Unter der Überschrift „Burg Posterstein – Trutzig seit 1191“ zeigte das Museum Burg Posterstein 2024 zwei Sonderschauen zur Burggeschichte. Hier im Blog geben wir dazu in zwei Teilen ein Resümee. Teil 1 zum Thüringer Burgenjahr und zur Ausstellung „Schlag um Schlag – Die Burg als Gerichtsort“ gibt es hier. Dieser Teil 2 widmet sich der Ausstellung „Stein auf Stein – Von der Wehrburg ins Heute“ und den Besuchszahlen der Ausstellungsreihe.
Übrigens: Auf dem Beitragsbild stehen Christoph und Andrea Tanneberger aus dem Museumsverein Burg Posterstein vor der Burg. Sie begrüßten am Tag der Ausstellungseröffnung die Besucherinnen und Besucher.
Ausstellung Stein auf Stein – von der Wehrburg ins Heute
Die Ausstellung „Stein auf Stein – Von der Wehrburg ins Heute” vom 8. September 2024 bis 17. November 2024 war der zweite Teil unserer Ausstellungsreihe „Burg Posterstein – Trutzig seit 1191”. Sie beschäftigte sich mit der baulichen Entwicklung der Burg im Verlauf der Jahrhunderte und dem Umbau von der Verteidigungsanlage zum Wohnschloss und später zum Museum. Jede auf der Burg ansässige Familie passte das Gebäude an die eigenen Bedürfnisse und die Erfordernisse der jeweiligen Zeit an. Und auch heute wird die Burg durch den Neubau des Nordflügels und den barrierefreien Zugang fit gemacht für neue Anforderungen und Herausforderungen.
Blick in die Sonderschau „Stein auf Stein – Von der Wehrburg ins Heute“.
Auf Stoffbannern stellte die Ausstellung die verschiedenen Gebäudebestandteile sowie ihre bauliche und geschichtliche Entwicklung, sortiert nach Himmelsrichtungen, vor. Fundstücke aus der Ruine des historischen Nordflügels der Burg und von der Restaurierung in den 1980er Jahren veranschaulichten die baulichen Veränderungen im Lauf der Zeit, darunter Kaminschmuck und Kaminbestandteile, Fragmente eines Deckensimses und Stucknägel aus dem Obergeschoss des Westflügels.
Baugeschichtliche Fundstücke aus der Burg Posterstein in der Ausstellung „Stein auf Stein“.
Ein Highlight der Ausstellung: Das Tastmodell der Burg Posterstein
Highlight der neuen Ausstellung waren eine Medienstation mit einem Tastmodell der Burg im heutigen baulichen Zustand samt einem Film, der die Burggeschichte in sechs Minuten kurzweilig zusammenfasst.
Besucherinnen am Eröffnungstag vor der neuen Medienstation zur Baugeschichte der Burg Posterstein (Foto: Hannes Menzer).
Das Tastmodell, das die Firma SHAPEwerk im 3D-Druck-Verfahren herstellte, ermöglicht nicht nur eine Ansicht der Burgarchitektur im Ganzen, sondern ist auch ein Schritt zum Abbau von Barrieren im Museum. Es ermöglicht sehbehinderten Besuchern, die Burg und ihr Aussehen mit den Händen zu erkunden und kann bei Führungen zum Einsatz kommen. Im Erklärfilm wurde bewusst auf den Einsatz von professionellen Schauspielern verzichtet. Stattdessen erläutert Museumsmitarbeiterin Franziska Huberty in Lebensgröße auf Knopfdruck die verschiedenen Phasen der Baugeschichte der Burg. Das schafft Nähe, denn Franziska Huberty begegnet den Besucherinnen und Besuchern unter Umständen auch in der Burg und an der Museumskasse. Das bisherige Besucherfeedback bestätigt den Erfolg dieses Ansatzes.
Das Modell der Burg wird zum Blickfang der Dauerausstellung.
Untermauert wird die filmische Erläuterung durch mehrere 3D-Rekonstruktionen der Bauphasen der Burg, die das Museumsteam für die Ausstellung gemeinsam mit der Firma Archimedix erstellte. Sie veranschaulichen die archäologischen und restauratorischen Erkenntnisse in bisher nicht dagewesener Form.
Die bei den Museumsgästen beliebte Medienstation ist auch nach Ausstellungsende ein fester Teil der ständigen Ausstellung in der oberen Halle der Burg.
Das Buch „Burg Posterstein von der Wehrburg ins Heute“
Zur Sonderschau erschien das neue Buch „Burg Posterstein von der Wehrburg ins Heute“, das die Burg- und Baugeschichte zum aktuellen Stand dokumentiert. Enthalten sind auch einige der 3D-Rekonstruktionen, die für Ausstellung entstanden sind. Das Buch ist im Hardcover-Format im Museum erhältlich und als Taschenbuch und E-Book über den Buchhandel bestellbar. Hier gibt es weitere Infos zum Buch.
Das Buch „Burg Posterstein von der Wehrburg in Heute“ fasst die Geschichte der Burg zusammen.
Exklusive Führungen am Eröffnungstag
Über den Tag der Ausstellungseröffnung verteilt fanden sechs Führungen durch die Sonderschau und auf der Baustelle des neuen Nordflügels statt. Sie waren im normalen Eintrittspreis inbegriffen und freuten sich großer Beliebtheit, boten sie doch auch exklusive Einblicke in die Baustelle des neuen Nordflügels.
Führung auf der Baustelle des neuen Nordflügels der Burg Posterstein am 8. September 2024.
Denn derzeit findet bei laufendem Museumsbetrieb das größte Bauprojekt der neueren Burggeschichte statt: Der Wiederaufbau des Nordflügels der Burg. Er erweitert nicht nur die Ausstellungs- und Depotflächen des Museums, sondern macht die Burg barrierefrei zugänglich und bringt die Sanitäranlagen auf den neusten Stand. Das zeigt: Die Burggeschichte ist noch lange nicht zu Ende erzählt, sondern kann live mitverfolgt werden – zum Beispiel in unserem Bautagebuch.
Bei einer der Führungen durch die Sonderschau „Stein auf Stein“ am Eröffnungstag.
Besucherzahlen der Ausstellungsreihe „Trutzig seit 1191“
Zusammengenommen schauten sich vom 12. Mai bis 17. November 2024 rund 16.600 Museumsgäste die Ausstellungsreihe „Trutzig seit 1191“ an. Die Mehrheit davon (78 Prozent) besuchen die Burg im Rahmen eines Tagesausflugs. 16 Prozent machten Urlaub in der Region und sechs Prozent waren auf der Durchreise. 25 Prozent wurden über das Internet auf das Museum aufmerksam, jeweils elf Prozent kamen wegen der Beschilderung an der Autobahn oder auf Empfehlung von Freunden und Verwandten. Das „Thüringer Burgenjahr“ explizit als Besuchsgrund wurde nur ein einziges Mal bei der Besucherbefragung an der Museumskasse genannt.
Teile der Ausstellung im Gerichtsraum der Burg wurden nach Ablauf der Sonderschau Teil der ständigen Ausstellung. (Foto: Ronny Ristok)
Was bleibt von der Ausstellungsreihe „Trutzig seit 1191“?
Während die Sonderausstellungen naturgemäß nach Ablauf in das Archiv des Museums übergehen, bleiben einige für die Ausstellung entstandenen Vermittlungsangebote auch langfristig für die Besucherinnen und Besucher zugänglich. Das sind unter anderem das Buch „Burg Posterstein von der Wehrburg ins Heute“, der neu gestaltete Gerichtsraum der Burg samt der Medienstation mit den fünf nachgespielten historischen Gerichtsfällen, die Medienstation mit dem Tastmodell der Burg und dem Kurzfilm zur Burggeschichte und die Rätseltour „True Crime auf Burg Posterstein“ für Escapespielfreunde.
Das Thüringer Burgenjahr 2024 stellte die zahlreichen Thüringer Burgen in den Mittelpunkt der touristischen Werbung. Das nahm das Museum Burg Posterstein unter der Überschrift „Burg Posterstein – Trutzig seit 1191“ zum Anlass für zwei Sonderschauen zur Burggeschichte. Hier im Blog geben wir dazu in zwei Teilen ein Resümee.
Das Thüringer Burgenjahr
Im Rahmen der Burgenjahr-Kampagne entstanden eine Landing-Page zu Thüringer Burgen und ein gelungener Drohnenflug-Film, der Burg Posterstein aus neuen Winkeln präsentierte. Dieser Film war nicht nur in unserer Ausstellung, sondern auch auf den Burgenjahr-Ausstellungen der Wartburg und der Veste Heldburg zu sehen. Beide Ausstellungen nahmen die Burg im Allgemeinen und Thüringer Burgen im Speziellen in den Blick.
Das Deutsche Burgenmuseum auf der Veste Heldburg stellte im Rahmen seiner Burgenjahr-Ausstellung verschiedene Thüringer Burgen vor, darunter auch Burg Posterstein.
Das Museum Burg Posterstein präsentierte im Burgenjahr in zwei neuen Ausstellungen aktuellste Ergebnisse seiner Forschungen zur Geschichte der Burg Posterstein. Dabei bildeten die Gerichtsbarkeit in der Grundherrschaft Posterstein sowie die Baugeschichte der Burg die Schwerpunkte.
Die Ausstellung „Schlag um Schlag – die Burg als Gerichtsort“
Die Ausstellung “Schlag um Schlag – Die Burg als Gerichtsort” vom 12. Mai bis 17. November 2024 war Teil 1 der Ausstellungsreihe „“Burg Posterstein – Trutzig seit 1191”. Im Gerichtsraum der Burg, dem historischen Schauplatz für Gerichtsverhandlungen, präsentierte sie neue Forschungsergebnisse zur Geschichte der Gerichtsbarkeit. Im Mittelpunkt stand die Burg als Ort, an dem Gericht gehalten und Recht gesprochen wurde.
Die Burg als Gerichtsort
Der Burgherr besaß das Recht, über seine Untertanen zu richten und war oftmals auch der Richter. Dabei entschied er nicht willkürlich. Über kleinere Anliegen wie Beleidigungen, Diebstähle, Fälle von Vormundschaft und Erbrecht (die niedere Gerichtsbarkeit betreffend) entschied das Burggericht selbst. Bei schwerwiegenderen Fällen wie Gewalt und Mord (höhere Gerichtsbarkeit) holte man sich Rat von Rechtsgelehrten der Universität Jena.
Die Ausstellung „Schlag auf Schlag“ fügte sich ins Ambiente des historischen Gerichtsraums der Burg ein.
Eine Dorfordnung und Rügegerichtsordnung bestimmten, was man durfte oder nicht durfte und welche Strafen die jeweiligen Vergehen nach sich zogen. Ein jeder wurde dazu angehalten, sich „eines ehrbaren und gotteswohlgefälligen Lebens zu befleißigen“.
Seit dem 16. Jahrhundert wurden professionelle Advokaten angestellt. Ihnen zur Seite standen die Laienrichter und Schöffen aus der Dorfgemeinschaft. Folter als Mittel der Beweisaufnahme war üblich. Diese so genannte „peinliche Befragung“ durfte jedoch nur angewendet werden, wenn ausreichend Indizien für die Täterschaft vorlagen.
Originale Gerichtsbücher aus dem Staatsarchiv Altenburg in der Sonderschau, hier lichtgeschützt im aufziehbaren Schubfach einer Ausstellungsvitrine.
Ein wichtiges Anliegen der Ausstellung war es, darzustellen, dass gerichtliche Entscheidungen auch damals nicht willkürlich, sondern nach fest vorgezeichneten Abläufen getroffen wurden.
Auch in Posterstein hielt sich nicht jeder an geltende Gebote: Unzucht, Mord und andere Untaten kamen vor Gericht. Aufzeichnungen dazu gibt es seit 1528 in den Postersteiner Gerichtsbüchern, die viel über die Menschen und ihre Zeit vermitteln. Im Vorfeld recherchierte die Historikerin Sabine Hofmann in den originalen Gerichtsbüchern der Burg Posterstein, die im Landesarchiv Thüringen – Staatsarchiv Altenburg aufbewahrt werden.
Originale Gerichtsfälle nachgestellt von Laiendarstellern
Fünf verschiedene Straftaten vom Diebstahl, über die Beleidigung bis hin zum Mord wurden beispielhaft ausgewählt und mit Laiendarstellern des Traditionsvereins Altenburger Prinzenraub e.V. und der Gefolgschaft zu Posterstein nachgestellt. Drehorte waren das historische Gerichtszimmer der Burg und ein gut erhaltener Vierseithof im Dorf Posterstein. Die Dreharbeiten fanden an zwei Wochenenden statt, die den Beteiligten viel Einsatzfreude, Geduld und Durchhaltevermögen abverlangten.
Beim Filmdreh im historischen Vierseithof der Familie Neudecker in Posterstein (Foto: Petra Nienhold).
Das Ergebnis sind fünf kurze Filme, die den Museumsgästen einen lebendigen Eindruck der Gerichtsbarkeit vergangener Zeiten vermitteln. Für die Kamera und den Schnitt war der Altenburger Kameramann Gunter Auer verantwortlich. Die Regie übernahmen Robert Kühn und Marcella von Jan. Die musikalische Umrahmung oblag Matthias von Hintzenstern.
Teile der Filme mit originalen Gerichtsfällen wurden auf einem privaten Vierseithof in Posterstein gedreht (Foto: Petra Nienhold).
Die fünf Filme stehen den Besuchern des Museums in der Ausstellung am Bildschirm mit Hörstation zur Verfügung.
Die Dreharbeiten im historischen Gerichtsraum der Burg fanden statt, während das Museum geöffnet hatte (Foto: Petra Nienhold).
Weiterhin gab es Ausstellungsbanner und Aufsteller in Ellipsenform zur Geschichte der Gerichtsbarkeit im Gerichtszimmer, auf denen die Gerichtsfälle schriftlich festgehalten wurden. Diese verbleiben nach Ausstellungsende im Raum. Ferner wurden Schilder mit Zitaten aus der Dorf- und Rügegerichtsordnung über den Türen angebracht.
Von Ferien-Rätsel bis LeseZEIT: Das Begleitprogramm zur Ausstellung
Die Ausstellung „Schlag um Schlag“ begleitete ein umfangreiches Veranstaltungsprogramm, welches das Thema Gerichtsbarkeit unterschiedlichen Zielgruppen auf vielfältige Weise näherbrachte. Hier geben wir einen Überblick:
Eröffnung mit Talkshow „Peinliche Befragung“ und Verleihung des „Goldenen Postersteins“
Zur Ausstellungseröffnung am 12. Mai 2024, 15 Uhr, feierten die fünf Kurzfilme zu ausgewählten Postersteiner Gerichtsfällen vor über 80 Zuschauerinnen und Zuschauern offiziell Premiere. Franziska Huberty, Mitarbeiterin im Museum Burg Posterstein, führte in der Talkshow „Peinliche Befragung“ kurze Interviews mit ausgewählten Beteiligten. Burgherr-Darsteller Marcus Engemann, Andy Drabek und Jürgen von Jan (beide mitverantwortlich für Organisation und Technik), Marcella von Jan (Regie) und Kuratorin Sabine Hofmann gaben Einblicke hinter die Kulissen des Filmdrehs. Im Anschluss wurde der „Goldene Posterstein“ an alle Darsteller und Unterstützerinnen am Set verliehen. Den ausführlichen Bericht gibt es hier.
Die Ausstellungseröffnung war gleichzeitig die offizielle Filmpremiere.
Ferien-Rätsel „Findet den Dieb!“
Das Museum Burg Posterstein bietet in allen Schulferien thematisch wechselnde Rätsel für Kinder an. Das Ferien-Rätsel in den Sommerferien basierte frei auf einem historischen Gerichtsfall aus Posterstein: Im Rätsel benötigte der Burgherr die Hilfe der Kinder zur Ergreifung eines Diebes. Dabei erfuhren die Kinder und ihre Begleiter auf anschauliche Art und Weise, wie Recht und Gesetz im Mittelalter funktionierten. Alle Texte sprach Museumsmitarbeiterin Franziska Huberty selbst ein, sodass sie barrierefreier mittels eines QR-Codes angehört werden konnten. Einen Werbetrailer für Social Media produzierte das Museumsteam ebenfalls selbst.
Die Texte des Ferien-Rätsels konnten auch per QR-Code-Scan angehört werden.
Abends im Museum: Historische Kriminalfälle
Bei der Veranstaltung „Abends im Museum“ am 2. Oktober 2024, 20 Uhr, las Historikerin Franziska Huberty originale Texte zu einem Gerichtsfall vor und übersetzte diese in die heutige Sprache. Die Lesung fand am historischen Ort, dem Gerichtszimmer der Burg Posterstein, statt. Daraus entsteht langfristig eine Folge unseres Podcasts „LeseZEIT“.
Franziska Huberty bei ihrer Lesung aus historischen Postersteiner Gerichtsakten.
Postersteiner Gerichtsfälle waren Thema beim Geistertag
Der Geistertag auf Burg Posterstein findet immer am 31. Oktober statt und richtet sich speziell an Familien mit Kindern. 2024 lehnte sich das Rätsel-Thema an die Sonderschau an. So trafen die Kinder im Rätsel und in Form verkleideter Mitglieder des Museumsvereins auf die Protagonisten verschiedener wahrer Kriminalfälle aus der Postersteiner Burggeschichte – von der beleidigten Nachbarin über den bestohlenen Bauern bis zum Unruhestifter. Das sorgte nicht nur für eine leichte Gänsehaut, sondern vermittelte auch Wissen über die Rechtsprechung der damaligen Zeit.
Marcus Engemann aus dem Museumsverein Burg Posterstein am Geistertag 2024 als Burgherr Pflugk, der um Mithilfe bei der Aufklärung von Kriminalfällen bat. (Foto: Hannes Menzer).
Live-LeseZEIT aus den Gerichtsbüchern
Zum Ende der Ausstellung las Franziska Huberty am 17. November, 15 Uhr, in einer Live-Ausgabe des Podcasts „LeseZEIT“ einen Originaltext aus den Postersteiner Gerichtsakten. Darin ging es um einen Unhold, der seine Zeitgenossen so sehr piesackte, dass seine Nachbarn ihn vor das Postersteiner Burggericht schafften. Auch diese Recherche soll langfristig als Podcast-Folge vertont und online zugänglich gemacht werden.
Zum Ende der Ausstellung stellte Franziska Huberty einen weiteren Fall aus den Postersteiner Gerichtsbüchern vor.
Den Rechtsanwalt gefragt: Welche historischen Gesetze gibt es heute noch?
Im Rahmen der Sonderschau „Schlag um Schlag“ entstand auch der Film „Peinliche Befragung“, in dem Museumsmitarbeiterin Franziska Huberty den Rechtsanwalt Frank Wunderlich befragt, inwieweit die Gesetze von damals heute noch gültig sind. Extra für das Interview hat er sich sechs historische Regelungen angesehen und recherchiert, ob es heute noch vergleichbare Gesetze gibt. Das Gespräch fand im Gerichtsraum der Burg Posterstein statt. Die Ergebnisse fassen wir hier im Blogpost zusammen, während man sich den Film auf unserem YouTube-Kanal ansehen kann.
Frank Wunderlich und Franziska Huberty beim Filmdreh im historischen Gerichtsraum der Burg Posterstein.
Ein neues Angebot: Rätsel-Tour für Krimi- und Escape-Fans
Basierend auf ihren Recherchen zur Ausstellung entwarf Museumsmitarbeiterin Franziska Huberty das Krimi-Escapespiel „True Crime auf Burg Posterstein“, das auf einem authentischen Gerichtsfall der Burg Posterstein basiert. Die Spieler versuchen dabei im Team von 2 bis 6 Personen ein Verbrechen aufzuklären. Dabei wird die gesamte Burg als Platz des Geschehens einbezogen. Das Besondere daran: Man hat die Burg für sich allein, weil die Termine außerhalb der regulären Öffnungszeit liegen.
Vor der offiziellen Präsentation durchliefen mehrere Testgruppen die Rätseltour. Seit seiner Einführung im November 2024 erfreut sich das neue Angebot großer Beliebtheit und ist fest in den Museumsalltag integriert worden. Eine rechtzeitige Voranmeldung auf Grund der großen Nachfrage ist unbedingt empfehlenswert. Alle Infos zum Krimi-Escape-Spiel gibt es hier.
Bei der Rätsel-Tour für Escapespielfreunde geht es darum Schlösser zu knacken und versteckte Botschaften zu verstehen.
Artikel in den Archivnachrichten
Die innovativen Vermittlungsansätze der Rechercheergebnisse in der Ausstellung „Schlag um Schlag“ hielt Ausstellungskuratorin Sabine Hofmann in dem Artikel „Nicht nur nachts im Museum“ für die Fachzeitschrift „Archive in Thüringen – Mitteilungsblatt 2024“ (S.25-28) fest. „Die Frage, wie sich die wervollen Informationen aus unseren Akten herausholen lassen und für jedermann erlebbar werden, ist über die Jahre zu einem meiner Lieblingsthemen geworden“, hebt Doris Schilling vom Landesarchiv Thüringen – Staatsarchiv Altenburg in ihrem Editorial die Relevanz des Themas hervor. Die Mitteilungsblätter, die im Auftrag der Thüringer Staatskanzlei erscheinen, kann man hier online lesen.
Für den Fachartikel im Mitteilungsblatt der Thüringer Archive war die kreative Vermittlung von Archivinhalten besonders interessant.
Im nächsten Blogpost folgt der zweite Teil der Auswertung.
Die Sonderschau „Der Mann unter der 1000-jährigen Eiche – Über den Umgang mit faszinierenden Baumdenkmalen“ im Museum Burg Posterstein ging am 25. August 2024 zu Ende. Seit Eröffnung am 28. Januar sahen genau (!) 17.777 Gäste die Ausstellung, die sich Hans Wilhelm von Thümmels Grab in der 1000-jährigen Eiche sowie weiteren uralten Eichen widmete.
Buchstäblich im MIttelpunkt de Ausstellung stand Thümmels Grab in der 1000-jährigen Eiche. Darüber hinaus gab es eine Bildergalerie mit weiteren alten Eichen.
Über unseren Umgang mit alten Bäumen
Egal, ob sie nun 1000 Jahre alt ist oder noch nicht ganz, die Nöbdenitzer Eiche, mit dem Grab eines Ministers zwischen ihren Wurzeln, ist einzigartig. Die Sonderschau stellte nicht nur den Sachsen-Gotha-Altenburgischen Minister Hans Wilhelm von Thümmel und sein Grab unter der 1000-jährigen Eiche in Nöbdenitz vor – in Film und in Textform. Darüber hinaus ging es um die Frage: Was braucht es, damit Bäume heute noch so alt werden können?
Eine Bildergalerie stellte weitere beeindruckende Eichen vor.
Eine Bildergalerie erzählte die Geschichten von 39 beeindruckenden Eichen aus Deutschland und aus Frankreich, England, Dänemark, Schweden, Polen und Tschechien. Dafür stellten uns über 40 engagierte Baum-Liebhaber Fotos und Informationen zur Verfügung, darunter Forstwissenschaftler, Künstler, Vereine, Museumskollegen, Touristiker und Fotografen.
Auf Grund der Internationalität der Eichen und der Kooperationspartner waren die Ausstellungstexte zweisprachig, auf Deutsch und Englisch.
Die Sonderschau nahm ihren Ausgangspunkt zwar im nahe Posterstein gelegenen Ort Nöbdenitz, stellte dann aber mächtige und alte Eichen aus ganz Europa vor. Ganz unterschiedlich gehen Menschen mit diesen Bäumen um, aber fast überall begegnet man ihnen mit Ehrfurcht und Faszination.
Blick in die Sonderschau zu Hans Wilhelm von Thümmels Grabeiche.
Darüber hinaus ging es um die Eiche als Naturdenkmal und als Lebensraum: Welche Bedingungen braucht sie, um so alt zu werden wie die Nöbdenitzer Eiche? Welche Eichen im Landkreis Altenburger Land haben das Potenzial dazu, so alt zu werden, wenn wir ihnen den Raum dafür lassen? Dabei unterstützte uns die Untere Naturschutzbehörde. Forstassessor Thomas Neidhardt vermaß die Bäume ehrenamtlich, Frank Leo fotografierte sie im Auftrag des Landkreises.
Um faszinierende europäische Eichen zu finden, bezogen wir unsere Netzwerke, sowohl digitale als auch analoge, ein. Darüber hinaus knüpften wir neue Kontakte. Die finale Auswahl war auch Resultat der Bereitschaft, unsere Ausstellung aktiv zu unterstützen. Manche der vorgestellten Eichen sind Kultur- und Naturdenkmal in einem. Genauso ist es bei der Nöbdenitzer Eiche, aber auch bei der zu einer Kapelle umgebauten Eiche im französischen Ort Allouville, der Körnereiche im tschechischen Karlsbad oder der Chrobry-Eiche im polnischen Piotrowice, deren Eicheln der Papst segnete. Die Eichengeschichten sind vielfältig.
Ein außergewöhnliches Grab: Die 1000-jährigen Eiche von Nöbdenitz
Die 1000-jährige Eiche von Nöbdenitz ist nicht nur ein beeindruckendes Naturdenkmal, sondern der einzige bekannte Baum Deutschlands, in dem sich eine Grabstätte befindet. Seit 1824 birgt sie die letzte Ruhestätte des Sachsen-Gotha-Altenburgischen Ministers Hans Wilhelm von Thümmel. Seit mehr als hundert Jahren heißt sie im Volksmund „Die Tausendjährige“. Die Schätzungen über das Alter des Baumes gehen weit auseinander und reichen von 600 bis 1200 Jahren.
Die 1000-jährige Eiche Nöbdenitz (Foto: Frank Leo).
Die Nöbdenitzer Eiche ist eine Stieleiche (Quercus robur) und steht in unmittelbarer Nachbarschaft zu Pfarrhof und Kirche, direkt an der Dorfstraße. Sie ist zwölf bis vierzehn Meter hoch und besitzt, direkt auf Bodenhöhe bemessen, einen Umfang von über zwölf Metern. Damit zählt sie zu den mächtigsten Eichen Deutschlands.
Wegen des Befalls durch einen Pilz ist der Stamm vollkommen hohl. Schon bei einem Gewittersturm 1819 verlor sie ihre Hauptkrone. Seither bilden zwei untere Äste eine Nebenkrone. In den vergangenen Jahrzehnten hat der Baum einen Adventivstamm, einen Jungstamm, gebildet. Noch immer treibt sie jedes Jahr neues Laub und bringt viele Eicheln hervor.
Die Nöbdenitzer Eiche im 19. Jahrhundert (Holzschnitt aus der Sammlung des Museums Burg Posterstein).
Schon Jahre vor seinem Tod kaufte Hans Wilhelm von Thümmel die uralte Eiche der Nöbdenitzer Kirchgemeinde ab, schon damals als seine zukünftige Grabstätte. 1824 dann wurde er tatsächlich mit behördlicher Genehmigung in einer gemauerten Gruft in den Wurzeln des Baumes beigesetzt.
Zu Lebzeiten ließ Thümmel bereits erste Eisenringe anbringen, um den Baum möglichst lange Zeit zu bewahren. Seither sind weitere Stützsysteme hinzugekommen.
Thümmel: Ein bedeutender Mann für das Altenburger Land
Der Minister Hans Wilhelm von Thümmel lebte von 1744 bis 1824. Er zählt zu den bedeutenden historischen Persönlichkeiten der Altenburger Region. Am Hof der Herzöge von Sachsen-Gotha-Altenburg arbeitete er sich vom Pagen zum Minister hoch.
Der Sachsen-Gotha-Altenburgische Minister Hans Wilhelm von Thümmel (Museum Burg Posterstein)
Als Gesandter vertrat er das Herzogtum unter anderem in Berlin und Paris. In der bewegten Zeit zwischen französischer Revolution, Aufstieg und Fall Napoleons und Neuordnung Europas sorgte Thümmel für die Kartierung des Altenburger Landesteils, den Bau von Straßen, Armenhäusern und einem Krankenhaus und die Gründung der Kammer-Leihbank, der späteren Landesbank. Gleichzeitig interessierte er sich für Architektur, förderte Künstler und Handwerker und ließ weitläufige Landschaftsgärten anlegen, die er auch der Öffentlichkeit zugänglich machte. Als Altersruhesitz wählte sich Thümmel sein Rittergut Nöbdenitz, war regelmäßig Gast der Herzogin von Kurland in ihrem Salon in Löbichau und kaufte die 1000-jährige Eiche als seine zukünftige Grabstätte.
Franziska Huberty und Marlene Hofmann mit dem Buch über Hans Wilhelm von Thümmel in der Sonderschau.
Die Sonderschau stellte den vielseitigen Mann und seine einzigartige Grabstätte vor. Ergänzend war eine Galerie weiterer beeindruckender Eichen aus ganz Europa zu sehen. Es wurde deutlich: Die Bäume sind oft nicht nur Naturdenkmal, sondern auch Kulturdenkmal und wir Menschen gehen auf sehr unterschiedliche Arten mit diesen Methusalem-Bäumen um.
Die Biografie Hans Wilhelm von Thümmel wurde neu aufgelegt.
Das Buch ist, so lange der Vorrat reicht, zum Preis von 25 Euro im Museum Burg Posterstein erhältlich und kann auch gern per E-Mail bestellt werden. Mit dem Kauf unterstützen Sie die Forschungsarbeit des Museums. Hier gibt es weitere Informationen zum Buch.
Das Begleitprogramm zur Ausstellung
Ausstellungseröffnung mit Vortrag und Musik
Landrat Uwe Melzer, Schirmherr des Thümmeljahres, eröffnete die Ausstellung mit einem Grußwort.
Zur Ausstellungseröffnung am 28. Januar 2024 in der gut gefüllten Neuen Scheune Posterstein gab es Grußworte von Landrat Uwe Melzer. Kuratorin Marlene Hofmann stellte ausgewählte Eichen vor, Franziska Huberty las aus dem Buch „Im Dienste der Ernestiner“ und die Musikerin Anna Herrmann umrahmte die Eröffnung musikalisch.
Anna Herrmann am Cello.
Podiumsgespräch „Dürfen Bäume noch alt werden?“
Beim Podiumsgespräch „Dürfen Bäume noch alt werden?“, das am 25. Februar, 15 Uhr, ebenfalls in der Neuen Scheune Posterstein stattfand, sprachen Experten aus der Forstwirtschaft, die Fachdienstleiterin für Natur und Umwelt sowie Baumfreunde über die Bedingungen, die Bäume brauchen, um alt werden zu können. Dabei stellt sich die Frage: Haben Bäume heute noch die Chance dazu?
Podiumsgespräch über den Umgang mit Bäumen in Posterstein.
Die interessanten Redebeiträge haben wir hier im Blog ausführlich dokumentiert.
Winterferien-Rätsel „Unterwegs im dunklen Wald“
Auch das Winterferien-Rätsel des Museums griff von 3. bis 25. Februar 2025 passend zur Sonderschau das Thema Wald auf. Unter dem Titel „Unterwegs im dunklen Wald – Was machte ein Jäger im Mittelalter?“ folgten Ferienkinder den Spuren eines mittelalterlichen Jägers. Dabei erfuhren sie, ob die Wälder damals wirklich so finster wie im Märchen waren und wer oder was dort alles lebte.
Lesung aus dem Buch „Im Dienste der Ernestiner“
Unter dem Titel „In heitrer ländlicher Umgebung“ lasen Franziska Huberty und Marlene Hofmann aus dem Museum Burg Posterstein am 19. Februar, 18.30 Uhr, Stadtbibliothek Schmölln aus dem Buch „Im Dienste der Ernestiner Hans Wilhelm von Thümmels Aufstieg vom Pagen zum Minister“. Organisator der Veranstaltung war der Bibliotheksförderverein Schmölln.
Vortrag über Thümmels Spuren im Altenburgischen
Wo im Altenburger Land findet man heute noch Spuren Hans Wilhelm von Thümmels – darum ging es im Vortrag in Altenburg.
Lesung und Gespräch „Können Bäume noch alt werden?“
Die Frage „Können Bäume noch alt werden?“ stellte sich zur Lesung mit Gespräch am 17. März, 15 Uhr, in der Neuen Scheune Posterstein. Gekommen waren rund siebzig interessierte Gäste. Sehr kurzweilig stellte der Autor Frank Quilitzsch sein Buch „Wilhelm, wie sieht der Wald wieder aus!“ vor und kam im Anschluss mit Hans-Peter Schenk, Revierleiter des Forstreviers Schmölln, ins Gespräch.
Für sein Buch streifte der Erfurter Autor und Journalist Frank Quilitzsch ein Jahr lang mit Thüringer Förstern und Baumforschern durch die Reviere. Er ging mit auf die Jagd und verbrachte Tage und Nächte im Nationalpark Hainich. Dabei traf er auf unterschiedlichste Menschen, denen Bäume am Herzen liegen. Klimaexperten, Ranger, die Umweltministerin – was fordern sie im Umgang mit der Natur? Und wie geht es den Eichen in unseren Wäldern? Das Buch erschien im Thüringer Verlag Tasten & Typen.
Nach der Lesung Frank Quilitzschs, unterhielt sich der Autor mit dem Revierförster Hans-Peter Schenk.
Im Gespräch mit Frank Quilitzsch erzählte Revierförster Hans-Peter Schenk, dass sein Schmöllner Forstrevier zu denen mit den wenigstens Waldflächen in Thüringen zählt. Das liege an dem guten Ackerland in der hiesigen Region. Der Nöbdenitzer Forst sei der größte zusammenhängende Wald seines Reviers. Der Revierförster betonte, dass sich die Situation der Wälder seit 2021, als Frank Quilitzschs Buch erschien, bereits erheblich verschlechtert habe. Wegen des Borkenkäfers seien die Wälder vielerorts kahl. Der Klimawandel sei spürbar: Es ist zu heiß, zu trocken, zu stürmisch. Das Gesamtgefüge sei aus dem Gleichgewicht geraten. Der Förster empfiehlt, von der Monokultur wegzukommen und die Wälder öfter sich selbst zu überlassen. Trotz der Herausforderungen könne er sich aber keinen schöneren Job vorstellen, auch wenn sich das Aufgabenspektrum des Försters in den letzten Jahrzehnten geändert habe. Er stehe jetzt auch immer häufiger in der Öffentlichkeit und sei auch Moderator, Vermittler und Konfliktmanager. Und wie ergehe es nun den Eichen, denen sich die Ausstellung widmete? – Die zählten tatsächlich zu den klimastabilsten Baumarten, bescheinigt Revierförster Hans-Peter Schenk.
Was bleibt: Die digitale Ausstellung „Faszinierende Baumdenkmale“
Die digitale Ausstellung „Faszinierende Baumdenkmale“ bleibt weiterhin auf der Website des Museums verfügbar.
Während der Ausstellungszeit erreichten uns E-Mails mit Fotos und Texten zu weiteren beeindruckenden Eichen, die Besucherinnen und Besucher in ihrer Umgebung entdeckt haben. Diese wurden in der digitalen Ausstellung ergänzt.
Zudem fand ein Kunst-Projekt des Abiturjahrgangs des Roman-Herzog-Gymnasiums Schmölln in der digitalen Ausstellung einen würdigen Platz, um ihre kreativen Entwürfe zu Baumhäusern der Öffentlichkeit zu präsentieren.
Auf diese Weise brauchten sich unsere Besucherinnen und Besucher auch in diese Ausstellung wieder partizipativ ein.
Die digitale Ausstellung ist auf der Website des Museums angesiedelt und erfreut sich seither reger Zugriffzahlen. Hier geht es zur digitalen Ausstellung.
2024 ist Thümmel-Jahr im Altenburger Land
Die Ausstellung über die Grabeiche des Ministers Hans Wilhelm von Thümmel war Teil des Thümmel-Jahres im Altenburger Land, an dem sich verschiedene lokale Akteure beteiligen. Zum 280. Geburtstag und 200. Todestag im Jahr 2024 widmet sich das Altenburger Land dem Leben und Wirken des verdienstvollen Politikers Hans Wilhelm von Thümmel auf vielfältige Weise. Das Thümmel-Jahr steht unter Schirmherrschaft des Landrates Uwe Melzer.
Den comichaften Thümmel entwarf der Künstler Michael Fischer Art als Logo des Thümmeljahrs im Altenburger Land.
Dreiecksbeet am Wohnhaus Hans Falladas in Carwitz.
Idyllisches Schriftsteller-Haus zwischen Seen und Wäldern
Das Hans-Fallada-Museum befindet sich im ehemaligen Wohnhaus Hans Fallada in Carwitz in Mecklenburg-Vorpommern. Hier lebte und arbeitete der bekannte Schriftsteller zwischen 1933 und 1944. Seit 1995 betreibt die Hans-Fallada-Gesellschaft im Haus und auf dem gesamten Anwesen ein Museum, das von der Bundesregierung als „Kultureller Gedächtnisort von nationaler Bedeutung“ zertifiziert ist.
Bienenhäuschen in Hans Falladas Garten.
Bootshaus und Sitzecke in Hans Falladas Garten.
Unter anderem zu sehen sind Hans Falladas Arbeitszimmer mit dem originalen Mobiliar, Esszimmer und Veranda sowie der weitläufige Garten. Auch das Grab Hans Falladas befindet sich in Carwitz.
Das Grab Hans Falladas befindet sich heute auf dem alten Friedhof in Carwitz (Foto: Wolfgang Behr).
Als Hans Fallada noch Rudolf Ditzen hieß
Direkt zur Eröffnung des traditionsreichen Literatur- und Kulturfestivals am Freitag, 19. Juli 2024 las Marlene Hofmann als Hauptautorin des vom Museum Burg Posterstein herausgegebenen Buches „Hans Fallada in Tannenfeld und Posterstein“ einzelne Ausschnitte daraus vor.
Marlene Hofmann bei der Buchvorstellung in Carwitz (Foto: Wolfgang Behr)
Das erzählend geschriebene Fachbuch schließt eine Lücke in der Fallada-Forschung, indem es sich fast ausschließlich und ausführlich der Zeit zwischen 1911 und 1915 widmet. Nach einem missglückten Doppelselbstmord musste der junge Rudolf Ditzen – so Falladas bürgerliche Name – zuerst in Jena, dann in Tannenfeld klinisch behandelt werden. Der Tannenfelder Arzt Dr. Arthur Tecklenburg war für den jungen Mann ein Glücksfall. Denn er führte seine Klinik mit einem fortschrittlichen Konzept, setzte sich vielfach für ihn ein und vermittelte ihm im Anschluss an die Therapie eine Lehrstelle auf dem Rittergut Posterstein, wo der spätere Schriftsteller die Landwirtschaft erlernte.
Krankenzimmer in der Nervenheilanstalt Tannenfeld, Foto aus einer Werbebroschüre der Klinik (Sammlung Museum Burg Posterstein).
Als Rudolf Ditzen in Tannenfeld und Posterstein weilte, wusste noch niemand (auch er selbst nicht), dass er einmal ein berühmter Autor sein würde. Dementsprechend war er ein junger Mann unter vielen. Seine Zukunft sah nicht einmal vielversprechend aus.
Daher gab es später vor Ort auch nicht gerade viele Zeitzeugen, die sich noch an Rudolf Ditzen erinnerten. Fotos wurden nur wenige aufgenommen und auch sonst gibt es kaum Gegenstände, die mit ihm in Zusammenhang gebracht werden können. Und auch Rudolf Ditzen selbst berichtete nicht viel über diese Zeit.
Schloss Tannenfeld im Sommer 2023.
Als regionalgeschichtliches Museum war es uns ein Anliegen, alle Schnipsel und Hinweise zusammenzutragen und sie chronologisch geordnet in einem Buch zusammenzutragen. Es sollte ein zwar wissenschaftlicher Text mit Fußnoten und Quellen entstehen, der sich aber auch flüssig und angenehm lesen lässt. Im Buch gibt es zahlreiche Abbildungen und originale Zitate. Erstmals veröffentlicht sind die Bauzeichnungen und der Konzeptentwurf zur Tannenfelder Klinik, welche im Staatsarchiv Altenburg aufbewahrt werden. Zudem durfte das Museum Burg Posterstein einige Fotos aus dem Familiennachlass der Familie Tecklenburg veröffentlichen.
Die ausführlichste Publikation über Falladas Zeit in Tannenfeld und Posterstein
Zum 130. Geburtstag des Schriftsteller Hans Falladas zeigte das Museum Burg Posterstein 2023 die Ausstellung „Hans Fallada – Familienbilder“ als Kabinett-Ausstellung. Über 16.800 Besucher kamen im vom 14. Mai bis 12. November 2023, um dem berühmten „Einwohner“ Postersteins näher zu kommen. Ein umfangreiches Begleitprogramm mit Lesungen, Musik, Film und Vortag wurden auf die Beine gestellt. Hier lesen Sie den Ausstellungsrückblick.
Blick durch die geöffnete Tür in den Ausstellungsraum im Museum Burg Posterstein
Das Buch „Hans Fallada in Tannenfeld und Posterstein“ macht die Thematik auch nach ihrem Ende umfangreich für die interessierten Besucher zugänglich. Die gebundene Ausgabe ist im Museum Burg Posterstein erhältlich, eine Taschenbuch- und eine E-Book-Ausgabe im Buchhandel.
Marlene Hofmann mit dem Buch „Hans Fallada in Tannenfeld und Posterstein“.
Zur Eröffnung der Ausstellung „Schlag um Schlag – Die Burg als Gerichtsort“ kamen über 80 Gäste.
Burg Posterstein thront seit mindestens 1191 trutzig über dem Sprottetal. Die Burg war das Zentrum der Region: wirtschaftlich, baulich und rechtlich. Hier wurde verteidigt, Landwirtschaft betrieben, Abgaben eingenommen und Recht gesprochen.
Marcel Greunke, Beigeordneter des Landrates, sprach zur Ausstellungseröffnung ein Grußwort.
Der Burgherr war meist auch der am besten ausgebildete Bewohner der Region. Vielleicht ist das auch einer der Gründe, warum die Quellen zur Gerichtsbarkeit in Posterstein so gut erhalten sind. Im Staatsarchiv Altenburg, wo die Akten der Grundherrschaften im Herzogtum Sachsen-Altenburg verwahrt werden, gibt es sämtliche Gerichtshandelsbücher und Gerichtsprotokolle seit Beginn der Aufzeichnungen Anfang des 16. Jahrhunderts bis zum Ende der Patrimonialgerichtsbarkeit 1849. Sie bilden die Grundlage für die Sonderschau „Schlag um Schlag“.
Einige der historischen Gerichtsbücher können derzeit in der Ausstellung „Schlag um Schlag“ angesehen werden.
Wir haben die Akten genauer betrachtet und Gerichtsfälle ausgewählt. Dabei war uns wichtig zu zeigen, dass nicht unentwegt gemordet, gefoltert, ins Verlies gesperrt oder Hexen verbrannt wurden. Es ging mit Recht zu, es gab also Ordnungen.
Die Mitglieder der Gefolgschaft zu Posterstein, die das Museum Burg Posterstein ehrenamtlich unterstützen, kamen passend zum Thema in mittelalterlicher Gewandlung.
5 Kurzfilme schildern echte Gerichtsfälle
Natürlich hätten wir unsere Fälle einfach (ausschließlich) nacherzählen und auf Tafeln aufbereiten können. Uns kam aber die Idee, die Fälle, die da im 16. und 17. sowie zu Beginn des 18. Jahrhunderts wirklich passierten, filmisch nachspielen zu lassen. Und natürlich hatten wir keine Ahnung, wie schwierig das Filmgeschäft ist, sonst wären uns vielleicht Zweifel gekommen.
Franziska Huberty moderierte die Talkshow „Peinliche Befragung“ mit Marcus Engemann, Andy Drabek, Jürgen von Jan, Marcella von Jan und Sabine Hofmann.
Aber wir haben Verbündete gefunden: die Schauspieler und Regisseure Marcella von Jan und Robert Gregor Kühn, den Traditionsverein Altenburger Prinzenraub, den Kameramann Gunter Auer, den Techniker Jürgen von Jan, den Musiker Matthias von Hintzenstern und Marcus Engemann, wie einige der vorgenannten auch, Mitglied unseres Museumsvereins.
Die Ausstellungseröffnung war gleichzeitig Filmpremiere.
An zwei Wochenenden wurde im Gerichtsraum, dem originalen Schauplatz, gedreht, ein Film auch auf dem Bauernhof der Familie Neudecker in Posterstein. Das Resultat kann man sich in der Ausstellung ansehen. Ausgewählt wurden ein Mordfall, ein Fall von Unzucht und Gewalt, Fälle von Diebstahl und Beleidigung und natürlich ein Vormundschaftsfall.
Blick in die Ausstellung „Schlag um Schlag – Die Burg als Gerichtsort“ auf Burg Posterstein.
Darüber hinaus können der Gerichtsraum und der angrenzende Raum als Ort der neuen Ausstellung in neuer Gestaltung betrachtet werden. Man erfährt viel über die Gerichtsbarkeit und die Gerichtsherren, sieht originale Gerichtsbücher und lernt die wichtigsten Vorschriften der Dorfordnung sowie der Rügegerichtsordnung kennen.
Talkshow „Peinliche Befragung“ und Verleihung des „Goldenen Postersteins“
Die fünf Kurzfilme hatten zur Ausstellungseröffnung am 12. Mai 2024 vor über 80 Zuschauerinnen und Zuschauern offiziell Premiere.
Franziska Huberty beim Interview mit „Burgherr“ Marcus Engemann.Marcus Engemann und Andy Drabek während der Talkshow.Jürgen und Marcella von Jan und Sabine Hofmann während des Podiumgesprächs.
Franziska Huberty, Mitarbeiterin im Museum Burg Posterstein, führte in der Talkshow „Peinliche Befragung“ kurze Interviews mit ausgewählten Beteiligten. Burgherr-Darsteller Marcus Engemann, Andy Drabek und Jürgen von Jan (beide mitverantwortlich für Organisation und Technik), Marcella von Jan (Regie) und Kuratorin Sabine Hofmann gaben Einblicke hinter die Kulissen des Filmdrehs.
Hier bekommt Dana Weber, die souverän den Richter spielte, den „Goldenen Posterstein“ verliehen.
Im Anschluss wurde nicht der Goldener Bär, die Goldene Henne oder der Golden Globe an alle Darsteller und Unterstützerinnen am Set verliehen, sondern: der Goldene Posterstein. Der Goldene Posterstein ging an:
Als Auszeichnung für die Arbeit an den Kurzfilmen erhielten alle Teilnehmer den „Goldenen Posterstein“.
Andy Drabek
Bärbel Burigk
Dana Weber
Eva-Maria Scharf
Frank Müller
Gunter Auer
Hanno Wolf
Jasira Boxberger
Jürgen von Jan
Katharina Thiele
Klaus Neudecker
Kornelia Gentsch
Marcella von Jan
Marcus Engemann
Marion Dinger
Marion Hermsdorf
Matthias von Hintzenstern
Niclas Baraneck
Petra Descher
Robert Gregor Kühn
Roland Albrecht
Rolf Schiefner
Uwe Schröder
Gruppenbild der Preisträger des „Goldenen Postersteins“.
Wer war der Dieb?
Auch das diesjährige Sommerferien-Rätsel „Von Gerechten und Gerichteten“ lehnt sich an die Sonderschau an. Dabei werden Kinder von 20. Juni bis 4. August zu Gerichtsdienern des Burgherrn von Burg Posterstein: Ein Diebstahl wurde begangen und in der Burg sind Hinweise auf den Täter versteckt. Wer den Fall löst, lernt nicht nur eine Menge über die Geschichte, sondern es lockt auch eine Belohnung. Zum Mitmachen geht man einfach ins Museum und bekommt das Rätsel mit auf den Weg. Eine Voranmeldung ist nicht notwendig.
In Deutschland gibt es nur sehr wenige sehr alte Bäume. Die meisten von uns fühlen Ehrfurcht, wenn sie vor einem Uralt-Baum wie der 1000-jährigen Eiche von Nöbdenitz stehen, die so viel mehr gesehen hat als ein Menschenleben. Im Podiumsgespräch „Dürfen Bäume noch alt werden?“ am Sonntag, 25. Februar, 15 Uhr, in der Neuen Scheune Posterstein unterhielten sich Experten aus der Forstwirtschaft und Baumfreunde über die Bedingungen, die Bäume brauchen, um alt werden zu können. Dabei stellt sich die Frage: Haben Bäume heute noch die Chance dazu? Hier im Blog gibt es eine Zusammenfassung des Gesprächs. Die Veranstaltung fand im Begleitprogramm der Ausstellung „Der Mann unter der 1000-jährigen Eiche – Über den Umgang mit historischen Baumdenkmalen“ statt. Hier gelangen Sie zur Online-Ausstellung.
Podiumsgespräch über den Umgang mit Bäumen in Posterstein.
Ein hochaktuelles Thema: Kann ein alter Baum dicht am Straßenrand überleben?
Die Bedeutung eines Baumes für uns Menschen und unser Umgang mit ihm sichern sein Überleben. Ob ein Baum alt werden darf, liegt maßgeblich in unserer Hand.
Wie stehen die Chancen für Bäume wie diese Eiche am Straßenrand bei Gimmel im Altenburger Land? (Foto: Frank Leo)
Im Mittelpunkt des Gesprächs standen vorrangig Bäume in der Feldflur und im urbanen Raum. Die Veranstaltung dauerte inklusive einer Pause fast drei Stunden. Der Eintritt war frei. Rund 80 interessierte Gäste hörten zu.
Für das Archiv des Museums Burg Posterstein wurde das Gespräch auf Video mit Text-Transkript aufgezeichnet. So bleibt es als Zeitzeugendokument für nachfolgende Generationen erhalten.
Wer saß im Podium?
Über den Einfluss des Menschen auf das Überleben alter Bäume unterhielten sich im Rahmen des Podiumsgesprächs:
Die Gäste auf dem Podium und das Publikum waren sehr diskussionsfreudig: Nach drei Stunden Gespräch wirkte es eher so, als bestehe noch viel mehr Redebedarf zum Thema.
Dr. Klaus Schultheiß – Geraer Gehölzfreunde
Birgit Seiler – Fachdienstleiterin Natur- und Umweltschutz, Landratsamt Altenburger Land
Stephan Böhl – Assessor des Forstdienstes, Forstsachverständigenbüro Stephan Böhl
Dr. Matthias Schütze – Autor des Artikels „Und diese knorrige Eiche soll 1000 Jahre alt sein? – Versuch der Altersbestimmung für die 1000-jährige Eiche von Nöbdenitz“ im Buch „Im Dienste der Ernestiner – Hans Wilhelm von Thümmels Aufstieg vom Pagen zum Minister“
Frank Wieschollek – Landschaftsplanung/Bauleitplanung
Thomas Neidhardt, Forstassessor, Fachdienst Natur- und Umweltschutz, Landratsamt Altenburger Land, hat das Gespräch vorbereitet und moderiert. Er unterteilte es in vier umfangreiche thematische Panels: (1) Uraltbäume in der Landschaft – Grabeiche Nöbdenitz, (2) Historische Landschaftsgärten – Straßenbäume – Freiraumgehölze, (3) Planung/Bauen – Unterhaltung/Pflege – Eingriff/Baumschutz sowie (4) Fachwissen/Berufliche Qualifikation/Umweltbildung.
Die Gäste auf dem Podium und das Publikum waren sehr diskussionsfreudig: Nach drei Stunden Gespräch wirkte es eher so, als bestehe noch viel mehr Redebedarf zum Thema.
Die Rückmeldungen aus dem Publikum gingen ebenfalls in diese Richtung – denn alte Bäume gehen uns alle an und jeder hat Kontakt zu ihnen.
Als Geschenk für alle Podiumsgäste sponserte der Rotary Club Altenburg Setzlinge der 1000-jährigen Eiche von Nöbdenitz.
Wo gibt es heute noch alte Bäume?
Deutschland ist sehr dicht besiedelt, daher müssen sich Bäume den Platz mit vielen Menschen teilen. Die Kulturlandschaft im Altenburger Land besitzt vergleichsweise wenig Wald, nur rund fünf Prozent, ein überdurchschnittlich dichtes Straßennetz, wie Birgit Seiler hervorhob.
Dr. Matthias Schütze vermisst und erforscht alte Bäume.
Matthias Schütze führt privat ein umfangreiches Register über alte Bäume. Er betonte, dass es in Deutschland kaum noch Uralt-Eichen gibt, die Nöbdenitzer Eiche sei eine von wenigen. Alte Eichen, die das Potenzial haben, so alt wie die Nöbdenitzer zu werden, fände man heute vor allem in historischen Barock- und Landschaftsgärten. Dem stimmt auch Frank Wieschollek zu: Parkanlagen und Friedhöfe seien gute Orte für alte Bäume. Direkt an einer Straße sei die Chance heute gering, dass ein Baum sehr alt wird.
Auch im Altenburger Land gibt es noch solche historischen Landschaftsgärten. Teilweise wurden sie von Hans Wilhelm von Thümmel angelegt, dessen Grab sich unter der 1000-jährigen Eiche von Nöbdenitz befindet, darunter der Schlosspark in Altenburg. Aber auch der Schlosspark Tannenfeld, der Schlosspark Windischleuba oder der Park in Poschwitz verfügen über alte Baumbestände. Einige Parks haben wir in der Sonderschau #GartenEinsichten vorgestellt.
In Parks wie dem Altenburger Schlosspark haben Bäume gute Chancen, alt zu werden. (Foto: Frank Leo)
Die historischen Parks mit ihren alten Baumbeständen sind nicht nur wertvoll für die Natur, sondern haben auch touristisches Potenzial.
Wohin pflanzt man welche Bäume, damit sie alt werden können?
Ein Thema des Podiumsgesprächs war, wohin man neue Bäume am besten pflanzen sollte, damit sie alt werden können.
Thomas Neidhardt stellte die Frage: Die Baumarten in historischen Landschaftsgärten sind teilweise exotisch – wäre das auch für uns eine gute Strategie, dem Klimawandel zu begegnen?
Dr. Matthias Schütze, Dr. Klaus Schultheiß und Stephan Böhl beim Podiumsgespräch „Dürfen Bäume noch alt werden?“.
Dr. Klaus Schultheiß von den Geraer Gehölzfreunden wies darauf hin, dass in Fachkreisen stark diskutiert werde, welche Arten sich für Nachpflanzungen eignen. Bislang wurde in aller Regel auf einheimische Bäume gesetzt. Die neue Richtung, die sich allmählich durchsetzt, ziehe fremdländische Arten vor, die Wärme, Trockenheit und Feinstaub (durch Verkehrsbelastung) besser aushalten. Dazu fänden auch Forschungsprojekte statt. Mit der Neuen Landschaft Ronneburg wurde 2007 auch ein Arboretum angelegt, wo nun nach 20 Jahren evaluiert werden soll, welche Arten am besten bestehen.
Birgit Seiler berichtete von einem studentischen Forschungsprojekt in Schmölln: Der Student Lukas Baumgärtner habe in seiner Masterarbeit Schmöllner Stadtbäume untersucht und kommt zu dem Schluss, dass fremde Arten Hitze in der Stadt besser tolerieren als einheimische.
Dr. Matthias Schütze vertrat die Meinung, dass Deutschland zu langsam sei, was fremde Arten angehe: Douglasien und Roteichen wären als Holzarten ertragreicher als einheimische und der Blauglockenbaum absorbiere am meisten Kohlenstoffdioxid (CO2).
Natürliche Gehölzentwicklung zulassen
Weiterhin ging es um die Kosten und den Nutzen von Nachpflanzungen.
Nino von Cedernstolpe berichtete aus seiner Erfahrung als Baumpfleger davon, dass es bei Nachpflanzungen häufig zu Problemen mit einheimischen Birken und Pappeln käme. Sie würden die nachgepflanzten Bäume überwuchern, sodass diese regelmäßig freigeschnitten werden müssten. Aber richtig invasive Baumarten gibt es in Deutschland nicht.
Nino von Cedernstolpe berichtete von seinen Erfahrungen als Baumpfleger.
Frank Wieschollek betonte, dass sich die Auflagen für Neupflanzungen in den letzten Jahren verändert hätten. Früher mussten neu gepflanzte Bäume nur drei Jahre gepflegt und wenig gewässert werden – dabei viele sind eingegangen. Inzwischen müssten sie 4–5 Jahre gepflegt und 10–12-mal im Jahr gewässert werden. Dadurch überleben die jungen Bäume besser.
Beim Podiumsgespräch ging es unter anderem um Baumpflege, Baumschutz und Neupflanzungen.
Stephan Böhl wies darauf hin, dass es auch eine Kostenfrage sei: Wie werden zukünftige Kommunen finanziell ausgestattet sein? Man sollte natürliche Gehölzentwicklung auch einfach mal zulassen und akzeptieren und für sich nutzen.
Bei Bauprojekten sind alte Bäume oft im Weg
Baumpfleger Nino von Cedernstolpe machte die Erfahrung, dass Grundstückeigentümer alte Bäume meist entfernt haben wollten. Er empfiehlt, von vornherein weiter weg von Häusern zu pflanzen und bei Neubauten genug Abstand zu Bäumen zu halten. Es bestünde durchaus die Möglichkeit, bei Bauprojekten Wurzelschutzmaßnahmen einzuplanen und auf dem Grundstück stehende Altbäume zu erhalten. Doch häufig kollidierten bei Bauprojekten viele verschiedene Interessen, was die Bewahrung von Bäumen erschwere.
Wie sinnvoll sind Baumschutzsatzungen?
Dr. Klaus Schultheiß erzählte, dass es in Gera seit 2014 eine neue Baumschutzsatzung gäbe, zu der die Geraer Gehölzfreunde mit beigetragen haben. Bei diesem Thema gäbe es ein großes Spannungsfeld, denn Bäume sind uns Menschen oft im Weg. Im Juni 2023 verlangte die Geraer AfD-Fraktion beispielsweise eine Änderung der Satzung, denn sie behindere Bauprojekte und schränke die persönliche Freiheit ein. Schultheiß räumt ein, dass Baumschutzsatzungen viel Bürokratie mit sich brächten. Allerdings zeige die Erfahrung, dass es nicht selbstverständlich ist, sich für Bäume einzusetzen. Aktuell arbeite man in Gera daran, die Satzung zu entbürokratisieren. Denn Gera betreut 35.000 Bäume auf kommunalen Flächen.
Dr. Matthias Schütze, Dr. Klaus Schultheiß, Stephan Böhl und Nino von Cedernstolpe während des Podiumsgesprächs in Posterstein. Im Hintergrund: Moderator Thomas Neidhardt.
Dr. Klaus Schultheiß wies auf einen weiteren wichtigen Aspekt hin: Wird ein Altbaum gefällt, dann fällt trotz Nachpflanzungen seine ökologische Wirkung weg – zum Beispiel, weil der junge Baum dies mit seiner kleineren Krone noch gar nicht leisten kann oder an einem ganz anderen Ort gepflanzt wird.
Dem stimmte Thomas Neidhardt zu, denn: „Für eine alte Buche braucht es 300–400 Jungbuchen, um den gleichen ökologischen Effekt zu erzielen.“
Viele Leute wollen Bäume, nur nicht auf ihrem Grundstück
„Baumschutzsatzungen sind ein kleines Bollwerk gegen den Rückgang von Großgrün in Städten und Ortschaften“, betonte Stephan Böhl. Denn bei 80 Prozent der Bevölkerung sei kein Verständnis für Baumschutz vorhanden. Die Verkehrssicherungspflicht und das Nachbarschaftsrecht bedrohten den Baumbestand zusätzlich. Deshalb sei es wichtig ist, den Bäumen Platz einzuräumen.
Stephan Böhl trug mit seinen Erfahrungen als Forstsachverständiger zum Podiumsgespräch bei.
Nino von Cedernstolpe stimmte dem zu: Ohne die Baumschutzsatzungen würden viel mehr Bäume abgeholzt. Viele Leute wollten Bäume zwar erhalten, nur nicht auf ihrem Grundstück.
Während Dr. Matthias Schütze fand, es solle in Deutschland einheitliche Baumschutzsatzungen geben, sah Birgit Seiler das anderes. Im Altenburger Land hätten alle Gemeinden eine eigene Baumschutzsatzung. Birgit Seiler findet, es sei wichtig, dass die Menschen vor Ort selbst für ihre Bäume verantwortlich sind und wünscht sich, dass mit den Bäumen mehr gerungen wird. „Wir müssen uns auch um Bäume kümmern, die noch nicht so alt sind wie die 1000-jährige Eiche, damit sie überhaupt so alt werden können“, so die Fachdienstleiterin für Natur und Umweltschutz im Landkreis Altenburger Land.
Stephan Böhl, Nino von Cedernstolpe, Birgit Seiler und Frank Wieschollek während der Podiumsdiskssion über unseren Umgang mit Bäumen.
„In Deutschland ist die Verkehrssicherungspflicht sehr weit fortgeschritten“
Die Verkehrssicherungspflicht besteht überall, wo ein Baum den öffentlichen Raum betrifft. Dann müssen diejenigen, denen das Grundstück gehört, dafür sorgen, dass Totholz entfernt wird, damit niemand, der daran vorbeiläuft, zu Schaden kommt. Totholz sei auch „dringlich“, das heißt, es dürfte zu jeder Jahreszeit entfernt werden.
Dr. Klaus Schultheiß ergänzte, dass Bäume auch auf Krankheiten wie Pilzbefall überprüft werden müssten. Der Nachweis über die jährliche Überprüfung des Baumes sollte gut dokumentiert werden, damit man beweisen kann, dass man seiner Pflicht nachgekommen ist.
Bäume am Straßenrand – wie hier die Friedenseiche in Schmölln – müssen zweimal jährlich auf ihr Gefahrenpotenzial für Verkehr und Passanten kontrolliert werden. (Foto: Frank Leo)
Stephan Böhl drückte es so aus: In Deutschland sei die Verkehrssicherungspflicht sehr weit fortgeschritten. Bei uns gelte das Prinzip, dass eine erkennbare Gefahr abgewandt werden müsse. In anderen Ländern interpretiere man die Verkehrssicherungspflicht ganz anders. Inzwischen sei damit in Deutschland ein extrem hoher Aufwand für Kommunen und Grundstückseigentümer verbunden, welche Bäume teilweise 1–2 Mal pro Jahr warten müssen.
Der Schmöllner Revierförster Hans-Peter Schenk, ergänzte aus seiner eigenen Erfahrung: Zwei Mal im Jahr inspiziere er Straßenbäume im Landkreis im Zuge der Verkehrssicherung. Er empfiehlt auch Privatleuten, diese Pflicht ernst zu nehmen und dabei alle Maßnahmen zu dokumentieren.
Aber wie viel Raum wollen wir Bäumen zugestehen?
Stephan Böhl berichtete weiter: Wenn vor Gericht über Bäume gestritten werde, gehe es selten um den Baum, sondern um das nachbarschaftliche Verhältnis. Gestritten werde beispielsweise über Sichtachsen, Laub und die Effektivität von Photovoltaikanlagen, die von einer Baumkrone beschattet werden. Beim Thema Verkehrssicherung werde ein Gefahrenszenario oft sehr weit gefasst. Dabei wäre auch ein Zaun eine praktikable Lösung.
Birgit Seiler bemerkte, dass es viele unglückliche Gerichtsurteile gegen Bäume gäbe, was die Bürokratie befördere. „Oft wird als Resultat vorsorglich gefällt, weil Bäume sonst Kosten verursachen“, so Seiler.
2014 wäre die 1000-jährige Eiche beinahe der Verkehrssicherungspflicht zum Opfer gefallen.
So wäre es 2014 beinahe auch der 1000-jährigen Eiche ergangen, worauf Frank Wunderlich vom Ortsverschönerungsverein Nöbdenitz hinweist. Zur Wahrung der Verkehrssicherheit sollte das Natur- und Kulturdenkmal gefällt oder stark eingekürzt werden, was weit über Nöbdenitz hinaus zu breiten Protesten geführt habe. Birgit Seiler, die auch 2014 involviert war, erläuterte zum Gutachten, dass damals drei Varianten vorgeschlagen wurden: 1) das Fällen der 1000-jährigen Eiche, 2) das Einkürzen ihrer Äste und 3) das Stutzen des Baums. Der Landkreis hätte sich aus Kostengründen für das Einkürzen der Äste entschieden. Dem Engagement der Nöbdenitzer Bürger sei es zu verdanken, dass stattdessen seither rund 80.000 Euro in die Sicherung der Eiche investiert wurden.
Brauchen Bäume eine Stimme?
„Wir Menschen müssen Lobbyarbeit für die Bäume leisten und ihnen auch mal Platz einräumen“, sagte Dr. Matthias Schütze.
Nino von Cedernstolpe fand, dass Staat, Land und Kommune alten Bäumen eine Stimme geben müssten. Und außerdem müssten Menschen dafür belohnt werden, wenn sie alte Bäume erhalten und Geld und Arbeit in sie investieren. – Ein Thema, das in der Publikumsdiskussion auch der Landwirt Frank Quaas ansprach: Er wünsche sich mehr Akzeptanz von Behörden für Grundstückseigentümer, damit diese Bäume erhielten und pflegten, die letztlich der ganzen Gesellschaft nützten.
Stephan Böhl fand, dass Heimatgefühl für den Erhalt alter Bäume am wichtigsten sei. Denn die Stimme für die Bäume seien Kommunen und Gemeinden, die das Gemeinwohl im Blick hätten.
Birgit Seiler wünschte sich, „dass es in Deutschland genauso viele Baumfans wie Fußballfans gibt“.
Dr. Klaus Schultheiß mahnte, dass der jungen Generationen vermittelt werden müsse, wie wichtig Bäume sind.
Birgit Seiler und Frank Wieschollek während des Podiumsgesprächs.
Frank Wieschollek wiederum setzt große Hoffnungen in die junge Generation.
Und was muss man mitbringen für einen Beruf als Baumpfleger? – Dazu ergänzte Stephan Böhl, dass es verschiedene Ausbildungswege gäbe und nicht immer botanisches Fachwissen Bedingung für Baumpflegeberufe sei. Wichtig sei Erfahrungswissen, Praxiswissen und idealerweise die langfristige Beobachtung derselben Bäume.
Zusammenfassung und Fotos Podiumsgespräch: Marlene Hofmann / Museum Burg Posterstein
Zum 130. Geburtstag des Schriftstellers Hans Fallada zeigte das Museum Burg Posterstein 2023 die Ausstellung „Hans Fallada – Familienbilder“ als Kabinett-Ausstellung. Über 16.800 Besucher kamen während der Ausstellungsdauer vom 14. Mai bis 12. November 2023, um dem berühmten „Einwohner“ Postersteins näher zu kommen. Ein umfangreiches Begleitprogramm mit Lesungen, Musik, Film und Vortag wurde auf die Beine gestellt. Das Buch „Hans Fallada in Tannenfeld und Posterstein“ macht die Ausstellung auch nach ihrem Ende umfangreich für die interessierten Besucher zugänglich.
Blick durch die geöffnete Tür in den Ausstellungsraum im Museum Burg Posterstein
Über 130 Jahre ist es her, dass Rudolf Wilhelm Friedrich Ditzen als drittes Kind des Landrichters Georg Wilhelm Heinrich Ditzen (1852–1937) und seiner Frau Elisabeth Mathilde Auguste(1868–1951), geb. Lorenz, am 21. Juli 1893 in Greifswald zur Welt kam. Den meisten ist Rudolf Ditzen als Schriftsteller unter dem Pseudonym Hans Fallada bekannt. Bis heute sind seine Werke wie „Der junge Goedeschal“ (1920), „Bauern, Bonzen und Bomben“ (1931), „Kleiner Mann – was nun?“ (1932), „Wer einmal aus dem Blechnapf frißt“ (1934), „Wolf unter Wölfen“ (1937), „Jeder stirbt für sich allein“ (1947) und „Der Trinker“ (1950) weltbekannt. Sein Lebenslauf ist geprägt von Umbrüchen, vielen Tiefen und einigen Höhen – immer schwankend zwischen Erfolg, Misserfolg, Familienglück, Depressionen und Drogensucht.
Leben und Werk Hans Falladas sind weitgehend erforscht. Dabei fällt das Interesse hauptsächlich und naturgemäß auf sein Wirken als Schriftsteller. Doch auch seine Kindheit und Jugend sind weitgehend dokumentiert.
Die Bauanträge und Baupläne für Arthur Tecklenburgs Heilanstalt in Tannenfeld, die im Landesarchiv Thüringen – Staatsarchiv Altenburg bewahrt werden, wurden in der Ausstellung erstmals gezeigt.
Eine Lücke tat sich oft allerdings auf: Falladas Zeit in Tannenfeld und Posterstein. Diese Lücke hat das Museum Burg Posterstein nun temporär durch die Sonderschau „Hans Fallada – Familienbilder“ gefüllt. Im Oktober konnte das Museum die 13.333. Besucherin mit einem kleinen Geschenk und einer Urkunde begrüßen. Über 16.800 Besucher kamen insgesamt, um dem berühmten „Einwohner“ Postersteins näher zu kommen.
Seinen festen Platz in der Dauerausstellung der Burg hatte Hans Fallada stets sicher. Durch das Buch „Hans Fallada in Tannenfeld und Posterstein“ bleibt aber auch die neuste Forschungsarbeit des Museums nachhaltig gesichert und umfangreich für die interessierten Besucher zugänglich. Das Buch kann im Museum gekauft oder über das Museum bestellt werden.
Blick ins Buch „Hans Fallada in Tannenfeld und Posterstein“
Eine Tragödie mit Folgen
Doch was war überhaupt passiert? In seiner Kindheit zog Rudolf Ditzens Familie mehrfach um. Von Greifswald nach Berlin, dann von Berlin nach Leipzig – immer der Berufung des Vaters hinterher. Nach einem schweren Fahrradunfall in Leipzig musste der junge Rudolf Ditzen erstmals mit Morphium behandelt werden. Eine Droge, von der er Zeitlebens nicht mehr loskommen sollte. Nach einigen Zwischenfällen und einem ersten Kuraufenthalt in der Nähe von Bad Berka, schrieben ihn seine Eltern 1911 am Gymnasium Fridericianum in Rudolstadt ein.
Doch diese Zeit endete dramatisch. Mit seinem Schulfreund Hanns-Dietrich von Necker verabredete sich Rudolf zum Scheinduell – ein getarnter Doppelselbstmord unter Schülern. Und leider auch nicht der einzige Vorfall dieser Art zur damaligen Zeit.
Hanns-Dietrich von Necker starb bei diesem Duell, Rudolf Ditzen wurde schwer verletzt. Doch auf die Tat folgte ein Haftbefehl. Dem jungen Mann drohte eine Mordanklage.
Nach der Untersuchung an der psychiatrischen Klinik in Jena, ließ man die Mordanklage wegen Unzurechnungsfähigkeit fallen und übergab den jungen Rudolf Ditzen 1912 zur Behandlung in die Nervenheilanstalt in Tannenfeld und in die Obhut des dortigen Anstaltsleiters Dr. Arthur Tecklenburgs. Über ein Jahr lang war Rudolf Ditzen in Behandlung, begleitet von seiner Tante Adelaide (Ada) Ditzen, die ihm Unterricht in Sprachen erteilte und die ersten Türen in die Welt der Literaten aufstieß.
Und diese Behandlung gelang – dem jungen Mann ging es Zusehens besser. Auf Anraten Tecklenburgs kam er 1913 auf das nur zwei Kilometer von Tannenfeld entfernte Rittergut Posterstein und wurde landwirtschaftlicher Eleve unter der Leitung der Familie Hermann. Bis 1915 absolvierte er auf dem Rittergut Posterstein eine landwirtschaftliche Ausbildung – eine Tätigkeit, der er bis zu seinem Durchbruch als Schriftsteller noch einige Jahre treu blieb. Sie diente ihm für sein späteres Schaffen als Quelle und Inspiration.
Für die Ausstellung entstand ein kurzer Film, in dem Museumsmitarbeiterin Franziska Huberty die Geschichte Rudolf Ditzens an den Originalorten in Tannenfeld und am Herrenhaus Posterstein erzählt.
Die Ausstellung im Museum Burg Posterstein
Die Basis der Ausstellung bildete die Wanderausstellung „Hans Fallada – Familienbilder. Wie aber bestehe ich vor Dir, sehr liebe Verwandtschaft –?!“ der Hans-Fallada-Gesellschaft. Anhand zeitgenössischer Zitate aus Briefen und Dokumenten sowie Fotos und Postkarten stellen darin 16 Ausstellungsbanner Hans Falladas Familie von den Urgroßeltern bis zu seinen eigenen Kindern und natürlich ihn selbst – als Kind dieser Familie, als Landwirt und als Schriftsteller – vor. Hierin kommen die umfangreichen Bestände des Hans-Fallada-Archivs zur Geltung.
Die Wanderausstellung aus Carwitz (im Hintergrund zu sehen) ergänzte das Museum Burg Posterstein durch einen optisch abgehobenen Ausstellungsteil zu Hans Falladas Zeit in Jena, Tannenfeld und Posterstein.
Ergänzt hat das Museum Burg Posterstein diese stark textbasierte Schau in Posterstein durch einen größeren Schwerpunkt auf Rudolf Ditzens Zeit in Jena, Tannenfeld und Posterstein.
Ein Schwerpunkt der Kabinett-Ausstellung widmete sich Rudolf Ditzens Jahren in Jena, Tannenfeld und Posterstein.
Das Museum produzierte in Zusammenarbeit mit dem TV-Journalisten Gunter Auer einen rund sieben Minuten langen Film über Rudolf Ditzens Jahre in Tannenfeld und Posterstein. Franziska Huberty, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Museum Burg Posterstein, steht darin an den Originalschauplätzen im Schlosspark und im Schloss Tannenfeld sowie vor und im Herrenhaus Posterstein und erzählt anschaulich Rudolf Ditzens Geschichte. Anhand von Originalzitaten, gekonnt vertont von Schauspieler Robert Gregor Kühn, wird die Geschichte lebendig.
Blick in die Sonderschau samt Film, der alle zehn Minuten zu sehen war.
Lesungen, Musik und Film – ein umfangreiches Begleitprogramm
Begleitend zur Ausstellung gab es ein umfassendes Veranstaltungsprogramm mit zwei Live-Ausgaben des Postersteiner Museumspodcasts „LeseZEIT auf Burg Posterstein“, in denen Franziska Huberty aus originalen zeitgenössischen Dokumenten las. Zur Ausstellungseröffnung lag der Fokus dabei auf Briefen und Dokumenten, die Falladas Zeit in Tannenfeld und Posterstein abbildeten. Musikalisch wurde die Vernissage von Sänger Uǧur Okay und Katharina Weingart am Piano umrahmt.
LeseZEIT mit musikalischer Begleitung zur Ausstellungseröffnung in der Neuen Scheune Posterstein.
An Hans Falladas 130. Geburtstag, dem 21. Juli 2023, zeigten wir bei einem Filmabend den Spielfilm „Jeder stirbt für sich allein“. Den Hans-Fallada-Filmabend realisierte das Museum gemeinsam mit dem METROPOL Kino in Gera. Das Buch „Jeder stirbt für sich allein“ erschien erst nach Falladas Tod. Es erzählt die wahre Geschichte eines Berliner Arbeiterehepaars, das sich nach dem Soldatentod seines Sohnes mit Postkartenaktionen gegen die NS-Diktatur auflehnt. Das Buch wurde 2011 in der ungekürzten Neuauflage noch einmal zum internationalen Bestseller.
Der Filmabend in der Neuen Scheune fand in Kooperation mit dem Metropol-Kino Gera statt.
Im August und September fanden zwei musikalische Nachmittage auf Falladas Spuren mit dem Schauspieler Robert Gregor Kühn und Matthias von Hintzenstern am Piano in Posterstein statt. Robert Gregor Kühn trug aus Hans Falladas Erinnerungen „Wie ich Schriftsteller wurde” vor und wurde dabei von Matthias von Hintzenstern mit Musik aus den 1920er Jahren begleitet.
Robert Gregor Kühn und Matthias von Hintzenstern nahmen die Gäste zweimal mit auf musikalische Ausflüge in Rudolf Ditzens Leben.
Am 30. September 2023 präsentierte Dr. Stefan Knüppel, Leiter des Hans-Fallada-Museums Carwitz, Hans Falladas Wohnhaus und das heutige Museum in Carwitz. In seinem Vortrag „Heute bei uns zu Haus“ gab er anschaulich Einblicke in das Leben des Schriftstellers. In einem virtuellen Museumsrundgang entführt er die Zuhörenden in Falladas einstigen Wohn- und Rückzugsort im entfernten Carwitz.
Dr. Stefan Knüppel lud die Gäste zu einem bildhaften Ausflug ins Fallada-Museum in Carwitz.
Am letzten Ausstellungstag, den 12. November 2023, schloss die Sonderschau mit einer Führung von Museumsmitarbeiterin Nicole Thonfeld-Hanf und einer zweiten Live-Lesung des Museumspodcasts „LeseZEIT auf Burg Posterstein“.
Nicole Thonfeld-Hanf gab eine letzte Führung durch die Sonderschau.
Die LeseZEIT gab diesmal Eindrücke zu den Bauplänen der Heilanstalt in Tannenfeld. Franziska Huberty laß aus historischen Dokumenten des Landesarchivs Thüringen, Staatsarchiv Altenburg. Darin sind das Konzept und die Architektur der Nervenheilanstalt in Tannenfeld von seinem Gründer, Arthur Tecklenburg, selbst beschrieben und dokumentiert.
Die zweite LeseZEIT fand im Café zur eisernen Bank im Herrenhaus Posterstein statt. Franziska Huberty las aus den Bauanträgen Dr. Arthur Tecklenburgs für seine Nervenheilanstalt.
Ein Buch zu Ehren eines Schriftstellers
Für die Ausstellung „Hans Fallada – Familienbilder“ recherchierte das Museum umfangreich in verschiedenen Archiven und Sammlungen zu Falladas Zeit in Tannenfeld und Posterstein. Dieses geballte Wissen über eine sehr bewegte Zeit im Leben des bekannten Schriftstellers veröffentlichte das Museum im Zuge der Ausstellung in einer neuen Publikation. Das Buch „Hans Fallada in Tannenfeld und Posterstein“ von Marlene Hofmann fasst auf 112 Seiten und mit über 70 meist farbigen Abbildungen die Forschungsarbeit zusammen. Neue Erkenntnisse konnten auch über die Anlage Tannenfeld selbst gewonnen werden. Das Buch ist an der Museumskasse oder per Mail an das Museum erhältlich.
Seinen festen Platz in der Dauerausstellung hat sich Hans Fallada über die Ausstellungsdauer hinaus natürlich bewahrt. Durch die Publikation, die Podcast-Folgen (die nach und nach online gestellt werden) und die Blogbeiträge wird aber auch die Sonderschau nachhaltig bewahrt und sicherlich wird es nicht das letzte Mal gewesen sein, dass das Museum Burg Posterstein Hans Fallada ins Zentrum seiner wissenschaftlichen Arbeit rückt.
[1]aus: „Wer einmal aus dem Blechnapf frisst“: Zitiert nach: Fallada, Hans: Sehnsucht ist besser als Erfüllung. Lebensweisheiten und Aphorismen, Berlin 2016, S. 13.
von Franziska Huberty und Marlene Hofmann / Museum Burg Posterstein
Die Ostereier-Schau, die wir bis 1. Mai 2023im Museum Burg Posterstein zeigen, enthält diesmal einige „Easter Eggs“, die sich auf unsere anderen Ausstellungen, Sammlungen und Forschungen beziehen. Für alle, denen der Begriff nicht so geläufig ist: Unter „Easter Eggs“ versteht man versteckte Hinweise und Referenzen in künstlerischen Werken wie Filmen und Büchern, die sich auf andere Werke beziehen. In unserem Fall gibt’s in der Ausstellung mehr oder weniger unauffällige Andeutungen auf Ausstellungsthemen der ständigen Ausstellungen und der nächsten Sonderschau.
Die Ostereier-Schau auf Burg Posterstein
Die Ostereier-Schau „Wenn die Osterglocken läuten“ holt von 1. April bis 1. Mai 2023 den Frühling in die Burg Posterstein. Die Sonderschau zeigt in einem Raum hunderte, von Peter Rehfeld in verschiedenen Techniken gestaltete Ostereier aus der Sammlung des Museums und stellt sie Frühlingsgedichten gegenüber. Die Gedichte schrieben Autorinnen und Autoren, die in der ständigen Ausstellung des Museums eine Rolle spielen.
Im Video gestaltet Marion Dinger aus dem Museumsverein Burg Posterstein e.V. ein Osterei mit Narzisse und Gedicht – per Klick gelangen Sie zu unserem YouTube-Account, wo Sie sich die Anleitung im Zeitraffer anschauen können.
Was haben Jean Paul, Theodor Körner und Hans Fallada gemeinsam?
In der Ostereier-Schau treffen Besucherinnen und Besucher auf Gedichte von Theodor Körner, Jean Paul, Hans Wilhelm von Thümmel, Elisa von der Recke und Christoph August Tiedge, die allesamt Gäste im Salon der Herzogin von Kurland in Löbichau waren. Auch ein Gedicht, wenn auch kein fröhliches, von Hans Fallada, dem das Museum ab 14. Mai 2023 eine Ausstellung widmet, ist dabei.
Alle Schriftsteller eint, dass sie zu Lebzeiten Gast, vorrübergehend wohnhaft oder beheimatet im heutigen Altenburger Land waren und in der ständigen Ausstellung des Museums Erwähnung finden.
Das Patenkind der Herzogin Dorothea: Theodor Körner
Im Frühling
1810
Morgenduft! Frühlingsluft! Glühend Leben, Muthige Lust, Freudiges Streben In freudiger Brust! Hinauf, hinauf Auf der lichten Bahn Dem Frühling entgegen!
Auf allen Fluren Der Liebe Spuren, Der Liebe Segen. Wälderwärts Zieht mich mein Herz, Bergaus, bergein, Frei in die Welt hinein, Durch des Tages Gluth, Durch nächtlich Grausen!
Jugendmuth Will nicht weilen und hausen. Wie alle Kräfte gewaltig sich regen, Mit heißer Sehnsucht spät und früh, Dem ewigen Morgen der Liebe entgegen, Entgegen dem Frühling der Phantasie!
Aus: Theodor Körner: Gedichte, in: Theodor Körner‘s Werke. Vollständigste Ausgabe mit mehreren bisher ungedruckten Gedichten und Briefen, Berlin 1890.
Theodor Körner (1791–1813) weilte häufiger in Löbichau als Gast seiner Patin, der Herzogin Dorothea von Kurland. Er studierte in Leipzig und Wien, wo er am Burgtheater arbeitete. Bekannt wurde er als Dichter der Befreiungskriege, in denen er 1813 starb. Der Maler Ernst Welker, von dem unsere Podcast-Folge Nummer 9 erzählt, zeichnete sein Grab. Auch Welker war – wenn auch später als Körner – in Löbichau.
Die Postersteiner Ostereier-Schau verbindet Ostereier und Frühlingsgedichte.
Die Halbschwester der Herzogin: Elisa von der Recke
Ebenfalls eine Taufpatin Theodor Körners war die Schriftstellerin Elisa von der Recke (1754–1833), die Halbschwester der Herzogin Anna Dorothea von Kurland. Sie schrieb unter anderem folgendes Frühlingsgedicht:
Frühlingslied
Sieh, der Frühling lacht uns wieder; Bunt geschmückt sind Hain und Flur; Laut erschallen seine Lieder Von den Sängern der Natur; Lichte Silberwolken mahlen Schön sich auf des Himmels Blau, Und die Pracht der Sonnenstrahlen Schmückt mit Glanz die Blumenau‘. Reiche Saat wogt auf den Feldern, Wie ein grünes Wellenmeer; Auf den Bergen, in den Wäldern Lacht um uns die Freude her; Jeder neue Tag entfaltet Neuen Blüthenschmuck der Flur; Und die Schönheit, die veraltet, Wird ein Segen der Natur. Schnell auch welkt der Jugend Blüthe, Gleich dem holden Lenz, dahin! Weisheit, zarte Seelengüte, Sind ein bleibender Gewinn. Lerne du von Mutter Erde, Wie sie Lenz und Sommer braucht! Daß zur Frucht die Blüthe werde, Darum wird ihr Schmuck enthaucht.
aus: Gedichte der Frau Elisa von der Recke, gebornen Reichsgräfin von Medem / hrsg. von C. A. Tiedge. Mit Compositionen von Himmel und Naumann, Halle 1806.
Der ständige Begleiter Elisa von der Reckes: Christoph August Tiedge
Gemeinsam mit dem Schriftsteller Christoph August Tiedge (1752–1841) verbrachte Elisa von der Recke so manchen Sommer in Löbichau. Auch er widmete dem Frühliung Gedichte:
Frühlingslied
Auf die Erde gießt der Himmel Seinen wärmern Sonnenschein, Und ein fröhliches Gewimmel Junger Kräfte rauscht im Hain. Hohe Siegeslieder singend, Winkt die blühende Natur, Ihren vollen Thyrsus schwingend, Dich auf ihre grüne Flur. In den klaren Aether tauchen Sich die Lüft‘, und schwärmen dann Durch die Wiese hin, und hauchen Sanft das erste Veilchen an. Dieses Kind der wärmern Lüfte, Zart und freundlich, wie dein Scherz, O, das Veilchen, Minna, düfte Seine Stille dir ins Herz! Um die frühe Philomele Flattert reges Laubgewühl; Sie erweck‘ in deiner Seele Das melodische Gefühl, Welches in der holden Güte In der Graziengestalt Deiner zarten Lebensblüte Leis‘ und lieblich wiederhallt.
Aus: An Minna von B., 1788, in: Elegien und vermischte Gedichte von C. A. Tiedge, Erstes Bändchen, Halle in der Rengerschen Buchhandlung 1803.
Ab 1804 lebte Christoph August Tiedge mit Elisa von der Recke abwechselnd in Halle und Berlin oder reiste mit ihr durch Deutschland, die Schweiz und Italien.
Der Minister vom Nachbar-Rittergut: Hans Wilhelm von Thümmel
Zu den ständigen Löbichauer Gästen zählte der Geheime Rat und Minister Hans Wilhelm von Thümmel, dem das benachbarte Rittergut Nöbdenitz gehörte. Auch ihm widmeten wir bereits eine Podcast-Folge.
Die 1000-jährige Eiche Nöbdenitz im März 2023
Thümmel wählte die 1000-jährige Eiche von Nöbdenitz zu seiner außergewöhnlichen Grabstätte. Zu Lebzeiten soll er in der Eiche Aphorismen verfasst haben. Frühlingsgedichte aus seiner Feder sind uns nicht bekannt, aber einer seiner Aphorismen hat den Weg in die Ostereier-Schau gefunden:
Aphorismus Nr. 140
Wer für die melodische Stimme des Waldes kein Ohr, wer für die Reize der Natur nur ein flüchtiges Auge, wer bei Erblickung des strotzenden Fruchtbaums und bei den grünenden Saaten, die Reiche und Arme sättigen, keine dankbare Zunge, wer für Millionen duftender Blumen und Kräuter ur stumpfe Nerven hat, der besitzt zwar Thiergefühl, aber keine Empfindung: er mag im Sumpfe ekler Zerstreuung sein Leben hinhauchen.
Aus: Hans Wilhelm von Thümmel: Aphorismen aus den Erfahrungen eines Sieben und Siebzigjährigen, Altenburg 1821.
Der Sommergast der Herzogin: Jean Paul
Einen Sommer verbrachte der bekannte Dichter Jean Paul (1763–1825) auf besondere Einladung der Herzogin von Kurland in Löbichau, wo er die dort herrschende Sprechfreiheit lobte. Davon erzählt unsere Podcast-Folge 1, in der wir Jean Pauls Besuch aus Sicht der Herzogin erzählen. Demnächst (Mai 2023) behandelt Folge 11 des Podcasts noch einmal diesen Besuch aus Sicht des Dichters.
Frühling im Schlosspark Tannenfeld
Auch Jean Paul ist nicht für Frühlingsgedichte bekannt. Aber wir zitieren gern eine Stelle aus seinem „Titan“:
Wenn der Mensch vor dem Meere und auf Gebirgen, und vor Pyramiden und Ruinen, und vor dem Unglücke steht und sich erhebt, so strecket er die Arme nach der großen Freundschaft aus. – Und wenn ihn die Tonkunst und der Mond, und der Frühling und die Freudenthränen sanft bewegen, so zergeht sein Herz und er will die Liebe. – Und wer beide nie suchte, ist tausend Mal ärmer, als wer beide verlor.
Aus: Titan, Erstes Bändchen, in: Jean Pauls sämmtliche Werke, XXI, Fünfte Lieferung, Erster Band, Berlin 1827, S. 142.
Der Patient und Lehrling: Rudolf Ditzen
Nicht Gast im Salon der Herzogin von Kurland war der letzte Dichter, den die Sonderschau zitiert, denn er kam erst hundert Jahre später in unsere Gegend. Rudolf Ditzen (1893–1947), der später weltbekannte Schriftsteller Hans Fallada, verbrachte in seiner Jugend, längere Zeit in der Nervenheilanstalt in Tannenfeld. Diese war Jahrzehnte nach der Zeit des Löbichauer Salons im ehemaligen Schlosspark Tannenfeld entstanden. In der ländlichen, idyllischen Umgebung verfolgte der Arzt Dr. med. Arthur Tecklenburg dort ein modernes Klinikkonzept.
Blühende Narzissen im Schlosspark Tannenfeld
In dieser Umgebung verbesserte sich Rudolf Ditzens Zustand sichtlich, auch wenn das hier zitierte Gedicht noch von seiner schweren Depression in Folge seines missglückten Doppelselbstmords zeugt:
Tannenfeld
Vielleicht ist Park hier nichts so sehr wie Leid, Vielleicht ist Baum ein hingeschluchztes Wort, Und jedes Blatt ist einer Schwermut Kleid, Darinnen Lust wie Leid erstickt verdorrt. Vielleicht führt jeder Weg zum Irrsinn hin, Vielleicht ist Teich ein tief erweinter Schmerz, Und jedes Haus steht stets im Dunkel drin, Und nichts ist stumm, eh’s nicht zu Boden fällt Nur Ding ist tot und dies vielleicht auch nicht, Es wehrt sich auch und schreit sein tiefstes Leid, So schreit auch Mensch in Schmerzen jederzeit, Bis man ihm schließlich dunkle Kränze flicht.
Aus: Rudolf Ditzen (Hans Fallada) aus seiner Krankenakte
Nach seiner Entlassung absolvierte der junge Mann auf dem Rittergut Posterstein eine landwirtschaftliche Ausbildung. Anlässlich seines Geburtstags zeigt das Museum Burg Posterstein von 14. Mai bis 12. November 2023 die Ausstellung „Hans Fallada – Familienbilder. Wie aber bestehe ich vor Dir, sehr liebe Verwandtschaft –?!“ der Hans-Fallada-Gesellschaft. Diese schöpft aus den umfangreichen Beständen des Hans-Fallada-Archivs und rückt Erinnerungen, Briefe und Fotos der Familie Ditzen in den Mittelpunkt. In Posterstein zu sehen sein wird eine Kabinett-Ausstellung in einem Raum, die bewusst einen Schwerpunkt auf Rudolf Ditzens Jahre in Tannenfeld und Posterstein legt. Zur Ausstellung wird es ein umfangreiches Begleitprogramm geben.
Schon das Telegramm und das Telefon machten es ihr zunehmend schwer. Doch die SMS und spätestens WhatsApp ließen die Postkarte buchstäblich alt aussehen, wenn sie nach Tagen oder gar Wochen in den Briefkasten flatterte. Trotzdem gibt es sie auch heute noch – und im Gegensatz zu digitalen Kurznachrichten hat sie Aufbewahrungswert. Als persönliche Erinnerung oder als Sammlerstück, als Kunstwerk, Kulturgut und als Zeitzeugnis: Postkarten geben uns noch heute etwas.
Kabinett-Ausstellung „Liebe Omi, wie geht es Dir? – Postkarten aus Löbichau und Umgebung“ von 5. Februar bis 19. März 2023 zeigen wir 300 Postkarten aus Ortschaften unserer unmittelbaren Umgebung. Sie entstammen der privaten Sammlung von Frank Erler. Allein aus Löbichau, der Heimat des Sammlers, sind über 80 Motive zu bestaunen, aus Tannenfeld rund 40. Dazu kommen Karten aus anderen umliegenden Ortschaften.
Historische Ansichtskarte des Löbichauer Gasthofs, Sammlung Frank Erler
Viele Löbichauer Motive gehen aber auch auf ehemalige Gasthöfe zurück, darunter die Vorläufer des heutigen Landgasthofs, deren Eigentümer sehr viele eigene Postkarten-Auflagen drucken ließen.
Wozu Postkarten?
Die Postkarte als Medium zur Kommunikation wurde erst gebraucht, als viele Menschen weit weg von Familie und Freunden lebten und als sich „Otto Normalbürger“ weite Reisen leisten konnte. Noch im frühen 19. Jahrhundert verfügten nur die oberen Gesellschaftsschichten über genügend Zeit und Geld, um entfernte Orte zu besuchen. Mit der Industrialisierung zogen viele Arbeiter auf der Suche nach einer Anstellung vom Land in die Städte um. Der Bau der Eisenbahnen erleichterte die Mobilität – auch die der Post, die nun schneller am Zielort ankam.
In den USA wurden private Grußkarten schon 1861 postamtlich zugelassen. Nach einigen Vorläufern führte Österreich-Ungarn die „Correspondenzkarte“ 1869 ein, im Jahr darauf folgten auch andere deutsche Länder nach. Zunächst gab es vorgedruckte Karten und beschriebene Vorderseiten. Erst 1905 legte das Deutsche Reich das heute gängige Format mit bedruckter Vorderseite und beschriebener Rückseite fest.
Mir geht’s gut – wie geht’s dir?
Ja, und was schreibt man auf so ein Stück Pappe, das offen und für alle lesbar ausgeliefert wird? Meist nichts Heikles, einen schönen Gruß, eine kurze Momentaufnahme. Häufig auch Einladungen und kurze Informationen.
„aus meinem Urlaub sende ich Euch die besten Grüsse. – Schlafen, essen und spazieren gehen im Park der sehr schön ist, auch allerhand Bänke gibt es. “ – Postkarten-Rückseite von 1976, Sammlung Frank Erler
Tatsächlich diskutierte man die Einführung des neuen Mediums kritisch: Würde die Beschränkung auf so kurze Texte nicht ein Stück Schriftsprachkultur beschneiden? Die Kunst des Schreibens ausführlicher Briefe verloren gehen? – Eine Diskussion, die uns heute nur allzu bekannt vorkommt.
Die Postkarte setzte sich in der breiten Bevölkerung schnell durch – sie war leicht und schnell zu verfassen und günstig zu versenden.
Postkartenhimmel
Auf Postkarten herrscht nie trübes Wetter, der Himmel erstrahlt in so tiefem Blau, dass der „Postkartenhimmel“ zum gängigen Begriff geworden ist. Hier zeigt sich der abgebildete Ort von seiner schönsten Seite, um dem Reisenden positiv im Gedächtnis zu bleiben und beim Post-Empfänger Lust auf einen eigenen Ausflug an diesen Ort zu wecken.
Schloss Löbichau, Ansichtskarte von 1904 (Museum Burg Posterstein)
Wie heute in Beiträgen in sozialen Netzwerken zeigte die Postkarte die schönen Seiten des Lebens – und weckte damit Begeisterung und Neid gleichermaßen.
Und heute? Wer in Zeiten des Smartphones den Aufwand betreibt, seinen Lieben eine echte Postkarte zu schicken – vor Ort gekauft, handbeschrieben, frankiert und in einen Briefkasten gesteckt – zeigt damit Wertschätzung: Du bist es mir wert, Zeit, Geld und Mühe in diesen Gruß zu investieren.
Die Postkarten-Sammlung des Museums
Das Museum Burg Posterstein besitzt eine Sammlung historischer Postkarten, vorwiegend mit Motiven aus dem Altenburger Land sowie der Region. Viele Postkarten sind wertvolle historische Zeugnisse, die beispielsweise heute nicht mehr vorhandene Bauwerke und Landschaften zeigen.
Wie das Rttergut Posterstein vor der Bodenreform aussah, zeigt diese historische Postkarte (Museum Burg Posterstein)
Die Sammlung wird fortlaufend erweitert, ist aktuell allerdings noch nicht digitalisiert.
Postkarte von Tannenfeld aus dem Jahr 1931 (Sammlung Museum Burg Posterstein)
Ausstellung „Postkarten aus Löbichau und Umgebung“ 2023 auf Burg Posterstein:
Die Kabinett-Ausstellung „Liebe Omi, wie geht es Dir? – Postkarten aus Löbichau und Umgebung“ von 5. Februar bis 19. März 2023 auf Burg Posterstein zeigt in einem Raum 300 Postkarten aus der Sammlung Frank Erler mit Motiven aus Löbichau und umliegenden Ortschaften. Sie gibt darüber hinaus kurze Einblicke in die Geschichte der Postkarte, die Löbichauer Ortsgeschichte und die Geschichte der Gasthöfe im Altenburger Land.
Banner zur Sonderschau „Postkarten aus Löbichau und Umgebung“
Ausstellungseröffnung mit dem Sammler Frank Erler
Zur Ausstellungseröffnung am 5. Februar, 15 Uhr, besteht die Möglichkeit mit dem Sammler Frank Erler ins Gespräch zu kommen. Angefangen hat Frank Erlers Sammelleidenschaft 2003, als er in Vorbereitung der 750 Jahr-Feier seines Heimatorts Löbichau nach historischen Postkarten recherchierte. Seither hat es ihn nicht losgelassen, nach Seltenheiten Ausschau zu halten.
Das Winterferien-Thema lehnt sich an die Sonderschau „Liebe Omi, geht’s dir gut? – Postkarten aus dem Altenburger Land“. Im Ferienprogramm “Liebe Omi, wie geht’s dir? – Warum schrieb man früher so viele Postkarten?” vom 11. bis 26. Februar 2023 erfahren Kinder spielerisch, warum man früher so viele Postkarten schrieb. Dabei dürfen die Kinder ausnahmsweise in fremder Post schnüffeln und bekommen die Gelegenheit, selbst eine Postkarte zu schreiben. Alle Infos
Im Vortrag „Historische Postkarten aus dem Altenburger Land“ am 12. März 2023, 15 Uhr, stellen Gustav Wolf, Vorsitzender der Geschichts- und Altertumsforschenden Gesellschaft des Osterlandes zu Altenburg, und die Historikerin Sabine Hofmann weitere Postkarten aus dem Altenburger Land vor und geben einen Einblick in die Geschichte der Postkarten im Altenburger Land. Weitere Informationen zum Vortrag
Ernst Welker (links) auf einem Sofa im Salon (Bleistiftzeichnung, Museum Burg Posterstein)
Wer war Welker?
Der Maler Ernst Welker erhielt schon während seines Studiums an der Wiener Akademie der Bildenden Künste Auszeichnungen für seine Landschaftsmalereien. Bis ins hohe Alter lebte er von seiner Kunst, stellte aus und verkaufte seine Werke zu beachtlichen Preisen. Mit befreundeten Malern wie Johann Christoph Erhard, Johann Adam Klein und den Brüdern Friedrich Philipp Reinhold und Heinrich Reinhold aus Gera begab er sich auf künstlerische Expeditionen nach Salzburg und Berchtesgaden oder in die nähere Umgebung Wiens. Ernst Welker war Lützower Jäger an der Seite Theodor Körners und zeichnete dessen Grab. Mehrere Jahre beschäftigte ihn die Herzogin Wilhelmine von Sagan als Zeichenlehrer und Gesellschafter für ihre Pflegetöchter – darunter die spätere Schriftstellerin Emilie von Binzer. In Gesellschaft der Herzogin von Sagan hielt er sich auf deren schlesischen Gütern Sagan und Ratiborschitz auf und verbrachte den Sommer auf Schloss Löbichau im Salon der Herzogin von Kurland, der Mutter Wilhelmine von Sagans. In Löbichau porträtierte er die anwesenden Gäste als Fabelwesen, halb Mensch, halb Tier oder Gegenstand – diese Aquarelle befinden sich heute in der Sammlung des Museums Burg Posterstein und sind auch in der Europeana zu sehen. Von 1821 an weilte Ernst Welker mehrere Jahre in Italien. Man kann davon ausgehen, dass er sich im Kreis der deutsch-römischen Künstlerkolonie bewegte und namhafte Künstler seiner Zeit persönlich kannte. Im Gefolge Wilhelmine von Sagans reiste er bis Neapel, wovon seine Aquarelle zeugen.
Ernst Welkers Aquarell „Blick auf den Petersdom in Rom von der Villa Borghese aus“ als Postkarte – im Hintergrund die Burg Posterstein
Und trotz alledem blieb Ernst Welker bisher von der Forschung weitgehend unbeachtet. Bis zum Erscheinen der neuen Publikation „Sehnsuchtsziel Italien – Der Maler Ernst Welker auf Reisen und im Salon der Herzogin von Kurland“ des Museums Burg Posterstein stand Ernst Welker noch nie im Mittelpunkt eines Buchs. Viele Kunstkataloge erwähnen ihn lediglich nebenbei. Dabei sind bereits zeitgenössischen Publikationen Fehler unterlaufen – beispielsweise hinsichtlich des korrekten Geburtsortes (Gotha), dem genauen Geburtsjahr (1784), der familiären Herkunft (Sohn des Sachsen-Gotha-Altenburgischen Archivars Philipp Friedrich Welker) und den genauen Reisezielen Welkers (er war vermutlich nie im Nahen Osten). Seinen Lebensweg nachzuvollziehen, glich einer detektivischen Arbeit, die mit dem 2022 erschienenen Buch erst begonnen hat – und lange noch nicht abgeschlossen ist.
Welker porträtierte seine Arbeitgeberin als stolzes Ross
2014 gelang es dem Museum Burg Posterstein mit Unterstützung der Bürgerstiftung Altenburger Land sowie des Freistaats Thüringen, ein außergewöhnliches Konvolut an Zeichnungen anzukaufen. Die Rede ist von den Löbichauer Salongästen als Fabelwesen, die sich lange Zeit im Besitz von Emilie von Binzer befunden haben. Der Salon der Herzogin von Kurland in Löbichau, das nur wenige Kilometer von Posterstein entfernt liegt, ist eines der wichtigsten Forschungsthemen des regionalgeschichtlichen Museums Burg Posterstein. Der Sammlungsteil Salongäste als Fabelwesen besteht aus 47 Aquarellen mit namhaften Löbichauer Gästen und zwei Skizzen, die alle in einer grünen Halblederkassette aufbewahrt wurden. Sie sind bereits digitalisiert und in der Europeana und auf Wikimedia Commons frei zugänglich und nutzbar. (Weitere Infos zur Sammlung Welker)
Als schönes, wildes Pferd stellte Ernst Welker Wilhelmine von Sagan, die älteste Tochter der Herzogin von Kurland dar.
Die Salongäste der Herzogin von Kurland stellte Ernst Welker als humorvolle Fabelwesen dar. Unter den so Porträtierten befinden sich nicht nur die Herzogin Anna Dorothea von Kurland selbst (dargestellt als treuer Pudel) sowie Welkers Arbeitsgeberin Wilhelmine von Sagan (als stolzes Ross), sondern auch der Sachsen-Gotha-Altenburgische Herzog August (als eitler Pfau – dieses Bild ist derzeit nicht in Posterstein, sondern in der Ausstellung „Luxus, Kunst und Phantasie – Herzog August von Sachsen-Gotha-Altenburg als Sammler“ im Herzoglichen Museum Gotha zu sehen), die Schriftstellerin Elisa von der Recke (als Tintenfass), der Dichter Christoph August Tiedge (als Lehnstuhl), der Archäologe Carl August Böttiger (als Statue) und der Jurist Paul Johann Anselm von Feuerbach (als Nagel). Jedes Aquarell ist mit einem Reim versehen. Emilie von Binzer bezeichnete diese Sprüche unter den Porträts als „Fibelverse“. Schon im 18. Jahrhundert verstand man unter einer Fibel ein bebildertes, mit einzelnen, zum jeweiligen Buchstaben passenden Bildmotiven versehenes Leselernbuch. Eine solche Fibel könnte die Vorlage für Welkers Porträts gebildet haben, denn auch hier gibt es in der oberen linken Bildecke jeweils einen Buchstaben in Groß- und Kleinschreibung – z.B. das „A, a“ des possierlichen Affen Graf Peter von Medem und das „Z, z“ des bunt gefleckten Zebras Gräfin Jeannette Bressler. Tatsächlich kommen alle 26 Buchstaben vor, einige sogar mehrfach. Das Bestreben, das gesamte Alphabet abzudecken, erklärt dann auch eher gewollt klingende Verse wie: „Schwer zu finden ist ein X, / Es fehlt nicht viel, so fanden wir nix.“, der zum Porträt des Staatsrats Christian Gottfried Körner als Scherenstuhl gehört.
Sich selbst porträtierte Ernst Welker als Auster mit großem Bart. (Sammlung Museum Burg Posterstein)
Dass sich ein Zeichenlehrer solche Bilder erlauben durfte, die sehr wahrscheinlich in Löbichau gezeigt wurden, unterstreicht die Freiheit und Offenheit, die im Salon der Herzogin von Kurland herrschte. Auch der Dichter Jean Paul rühmte deren Salon in Löbichau für genau diese Redefreiheit und Offenheit. Sich selbst zeichnete Ernst Welker übrigens als Auster, versehen mit dem Spruch: „Die Auster ist von guter Art, das größte an ihr ist der Bart“.
Der zweite Teil der Postersteiner Sammlung Welker umfasst 13 Landschaftsbilder des Malers, die das Museum besitzt bzw. die über Dauerleihgaben an das Haus gebunden sind. Acht Aquarelle und ein Ölgemälde zeigen Landschaften. Bis auf ein Blatt sind alle Werke mit Welker; E. Welker; E.W.; Welker fec.; E. Welker fec.; und Ernst Welker fec. signiert.
Blick auf den Petersdom in Rom von der Villa Borghese aus, Ernst Welker, Aquarell, signiert: Welker fec., o. J., Museum Burg Posterstein
Ergänzt wird der kleine Bestand durch Arbeiten von Johann Christoph Erhard, Johann Adam Klein, Johann Christian Reinhart und Carl Trost.
Zu verdanken ist die Kollektion zum Großteil dem Sammler Uwe Buchheim. Er fühlt sich dem Museum Burg Posterstein seit Jahren verbunden und ist Mitglied im Förderverein. Ihn beeindrucken die Forschungen und Ausstellungen zum Salon der Herzogin von Kurland, durch die er begann, sich mit dem Maler Ernst Welker zu beschäftigen. Er setzte sich nicht nur dafür ein, dass die Porträtsammlung Salongäste 2014 vom Museum erworben werden konnte, sondern sammelt seither selbst und stellt die erworbenen Werke dem Museum zur Verfügung. Dafür sind wir sehr dankbar.
Ausstellung und Buch „Sehnsuchtsziel Italien“
Die Sonderschau und das gleichnamige Buch „Sehnsuchtsziel Italien – Der Maler Ernst Welker auf Reisen und im Salon der Herzogin von Kurland“ zeigen nun erstmals alle diese Welker-Arbeiten. Auf 156 Seiten zeichnet das Buch das Leben des Malers anhand der Sammlungen und Forschungen des Museums nach.
Bey Castelamare im Neapolitanischen, Ernst Welker, Aquarell, signiert: Welker, o. J., Museum Burg Posterstein
Im Lauf der Arbeit daran stießen wir auf neue Informationen und weitere Werke Welkers in verschiedenen internationalen Sammlungen. Besonders freut uns, dass wir erstmals einen bisher noch nicht erschlossenen Teil der Sammlung Biron der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena aufarbeiten konnten. Es handelt sich unter anderem um Salonszenen, Porträts und Skizzen für die Postersteiner Sammlung von Porträts der Salongäste.
Das Buch „Sehnsuchtsziel Italien“ kann man über das Museum Burg Posterstein kaufen
Welkers Arbeiten stellen wir im Buch Abbildungen von Werken seiner Malerkollegen gegenüber. Da Welker – außer seinen Zeichnungen – selbst kaum schriftliche Quellen hinterlassen hat, bleiben durchaus Lücken in der Biografie bestehen.
Welker wanted!
Wir möchten deshalb dazu aufrufen, Forschungsdaten zum Maler Ernst Welker zu sammeln und auszutauschen. Über Hinweise sind wir sehr dankbar. Einen Überblick über verschiedene Stationen in Welkers Leben und über Sammlungsbestände weltweit möchten wir auf unserer Website salon-europa.eu bündeln und langfristig pflegen. Über Ergänzungen freuen wir uns sehr.
Im Anschluss an die Ausstellung planen wir, die Wikipedia-Seite zu Ernst Welker durch die neuen Informationen zu ergänzen.
Von Marlene Hofmann
Zum Weiterlesen
Infos zur Ausstellung:
Sehnsuchtsziel Italien – Der Maler Ernst Welker auf Reisen und im Salon der Herzogin von Kurland, 17. Juli bis 13. November 2022, Museum Burg Posterstein
Sehnsuchtsziel Italien – Der Maler Ernst Welker auf Reisen und im Salon der Herzogin von Kurland Museum Burg Posterstein, 2022 156 Seiten, farbig Preis: 25,00 Euro