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Schlagwort-Archive: Moritz August von Thümmel

LeseZEIT – Folge 5: Hans Wilhelm von Thümmel

Geschichte & Geschichten Veröffentlicht am 10. Juli 2021 von Museum Burg Posterstein15. Dezember 2022

In der fünften Folge der LeseZEIT mit Geschichte und Geschichten aus dem Museum Burg Posterstein unternehmen wir einen kleinen Ausflug ins Berlin im Jahr 1807 und erleben eine Geschichte voller Verwechslungen. Einer dieser Irrtümer in dieser Geschichte wird nicht bemerkt! Um was es sich dabei handelt, verraten wir aber erst am Schluss dieser Folge!

Sie können auch diese Folge als Blogpost lesen oder als Podcast anhören:

https://blog.burg-posterstein.de/wp-content/uploads/2021/07/LeseZEIT_Folge5_Thuemmel.mp3

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Bereits in Folge 4 unserer LeseZEIT haben wir Hans Wilhelm von Thümmel (1744-1824), Minister des Herzogs von Sachsen-Gotha und Altenburg, kennengelernt. Dieses Mal wollen wir ihm in die heutige Bundeshauptstadt folgen. Thümmel war zu diesem Zeitpunkt 63 Jahre alt und Gesandter seines Herzogs.

Portrait Hans Wilhelm von Thümmel mit einem seiner Aphorismen
Von Hans Wilhelm von Thümmel gibt es auch zwei Bände Aphorismen. Hier gibt es einen Blogpost dazu.

Das Jahr 1807 war ein sehr bewegtes. Der vierte Koalitionskrieg zwischen französischen Truppen und den Truppen der Rheinbundstaaten auf der einen und Preußen und Russland auf der anderen Seite war im vollen Gange. Der Krieg endete – vorläufig – nach der Niederlage der preußisch-russischen Truppen in der Schlacht bei Friedland und dem am 9. Juli geschlossenen Frieden von Tilsit. Dieser brachte große Gebietsverluste für Preußen mit sich und sah unter anderem die Gründung des Herzogtums Warschau vor.

Hans Wilhelm von Thümmel als Gesandter von Herzog August von Sachsen-Gotha und Altenburg

Im Februar 1807 schickte Herzog August von Sachen-Gotha und Altenburg Hans Wilhelm von Thümmel als seinen Gesandten in Napoleons Hauptquartier über Berlin nach Warschau. 1806 war das Herzogtum dem Rheinbund beigetreten und zählte somit zu Frankreichs Verbündeten. Thümmel begab sich im Auftrag des Herzogs von Sachen-Gotha und Altenburg in dieser Zeit oft auf spezielle Missionen, u.a. nach Dänemark, Berlin und Dresden. Aus seiner Zeit in Paris 1807/08 ist das Tagebuch des Ministers erhalten geblieben und bezeugt aus erster Hand die dortigen Geschehnisse. Über Thümmels Gesandtschaft in Dänemark ist nur wenig bekannt, ebenso wie über die in Berlin und anschließend in Dresden.

Herzog August von Sachsen-Gotha-Altenburg (1772-1822)
Herzog August von Sachsen-Gotha-Altenburg (1772-1822)

Thümmel gelangte 1807 ohne Schwierigkeiten nach Berlin und traf dort Anfang April ein. Doch eine Weiterreise wurde ihm, wie allen Gesandten, untersagt. Napoleons Truppen bewegten sich mit solcher Geschwindigkeit, dass das Hauptquartier kaum mehr auszumachen war. Thümmel blieb also keine andere Möglichkeit, als Anträge zu stellen und sich die Zeit in Berlin zu vertreiben. Er traf viele alte Bekannte wieder, konnte ein Schmuckstück aus Napoleons Besitz für seinen Herzog – einen großen Verehrer des französischen Kaisers – ergattern und kam sogar in den Genuss, die Sammlung Alexander von Humboldts anzusehen, der ihm von einem alten Freund vorgestellt wurde und Thümmel zu einer Besichtigung einlud.

Humboldt in Tegel - Sammlung Museum Burg Posterstein
Alexander von Humboldt lud Hans Wilhelm von Thümmel zur Besichtigung seiner Sammlung ein. Auf dem Bild: Humboldts Schloss in Tegel, L. Rohbock Photogr./Stahlstich von Joh. Poppel, Sammlung Museum Burg Posterstein

Vielleicht wundern Sie sich jetzt: Hieß es nicht gerade, es sei nicht viel von Thümmels Mission in Berlin bekannt? Einen Hinweis haben wir doch entdeckt!

Auszüge aus einem verschollenen Reisetagebuch

Über Thümmels Zeit in Berlin muss es – wie für seine Zeit in Paris – ein Tagebuch des Ministers gegeben haben. Dieses ist aber bis zum jetzigen Zeitpunkt verschollen. Hinweise darauf existieren allerdings in der „Zeitung für die elegante Welt“ aus dem Jahr 1830. Hier wurden Auszüge aus besagtem Tagebuch veröffentlicht. Der Herausgeber gibt an, dass er die Tagebücher vor dem Tod des Ministers 1824 von diesem persönlich zur Einsicht erhalten und nach Beendigung seiner Untersuchung auch wieder an ihn ausgehändigt habe. Das Original dieses Tagesbuches konnte aber nicht ausfindig gemacht werden. Es ist möglich, dass es sich in einem unbekannten Nachlass oder in Privatbesitz befindet. Ein gänzlicher Verlust bzw. eine Vernichtung des Buches kann aber nicht ausgeschlossen werden, besonders in Anbetracht der jähen Enteignung des Thümmelschens Altersruhesitzes Nöbdenitz in Folge der Bodenreform 1945.

Was erhalten blieb, sind die in der „Zeitung für elegante Welt“ veröffentlichten Auszüge. Der Herausgeber dieser Abschnitte betitelt sich selber mit dem Kürzel „-dl-“ und konnte bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht identifiziert werden. Sprachlicher Ausdruck und Ähnlichkeiten im Textaufbau lassen aber darauf schließen, dass es sich um denselben Autor handelt, der auch das Vorwort bzw. den biographischen Teil der 1827 im Verlag J. D. Sauerländer erschienen Aphorismen Thümmels verfasst hat.[1] Auch in diesem Fall nannte sich der Herausgeber selbst nicht namentlich und ist bis zum jetzigen Zeitpunkt unbekannt. Eine weitere Möglichkeit besteht in der Annahme, dass der Redakteur der Zeitung, Karl Ludwig Methusalem Müller (1771-1837), der Verfasser des Beitrages ist. Laut eigener Aussage soll er für sehr viele der abgedruckten Artikel verantwortlich sein.[2] Aber auch das kann hier nicht bestätigt oder widerlegt werden.

Hans Wilhelm von Thümmel wählte sich die 1000-jährige Eiche in Nöbdenitz zu seiner außergewöhnlichen Grabstätte.
Hans Wilhelm von Thümmel wählte sich die 1000-jährige Eiche in Nöbdenitz zu seiner außergewöhnlichen Grabstätte.

Der Herausgeber gibt aber zu erkennen, dass er Hans Wilhelm von Thümmel persönlich gekannt haben muss und zumindest im regelmäßigen Schriftverkehr mit ihm gestanden hat. Am Ende des Beitrages, der sich über vier Ausgaben der Zeitung zieht, schreibt er: „Er [der Verfasser] ehrt in dem verstorbenen edlen Minister von Thümmel seinen Wohlthäter, seinen ermunternden Freund; und das Andenken an diesen ehrwürdigen Greis, dessen Leichnam in dem Schatten einer großen Königseiche schlummert, ist ihm heilig.“ Entsprechend wohlwollend fallen die ausgewählten Auszüge des Herausgebers aus dem Tagebuch aus. Sie geben dem Leser zwar eine kurze Einordnung der Geschehnisse in ihre Zeit, enthalten aber vor allem unterhaltsame Anekdoten über Hans Wilhelm von Thümmels Aufenthalt in Berlin. Von Zeit zu Zeit wechselt der Verfasser die erzählerische Perspektive, gibt scheinbar wortwörtliches aus dem Tagebuch in der „ich“-Form wieder und gibt zuvor oder danach Erklärungen aus seiner Erzählersicht. Aber hören Sie einfach selbst!


Hans Wilhelm von Thümmels Zeit in Berlin

Ich lese aus dem dreißigsten Jahrgang der mit „Königl. Sächs. Allergnädigstem Privilegio“ gedruckten „Zeitung für die Elegante Welt“, aus dem Jahr 1830, herausgegeben von Karl Ludwig Methusalem Müller, verlegt in Leipzig bei Leopold Voß. Der Bericht umfasst in vier Teilen – Anfang, zwei Fortsetzungen und Beschluss – die Ausgaben vom 10., 11., 13. und 14. Dezember 1830.

„Auszüge aus einem Tagebuch des verstorbenen Ministers ? Herrn von Thümmel, herausgegeben von – dl – . (10. Dezember 1830)

In der literarischen Welt ist der ehemalige herz. Gothaisch-altenburgische Minister Herr v. Thümmel durch die Herausgabe seiner Aphorismen aus den Erfahrungen eines Siebenundsiebzigjährigen und durch das treffliche Werk: Historische, statistische, geographische, topographische Beiträge zur Kenntniß des Herzogthums Altenburg, – nicht unbekannt geblieben. In dem verhängnißvollen Jahre 1807 wurde er von seinem Fürsten, dem Herzoge von Sachsen-Gotha und Altenburg, als außerordentlicher Gesandter nach Berlin gesendet, um zu unterhandeln und die weiteren Befehle des damaligen Kaisers Napoleon einzuholen, der seinen siegreichen Adler im schnellen Fluge bis an den Niemen trug. Während seines mehrwöchentlichen Aufenthaltes in Berlin schrieb der edle, würdige v. Thümmel ein Tagebuch, welches er kurze Zeit vor seinem Tode dem Herausgeber dieser Auszüge, mit dem er in freundlichem, literarischem Verkehre stand, – zur theilweisen, einstmaligen Benutzung aushändigte. In diesem Tagebuche finden sich interessante Notizen, wie auch mehrere treffende Urtheile über berühmte Menschen, namentlich auch über seinen Bruder, den geistvollen Dichter Moritz von Thümmel; daher dürften sich diese Auszüge aus dem genannten Tagebuche zur öffentlichen Mittheilung wohl eignen und bei den geehrten Lesern ein geneigtes Gehör finden.

Herr von Thümmel traf, laut seines Tagebuches, zu Anfang des Monats April 1807 in Berlin ein. Sein Wille war, dem kaiserlichen Hauptquartiere nachzureisen; doch er wurde in Berlin, wie mehrere Gesandte, – zurückgehalten und mit seinen Anträgen an den Gouverneur General Clarke gewiesen. […]

[Fortsetzung 11. Dezember 1830]

Ferner erzählt Herr von Thümmel in seinem Tagebuche: Eines Morgens sehr früh wurde ich nicht wenig überrascht. Es trat ein Männchen mit grauem Ueberrocke und eine schlechte polnische Mütze auf dem Haupte schnell in mein Zimmer. Als ich auf die drollige Gestalt zuging und sie recht betrachtete, erkannte ich zu meiner größten Freude meinen lieben Bruder, den Dichter Moritz! – Ich hatte ihn nicht vermuthet; wir sanken einander in die Arme und freuten uns kindlich

August Wilhelm Iffland, Punktierstich von Laurens,1803, Sammlung Lindenau-Museum Altenburg
August Wilhelm Iffland, Punktierstich von Laurens,1803, Sammlung Lindenau-Museum Altenburg

Mein alter guter Freund Iffland, erzählt Herr von Thümmel, der in Berlin schon öfter bei mir war, hatte gehört, daß mein Bruder eingetroffen sey. Er machte ihm seinen Besuch und bat uns Beide, mit ihm zu der berühmten Schauspielerin Bethmann, geborene Hartmann aus Gotha, zu gehen. Sie wünsche, sagte er, meinen Bruder, den Dichter, gern kennen zu lernen, besonders um ihm einen Mops zu zeigen, der so gescheidt wäre wie der in seinen genialen Schriften. Wir gingen erst zusammen in das Theater und dann zur Madame Bethmann. Beim Eintritte in ihr Zimmer hielt sie mich für meinen Bruder, und sie machte mir eine Menge Lobeserhebungen über seine Schriften, die ich ohne Umstände hinnahm. Mein Bruder war dabei verlegen und rührte sich nicht, wenn Iffland den Irrthum nicht berichtigt hätte. Wir lachten dann Alle herzlich und waren fröhlich. Es ist mir oftmals schon so gegangen, daß man mich für meinen Bruder gehalten hat; ich muß doch mehr Dichterisches in meiner Physiognomie haben als er. Wenn mein Bruder Moritz in gesellschaftlichen Gesprächen so launig und witzig wäre, wie er in seinen Schriften es ist, so würde er in Berlin großes Aufsehen machen; aber er ist einsylbig, still und verlegen und doch dabei so herzensgut. Man hält ihn für einen Pinsel, und er ist doch ein trefflicher Maler. – Einige Tage darauf, erzählt Hr. v. Thümmel mit folgenden Worten:

Mein Gedächtniß hat mir in Hinsicht meines Bruders einen tollen Streich gespielt, der aber zum Glücke recht gut ablief. – Ich hatte nämlich den Geburtstag meiner Schwester mit dem meines guten Bruders verwechselt und war in dem festen Wahne, daß er den 12ten Mai sey, denn er ist nicht den 12ten, sondern 10 Tage später geboren. – Ich traf zum 12ten Mai alle Anstalten, meines Bruders Geburtstag recht feierlich zu begehen, und bat ihm zu Ehren eine Menge Gäste. – Den 12ten Mai ging ich am frühen Morgen zu einem Hutfabricanten und kaufte meinem Bruder vor allen nöthigen Dingen einen neuen Hut, denn in dem alten durchlöcherten Hute sah er gräulich aus, und ich muß doch mit ihm überall herumlaufen. Auch kaufte ich ihm zu dem geträumten Geburtstage eine schöne Tasse. – Dann schickte ich mich an, die geladenen Gäste zu begrüßen, die Alle, wie ich, der Meinung waren, daß meines Bruders Geburtstag wirklich sey. Jedermann wurde in dem falschen Wahne gelassen, die Zeit war zu kurz, es war nun einmal nicht mehr zu ändern; das Fest begann.

Zuerst erschien ein provenzalisches Mädchen mit frischen Weintrauben und Blumen, die im Namen der Margot kam […] Dann erschienen die Hofdamen und ein Kammerherr von der Frau Kurprinzessin von Hessen-Cassel, Schwester des Königs von Preußen, und übergaben meinem Bruder im Namen der erhabenen Fürsten einen schönen blühenden Rosenstock, wofür mein Bruder noch denselben Tag durch folgende Verse dankte:

Der Rosen reizende im himmlischen Gefilde
Bog heut ihr blühend Haupt mit königlicher Milde
Auf einen Dornenstrauch entfernter Flur herab;
Dies, Fürstin! ist das Bild, das meinem Schattenbilde
Den vollen Glanz der Jugend wieder gab.

O möchten sie, die jetzt Dein abgezog’nes Leben

Als Blüthen der Natur mit Lieb‘ und Trost umschweben,
Zu einem Siegeskranz der überwund’nen Zeit
Bald an einander angereiht,
Einst Deinem grauen Haar die Freude wiedergeben,
Mit welcher Dein Emblem das meinige geweiht
Und wundervoll in mir das ernstliche Bestreben
Nach Tugend und Verdienst erneut.

M.v.T.

[Fortsetzung 13. Dezember 1830]

[…] Der Herr Geheimrat von Göcking schickte meinem Bruder ein artiges Lied eines Mädchens aus dem zwanzigsten Jahrhunderte […]

[Beschluss 14. Dezember 1830]

Es erschienen außerdem noch eine Menge Gedichte, und Herr Thümmel sagt: mein alter Bruder war von den Freuden des schönen Tages ganz trunken. Das hatte er nicht erwartet, so freudig und unverhofft überrascht zu werden! Alle Gäste waren äußerst fröhlich. Abends ließ ich noch spät von dem Conditor des spanischen Gesandten, Herrn von Correa, – der in Berlin die beste Tafel und die feinsten Weine führt, – einen Punsch á l’africaine machen, der freilich besser ist als aller Punsch aus englischen und deutschen Conditoreien. –

Eines Tages besprach sich der ehrwürdige Verfasser des Tagebuches mit mehreren seiner Freunde, eine Wallfahrt nach Potsdam zu machen, um die dortigen Merkwürdigkeiten zu sehen. Er war ein großer Freund der Architektur, wie er überhaupt alle schönen Wissenschaften bis an sein Ende pflegte und liebte und jedes strebende Talent wahrhaft väterlich unterstützte. Wir kamen – schrieb er – zeitig in Potsdam an und besuchten sogleich das neue Palais. Der Geist des großen Friedrich zeigte sich hier in der Größe und Magnificenz  der Säle; übrigens herrschte darin eine schlechte Architektur; viele Vergoldung, französisches Schnitzwerk, viel Marmor ec. – Wir gingen dann nach Sanssouci; auch hier müßte ich meiner Empfindung wehe thun, wenn ich sagen wollte, daß ich etwas Ausgezeichnetes von Geschmack gefunden hätte, außer einem Saale, der auf 8 Säulen ruhte, und wo Friedrich der Große sonst mit seinen gelehrten Freunden speiste. Die Aussicht ist schön und fällt in Vergleichung mit Berlin und der umliegenden Gegend sehr auf. Aber das Merkwürdigste ist das ehemalige häusliche Leben Friedrich des Großen, welches man bei jedem Zimmer erzählen hört. Die Belohnung eines solchen Mannes, wie Friedrich es war, ist die, daß er seine Fortdauer noch Jahrhunderte nach seinem Tode ausdehnt, und wenn sein Bewußtseyn noch an unserem Erdklumpen hängt, – wer weiß, ob dieses nicht seyn könnte – so muß es für ihn Seligkeit seyn, zu wissen, daß vom Greise bis zum Kinde jetzt noch Alles sagt: Hier lebte er, hier saß er, hier wirkte er das Gute, dort that er das Große, hier sprach er das Witzige! Wir gingen zuerst in seine Bibliothek. In einer Nische stand sein Canapé, und vor diesem der Tisch voller Tintenflecke, an dem er einst geschrieben hatte. Sonderbar! es war auch nicht ein einziges deutsches Buch in der ganzen Bibliothek zu finden; alles waren französische und italienische Werke. Napoleon war bei seiner Anwesenheit über eine halbe Stunde in dieser Bibliothek geblieben und hatte tausende Fragen über den großen König gethan; darauf hat er zu seiner Begleitung feierlich gesagt: An diesem Tische saß Friedrich der Große und arbeitete seine Riesenpläne aus; man ist ihm Ehrfurcht schuldig; hierauf hat er seinen Hut gezogen, und sein ganzes Gefolge hat ein Gleiches gethan. […]

Nach dreimonatlichem Aufenthalte kehrte der würdige Hr. v. Thümmel, an Erfahrungen bereichert, in den Schooß der Seinigen zurück, fortwirkend in seinem vielverzweigten, ausgebreiteten Geschäftskreise. Er empfing in Berlin eigenhändige Briefe von dem Fürsten von Benevent, von dem Großmarschall Duroc und anderen berühmten Männern, wie er auch später in Paris mit dem französischen Cabinette diplomatische Unterhaltungen pflog, und sein Fürst, Herzog August, bei Napoleon in großer Gunst stand. Auch hierüber findet sich manches Interessante unter Thümmel’s nachgelassenen Papieren, und der Herausgeber dieser Auszüge behält sich vor, später darauf zurückzukommen, wenn, wie er hofft, diese Mittheilungen nicht ungünstig aufgenommen werden. Er ehrt in dem verstorbenen edlen Minister von Thümmel seinen Wohlthäter, seinen ermunternden Freund; und das Andenken an diesen ehrwürdigen Greis, dessen Leichnam in dem Schatten einer großen Königseiche schlummert, ist ihm heilig.“

"Première vue du Palais Neuf de Sanssouci de la Gallerie des Tableaux et ses Environs, prise de la Montagne de la Brasserie vis a vis de Sanssouci", Krüger, Andreas Ludwig / Meyer, Johann Friedrich / Niegelssohn, Johann August Ernst, 18. Jahrhundert, Technische Universität Darmstadt. Universitäts- und Landesbibliothek, Public Domain auf Europeana.eu
„Première vue du Palais Neuf de Sanssouci de la Gallerie des Tableaux et ses Environs, prise de la Montagne de la Brasserie vis a vis de Sanssouci“, Krüger, Andreas Ludwig / Meyer, Johann Friedrich / Niegelssohn, Johann August Ernst, 18. Jahrhundert, Technische Universität Darmstadt. Universitäts- und Landesbibliothek, Public Domain auf Europeana.eu

Diese erheiternden Episoden, die hier in der „Zeitung für die Elegante Welt“ (Link am Ende des Beitrags) abgedruckt wurden, verraten uns nicht viel über Thümmels tatsächliche Arbeit in Berlin, aber sie erweitern das große Repertoire an Anekdoten, die über den Minister bekannt sind und vor allem geben sie einen Einblick in das Verhältnis zwischen Hans Wilhelm von Thümmel und seinem älteren Bruder Moritz.

Moritz August von Thümmel

Heute ist Moritz August von Thümmel als Dichter kaum mehr bekannt, gehörte aber zu den am meisten gelesenen Autoren seiner Zeit. Vor allem seine Reihe „Reise in die mittäglichen Provinzen von Frankreich“ kann schon als berüchtigt gelten. 1738 in Schönefeld bei Leipzig als zweiter Sohn der Familie geboren, war er wie sein Bruder Hans Wilhelm, eines von insgesamt 19 Kindern der Familie. Kein Wunder also, dass es da bei Geburtstagen zu Verwechslungen kommen konnte.

Der Dichter Moritz August von Thümmel auf einer Lithografie nach dem Gemälde von Louise Seidler, Museum Burg Posterstein
Der Dichter Moritz August von Thümmel auf einer Lithografie nach dem Gemälde von Louise Seidler, Museum Burg Posterstein

Und hier auch die versprochene Auflösung des Irrtums. Hans Wilhelm von Thümmel schreibt: „Ich hatte nämlich den Geburtstag meiner Schwester mit dem meines guten Bruders verwechselt und war in dem festen Wahne, daß er den 12ten Mai sey, denn er ist nicht den 12ten, sondern 10 Tage später geboren.“ Aber leider stimmt auch das nicht. Moritz von Thümmel wurde nicht am 22. sondern am 27. Mai geboren.

Moritz August von Thümmel studierte später in Leipzig Jura, wandte sich aber bald den „schönen Künsten“ zu. 1761 wurde er unter dem späteren Herzog Ernst Friedrich von Sachsen-Coburg-Saalfeld zum Kammerjunker und drei Jahre später zum geheimen Hofrat und Hofmeister ernannt. 1768 wurde er Wirklicher geheimer Rat und Minister in Coburg. 1783 trat Moritz von Thümmel aus dem Staatsdienst aus und lebte vor allem in Gotha und auf Gut Sonneborn, das seiner Frau gehörte. Gelegentliche Aufenthalte führten ihn auch nach Coburg. Bereits in den 1770er Jahren reiste er viel: nach Amsterdam, Paris und schließlich durch ganz Frankreich. Sein Ruhestand vom Staatsdienst war durch viele kleine Reisen geprägt, unter anderem die nach Berlin im Jahr 1807. 1817 starb Moritz August von Thümmel und wie sein jüngerer Bruder Hans Wilhelm von Thümmel, wünschte er sich ein Grab im Grünen. Er wurde in Neuses, einem Dorf in der Nähe Coburgs beigesetzt.

Hans Wilhelm von Thümmel in der Ausstellung im Museum Burg Posterstein

Wenn Sie nun mehr über Hans Wilhelm von Thümmel und seinen Bruder erfahren möchten, dann freut es mich zu sagen, dass Burg Posterstein seit dem 6. Juni 2021 nach 215 Tagen Lockdown wieder für Besucher geöffnet ist und zu den regulären Öffnungszeiten besichtigt werden kann.

Blick in die Ausstellung zur Europäischen Salongeschichte im Museum Burg Posterstein in Thüringen.
Blick in die Ausstellung zur Europäischen Salongeschichte im Museum Burg Posterstein in Thüringen.

Aber keine Sorge! Auch wenn das Museum Burg Posterstein wieder geöffnet hat, bleiben wir Ihnen mit unserem Podcast LeseZEIT mit Geschichte und Geschichten aus dem Museum Burg Posterstein erhalten! In der nächsten Folge lesen wir aus den Briefen des Freiherrn Jakob Friedrich von Bielfeld, der im Dienst Friedrich des Großen gestanden hat. Wir lesen Auszüge, in denen er vom Leben auf seinem Landsitz in Treben und Haselbach im heutigen Altenburger Land berichtet. Die Besonderheit an dieser Folge: Sie soll am 18. Juli 2021, 15 Uhr, vorab live im Burghof der Burg Posterstein gelesen werden. Wenn Sie dabei sein wollen – melden Sie sich bitte vorab im Museum an, denn die Plätze sind begrenzt.

Bis zur nächsten Folge –  ob live oder auf den Kanälen der Burg Posterstein – wünsche ich Ihnen eine schöne Zeit! Auf Wiederhören!

Franziska Engemann / Museum Burg Posterstein


[1] Thümmels Aphorismen.

[2] Vgl.: Schnorr von Carolsfeld, Franz, „Müller, Methusalem“ in: Allgemeine Deutsche Biographie 22 (1885), S. 652 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd117602418.html#adbcontent

Zum Weiterlesen:

Thümmels Tagebuch in der Zeitung für die Elegante Welt

Zeitung für die elegante Welt : Mode, Unterhaltung, Kunst, Theater. 30. 1830 ## 10.12.1830

Zeitung für die elegante Welt : Mode, Unterhaltung, Kunst, Theater. 30. 1830 ## 11.12.1830

Zeitung für die elegante Welt : Mode, Unterhaltung, Kunst, Theater. 30. 1830 ## 13.12.1830

Zeitung für die elegante Welt : Mode, Unterhaltung, Kunst, Theater. 30. 1830 ## 14.12.1830

LeseZEIT – Folge 4: Louise Seidler

Geschichte & Geschichten Veröffentlicht am 1. Mai 2021 von Museum Burg Posterstein2. Mai 2021

In der heutigen Folge der LeseZEIT unternehmen wir einen akustischen Ausflug zu einer der bekanntesten Sehenswürdigkeiten der Stadt Altenburg vor 200 Jahren. Ihre Reisebegleiterin aus dem Burgstudio Posterstein ist wieder die Historikerin Franziska Engemann. Und damit heiße ich Sie ganz herzlich Willkommen, liebe Zuhörende, zu unserer kleinen Exkursion ins Grüne.

Sie können auch diese Folge als Blogpost lesen oder als Podcast anhören.

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In der letzten Folge wurden wir bereits mit Minister Hans Wilhelm von Thümmel bekannt gemacht, der gerne als „Verschönerer Altenburgs“ tituliert wurde und dessen sterbliche Überreste noch heute in der 1000jährigen Eiche in Nöbdenitz ruhen.

Altenburg im 19. Jahrhundert, kolorierte Lithografie, Museum Burg Posterstein
Ansicht von Altenburg im 19. Jahrhundert, kolorierte Lithografie, Museum Burg Posterstein

Doch nicht nur seine ungewöhnliche Grabstätte regte seine Zeitgenossen zu Berichten und Spekulationen an, auch sein Geschick in der Landschaftsgestaltung inspirierte zu Gedichten, Reisebeschreibungen und zum Teil zu heiteren Anekdoten. Thümmels Verdienste für den Altenburger Landesteil des Herzogtums Sachsen-Gotha und Altenburg waren vielfältig: der Bau eines modernen Krankenhauses in Altenburg, der Ausbau der Landesstraßen samt Begrünung durch die Anpflanzung von Bäumen, die Vermessung und Kartographierung des Landesteiles sind nur einige Beispiele dafür.

Thümmels Garten in Altenburg auf einer Radierung von Adrian Zingg (Sammlung Lindenau-Museum Altenburg)
Thümmels Garten in Altenburg auf einer Radierung von Adrian Zingg (Sammlung Lindenau-Museum Altenburg)

Besonderen Reiz übten vor allem Thümmels Gärten aus, die er mit großem Geschick und außerordentlichem Geschmack anzulegen wusste. Beispiele dafür wären die Umgestaltung des Schlossparks in Altenburg zu einem englischen Landschaftsgarten oder sein privater Garten in Nöbdenitz, der Teile der Natur wie einen Steinbruch oder Waldstücke in die Gestaltung einbezog. Er ließ verschiedene Schmuckelemente und –häuser errichten, wie das chinesische Badehaus in Untschen oder die „Polnische Hütte“ – auch Caroliens Höhe genannt –, die ein beliebtes Ausflugsziel mit Gastwirtschaft, Kegelbahn und hunderten Kirschbäumen war. Thümmels eigentliches Meisterstück war allerdings sein Privatgarten in Altenburg – ein Landschaftsgarten mit Felsengrotte, Fischteichen, Sonnenuhr, Schmuckhäuschen in verschiedenen Stilen und einem klassizistischen Palais mit Glaskuppeldach.

Lange Zeit stand diese Sehenswürdigkeit, die von einer Mauer mit sieben Toren umgeben war, der Bevölkerung offen. Einheimische wie Reisende besuchten den Garten und genossen die herrliche Aussicht über Altenburg. Einen ganz besonderen Einblick erhielt 1817 die Porträt- und Historienmalerin Louise Seidler (1786-1866), die für einen Auftrag in die Residenzstadt kam und einige Tage im Thümmelschen Palais wohnte.

Selbstportrait der Malerin Louise Seidler (1786–1866). Aus: Hermann Uhde (Hrsg.): Erinnerungen der Malerin Louise Seidler. 2. Aufl., Propyläen, Berlin 1922, S. 228. Public domain, via Wikimedia Commons
Selbstportrait der Malerin Louise Seidler (1786–1866). Aus: Hermann Uhde (Hrsg.): Erinnerungen der Malerin Louise Seidler. 2. Aufl., Propyläen, Berlin 1922, S. 228. Public domain, via Wikimedia Commons

Louise Seidler gelang eine herausragende Karriere als Künstlerin. 1786 wurde sie in Jena geboren und erhielt erste künstlerische Unterweisungen in Gotha und Jena, u.a. bei Friedrich Wilhelm Döll (1750-1816). Seit 1810 hielt sie sich vor allem in Dresden auf, erweiterte ihre Kenntnisse unter Gerhard von Kügelgen (1772-1820) und widmete sich vor allem dem Kopieren der alten Meister in der Dresdner Galerie. Dort begegnete sie auch ihrem späteren Freund und Mentor Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832).

Durch Großherzog Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach (1757–1828) erhielt Louise Seidler 1817 ein Stipendium, das ihr ein Studium an der Kunstakademie in München und ein Jahr später eine Reise durch Italien ermöglichte. Dort schloss sie sich der Künstlergemeinschaft der Nazarener an, die eine romantisch-religiöse Kunstrichtung vertraten. 1823 kehrte Louise Seidler nach Weimar zurück, wurde die Zeichenlehrerin der Prinzessinnen Marie (1808–1877) und Augusta (1811–1890) und etablierte sich als freie Künstlerin. 1824 wurde sie zur Kustodin der großherzoglichen Gemäldesammlung ernannt, 1835 auch zur Hofmalerin. 1863 begann sie ihre Lebensgeschichte aufzuschreiben. Aufgrund einer allmählich voranschreitenden Erblindung, ist es wahrscheinlich, dass sie ihre Erinnerungen diktierte. 1866 starb Louise Seidler in Weimar. Ihre Memoiren bleiben unvollendet, gelten aber als wichtige Quellen für das Schaffen dieser außerordentlichen Frau, genauso aber auch für das Leben und Schaffen ihrer Künstlerkollegen. Oft wurde Louise Seidler nur im Zusammenhang mit Goethe bekannt, dabei sind ihr künstlerisches Werk und ihre Karriere außergewöhnlich. Trotz zahlreicher Hindernisse und Unverständnis seitens ihrer Zeitgenossen verwirklichte Louise Seidler ihren Traum, als freischaffende Künstlerin am Anfang des 19. Jahrhunderts erfolgreich zu sein.

Thümmels Garten in Altenburg auf der Thümmelschen Karten von 1813, Section VIII.
Thümmels Garten in Altenburg auf der Thümmelschen Karten von 1813, Section VIII.

In unserer heutigen LeseZEIT reisen wir in das Jahr 1817. Kurz bevor Louise Seidler ihr Studium in München beginnt, begibt sie sich noch einmal nach Weimar, Gotha und Altenburg. Sie trifft nicht nur auf den Herzog August von Sachsen-Gotha und Altenburg, sondern auch auf Hans Wilhelm von Thümmel, für dessen Auftrag sie im April nach Altenburg aufbricht.

Ich lese aus den „Erinnerungen der Malerin Louise Seidler“, herausgegeben von Hermann Uhde, in der neuen Ausgabe des Propyläen-Verlag Berlin, 1922. Der Textausschnitt umfasst die Seiten 82 bis 84.

„Nun ging es mit dem Anfang des neuen Jahres 1817 an die Vorbereitungen zu der für mich so wichtigen Reise nach München. Ich ordnete alle meine Verhältnisse gleichsam testamentarisch; dann nahm ich Abschied von den Verwandten und Freunden in Weimar und Gotha. Hier wurde mir noch eine Audienz vom Herzog August bewilligt, in welcher er mir einen letzten, wunderbaren Auftrag erteilte. Er beschäftigte sich nämlich damals gerade mit der indischen Religion und nahm an, daß Brahma, Wischnu und Schiwa das Nämliche wie unsere Dreieinigkeit wäre. Er sprach mit mir lange darüber und stellte mir endlich die Aufgabe: Christus als Wischnu zu malen; er müsse Perlmutter-Augen haben, die Fingernägel seinen mit Alhenna – jener Wurzel, die im Orient von den Weibern zum Schminken gebraucht wird – rot gefärbt, auf seiner Brust erblicke man einen Fisch usw. Mir schwindelte der Kopf; ich verneigte mich und stammelte etwas wie: ‚Ich will’s versuchen!‘

Bei diesem letzten Besuche in Gotha machte ich noch die Bekanntschaft des ehedem allmächtigen Gothaischen Ministers Thümmel, der sich vor nicht langer Zeit nach Altenburg zurückgezogen hatte. Er war der Bruder des Verfassers der berüchtigten „Reise in das mittägliche Frankreich“ und hegte den Wunsch, daß ich den Autor dieses Werkes noch vor meiner Abreise nach München malen möchte; eine Bestellung, der ich nicht wohl aus dem Wege gehen konnte.

Im Hause von Hans Wilhelm von Thümmel fand im Altenburg des frühen 19. Jahrhunderts ein reger Teil des gesellschaftlichen Lebens statt.
Im Hause von Hans Wilhelm von Thümmel fand im Altenburg des frühen 19. Jahrhunderts ein reger Teil des gesellschaftlichen Lebens statt.

Der Auftraggeber, Exzellenz von Thümmel, der vormalige Minister, war ein schöner, origineller, geistreicher Mann, von dem die geheime Geschichte berichtet, daß er sich die Gunst der einstigen Erbprinzessin von Gotha, geborene Prinzeß von Mecklenburg, erworben, deren weibischer Gemahl (der wunderliche Herzog August) der Krone keinen Erben verhieß. Noch spät schienen die Wünsche des Landes in Erfüllung gehen zu sollen, jedoch kein Prinz, sondern eine Prinzessin wurde geboren; die von mir in diesen Blättern bereits erwähnte nachmalige Herzogin von Koburg.

Ehe ich der Einladung des Ministers von Thümmel folgen konnte, wurde es April; in den letzten Tagen dieses Monats traf ich in Altenburg ein. Dort hatte sich der reich begüterte Mann nach seinem Rücktritt vom Staatsdienst eine Villa erbaut; die höchst geschmackvolle Besitzung lag auf einem kleinen Berge, rings um dieselbe zog sich ein weitläufiger Park, worin sich ein großer Fischteich befand. In diesem Parke sah man fünf oder sechs Schweizerhäuschen, an welche das Gerücht manches Liebesabenteuer des galanten Ministers knüpfte. Kein Wunder also, daß dessen Gemahlin (geb. von Rothkirch), als sie von der Einladung gehört hatte, welche mir zuteil geworden war, erst genaue Erkundigungen über mich einzog. Da diese beruhigt ausfielen, wurde mir ein Atelier und Schlafzimmer dicht neben den Gemächern der Töchter des Hauses eingeräumt.

Ein unverheirateter Sohn des Ministers war in der Nähe von Altenburg als Oberforstmeister angestellt. Als wir ihn eines Tages besuchten, fiel uns ein schmucker und trotz seiner anscheinend großen Jugend sehr gewandter Jägerbursche angenehm auf, welcher die Bedienung bei Tische besorgte. Daß dieser schöne und kräftige Jüngling – ein Weib war, ahnte niemand. Dennoch war dem so; ohne es zu wissen, sahen wir eine Geliebte des jungen Thümmel vor uns, welche diesen auf Reisen, in die Bäder usw. als Diener begleitete.

Der Minister von Thümmel, immer noch eine sehr stattliche Erscheinung, war ein barocker Mensch; einmal ließ er auf dem Dache eines türkischen Kiosks, wo sich ein länglicher Altan befand, im Freien das Diner servieren, obwohl es im April und eisig kalt war. Schnee und Hagel fiel auf die Tafel nieder, allein wir mußten ausharren. Das Abenteuerliche hatte eben für den Herrn des Hauses einen besonderen Reiz. Noch auf dem Totenbette befahl er, daß man ihn, wenn er gestorben sein, in aufrechter Stellung, nur mit einem Betttuche umwickelt, auf seinem Landgute Nöbdenitz bei Löbichau, in dem inneren Raume einer uralten riesenhaften Eiche, wo er häufig getafelt hatte, beisetzen solle; ein Verlangen, welchem man, wie ich gehört zu haben glaube, wirklich nachgab.

Der Dichter Moritz August von Thümmel auf einer Lithografie nach dem Gemälde von Louise Seidler, Museum Burg Posterstein
Der Dichter Moritz August von Thümmel auf einer Lithografie nach dem Gemälde von Louise Seidler, Museum Burg Posterstein

Des Ministers Bruder, der Dichter Moritz August von Thümmel, den ich porträtieren sollte, war damals schon ein zusammengesunkener, abgelebter Greis mit verschrumpften Zügen und kleinen, blinzelnden, grauen Augen. Trotz seiner Häßlichkeit machte er indessen einen freundlichen Eindruck. Da er sehr schwächlich war – kein Wunder bei seinen neunundsiebzig Jahren! – so vermied er es, viel zu sprechen; die Aufgabe ihn zu malen, war daher keineswegs anziehend. Einige Entschädigung für dieselbe gewährte mir eine angenehmere Arbeit, welche bei mir bestellt ward, nämlich ein lebensgroßes Bild der Domina des Altenburger Damenstifts, der schönen Freiin von Friesen, diese in der malerischen Ordenstracht darstellend.

Endlich waren beide Gemälde vollendet. Ich kehrte nach Jena zurück, traf meine letzten Vorbereitungen, und am 4. Juli 1817 brach ich bei herrlichem Reisewetter von meiner Vaterstadt auf, ausgerüstet mit zwei Empfehlungsbriefen Goethes, von dem ich am Tage zuvor dankbaren Herzens und in tiefer Bewegung Abschied genommen hatte.“

Ob die von Louise Seidler erwähnten Gerüchte über Hans Wilhelm von Thümmel und seinen Sohn stimmen, lässt sich heute nicht mehr überprüfen.

Der Garten Hans Wilhelm von Thümmels ist jedoch inzwischen aus dem Stadtbild Altenburgs verschwunden. Bereits nach Thümmels Tod 1824 begannen seine Erben das weitläufige Grundstück in Teilen zu verkaufen und die Anlage zu verkleinern. Heute erinnert nichts mehr, an die einstige Sehenswürdigkeit der Residenzstadt. Auch das klassizistische Palais, das zu Beginn sogar eine Bibliothek beinhaltete, hat sich in das heutige Straßenbild eingefügt. Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts waren die Seitenflügel verbaut worden. Heute lässt sich nur noch der Mittelbau des Hauses auf der abgewandten einstigen Parkseite der Thümmelstraße (jetzt Hausnummer 3) noch erahnen. 

Parkseite des Thümmelschen Palais 2016 (Foto: Museum Burg Posterstein)
Parkseite des Thümmelschen Palais 2016 (Foto: Museum Burg Posterstein mit freundlicher Genehmigung von Wolfgang Herget)

Auch viele der anderen Thümmelschen Gärten im heutigen Altenburger Land sind verschwunden oder nur noch in Teilen erhalten geblieben. Dem gärtnerischen Erbe der einstigen Residenzstadt widmen dennoch – oder gerade deshalb – die vier großen Museen des Altenburger Landes 2021 eine gemeinsame Ausstellungsreihe mit dem schönen Titel: „Grünes im Quadrat – Historische Gärten im Altenburger Land”. Das Lindenau Museum Altenburg, das Residenzschloss Altenburg, das Naturkunde Museum Mauritianum und das Museum Burg Posterstein planen je eine eigene Ausstellung zu historischen oder modernen Gärten. Begleitet wird die Reihe durch einen gemeinsamen Katalog „Grünes im Quadrat“, der im Sandstein Verlag erschienen ist.

Der Start der Postersteiner Schau „#GartenEinsichten: „Wie der Gärtner, so der Garten“ – Gartenkultur als Spiegel der Gesellschaft“ ist voraussichtlich ab Mai 2021 geplant. Sobald es die aktuelle Pandemie-Situation zulässt, wird die Ausstellungseröffnung nachgeholt. Bereits jetzt laden wir in der Mitmach-Aktion #GartenEinsichten dazu ein, persönliche Eindrücke aus Gärten und Parks zu teilen.

Zum Weiterlesen

Wer mehr über Louise Seidler erfahren möchte, dem empfehle ich den Eintrag in der Deutschen Biografie und den Blogbeitrag „Nazarenerin, Hofmalerin, Kustodin“ von Uta Baier, zu finden auf der Website der Kulturstiftung der Länder.

„Grünes im Quadrat“ im Überblick

Die Ausstellungsreihe "Grünes im Quadrat" umfasst nicht nur vier Ausstellungen mit Gartenthema, es erscheint auch das zugehörige Buch "Grünes im Quadrat" im Sandstein Verlag.
Die Ausstellungsreihe „Grünes im Quadrat“ umfasst nicht nur vier Ausstellungen mit Gartenthema, es erscheint auch das zugehörige Buch „Grünes im Quadrat“ im Sandstein Verlag.

Museum Burg Posterstein
#GartenEinsichten: „Wie der Gärtner, so der Garten“ – Gartenkultur als Spiegel der Gesellschaft
sobald möglich bis 14. November 2021

Residenzschloss Altenburg
Gartenlust und Parklandschaft – Die Geschichte des Altenburger Schlossparks
21. Mai bis 3. Oktober 2021

Lindenau-Museum im Residenzschloss Altenburg
Gärten vor der Linse – Die Gartenstadt Altenburg
21. Mai bis 3. Oktober 2021

Naturkundemuseum Mauritianum
Der Grund des Gartens: Porphyr
2. Juli bis 31. Dezember 2021

Zur Ausstellung erscheint der Katalog „Grünes im Quadrat“ im Sandstein-Verlag.

Das Ausstellungsprojekt “Grünes im Quadrat” steht unter der Schirmherrschaft von Minister Professor Dr. Benjamin-Immanuel Hoff.

Und mit diesem Lese- und Ausstellungstipp möchte ich mich für heute bei Ihnen, liebe Zuhörende, verabschieden und würde mich freuen, sie auch in der nächsten Folge der LeseZEIT oder im Museum selbst begrüßen zu können. Bis zum nächsten Mal!

Von Franziska Engemann / Museum Burg Posterstein

Pin LeseZEIT Folge 4

Geschichte & Geschichten

Das thüringische Museums Burg Posterstein bloggt seit 2011 über Geschichte und Geschichten aus Sammlung, Forschung und Museumsalltag.

IN ENGLISH: Since 2011 the German Museum Burg Posterstein writes stories about its collection, research and everyday life at the museum – here you find all texts in English.

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