als deutsch“, betonte Andi Jung. Lena Niethammer warf ein, dass es auf die Situation ankomme, ob sie sich als Berlinerin (in Deutschland unter Deutschen) oder als Europäerin (in internationalen Zusammenhängen) fühle. „Die Identitäten schließen sich ja nicht aus“, vereinte Anders Heger die verschiedenen Meinungen, „Umfragen belegen, dass sich 70 Prozent der Europäer europäisch fühlen, viele aber gleichzeitig auch sehr national denken.“

Das brachte den Diskurs auf die aktuellen Populismus-Tendenzen. Lena Niethammer, die in Frankreich Le Pen-Wähler interviewt hat, betonte: „Es ist ein Irrglaube, dass Wähler der populistischen Parteien gegen Europa sind, es stehen andere Prioritäten im Vordergrund.“ Das sähe man auch am Brexis-Referendum, das eher gegen Migranten gerichtet war, ergänzte Anders Heger.

Warum fühlen sich so viele Leute nicht mehr mitgenommen?

An dieser Stelle verwiesen wir auf den Gastblogpost zur Thüringer Gebietsreform, der eine Stärkung der „Demokratie von unten“ forderte.

Viel zu oft werde von der EU nur das Negative wahrgenommen, wagte Manja Reinhardt einen Erklärungsversuch.

Das Gespräch drehte sich um Europas Grenzen und Region, um Ost und West und um Identität.

Das Gespräch drehte sich um Europas Grenzen und Region, um Ost und West und um Identität.

„Was ist die EU denn eigentlich?“, fragte Anders Heger in die Runde, „Die Mitgliedsstaaten, direkt gewählte Politiker. Man übt immer auch Kritik an sich selbst, denn wir haben gewählt.“ Man müsse die europäischen Menschen näher zusammenbringen, betonte er.

Marie Geußer brachte ein, dass die Idee von Vereinigten Staaten von Europa zwar spannend klänge, dass die EU aktuell aber demokratische Defizite habe. „Es fehlt eine europäische Öffentlichkeit, richtige europäische Parteien – wir brauchen mehr europäische Integration.“

Und Thomas Laubert sagte: „Populismus ist grundsätzlich nicht schlecht, er bringt ein anderes Wertebild ein, vielleicht braucht es ja gerade diesen Ruck, damit wir diskutieren, was wir an der EU haben. Wir sind so reich und bequem…“ Man müsse den Populismus aber auch ernst nehmen, warf Lena Niethammer ein. „Die Gefahr liegt in der Selbstverständlichkeit“, warf Andi Jung ein, man müsse in Bildung investieren. Anders Heger wies darauf hin, dass laut Umfragen vorwiegend die ältere Generation, vorwiegend Männer, populistisch wählten. Lena Niethammer ergänzte, dass nur in Ungarn und Polen auch die jüngere Generation mehrheitlich populistische Parteien wählte. Anders Heger: „In diesen Ländern ist Nationalismus nicht negativ belegt, was sich aus der Geschichte dieser Länder ergibt.“

Und Andi Jung ergänzte, dass in Polen auch das Bildungssystem nationalistisch beeinflusst werde. Lena Niethammer fragte: „Wie bekomme ich später meine Kinder dazu, die Vorteile von Europa zu erkennen?“ Globale Probleme wie den Klimawandel müsse man gemeinsam angehen. Das Interrail-Ticket, das die EU derzeit an 18-jährige verlose, könne vielleicht dabei helfen. Detailliertes Faktenwissen dazu lieferte Heinz Hoffmann von der Thüringer Staatskanzlei, der im Publikum saß.

Damit war der Austausch mit dem Publikum eröffnet. Sollten wir vor allem eine junge Elite per Interrail und Erasmus fit für Europa machen? Warum haben wir am 9. Mai, dem Europatag, nicht alle frei? Wie können wir erreichen, dass man beim Thema EU weniger von Wirtschaft und mehr von Kultur spricht? Das alles bot Stoff für ein gemütliches Miteinander bei Tee und belegten Broten in der Halle der Burg – und für weitere Salonabende, die sicher kommen werden.

Zusammengefasst von Marlene Hofmann / Museum Burg Posterstein

 

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