Der bedeutende Sachsen-Gotha-Altenburgische Minister Hans Wilhelm von Thümmel (1744–1824) verfasste auch Aphorismen – kurze Sinnsprüche, die teilweise heute noch genauso wahr sind wie vor 200 Jahren. Thümmel verbrachte seine letzten Lebensjahre vor allem auf seinem Rittergut Nöbdenitz und zählte auch zu den regelmäßigen Gästen am Musenhof Löbichau der Herzogin von Kurland.
Für das Herzogtum Sachsen-Gotha und Altenburg leistete Hans Wilhelm von Thümmel Großes – zu seinen wichtigsten Verdiensten zählen die Vermessung und Kartierung des Herzogtums und der Bau des ersten Krankenhauses und eines Armenhaus. Aber er prägte den Landstrich auch durch seine gartengestalterischen Ideen nachhaltig. In der ständigen Ausstellung des Museum Burg Postersteins erhält Hans Wilhelm von Thümmel daher einen besonderen Platz.
Hans Wilhelm von Thümmel als Dichter
„Die Stärke des Neides ist gewöhnlich der richtige Maßstab für die Größe des Verdienstes“ , notierte einst Hans Wilhelm von Thümmel (Thümmel, Aphorismen 1821, Nr. 134).
Thümmel, ein aufgeklärter und musischer Geist, veröffentlichte auch eigene Schriften. Darunter sind die 1821 und 1827 herausgegebenen „Aphorismen, aus den Erfahrungen eines SiebenundSiebzigjährigen“ sicherlich bemerkenswert und haben auch nach fast 200 Jahren nichts an Aktualität eingebüßt.
Ein Aphorismus ist laut Duden ein „prägnant-geistreicher, in sich geschlossener Sinnspruch in Prosa, der eine Erkenntnis, Erfahrung, Lebensweisheit vermittelt“ – und viele dieser Lebensweisheiten Thümmels sind heute noch gültig.
Thümmels Aphorismen digital
Ursprünglich im Selbstverlag erschienen und vor allem an enge Freunde verschenkt, kann man den ersten Teil von 1821 inzwischen auch auf Google Books lesen. Seine „Nachgelassene Aphorismen aus den Erfahrungen eines 77jährigen“ hat die Münchner Digitale Bibliothek online zugänglich gemacht.
„Nichts ist törichter als Religionszwist. Auf den Feldern steht Weizen, Korn, Gerste und gedeiht nebeneinander. Jedes einzeln verbacken gibt ein gesundes, zusammen verbacken ein weißes und schmackhaftes Brot. Warum nicht in Religionssachen die Meinungen einigen? Huldigung, Anbetung dem großen Verwalter der Natur ist doch allein der Zweck aller Religionen.“
(Thümmel, Aphorismen 1821, Nr. 54)
Diese kleinen Weisheiten aus einer über 50 Jahren im Dienst der Ernestiner Herzöge in Gotha und Altenburg verfasste Hans Wilhelm von Thümmel auf seinem Gut Nöbdenitz, wo er seinen Lebensabend verbrachte. Oftmals saß der Minister und Geheime Rat dabei im Inneren der 1000jährigen Eiche, die ihn inspirierte und welche er zu seiner Grabstätte bestimmt hatte. Noch ein paar Kostproben:
„Ehe man an ein wichtiges Unternehmen geht, frage man sich: wie, wo und wann es enden kann.“
(Thümmel, Aphorismen 1821, Nr. 124)
„Zorn raubt der Vernunft ihre Rechte und setzt die Leidenschaft auf den Thron.“
(Thümmel, Aphorismen 1821, Nr. 7)
„O! wie selig wäre der Mensch, wenn er seinem treuen Hunde, um von ihm Worte der Liebe und Theilnahme anzuhören, die Zunge lösen und dem falschen Freunde den Mund für immer stopfen könnte.“
(Thümmel, Aphorismen 1821, Nr. 184)
„Wenig Bedürfnisse zu haben, ist der erste Schritt zur Freiheit.“
(Thümmel, Aphorismen 1827, Nr. 249)
Thümmel dichtete in der 1000-jährigen Eiche
Hans Wilhelm von Thümmel soll in der hohlen 1000-jährigen Eiche gesessen und gedichtet haben. Ein Aphorismus lautet:
„Welche Kunst kann wohl dem Reize der Natur beikommen? Das Verlangen, zu gefallen, übersieht immer diese große Wahrheit.“
(Thümmel, Aphorismen 1821, Nr. 105)
„Wer für die melodische Stimme des Waldes kein Ohr, wer für die Reize der Natur nur ein flüchtiges Auge, wer bei Erblickung des strotzenden Fruchtbaums und bei den grünenden Saaten, die Reiche und Arme sättigen, keine dankbare Zunge, wer für Millionen duftender Blumen und Kräuter nur stumpfe Nerven hat, der besitzt zwar Thiergefühl, aber keine Empfindung: er mag im Sumpfe ekler Zerstreuung sein Leben hinhauchen.“
(Thümmel, Aphorismen 1821, Nr. 140)
Der Schriftsteller, Journalist, Archäologe, Studiendirektor und Oberinspektor der Altertumsmuseen in Dresden, Carl August Böttiger, (1760-1835), u.a. auch befreundet mit Elisa v. der Recke und der Herzogin von Kurland, verfasste nach Thümmels Tod einen Nachruf, der in der Abend-Zeitung, Nr. 65, am Dienstag, den 16. März 1824, in Dresden in der Arnoldschen Buchhandlung erschien. Darin erwähnt der Autor, der Thümmel am Löbichauer Musenhof persönlich kennengelernt hatte:
„Er hatte in den, sein Gut Nöbdenitz (eine Stunde von Ronneburg) umgebenden Lustwegen eine gewaltige Eiche in ihrem Innern so einrichten lassen, daß sich darin ein bequemer Moossitz und auch noch Platz für eine kleine Gesellschaft befand. In diese Baum-Lesche, wie sie ein Altenburger Antiquar einst benannte, pflegte er sich noch im höchsten Alter während des Sommers niederzusetzen und im kühlenden Schatten auszuruhen. Dort schrieb er auch einige der Aphorismen nieder, wovon er zwei Sammlungen bloß als Manuscript für Freunde drucken ließ und in welche er über Hofhaushalt und die mannigfaltigsten Lebensverhältnisse, die den bis ins höchste Alter in der Erinnerung und Gegenwart kräftigen Greis oft noch ein Lächeln abgewannen, so wie über alle Umtriebe des großen geschäftigen Bienenkorbes, den uns einst Mandeville beschrieb, seine Bemerkungen niederlegte.
Nach seiner ausdrücklichen Verordnung ward nun auch die sterbliche Hülle des Entschlafenen in dieser Eiche bestattet und so seiner Lieblingsphantasie, einst in den Blättern des Baumes den Lebenden noch einen Gruß zuzuflistern von seinen treuesten Pflegerinnen, seiner ihn überlebenden Gemahlin und Kindern, Gewährung zugestanden.“
Hintergrund
Der Blogpost entstand im Rahmen der Sonderausstellung „Im Dienste der Ernestiner“ 2016 und wurde 2021 aktualisiert. Im Zusammenhang mit der Thüringer Landesausstellung „Die Ernestiner – eine Dynastie prägt Europa“ zeigte das Museum Burg Posterstein von 26. Juni bis 30. Oktober 2016 diese Sonderausstellung zum bedeutenden Gotha-Altenburgischen Minister Hans Wilhelm von Thümmel (1744–1824).
Zum Weiterlesen:
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Auch in der ständigen Ausstellung im Museum Burg Posterstein hat der Thümmel einen besonderen Platz.