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LeseZEIT – Folge 8: Henriette Herz

Geschichte & Geschichten Veröffentlicht am 24. Februar 2023 von Museum Burg Posterstein25. Februar 2023

Nach einer längeren Pause, in der unsere Podcast-Folgen live im Museum stattgefunden haben, gibt es nun Folge 8, die sich einer bekannten Salonnière widmet: Henriette Herz. Die Historikerin Franziska Huberty aus dem Museum Burg Posterstein stellt die geistreiche Dame wie gewohnt zunächst vor und lässt sie im Anschluss in eigenen Worten sprechen. Henriette Herz und die Herzogin Anna Dorothea von Kurland lernten sich über ihren gemeinsamen Bekannten Leopold Friedrich Günther von Goeckingk kennen. Nach einigem Zögern wurde Henriette Herz Englischlehrerin der jüngsten Tochter der Herzogin von Kurland und somit ein Teil des Berliner Salons der Herzogin. Einen Einblick in diesen gab es übrigens bereits in Folge 7 und Folge 5.

Den Titel der Folge spricht diesmal Gunter Auer – vielen Dank! Wie immer können Sie diese Folge als Blogpost lesen oder als Podcast anhören:

https://blog.burg-posterstein.de/wp-content/uploads/2023/02/LeseZEIT_Folge8_HenrietteHerz-2.mp3

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Nach unserer letzten weihnachtlichen Episode aus der Feder Gustav Partheys (1798–1872) bleiben wir auch in dieser Folge im winterlichen Berlin der 1810er Jahre und wollen heute eine Frau ins akustische Scheinwerferlicht rücken, die wir schon in der letzten LeseZEIT kurz kennengelernt haben: Die berühmte Schriftstellerin und Salonnière Henriette Herz (1764–1847).

Henriette Herz – Begründerin des ersten Berliner Salons

Henriette Herz gilt als Begründerin des ersten Berliner Salons und als Pionierin bei der Etablierung der Salons in Berlin und in ganz Deutschland. Unter ihrem Dach versammelte sie Berühmtheiten wie den Bildhauer Gottfried Schadow (1764–1850), Wilhelm (1767–1835) und Alexander von Humboldt (1769-1859), Friedrich Schleiermacher (1768–1834), August Wilhelm (1767–1845) und Friedrich Schlegel (1772–1829), Rahel Varnhagen von Ense (1771–1833), Friedrich Gentz (1764–1832), Jean Paul (1763–1825) oder David Friedländer (1750–1834). Doch wie immer von vorn!

Portrait der Henriette Herz mit Locken und Kleid, das Falten wirft
Portrait der Henriette Herz von Alb. Teichel gestochen nach einem Gemälde von Anton Graff, Sammlung Museum Burg Posterstein

Henriette Julie Herz wurde 1764 als älteste Tochter des jüdischen Arztes und Leiters des jüdischen Krankenhauses in Berlin, Benjamin de Lemos (1711–1789), und seiner zweiten Ehefrau Esther (1742–1817), einer geborenen Charleville, in Berlin geboren. Ihre Eltern ließen ihr eine umfangreiche, private Ausbildung zukommen. So wurde die junge Henriette zuerst bei Freunden der Familie unterrichtet, wo sie auch Klavierstunden erhielt. Später kam ein Privatlehrer ins Elternhaus. Dabei zeigte sie eine besondere Begabung für Sprachen und so erhielt sie zuerst Unterricht in Französisch, Englisch, Latein und Hebräisch. Später fügte Henriette Herz ihren zahlreichen Sprachkenntnissen noch Italienisch, Portugiesisch, Dänisch, Türkisch, Malaiisch und Sanskrit hinzu.

1777, mit zwölf Jahren, wurde Henriette mit den jüdischen Arzt Marcus Herz (1747–1803) verlobt. Zwei Jahre später folgte die Hochzeit. Der Drang nach Wissen verband das Paar. In ihren Häusern in der Spandauer Straße und ab 1795 in der Neuen Friedrichstraße 22 etablierten sie einen Doppelsalon, der sowohl den wissenschaftlich-philosophischen Kreis um Marcus Herz, als auch den literarischen-künstlerischen Zirkel um Henriette Herz umfasste. Dort trafen Juden und Nichtjuden, Adlige und Bürger, Männer und Frauen, Dichter, Politiker, Beamte und Geschäftsleute zum freien Gedankenaustausch aufeinander, völlig unabhängig von Rang und Stand, Religion oder Geschlecht.

Russische Gesandtschaft im Palais Kurland um 1840, Druck (Sammlung Museum Burg Posterstein)
Russische Gesandtschaft im Palais Kurland um 1840, Druck (Sammlung Museum Burg Posterstein) – Hier befand sich der Berliner Salon der Herzogin von Kurland.

Nach dem Tod ihres Mannes 1803 und dem damit verbundenen Wegfall der Einnahmen aus dessen Praxis, sah sich Henriette Herz gezwungen, ihre Gesellschaften einzuschränken. Sie zog in ein kleineres Haus in die Markgrafenstraße 59. Auf den Vorschlag des Lyrikers und Finanzrats Leopold Friedrich Günther von Goeckingks (1748–1828) hin wurde sie nach einigem Zögern Englischlehrerin für die jüngste Tochter der Herzogin von Kurland und so ein Teil des Berliner Salons der Herzogin.

1810 reiste sie nach Dresden und erfüllte sich dort einen lang gehegten Traum: Sie lernte Goethe, dessen Werke sie sehr verehrte, persönlich kennen.

1817 starb ihre Mutter. Daraufhin ließ sich Henriette Herz taufen und konvertierte zum Christentum. Ihre späteren Jahre sind von Reisen geprägt, u.a. nach Venedig, Florenz und Rom. 1828 diktierte sie ihrem Freund und dem Herausgeber unserer heutigen LeseZEIT-Lektüre, Julius Fürst (1805–1873), ihre Erinnerungen an ihre Salontätigkeit. Am 22. Oktober 1847 starb Henriette Herz mit 83 Jahren in Berlin.

Für alle Neugierigen unter Ihnen, liebe Zuhörende, empfehle ich als kurze, einführende Lektüre zum Leben der Henriette Herz, deren Biografie auf der Website haskala.net der Universität Potsdam. Dieses Online-Lexikon über die jüdische Aufklärung enthält interessante Beiträge, unter anderem den sehr gut recherchierten Abschnitt über diese einzigartige Salonnière.

Leben und Erinnerungen der Henriette Herz

Nun wollen wir Henriette Herz aber selbst zu Wort kommen lassen! Um dem Hauptforschungsthema des Museums Burg Posterstein die Ehre zu geben, richten wir den Blick auf die Beziehung zwischen Henriette Herz und der Herzogin Anna Dorothea von Kurland, was Sie, liebe Zuhörende, natürlich nur dazu animieren soll, auch den Rest dieses interessanten Buches zu verschlingen.

Ich lese aus: Henriette Herz. Ihr Leben und ihre Erinnerungen. Herausgegeben von Julius Fürst im Verlag Wilhelm Herz, Berlin 1850. Die Ausschnitte befinden sich auf den Seiten 186 bis 194.

Portrait Henriette Herz
Henriette Herz (née De Lemos) from “Berlin som tysk Rigshovedstad. Erindringer, etc” – 1884 – The British Library, United Kingdom – Public Domain. https://www.europeana.eu/en/item/9200387/BibliographicResource_3000117298978

„Die Herzogin von Kurland und Ihr Haus.

Göckingk war es, welchem ich die Bekanntschaft der trefflichen Herzogin von Kurland verdankte, die Bekanntschaft mit ihm aber verschaffte mir eine Reise nach Leipzig, auf welcher ich wenige Jahre nach meiner Verheirathung eine unserem Hause befreundete Familie begleitete, – denn mein Mann konnte seiner großen ärztlichen Praxis halber sich nicht wohl von Berlin entfernen – und deren eigentlicher Zweck ein Ausflug war, welchen ich von dort aus auf dessen Wunsch nach Halle machen sollte, damit sein Lehrer und Freund Goldhagen mich kennen lerne. Ich erfüllte diesen Wunsch, und es wurde mir bei dieser Gelegenheit in Halle zugleich die Bekanntschaft zweier vielgenannter, aber sehr verschiedenartiger Menschen, des Romandichters Lafontaine, damals noch ein sehr junger Mann, und des mehr berüchtigten als berühmten Theologen Bahrdt. […]

Die befreundete Familie aber, mit welcher ich nach Leipzig gereist war, bestand aus dem Juwelenhändler Levin, seiner Frau, und ihrer Tochter Rahel, später Frau von Varnhagen. Der Vater war der geistreichste und witzigste Despot den man denken kann, und eben deshalb der verletzendste. Aber darum kümmerte er sich wenig, denn in der That war seine größte Lust die an der Unlust. Sein Wille war sein höchstes Gesetz, und unter diesem eisernen Willen litt seine ganze Familie; doppelt aber Rahel, welche auch das Leid mitlitt, welches ihre gute, sanfte, doch etwas geistesbeschränkte Mutter traf. Das etwa fünfzehnjährige Mädchen war in Folge dieser Verhältnisse wirklich sehr unglücklich. Denn neben dem Geiste und der Freiheitsliebe, welche sie schon damals vor allen Mädchen ihres Alters auszeichneten, war sie auch durch ein fühlendes Herz hervorragend, wie sie mir denn überhaupt immer als die schlagendste Widerlegung der Behauptung erschienen ist, daß Herzensgüte nicht neben einem scharfen und kritischen Verstande bestehen könne. Sie war von der regsten Theilnahme für die Ihrigen und für ihre Freunde, und diese Theilnahme war um so wohlthuender und wirksamer, als Rahel tief in die Geschichte der Herzen eindrang. Hülfreich war sie bis zur größten Selbstaufopferung, und dies von jenen frühen Jahren an bis zu ihrem Lebensende.

Portraitzeichnung der Rahel Varnhagen
Porträt von Rahel Varnhagen von Ense, gezeichnet von Wilhelm Hensel, aus: Lexikon der Frau, Bd. 2, Zürich 1956, S. 1505 – Archive of the German Women’s Movement, Germany – Europeana, Public Domain.

Der Vater war reich. Er machte in Berlin auf gewisse Weise ein Haus, denn er sah viele Leute bei sich, aber es waren größtentheils Schauspieler, ein Umstand, der auf manche Lebensansichten der Kinder nicht ohne Einfluß blieb. Auch hier in Leipzig lebten wir auf anständigstem Fuße. Wir speisten in den ersten Hotels, und öfter auch in Auerbachs Keller, welcher damals ein von der besten Gesellschaft besuchtes Lokal war, ja wo man sich einfinden mußte, weil es zum guten Ton gehört. Ich glaube, daß ich damals in der That schön war. Hatten sich schon in Halle die Studenten haufenweise meinem Fenster gegenüber versammelt, so konnte es mir nicht minder verborgen bleiben, daß ich in Leipzig große Aufmerksamkeit erregte, ja dienstfertige Seelenverderber sagten mir später, man sei des Morgens eigens nach Auerbachs Hof gegangen, um mich zu sehen, weil ich dann gewöhnlich dort zu finden war.

Ich lernte auf diese Weise viele Leute äußerlich kennen, aber es knüpften sich hier auch zwei Freundschaftsverhältnisse an, die mir für das Leben blieben. Das eine mit dem feinen, geistreichen und vielseitigen Schweden Gustav von Brinkmann, einem Altersgenossen von mir, daß andere mit dem viel älteren Göckingk, welches aber schon deshalb ein viel innigeres wurde, weil ich länger mit ihm als mit Jenem an demselben Orte lebte, und wir uns zu Zeiten fast täglich sahen.

Kupferstich-Portrait von Goecking im Profil, der nach links schaut
Der Lyriker und Finanzrat Leopold Friedrich Günther von Goeckingks (1748-1828) vermittelte Henriette Herz eine Stelle als Englischlehrerin der Tochter der Herzogin von Kurland. (Portrait, Sammlung Museum Burg Posterstein)

Man darf sich das Aufsehen, welches Göckingk in der Zeit vor dem Auftreten der Koryphäen unserer Dichtkunst bei dem gebildeten Publikum erregte, nicht als ein geringes denken. Die gewandte Form und die Tiefe und Zartheit der Empfindung in seinen „Liedern zweier Liebenden“ hatten sie mir nicht weniger als der ganzen Lesewelt jener Zeit werth gemacht, und seine damals berühmten „Episteln“, in welchen Feinheit und Beobachtungsgabe mit Gefühl und Anmuth wetteiferten, mich geradehin entzückt. Ich hatte mir immer seine Bekanntschaft gewünscht, und nun wurde sie mir durch ein zufälliges Zusammentreffen. Und wunderbar! – ich war gewohnt, mir ein Bild von der Persönlichkeit mir interessanter Menschen zu machen, und nie fand ich es der Wirklichkeit entsprechend wenn ich sie später kennen lernte; ihn allein hatte meine Phantasie mir ganz entsprechend gebildet. Deshalb stand er mir auch vom ersten Augenblicke an näher, als es sonst bei neuen Bekannten der Fall ist. […]

Die Herzogin von Kurland hielt sich Anfangs dieses Jahrhunderts im Winter in der Regel in Berlin auf, und im Jahre 1803 machte mir Göckingk den Vorschlag, ihre jüngste Tochter im Englischen zu unterrichten. Meine pekuniäre Lage machte mir zu jener Zeit, wo die Pensionen aus der Wittwenkasse noch pünktlich gezahlt wurden, diesen Schritt nicht zu einer Nothwendigkeit, und ich war daher wenig geneigt ihn zu thun. Aber Göckingk hatte sehr richtig bemerkt, daß meine geselligen Verhältnisse, welche zu Lebzeiten meines Mannes eine seltene Ausdehnung hatten, nach dessen Tode beschränkter geworden waren, weil sowohl Schicklichkeit als das Versiegen der reichen Einnahmen, welche Dieser aus seiner ärztlichen Praxis gezogen hatte, mir nicht mehr erlaubten, wie bis dahin, selbst ein bedeutendes Haus zu machen, während doch, wie ich nicht läugnen will, und bei der Art der Gesellschaft in welcher ich mich stets bewegte zu läugnen nicht Ursache habe, das Leben in der Gesellschaft mir ein Bedürfnis geworden war. Er legte daher einen besonderen Accent auf die schönen geselligen Verhältnisse, in welche ich durch meine Einführung in das Haus der Herzogin treten würde, und besiegte so sehr bald meinen Widerstand.

Anna Dorothea von Kurland - Ausstellung im Museum Burg Posterstein
Anna Dorothea von Kurland – Ausstellung im Museum Burg Posterstein

In der That kann man sich die Annehmlichkeiten, welche das Haus der Herzogin in dieser Hinsicht bot, nicht groß genug denken. Schon die liebenswürdige, geistvolle Dame des Hauses hätte es zu einem anziehenden machen müssen. Aber die Herzogin war die erste Frau so hohen Standes, und ist vielleicht die einzige in Berlin geblieben, welche die Ansicht, daß in der Gesellschaft der Geringste dem Stande nach dem Höchsten gleichzusetzen sei wenn er den Erfordernissen einer höheren Geselligkeit entspreche, praktisch durchführte, und überhaupt so durchzuführen im Stande war. Denn es war hierzu erforderlich, daß das Haus von Jemandem gemacht wurde, welcher die höchsten Personen zu sich einzuladen berechtigt war. Und dennoch gehörte die Unabhängigkeit, die Energie, der Geist und die taktvolle Humanität der Herzogin dazu, um nicht an dem Unternehmen zu scheitern, und läugnen läßt es sich bei alledem nicht, daß es ihr von manchem eifrigen Kämpfen für das Althergebrachte Anfechtungen und Verkennung genug zugezogen hat. Aber sie hat sich durch dessen Durchführung nicht bloß um die geselligen Verhältnisse Berlins, sondern weit über diese hinaus um die Förderung der Achtung wahren Menschenwerthes Seitens der äußerlich Höhergestellten ein großes Verdienst erworben. Diese Letzteren, und namentlich der weibliche Theil derselben, welche bis dahin selten Personen, welche außerhalb der Hoffähigkeit standen, in engeren Kreisen gesehen hatte, lernten nun auch diese, befreit vom Zwange einer geistbeengenden Etikette kennen, ja sie, die sich bis dahin im außschließlichen Besitze seiner geselligen Formen geglaubt hatten, mußten sich gestehen, daß Geist und Urbanität im Verein sich auch hier zugleich natürlichere, wohlthuendere, mannigfaltigere und bedeutungsvollere zu schaffen wissen. Einladungen an Personen der höchsten Stände waren der Herzogin nie ein Grund, Niederergestellte, welche zu ihrem geselligen Kreis gehörten, uneingeladen zu lassen. Man speiste Abends stets an verschiedenen Tischen, und es herrschte völlige Zwanglosigkeit hinsichts der Plätze welche die Gäste einnehmen wollten, aber mit großer Feinheit wußte die edle Wirthin doch auch hier eine ihr erwünschte Mischung der Stände zu bewirken. So erinnere ich mich öfter meinen Platz am Tische neben der liebenswürdigen Prinzessin Louise von Preußen, Gemahlin des Fürsten Radzivil, gehabt zu haben. – Daß man in diesem Hause zugleich die höchsten geistigen Notabilitäten fand, darf ich wohl kaum versichern.

Bildnis der Madame de Stael aus der Sammlung der Universitätsbibliothek Leipzig - Motiv nach dem Maler Gerard
Bildnis der de Stael von François Séraphin Delpech, Sammlung Universitätsbibliothek Leipzig, Europeana – Public Domain.

Der Frau von Staël verhalf ihre Einführung bei der Herzogin zur schnellen Bildung eines geselligen Kreises für ihr Haus. Sie wählte eben die Personen dazu, welche sie im kurländischen Palaste kennen gelernt hatte. […]

Die Herzogin von Kurland hätte bei aller hohen Weiblichkeit Energie genug gehabt, um ein großes Reich zu beherrschen, und ihr politischer Blick machte zuweilen den Gedanken rege, daß eine solche Bestimmung eine ihr angemessene gewesen wäre. Schon als sie eine Frau in den Zwanzigern war, hatten die Stände Kurlands gewünscht, daß sie die Regentschaft übernehme, und an ihr lag es nicht wenn der Herzog, ihr Gemahl, nicht in besserem Einvernehmen mit diesen Ständen war, denn trat ein Solches vorübergehend ein, so hatte eben sie es durch oft schwierige Unterhandlungen vermittelt. Um so höher hatte man die Anspruchslosigkeit der hochbegaben Frau zu schätzen, welche in ihrem Hause nur bestrebt schien, die freundliche Förderin einer schönen Geselligkeit zu sein.

Büste von Dorothée von Dino-Talleyrand im Museum Burg Posterstein
Büste von Dorothée von Dino-Talleyrand im Museum Burg Posterstein, 2004 nach dem Original von Bernhard Affinger gefertigter Gipsabguss. Die 1854 hergestellte Marmorbüste befindet sich in der Sammlung der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg. Eine weitere Büste befindet sich im Schloss Sagan, Schlesien.

Von ihren Töchtern, alle vier anmuthig und geistreich, mochte vielleicht die Prinzessin Dorothea, später Herzogin von Dino, die hervorragendste gewesen sein. Auch sie war, gleich ihren Schwestern, hübsch, und man hätte an ihrem Gesichte höchstens aussetzen können, daß ihre oberen Zähne etwas hervorstanden. Dieser reichbegabten Prinzessin wurde nun das Loos, einem wenig bedeutenden Manne vermählt zu werden. Denn dafür galt Graf Edmund Talleyrand schon als zuerst von ihrer Verbindung mit ihm die Rede war, und es fehlte daher schon damals nicht an Einwendungen gegen die Partie. Es war deshalb auch nicht zu verwundern, daß die junge Frau sich bald dem geistvollen Oheim ihres Gatten zuwendete, der sie verstand, wie anderseits ihre Anmuth und ihr Frohsinn geeignet waren, dem mehr witzigen als heitern Staatsmanne das Leben zu verschönen.“

Bis 1806 verkehrte Henriette Herz nach ihren eigenen Schilderungen oft im Kurländischen Palais in Berlin. Kontakte unterhielt sie u.a. auch zu Elisa von der Recke (1754–1833), der Schwester Dorothea von Kurlands, und zur Familie Körner, deren berühmter Sohn Theodor (1791–1813) der Patensohn der Herzogin von Kurland war.

Henriette Herz: Bis heute unvergessen

Noch heute wird das Andenken an Henriette Herz und ihre Pionierarbeit für die Salonkultur in Deutschland hoch geschätzt. Ihre letzte Ruhestätte auf dem Friedhof II der Jerusalems- und Neuen Kirche vor dem Halleschen Tor in Berlin ist ein Ehrengrab der Stadt Berlin. Und am 7. April 2000 erhielt ein Platz nahe des Hackeschen Markts in Berlin den Namen Henriette-Herz-Platz.

Und damit soll unsere erste LeseZEIT-Folge im Jahr 2023 enden. In unserer nächsten LeseZEIT-Folge mit Geschichte und Geschichten aus dem Museum Burg Posterstein bleiben wir der Zeit um 1800 aber treu und begeben uns akustisch auf Reisen durch Deutschland, Österreich und Italien. Bleiben Sie also gespannt!

Informationen zu unseren Ausstellungen erhalten Sie wie gewohnt auf unserer Website www.burg-posterstein.de und natürlich wie immer auch im Blog. Bis zum nächsten Wiederhören!

Von Franziska Huberty (Text und Sprecherin) und Marlene Hofmann (Schnitt)

Die Postkarte – ein Gruß aus der Vergangenheit

Geschichte & Geschichten Veröffentlicht am 1. Februar 2023 von Museum Burg Posterstein1. Februar 2023

Schon das Telegramm und das Telefon machten es ihr zunehmend schwer. Doch die SMS und spätestens WhatsApp ließen die Postkarte buchstäblich alt aussehen, wenn sie nach Tagen oder gar Wochen in den Briefkasten flatterte. Trotzdem gibt es sie auch heute noch – und im Gegensatz zu digitalen Kurznachrichten hat sie Aufbewahrungswert. Als persönliche Erinnerung oder als Sammlerstück, als Kunstwerk, Kulturgut und als Zeitzeugnis: Postkarten geben uns noch heute etwas.

Kabinett-Ausstellung “Liebe Omi, wie geht es Dir? – Postkarten aus Löbichau und Umgebung” von 5. Februar bis 19. März 2023 zeigen wir 300 Postkarten aus Ortschaften unserer unmittelbaren Umgebung. Sie entstammen der privaten Sammlung von Frank Erler. Allein aus Löbichau, der Heimat des Sammlers, sind über 80 Motive zu bestaunen, aus Tannenfeld rund 40. Dazu kommen Karten aus anderen umliegenden Ortschaften.

Historische Ansicht des Gasthofs Löbichau, auf dem Weg zwei Menschen
Historische Ansichtskarte des Löbichauer Gasthofs, Sammlung Frank Erler

Viele Löbichauer Motive gehen aber auch auf ehemalige Gasthöfe zurück, darunter die Vorläufer des heutigen Landgasthofs, deren Eigentümer sehr viele eigene Postkarten-Auflagen drucken ließen.

Wozu Postkarten?

Die Postkarte als Medium zur Kommunikation wurde erst gebraucht, als viele Menschen weit weg von Familie und Freunden lebten und als sich „Otto Normalbürger“ weite Reisen leisten konnte. Noch im frühen 19. Jahrhundert verfügten nur die oberen Gesellschaftsschichten über genügend Zeit und Geld, um entfernte Orte zu besuchen. Mit der Industrialisierung zogen viele Arbeiter auf der Suche nach einer Anstellung vom Land in die Städte um. Der Bau der Eisenbahnen erleichterte die Mobilität – auch die der Post, die nun schneller am Zielort ankam.

In den USA wurden private Grußkarten schon 1861 postamtlich zugelassen. Nach einigen Vorläufern führte Österreich-Ungarn die „Correspondenzkarte“ 1869 ein, im Jahr darauf folgten auch andere deutsche Länder nach. Zunächst gab es vorgedruckte Karten und beschriebene Vorderseiten. Erst 1905 legte das Deutsche Reich das heute gängige Format mit bedruckter Vorderseite und beschriebener Rückseite fest.

Mir geht’s gut – wie geht’s dir?

Ja, und was schreibt man auf so ein Stück Pappe, das offen und für alle lesbar ausgeliefert wird? Meist nichts Heikles, einen schönen Gruß, eine kurze Momentaufnahme. Häufig auch Einladungen und kurze Informationen.

Postkarte von 1976, DDR, aus einem Urlaub in Tannenfeld
“aus meinem Urlaub sende ich Euch die besten Grüsse. – Schlafen, essen und spazieren gehen im Park der sehr schön ist, auch allerhand Bänke gibt es. ” – Postkarten-Rückseite von 1976, Sammlung Frank Erler

Tatsächlich diskutierte man die Einführung des neuen Mediums kritisch: Würde die Beschränkung auf so kurze Texte nicht ein Stück Schriftsprachkultur beschneiden? Die Kunst des Schreibens ausführlicher Briefe verloren gehen? – Eine Diskussion, die uns heute nur allzu bekannt vorkommt.

Die Postkarte setzte sich in der breiten Bevölkerung schnell durch – sie war leicht und schnell zu verfassen und günstig zu versenden.

Postkartenhimmel

Auf Postkarten herrscht nie trübes Wetter, der Himmel erstrahlt in so tiefem Blau, dass der „Postkartenhimmel“ zum gängigen Begriff geworden ist. Hier zeigt sich der abgebildete Ort von seiner schönsten Seite, um dem Reisenden positiv im Gedächtnis zu bleiben und beim Post-Empfänger Lust auf einen eigenen Ausflug an diesen Ort zu wecken.

Schloss Löbichau, Ansichtskarte von 1904 (Museum Burg Posterstein)
Schloss Löbichau, Ansichtskarte von 1904 (Museum Burg Posterstein)

Wie heute in Beiträgen in sozialen Netzwerken zeigte die Postkarte die schönen Seiten des Lebens – und weckte damit Begeisterung und Neid gleichermaßen.

Und heute? Wer in Zeiten des Smartphones den Aufwand betreibt, seinen Lieben eine echte Postkarte zu schicken – vor Ort gekauft, handbeschrieben, frankiert und in einen Briefkasten gesteckt – zeigt damit Wertschätzung: Du bist es mir wert, Zeit, Geld und Mühe in diesen Gruß zu investieren.

Die Postkarten-Sammlung des Museums

Das Museum Burg Posterstein besitzt eine Sammlung historischer Postkarten, vorwiegend mit Motiven aus dem Altenburger Land sowie der Region. Viele Postkarten sind wertvolle historische Zeugnisse, die beispielsweise heute nicht mehr vorhandene Bauwerke und Landschaften zeigen.

Wie das Rttergut Posterstein vor der Bodenreform aussah, zeigt diese historische Postkarte (Museum Burg Posterstein)
Wie das Rttergut Posterstein vor der Bodenreform aussah, zeigt diese historische Postkarte (Museum Burg Posterstein)

Die Sammlung wird fortlaufend erweitert, ist aktuell allerdings noch nicht digitalisiert.

Schwarz-Weiß-Foto vom ehemaligen Herrenhaus in Tannenfeld - Postkarte von 1931
Postkarte von Tannenfeld aus dem Jahr 1931 (Sammlung Museum Burg Posterstein)

Ausstellung “Postkarten aus Löbichau und Umgebung” 2023 auf Burg Posterstein:

Die Kabinett-Ausstellung “Liebe Omi, wie geht es Dir? – Postkarten aus Löbichau und Umgebung” von 5. Februar bis 19. März 2023 auf Burg Posterstein zeigt in einem Raum 300 Postkarten aus der Sammlung Frank Erler mit Motiven aus Löbichau und umliegenden Ortschaften. Sie gibt darüber hinaus kurze Einblicke in die Geschichte der Postkarte, die Löbichauer Ortsgeschichte und die Geschichte der Gasthöfe im Altenburger Land.

Banner zur Sonderschau "Postkarten aus Löbichau und Umgebung" - der Text steht auf der Rückseite einer historischen Postkarte
Banner zur Sonderschau “Postkarten aus Löbichau und Umgebung”

Ausstellungseröffnung mit dem Sammler Frank Erler

Zur Ausstellungseröffnung am 5. Februar, 15 Uhr, besteht die Möglichkeit mit dem Sammler Frank Erler ins Gespräch zu kommen. Angefangen hat Frank Erlers Sammelleidenschaft 2003, als er in Vorbereitung der 750 Jahr-Feier seines Heimatorts Löbichau nach historischen Postkarten recherchierte. Seither hat es ihn nicht losgelassen, nach Seltenheiten Ausschau zu halten.

Zur Ausstellung gibt es ein Begleitprogramm:

Ferien-Programm mit Postkarten-Thema

Das Winterferien-Thema lehnt sich an die Sonderschau „Liebe Omi, geht’s dir gut? – Postkarten aus dem Altenburger Land“. Im Ferienprogramm “Liebe Omi, wie geht’s dir? – Warum schrieb man früher so viele Postkarten?” vom 11. bis 26. Februar 2023 erfahren Kinder spielerisch, warum man früher so viele Postkarten schrieb. Dabei dürfen die Kinder ausnahmsweise in fremder Post schnüffeln und bekommen die Gelegenheit, selbst eine Postkarte zu schreiben. Alle Infos

Vortrag “Historische Postkarten aus dem Altenburger Land”

Im Vortrag „Historische Postkarten aus dem Altenburger Land“ am 12. März 2023, 15 Uhr, stellen Gustav Wolf, Vorsitzender der Geschichts- und Altertumsforschenden Gesellschaft des Osterlandes zu Altenburg, und die Historikerin Sabine Hofmann weitere Postkarten aus dem Altenburger Land vor und geben einen Einblick in die Geschichte der Postkarten im Altenburger Land. Weitere Informationen zum Vortrag

Von Marlene Hofmann / Museum Burg Posterstein


Lesetipps zum Postkarten-Thema:

Schirn Magazin: Das goldene Zeitalter der Ansichtskarte war einmal, aber sie bleibt doch für immer: Sie dient der einseitigen Korrespondenz, sie ist ein Gruß aus der Ferne. Oder sogar auch ein Kunstwerk.

Historisches Museum Hamburg: Die ganze Welt im Wohnzimmer Die Geschichte der Postkarte

Jahresrückblick 2022: Aktivität weit über die Burgmauern hinaus

Geschichte & Geschichten Veröffentlicht am 20. Januar 2023 von Museum Burg Posterstein20. Januar 2023

Erstmals seit Beginn der COVID 19-Pandemie kann das Museum Burg Posterstein eine positive Besucher-Bilanz ziehen: Trotz anfänglicher Einschränkungen durch 2G- und 3G-Regelungen kamen 2022 wieder 20.000 Besucherinnen und Besucher in die Burg. Es konnten fünf Sonderausstellungen gezeigt und 120 Veranstaltungen sowie drei Ferien-Programme durchgeführt werden. Das Museumsteam veröffentlichte ein umfangreiches Buch zur Ausstellung „Sehnsuchtsziel Italien“, steuerte sieben Artikel zu Fach-Publikationen und vier Fachvorträge an unterschiedlichen Orten bei.

Burg Posterstein bei blauem Himmel
Blick vom Burgberg auf Burg Posterstein

Als Partner des Trafo-Projekts „Der fliegende Salon – Kulturaustausch im Altenburger Land“ nahm das Museum aktiv an acht Salonveranstaltungen im Landkreis teil. Der Musemsverein Burg Posterstein initiierte und realisierte das LEADER-geförderte Suchportal „Bildungsort Altenburger Land“ gemeinsam mit dem Tourismusverband Altenburger Land und der Altenburger Tourismus GmbH. Darüber hinaus war Burg Posterstein Partner im Modellprojekt „Virtual Reality für Thüringer Museen“ der Fachhochschule Erfurt und der Universität Erfurt.

Mitgliedsversammlung des Museumsvereins Burg Posterstein 2022
Im Sommer 2022 traf sich der Museumsverein zur Sitzung im Café “Zur eisernen Bank” auf der Wiese vor dem Herrenhaus Posterstein.

Derzeit hat der Museumsverein, der Träger des Museums, 58 Mitglieder. Das Museum Burg Posterstein ist das regionalgeschichtliche Museum des Altenburger Landes und wird vom Landkreis Altenburger Land finanziell unterstützt.

Der Jahresrückblick als Infografik

In unserer Infografik fassen wir das Jahr 2022 visuell zusammen.

Infografik mit Statistiken zu Besucherzahlen (20.000), Ausstellungen (5), Veranstaltungen und Vernetzung im Jahr 2022 im Museum Burg Posterstein. Der Blogpost erläutert alle Zahlen.
Das Jahr 2022 im Museum Burg Posterstein zusammengefasst in einer Infografik.

Wer besucht die Burg Posterstein?

Das Museum Burg Posterstein führt an der Museumskasse regelmäßig Besucherbefragungen durch. Daraus geht einiges hervor: Fast die Hälfte der Besucher sind beispielsweise Familien mit Kindern. Die Angebote der „Kinderburg“ zählen auch 2022 zu den Top 5 Besuchsgründen. Neben der Familien-Ausstellung gab es 2022 speziell für Familien mit Kindern drei Ferien-Programme, das Große Steckenpferdturnier am Weltkindertag und eine weihnachtliche Märchenstunde. Darüber hinaus feierten 36 Kinder ihren Geburtstag auf der Burg. 26 Schulen und Kitas buchten Museumstouren.

Großes Steckenpferdturnier am Weltkindertag auf Burg Posterstein
Bereits vier Mal fand das Große Steckenpferdturnier auf Burg Posterstein am Weltkindertag statt.

In den Wintermonaten kam ein – nicht zuletzt dank der äußerst beliebten, lokalgeschichtlichen Ausstellung „Damals in der ‚Esse‘ – Erinnerungen an das Kulturhaus ‚Stadt Schmölln‘“ – vorwiegend regionales Publikum ins Museum. In den Sommerferien wiederum waren unter den Besucherinnen und Besuchern 15 Prozent Urlauber aus ganz Deutschland.

Gut die Hälfte der Museumsbesucherinnen und -besucher kommt aus dem unmittelbaren Einzugsgebiet – aus dem Altenburger Land, dem Raum Gera und aus Westsachsen. Die übrigen reisen aus der gesamten Republik an.

Viele besuchten die Burg Posterstein nicht zum ersten Mal. Oft waren eine Sonderschau oder eine Veranstaltung Anlass für einen Ausflug. Aufmerksam auf die Burg wurden viele aus dem Internet oder bei der Durchreise, wo der Bergfried von der Autobahn aus zu sehen ist. Ein nicht zu unterschätzender Anteil der Besucher kam auf Empfehlung von Bekannten ins Museum.

Ausstellungen und Veranstaltungen 2022

2022 zeigte das Museum fünf Sonderschauen und führte 120 öffentliche und private Veranstaltungen durch.

Thumbnail Video Cocktailzeit mit FRanziska Huberty und Bernd Adam - Folge 1
Cocktailzeit mit Franziska Huberty und Bernd Adam – Folge 1

Im Frühjahr zog die Ausstellung „Damals in der ‚Esse‘ – Erinnerungen an das Kulturhaus ‚Stadt Schmölln‘“ (30. Januar bis 20. März 2022) ein äußerst lokales Publikum an, das eigene Erinnerungsstücke zur Schau beisteuerte und sich aktiv an Mitmach-Angeboten beteiligte. Begleitend produzierte das Museumsteam die Video-Reihe „Cocktail-Zeit“, bei der Historikerin Franziska Huberty den ehemaligen Restaurantleiter des Kulturhauses, Bernd Adam, zum Gastronomiealltag in der DDR interviewte. Als Höhepunkt jeder Folge mixte sie unter seiner fachkundigen Anleitung einen Cocktail nach Original-Rezept. Hier gibt es ein Resümee der Ausstellung. Eine Fortsetzung der Ausstellung gab es im zweiten Halbjahr im Knopf- und Regionalmuseum Schmölln, zu der das Museum Burg Posterstein Inhalte beisteuerte.

Die Ausstellung „Bunt, bunter, Osterei: Ostereier von Peter Rehfeld“ von 10. April bis 24. April 2022 sowie ein passendes Ferienprogramm begleiteten die Osterzeit.

Flyer zur Ausstellung "Manege frei! - Das Lindenau-Museum zu Gast auf Burg Posterstein" vor der Burg.
Im Frühsommer 2022 war das Lindenau-Museum Altenburg mit seiner grafischen Sammlung zu Gast auf Burg Posterstein.

In Kooperation mit dem Lindenau-Museum Altenburg zeigte das Museum die Kunstausstellung „Manege frei! – Das Lindenau-Museum Altenburg zu Gast auf Burg Posterstein“ (8. Mai bis 3. Juli 2022). Im Begleitprogramm gab es eine Zirkuswoche für Kinder und Jugendliche mit dem Weimarer Kinderzirkus Tasifan. Rund 80 Kinder und Jugendliche zwischen sieben und fünfzehn Jahren übten sich in Luftartistik, Clownerie, Akrobatik, Jonglage oder im künstlerischen Gestalten der Plakate oder Bühnendekoration. Eine Dokumentationsgruppe hielt alles in Bild, Ton und Text fest. Alle Kinder erhielten eine Führung durch die Sonderschau. Das einstudierte Programm wurde zum krönenden Abschluss am 17. Juni 2022 aufgeführt.

Zirkus-Aufführung mit dem Kinderzirkus Tasifan 2022 vor der Burg Posterstein
Zum Abschluss des Zirkus-Projekts mit dem Kinderzirkus Tasifan gab es einen großen Auftritt vor der Burg Posterstein.

Das Mittelalterspektakel lockte zu Pfingsten (4. bis 6. Juni 2022) mit Ritterturnieren, Markt und Spielleuten rund 6000 Besucherinnen und Besucher an. Durchgeführt wird das Mittelalterspektakel von der COEX Veranstaltungs GmbH & Co.KG in Zusammenarbeit mit dem Museumsverein. Der Eintritt ins Museum war wie jedes Jahr im Gesamtpreis inbegriffen.

Das Open Air-Konzert der Band „Tango Transit“ am 19. Juni 2022 im Burghof fand in Kooperation mit dem Jazzklub Altenburg statt.

Eine Besucherin liest in der Ausstellung "Sehnsuchtsziel Italien" im Museum Burg Posterstein.
Blick in die Ausstellung “Sehnsuchtsziel Italien” im Museum Burg Posterstein.

Die Sonderschau „Sehnsuchtsziel Italien: Der Maler Ernst Welker – Auf Reisen und im Salon der Herzogin von Kurland“ (17. Juli – 13. November) und das zugehörige Buch stellten erstmals den Künstler Ernst Welker (1784–1857) in den Mittelpunkt. Der aus Gotha stammende Maler lebte und arbeitete einige Jahre als Zeichenlehrer im Dienst der Herzogin Wilhelmine von Sagan. In ihrem Gefolge kam er auch in den Salon der Herzogin von Kurland nach Löbichau und porträtierte die dort anwesenden Salongäste als Fabelwesen. Welkers eigentliche Liebe galt aber der Landschaftsmalerei. Er reiste durch Deutschland, Österreich und Italien, stellte aus und lebte von seiner Kunst. Welkers Porträts der Löbichauer Salongäste sind digital auch in der Deutschen Digitalen Bibliothek und im europäischen Kulturportal Europeana zugänglich. Im Zuge der Ausstellung fand eine Vernetzung mit der Europeana statt, auf deren Website das Museum einen Artikel und ein Interview auf Deutsch und Englisch zur Sammlung Ernst Welker veröffentlichen konnte.

Live-LeseZEIT auf dem kleinen Burghof der Burg Posterstein
Zur Eröffnung der Sonderschau “Sehnsuchtsziel Italien” las Franziska Huberty aus Reiseberichten von Ernst Welkers Malerkollegen.

Im Zusammenhang mit der Welker-Ausstellung gab es zwei Live-Ausgaben des Museumspodcasts „LeseZEIT auf Burg Posterstein“, eine weitere fand am Tag des offenen Denkmals auf dem Rittergut Treben statt.

Die Postersteiner Pflanzentauschbörse am 3. September 2022 lud auf dem Platz vor der Burg zum gemütlichen Tausch von Samen, Pflänzchen und Stecklingen ein.

Der Erzählsalon „Kinder und Enkel der Wismut erzählen“ am 30. Oktober 2022, eine Kooperation mit dem Kunsthof Niederarnsdorf, regte zu konstruktivem Austausch über die regionale Bergbau-Geschichte an.

Den Abschluss des Jahres bildete die Weihnachtsausstellung „Morgen, Kinder, wird’s was geben“ (27. November 2022 bis 8. Januar 2023), die den Schwerpunkt auf Weihnachtskrippen aus dem deutschen und böhmischen Raum legte. Begleitend gab es eine Märchenstunde mit Märchen wie zu Omas Zeiten, bei dem ein historischer Rollfilm-Projektor und DEFA-Colorbildband-Märchen zum Einsatz kamen.

Ohne ein großes Netzwerk geht es nicht

Ohne die Unterstützung der Mitglieder des Museumsvereins Burg Posterstein sowie einem losen Netzwerk an ehrenamtlichen Helfern wäre es für ein Museum mit vier Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht möglich, so viele Ausstellungen und Veranstaltungen zu stemmen.

Web und Social Media

Für sein weit verzweigtes, aktives Netzwerk in den sozialen Medien ist Burg Posterstein in Fachkreisen deutschlandweit bekannt. Eine digitale Präsenz mit hoher eigener Reichweite ist für uns als Museum existenzsichernd – wir erreichen unser Publikum aus eigener Kraft und können nicht lautlos “weggespart” werden. Auch 2022 konnte unsere digitale Strategie weiterverfolgt und ausgebaut werden. Website und Blog verzeichnen steigende Zugriffszahlen, die Netzwerke (Facebook, Twitter, YouTube) höhere Followerzahlen. Regelmäßig findet Austausch mit digitalen Besucherinnen und Besuchern statt. In drei Fachvorträgen berichtete Marketingchefin Marlene Hofmann 2022 über die Kommunikationsstrategie ihres Museums.

Franziska Huberty aus dem Museum Burg Posterstein liest auf einer Bank im Burgpark im Buch "Sehnsuchtsziel Italien"
Mit-Autorin Franziska Huberty mit dem Buch “Sehnsuchtsziel Italien”.

Publikationen

Ebenfalls zum fachlichen Austausch über die Region hinaus trug das Buch „Sehnsuchtsziel Italien: Der Maler Ernst Welker auf Reisen und im Salon der Herzogin von Kurland“ bei. Zu den 2022 veröffentlichten Büchern „Luxus, Kunst und Phantasie – Herzog August von Sachsen-Gotha-Altenburg als Sammler“ (Stiftung Schloss Friedenstein Gotha (Hg.), Sandstein Verlag) und „Das Museum in Zeiten der Pandemie – Chancen für das kulturelle Leben der Zukunft“ (Jörn Brünotte (Hg.), transcript Verlag) steuerten Museumsmitarbeiterinnen und Mitarbeiter Texte bei, ebenso wie zur Fachzeitschrift „Museumskunde“ (Ausgabe 87/2022 Heft 1: “Kleinere Museen”) des Deutschen Museumsbunds, zum Mitteldeutschen Jahrbuch (Bd. 30/2023) der Stiftung Mitteldeutscher Kulturrat und zum Altenburger Geschichts- und Hauskalender (Jg. 2023).

Aufgeschlagene Zeitschrift "Museumskunde" mit dem Artikel "Auf Augenhöhe mit den Besucher*innen" von Marlene Hofmann
Die Zeitschrift “Museumskunde” des Deutschen Museumsbunds hatte in Ausgabe 87 “Kleinere Museen” zum Thema.

Ausflugstipps speziell für Schulklassen

Mit LEADER-Förderung gelang dem Museumsverein Burg Posterstein die Umsetzung des Internet-Portals „Bildungsort Altenburger Land“ in Kooperation mit dem Tourismusverband Altenburger Land und der Altenburger Tourismus GmbH. Über die Suchplattform finden Lehrerinnen und Lehrer Angebote für Schulklassen.

Screenshot des Suchportals Bildungsort Altenburger Land mit Ausflugstipps für Schulklassen
Das Suchportal Bildungsort Altenburger Land bietet Ausflugstipps für Schulklassen.

Das Museum Burg Posterstein kommt raus aus der Burg

Als Projektpartner des Trafo-Projekts „Der Fliegende Salon – Kulturaustausch im Altenburger Land“ nahm das Museum aktiv an acht Salonveranstaltungen im Landkreis teil. Beim “Fliegenden Salon” geht es darum, Bürgerinnen und Bürger mit den beteiligten Kultureinrichtungen (Lindenau-Museum Altenburg, Museum Burg Posterstein und Musikschule Altenburger Land) zu vernetzen. Das Projekt ging 2018 an den Start und wird bis 2024 von der Kulturstiftung des Bundes gefördert.

Franziska Huberty aus dem Museum Burg Posterstein mit einem Flyer von "Kultur am Ort" vor der Burg Posterstein
Franziska Huberty war für das Museum Burg Posterstein 2022 an vielen Orten im Landkreis Altenburger Land unterwegs.

Durch die Salonveranstaltungen ergaben sich für das Museum Burg Posterstein bereits zahlreiche Kooperationen und Kontakte. Als kulturhistorisches Museum des Landkreises betreute das Museum Burg Posterstein die geschichtlichen Themen und die Zeitzeugen-Salons, die Berichte von Zeitzeugen zu unterschiedlichen Themen (Kulturhaus “Stadt Schmölln”, Landwirtschaft, Kultur, Rittergüter, …) dokumentierten, besonders intensiv.

Virtual Reality in Thüringer Museen

Darüber hinaus nahm das Museum als Projektpartner am interdisziplinären Kooperationsprojekt „Virtual Reality für Thüringer Museen“ der Fachhochschule Erfurt und der Universität Erfurt teil. Dabei entstanden ein Leitfaden für VR in Thüringer Museen und fünf prototypische VR-Anwendungen für Museen, die nachfolgend ausgebaut und weiterentwickelt werden können.

Jemand scannt mit einem Tablet einen historischen Sessel im Museum Burg Posterstein.
Das Postersteiner VR-Projekt soll den Salon der Herzogin von Kurland nicht rekonstruieren, sondern die Stimmung, die Lebendigkeit und das Flair erlebbar machen.

Das Postersteiner Konzept sieht einen virtuell begehbaren Salon der Herzogin von Kurland vor, der nicht akribisch rekonstruiert, sondern das Flair der Salonabende einfängt. Das Museumsteam erstellte ein inhaltliches Konzept und erteilte Aufträge an einen Musiker, eine Sprecherin, einen Sprecher sowie für die Tonbearbeitung. Das Projekt soll 2023 auch nach Auslaufen des Modellprojekts weitergeführt werden.

Von Marlene Hofmann / Museum Burg Posterstein

Mysteriöser Maler: Landschaftsmaler, Italien-Reisender, Zeichenlehrer im Salon

Geschichte & Geschichten Veröffentlicht am 30. September 2022 von Museum Burg Posterstein30. September 2022

Der Maler Ernst Welker aus Gotha starb vor genau 165 Jahren, am 30. September 1857, in Wien. Das Museum Burg Posterstein widmet dem Künstler noch bis 13. November 2022 die umfangreiche Ausstellung „Sehnsuchtsziel Italien: Der Maler Ernst Welker auf Reisen und im Salon der Herzogin von Kurland“, zu der auch ein gleichnamiges Buch erschienen ist.

Salongäste in Löbichau (Bleistiftzeichnung, Museum Burg Posterstein)
Ernst Welker (links) auf einem Sofa im Salon (Bleistiftzeichnung, Museum Burg Posterstein)

Wer war Welker?

Der Maler Ernst Welker erhielt schon während seines Studiums an der Wiener Akademie der Bildenden Künste Auszeichnungen für seine Landschaftsmalereien. Bis ins hohe Alter lebte er von seiner Kunst, stellte aus und verkaufte seine Werke zu beachtlichen Preisen. Mit befreundeten Malern wie Johann Christoph Erhard, Johann Adam Klein und den Brüdern Friedrich Philipp Reinhold und Heinrich Reinhold aus Gera begab er sich auf künstlerische Expeditionen nach Salzburg und Berchtesgaden oder in die nähere Umgebung Wiens. Ernst Welker war Lützower Jäger an der Seite Theodor Körners und zeichnete dessen Grab. Mehrere Jahre beschäftigte ihn die Herzogin Wilhelmine von Sagan als Zeichenlehrer und Gesellschafter für ihre Pflegetöchter – darunter die spätere Schriftstellerin Emilie von Binzer. In Gesellschaft der Herzogin von Sagan hielt er sich auf deren schlesischen Gütern Sagan und Ratiborschitz auf und verbrachte den Sommer auf Schloss Löbichau im Salon der Herzogin von Kurland, der Mutter Wilhelmine von Sagans. In Löbichau porträtierte er die anwesenden Gäste als Fabelwesen, halb Mensch, halb Tier oder Gegenstand – diese Aquarelle befinden sich heute in der Sammlung des Museums Burg Posterstein und sind auch in der Europeana zu sehen. Von 1821 an weilte Ernst Welker mehrere Jahre in Italien. Man kann davon ausgehen, dass er sich im Kreis der deutsch-römischen Künstlerkolonie bewegte und namhafte Künstler seiner Zeit ­persönlich kannte. Im Gefolge Wilhelmine von Sagans reiste er bis Neapel, wovon seine Aquarelle zeugen.

Postkarte mit Ernst Welker-Aquarell vor der Burg Posterstein in Thüringen
Ernst Welkers Aquarell „Blick auf den Petersdom in Rom von der Villa Borghese aus“ als Postkarte – im Hintergrund die Burg Posterstein

Und trotz alledem blieb Ernst Welker bisher von der Forschung weitgehend unbeachtet. Bis zum Erscheinen der neuen Publikation „Sehnsuchtsziel Italien – Der Maler Ernst Welker auf Reisen und im Salon der Herzogin von Kurland“ des Museums Burg Posterstein stand Ernst Welker noch nie im Mittelpunkt eines Buchs. Viele Kunstkataloge erwähnen ihn lediglich nebenbei. Dabei sind bereits zeitgenössischen Publikationen Fehler unterlaufen – beispielsweise hinsichtlich des korrekten Geburtsortes (Gotha), dem genauen Geburtsjahr (1784), der familiären Herkunft (Sohn des Sachsen-Gotha-Altenburgischen Archivars Philipp Friedrich Welker) und den genauen Reisezielen Welkers (er war vermutlich nie im Nahen Osten). Seinen Lebensweg nachzuvollziehen, glich einer detektivischen Arbeit, die mit dem 2022 erschienenen Buch erst begonnen hat – und lange noch nicht abgeschlossen ist.

Welker porträtierte seine Arbeitgeberin als stolzes Ross

2014 gelang es dem Museum Burg Posterstein mit Unterstützung der Bürgerstiftung Altenburger Land sowie des Freistaats Thüringen, ein außergewöhnliches Konvolut an Zeichnungen anzukaufen. Die Rede ist von den Löbichauer Salongästen als Fabelwesen, die sich lange Zeit im Besitz von Emilie von Binzer befunden haben. Der Salon der Herzogin von Kurland in Löbichau, das nur wenige Kilometer von Posterstein entfernt liegt, ist eines der wichtigsten Forschungsthemen des regionalgeschichtlichen Museums Burg Posterstein. Der Sammlungsteil Salongäste als Fabelwesen besteht aus 47 Aquarellen mit namhaften Löbichauer Gästen und zwei Skizzen, die alle in einer grünen Halblederkassette aufbewahrt wurden. Sie sind bereits digitalisiert und in der Europeana und auf Wikimedia Commons frei zugänglich und nutzbar. (Weitere Infos zur Sammlung Welker)

Als schönes, wildes Pferd stellte Ernst Welker Wilhelmine von Sagan, die älteste Tochter der Herzogin von Kurland dar.
Als schönes, wildes Pferd stellte Ernst Welker Wilhelmine von Sagan, die älteste Tochter der Herzogin von Kurland dar.

Die Salongäste der Herzogin von Kurland stellte Ernst Welker als humorvolle Fabelwesen dar. Unter den so Porträtierten befinden sich nicht nur die Herzogin Anna Dorothea von Kurland selbst (dargestellt als treuer Pudel) sowie Welkers Arbeitsgeberin Wilhelmine von Sagan (als stolzes Ross), sondern auch der Sachsen-Gotha-Altenburgische Herzog August (als eitler Pfau – dieses Bild ist derzeit nicht in Posterstein, sondern in der Ausstellung „Luxus, Kunst und Phantasie – Herzog August von Sachsen-Gotha-Altenburg als Sammler“ im Herzoglichen Museum Gotha zu sehen), die Schriftstellerin Elisa von der Recke (als Tintenfass), der Dichter Christoph August Tiedge (als Lehnstuhl), der Archäologe Carl August Böttiger (als Statue) und der Jurist Paul Johann Anselm von Feuerbach (als Nagel). Jedes Aquarell ist mit einem Reim versehen. Emilie von Binzer bezeichnete diese Sprüche unter den Porträts als „Fibelverse“. Schon im 18. Jahrhundert verstand man unter einer Fibel ein bebildertes, mit einzelnen, zum jeweiligen Buchstaben passenden Bildmotiven versehenes Leselernbuch. Eine solche Fibel könnte die Vorlage für Welkers Porträts gebildet haben, denn auch hier gibt es in der oberen linken Bildecke jeweils einen Buchstaben in Groß- und Kleinschreibung – z.B. das „A, a“ des possierlichen Affen Graf Peter von Medem und das „Z, z“ des bunt gefleckten Zebras Gräfin Jeannette Bressler. Tatsächlich kommen alle 26 Buchstaben vor, einige sogar mehrfach. Das Bestreben, das gesamte Alphabet abzudecken, erklärt dann auch eher gewollt klingende Verse wie: „Schwer zu finden ist ein X, / Es fehlt nicht viel, so fanden wir nix.“, der zum Porträt des Staatsrats Christian Gottfried Körner als Scherenstuhl gehört. 

Ernst Welker - dargestellt als Auster
Sich selbst porträtierte Ernst Welker als Auster mit großem Bart. (Sammlung Museum Burg Posterstein)

Dass sich ein Zeichenlehrer solche Bilder erlauben durfte, die sehr wahrscheinlich in Löbichau gezeigt wurden, unterstreicht die Freiheit und Offenheit, die im Salon der Herzogin von Kurland herrschte. Auch der Dichter Jean Paul rühmte deren Salon in Löbichau für genau diese Redefreiheit und Offenheit. Sich selbst zeichnete Ernst Welker übrigens als Auster, versehen mit dem Spruch: „Die Auster ist von guter Art, das größte an ihr ist der Bart“.

Welkers eigentliche Spezialisierung: Landschaftsaquarelle

Der zweite Teil der Postersteiner Sammlung Welker umfasst 13 Landschaftsbilder des Malers, die das Museum besitzt bzw. die über Dauerleihgaben an das Haus gebunden sind. Acht Aquarelle und ein Ölgemälde zeigen Landschaften. Bis auf ein Blatt sind alle Werke mit Welker; E. Welker; E.W.; Welker fec.; E. Welker fec.; und Ernst Welker fec. signiert.

Historische Ansicht der Stadt Rom - Aquarell von Ernst Welker aus der Sammlung des Museums Burg Posterstein
Blick auf den Petersdom in Rom von der Villa Borghese aus, Ernst Welker, Aquarell, signiert: Welker fec., o. J., Museum Burg Posterstein

Ergänzt wird der kleine Bestand durch Arbeiten von Johann Christoph Erhard, Johann Adam Klein, Johann Christian Reinhart und Carl Trost.

Zu verdanken ist die Kollektion zum Großteil dem Sammler Uwe Buchheim. Er fühlt sich dem Museum Burg Posterstein seit Jahren verbunden und ist Mitglied im Förderverein. Ihn beeindrucken die Forschungen und Ausstellungen zum Salon der Herzogin von Kurland, durch die er begann, sich mit dem Maler Ernst Welker zu beschäftigen. Er setzte sich nicht nur dafür ein, dass die Porträtsammlung Salongäste 2014 vom Museum erworben werden konnte, sondern sammelt seither selbst und stellt die erworbenen Werke dem Museum zur Verfügung. Dafür sind wir sehr dankbar.

Ausstellung und Buch „Sehnsuchtsziel Italien“

Die Sonderschau und das gleichnamige Buch „Sehnsuchtsziel Italien – Der Maler Ernst Welker auf Reisen und im Salon der Herzogin von Kurland“ zeigen nun erstmals alle diese Welker-Arbeiten. Auf 156 Seiten zeichnet das Buch das Leben des Malers anhand der Sammlungen und Forschungen des Museums nach.

Historische Ansicht einer italienischen Stadt bei Castelamare - Aquarell von Ernst Welker
Bey Castelamare im Neapolitanischen, Ernst Welker, Aquarell, signiert: Welker, o. J., Museum Burg Posterstein

Im Lauf der Arbeit daran stießen wir auf neue Informationen und weitere Werke Welkers in verschiedenen internationalen Sammlungen. Besonders freut uns, dass wir erstmals einen bisher noch nicht erschlossenen Teil der Sammlung Biron der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena aufarbeiten konnten. Es handelt sich unter anderem um Salonszenen, Porträts und Skizzen für die Postersteiner Sammlung von Porträts der Salongäste.

Wichtige Quellen eröffneten sich auch durch die Einsicht in das digitale Archiv des Thorvaldsens Museum in Kopenhagen. Abbildungen zum Buch erhielten wir von der Albertina Wien, der Kunstsammlung Gera, der Hamburger Kunsthalle, den Kunstsammlungen Dresden, dem Lindenau-Museum Altenburg, dem Deutsches Literaturarchiv Marbach, den Städtische Museen Nürnberg, der Österreichische Nationalbibliothek, der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek, der Sächsische Landes- und Universitätsbibliothek, dem Thorvaldsens Museum Kopenhagen, dem British Museum und der Klassikstiftung Weimar.

Buchcover "Sehnsuchtsziel Italien - Der Maler Ernst Welker auf Reisen und im Salon der Herzogin von Kurland"
Das Buch „Sehnsuchtsziel Italien“ kann man über das Museum Burg Posterstein kaufen

Welkers Arbeiten stellen wir im Buch Abbildungen von Werken seiner Malerkollegen gegenüber. Da Welker – außer seinen Zeichnungen – selbst kaum schriftliche Quellen hinterlassen hat, bleiben durchaus Lücken in der Biografie bestehen.

Welker wanted!

Wir möchten deshalb dazu aufrufen, Forschungsdaten zum Maler Ernst Welker zu sammeln und auszutauschen. Über Hinweise sind wir sehr dankbar. Einen Überblick über verschiedene Stationen in Welkers Leben und über Sammlungsbestände weltweit möchten wir auf unserer Website salon-europa.eu bündeln und langfristig pflegen. Über Ergänzungen freuen wir uns sehr.

Im Anschluss an die Ausstellung planen wir, die Wikipedia-Seite zu Ernst Welker durch die neuen Informationen zu ergänzen.

Von Marlene Hofmann

Zum Weiterlesen

Infos zur Ausstellung:

Sehnsuchtsziel Italien – Der Maler Ernst Welker auf Reisen und im Salon der Herzogin von Kurland, 17. Juli bis 13. November 2022, Museum Burg Posterstein

Sehnsuchtsziel Italien: Der Maler Ernst Welker

Infos zum Buch:

Sehnsuchtsziel Italien – Der Maler Ernst Welker auf Reisen und im Salon der Herzogin von Kurland
Museum Burg Posterstein, 2022
156 Seiten, farbig
Preis: 25,00 Euro

Publikation: Sehnsuchtsziel Italien

Infos zur Salongeschichte:

www.salon-europa.eu

Europäische Salongeschichte

Podcast LeseZEIT (Salongeschichte, demnächst: Reinhold):

https://blog.burg-posterstein.de/lesezeit/

Sammlung Welker digital:

Europeana:
https://www.europeana.eu/de/collections/organisation/1482250000044968001-posterstein-castle-museum

Wikimedia Commons:
https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Sammlung_Kurland?uselang=de

Deutsche Digitale Bibliothek:
https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/searchresults?query=&offset=0&rows=20&facetValues%5B%5D=provider_id%3DNY7AR3HGHPOM4YPQ2I5HFWPPFGK43QNH&isThumbnailFiltered=false

Museen Thüringen:
http://www.museen.thueringen.de/Objektsuche/%7CEinrichtung%7CDE-MUS-875314%7C

Eine lokalgeschichtliche Ausstellung mit reger Besucherbeteiligung – Resümee zur Ausstellung „Damals in der ‚Esse‘“

Geschichte & Geschichten Veröffentlicht am 7. Juli 2022 von Museum Burg Posterstein8. Juli 2022

Die Ausstellung „Damals in der ‚Esse‘ – Erinnerungen an das Kulturhaus ‚Stadt Schmölln‘“ im Museum Burg Posterstein erreichte die lokale Bevölkerung aus Schmölln und den umliegenden Dörfern wie selten eine Ausstellung vor ihr. Die Mischung aus Erinnerungsstücken, Zeitzeugen-Interviews und Teilhabe schien einen Nerv getroffen zu haben. Teile der Postersteiner Ausstellung sind von 9. Juli bis 31. Dezember 2022 im Knopf- und Regionalmuseum Schmölln in der Ausstellung „Brauchen wir die ‚Esse‘ oder welche Kultur möchte Schmölln?“ zu sehen. In diesem Blogpost wollen wir die Postersteiner Sonderschau zusammenfassen, dokumentieren und auswerten.

Kulturhaus "Stadt Schmölln" damals und heute auf der Postkarte des Museums Burg Posterstein
Kulturhaus “Stadt Schmölln” damals und heute auf der Postkarte des Museums Burg Posterstein

Die Ausstellung: Partizipation und Dokumentation jüngerer Geschichte

Mit der Sonderschau „Damals in der ‚Esse‘ – Erinnerungen an das Kulturhaus ‚Stadt Schmölln‘“ (30. Januar bis 20. März 2022) verband das Museum Burg Posterstein lokale Geschichte mit Partizipation und der Dokumentation jüngerer Geschichte. Das regionalgeschichtliche Museum des Landkreises Altenburger Land konnte so ein stückweit Alltagsgeschichte der DDR zeigen und für nachfolgende Generationen bewahren. Gleichzeitig bot die Ausstellung zahlreiche Anknüpfungspunkte, um mit dem Publikum vor Ort ins Gespräch zu kommen und Barrieren abzubauen. Damit passte sie hervorragend zum Konzept des Modellprojekts „Der fliegende Salon – Kulturaustausch im Altenburger Land“, das die Menschen im Landkreis mit den am Projekt beteiligten Kultureinrichtungen ins Gespräch bringen soll.

Salon-Abend im Oktober 2021 in der Ostthüringenhalle in Schmölln (Foto: Jörg Neumerkel)
Salon-Abend im Oktober 2021 in der Ostthüringenhalle in Schmölln (Foto: Jörg Neumerkel, www.neumerkel.info)

So entstand die Ausstellung auch aus einem Zeitzeugen-Salon zum Kulturhaus „Stadt Schmölln“ heraus, der am 30. Oktober 2021 in der Ostthüringenhalle Schmölln stattfand. Im Vorfeld dieses Salonabends wurden Video-Interviews mit Zeitzeugen geführt, die während der Veranstaltung gezeigt wurden. Dazu unterhielten sich Zeitzeugen und Nachgeborene über die Vergangenheit und Zukunft der Kulturszene der Stadt Schmölln. Das Interesse an diesem Abend war so groß, dass die Karten innerhalb eines Tages vergeben waren – beinahe eine Hommage an die ausgebuchten Konzerte und Feiern im historischen Kulturhaus „Stadt Schmölln“. Da viele Bürgerinnen und Bürger mit Andenken und Anekdoten auf uns zukamen, fiel der Entschluss, das Thema in einer Sonderschau aufzugreifen.

Das Phänomen „Esse“

Das Kulturhaus „Stadt Schmölln“, das durch seinen markanten Schornstein umgangssprachlich „Esse“ (im Dialekt: Schornstein) genannt wurde, war seit seiner Eröffnung 1969 bis zu seiner Schließung 1991 das kulturelle Zentrum der Stadt. 1999 wurde das Gebäude komplett abgerissen. Seitdem fehlt ein solcher zentraler Treffpunkt für Vereine und Kultur, für Jung und Alt.

Das Kulturhaus "Stadt Schmölln" auf Postkarte von 1988 (Sammlung Museums Burg Posterstein)
Das Kulturhaus “Stadt Schmölln” auf Postkarte von 1988 (Sammlung Museums Burg Posterstein)

Die Ausstellung erreichte ein lokales Publikum wie selten zuvor

Insgesamt kamen zwischen 30. Januar und 20. März 2022 rund 1700 Besucher, um die Ausstellung „Damals in der ‚Esse‘“ anzusehen. Und das in einer Zeit außerhalb der Hochsaison des Museums, in der zudem zur Pandemie-Beschränkung zunächst die 2G- und später die 3G-Regelung galt.

Blick in die Ausstellung "Damals in der Esse" im Museum Burg Posterstein mit Zeitungsausschnitten und historischen Originalplakaten
Zeitungsausschnitte und ein originales Plakat in der Ausstellung über das Kulturhaus “Stadt Schmölln” im Museum Burg Posterstein

An der Museumskasse befragten wir fast 60 Prozent der Besucher nach ihren Besuchsgründen und ihrem Herkunftsort. Diese Befragung zeigte deutlich, dass die Ausstellung ihr lokales Publikum erreichte. Denn 64 Prozent der Besucher kamen aus dem Altenburger Land, dazu noch sechs Prozent aus dem Raum Gera und vier Prozent aus Westsachsen. Fast 70 Prozent aller Besucher nannten die Besichtigung der Sonderschau als Grund ihres Kommens.

In den Gesprächen zeigte sich deutlich, dass viele von ihnen das Museum zum ersten Mal besuchten. Neben Zeitungs- und Fernsehberichten wurden sie vor allem durch Empfehlungen von Bekannten (auch per WhatsApp und Facebook) auf die Ausstellung aufmerksam. Nach Aufhebung der 2G-Beschärnkung im März kamen mehr Besucher als zuvor.

Erinnerungsstücke in der Ausstellung

Für die Ausstellung erhielt das Museum über 50 Leihgaben von über 20 privaten Leihgebern – darunter zahlreiche Fotos, ganze Fotoalben und Zeitungsausschnitte und Urkunden. Besonderer Dank gilt hierbei dem Heimat- und Verschönerungsverein Schmölln e.V., der viele Fotos beisteuerte. Zu sehen war auch Festkleidung aus der damaligen Zeit – vom Minikleid, Mantel und Hut über Hochzeitsschmuck und Parka bis zu Aufnäher, Taschen und Fransenschuhen. Sogar ein aus einem Bauhelm selbst gebastelter Germanenhelm – einst im Einsatz als Faschingsverkleidung in der ‚Esse‘ – wurde für die Ausstellung abgegeben.

Blick in die Ausstellung "Damals in der Esse" im Museum Burg Posterstein.
Blick in die Ausstellung “Damals in der Esse” im Museum Burg Posterstein.

An die vielen Konzerte erinnerten eine Gitarre, Konzertplakate und Autogrammkarten von Künstlern sowie originale Programmpläne und Veranstaltungsflyer.

Ausstellung zum Kulturhaus Stadt Schmölln im Museum Burg Posterstein, links in einer Vitrine eine Gitarre
Ausstellung zum Kulturhaus Stadt Schmölln im Museum Burg Posterstein, links in einer Vitrine eine Gitarre, die beim letzten Konzert zum Einsatz kam.

Außerdem waren noch Dokumente und Gegenstände aus den gastronomischen Einrichtungen des Kulturhauses bei ehemaligen Mitarbeitern zu Hause verwahrt: Rechnungsblöcke, Tischdecken, Aufsteller, Servietten, aber auch eine Hausarbeit zur Facharbeiterprüfung und sogar mehrere Gästebücher. Ehemalige Besucherinnen und Besucher behielten Speisekarten, Rechnungen und Eintrittskarten als Andenken

Sogar ein Ziegelstein aus dem ehemaligen Kulturhaus und ein Faschingshelm waren unter den persönlichen Erinnerungsstücken ans Kulturhaus "Stadt Schmölln" im Museum Burg Posterstein.
Sogar ein Ziegelstein aus dem ehemaligen Kulturhaus und ein Faschingshelm waren unter den persönlichen Erinnerungsstücken ans Kulturhaus “Stadt Schmölln” im Museum Burg Posterstein.

. Schließlich gab es eine Reihe von Gegenständen, die vorausschauende ehemalige Esse-Besucher vor dem Abriss aus dem Gebäude retteten, darunter Teile der Bühnendekoration und Verzierung des Saals, das Metallschild „Weinabteil“ und ein Notausgangsschild. Kurz vor Ausstellungsbeginn wurde ein originaler Ziegelstein abgegeben, der nach Jahren der Aufbewahrung im Privathaus nun einen großen Auftritt hatte.

Persönliche Erinnerungen an der Pinnwand-Esse in der Ausstellung

In der Ausstellung gab es eine schornsteinförmige Pinnwand, an der persönliche Erlebnisse aus dem Kulturhaus und Meinungen zur Ausstellung geteilt werden konnten. Als einfache Form der Interaktion konnten die Besucher die Frage „Wie hat Ihnen die Ausstellung gefallen?“ mit Aufklebern in die Spalten „gut“ und „schlecht“ beantworten. Hierbei gab es über 150 Gut-Bewertungen und keine Schlecht-Bewertungen. Auch so bekam die Ausstellung viel Lob und entwickelte sich wochenends zu einem Treffpunkt, an dem sich alte Bekannte wiederbegegneten und in Erinnerungen schwelgen konnten.

Es gab auch weitere Möglichkeiten einfach per Aufkleber zu interagieren, indem die Besucher auf die Fragen „Haben Sie in der ‚Esse‘ Ihre Jugendweihe gefeiert?“ (48 x ja; 12 x nein) und „Waren Sie 1991 dabei, als ‚Odyssee‘ das letzte Konzert in der ‚Esse‘ spielte? (5 x ja; 9 x nein) reagieren konnten.

An einer schornsteinförmigen Pinnwand konnten Ausstellungsbesucher eigene Erinnerungen hinterlassen.
An einer schornsteinförmigen Pinnwand konnten Ausstellungsbesucher eigene Erinnerungen hinterlassen.

Darüber hinaus konnten Besucher ihre Erlebnisse auf Karteikarten schreiben und an die Pinnwand heften. Die Bandbreite ist groß – darunter eine lustige Begebenheit:

„Ich war von 1970–1975 als Konditor (vorher Koch) im Café der Esse beschäftigt. Im Jahr 1975 war der Auftritt von ‚Soulful Dynamics‘. Um Plätze für meine Frau und Freunde zu reservieren, benutzte ich den Küchenaufzug während der Arbeitszeit, ca. 14 Uhr. Leider blieb der Aufzug stecken und ich mit ihm. Vergeblich versuchten jetzt die anderen Kollegen, mir zu helfen; lautstark. Dies war auch im Restaurant zu hören, wo unser Ökonomischer Direktor […] und seine Frau zum Mittagstisch waren. Nach ca. 45 Minuten gelang die ‚Befreiung‘. Zu meinem großen Entsetzen empfing mich [der Direktor] und drohte mir mit einem Verweis. Dies war mir in diesem Moment egal, denn ich war wieder ‚befreit‘ und die begehrten Plätze waren auch reserviert.“

Auf diese Geschichte hin kommentierte ein anderer Gast, ebenfalls per Karteikarte: „Da waren Sie eindeutig zu schwer, meine 50 kg sind öfter im Essensaufzug hoch, hatte gute Bekannte in der Küche – Jugendtanz gesichert ohne Anstehen! 😊“

Unter den Beiträgen gibt es sehr persönliche Erinnerungen:

Ein Paar schrieb beispielsweise: „Zum ‚Rockrummel 1989‘ – Haben uns hier kennen und lieben gelernt! … Und sind heute noch glücklich verheiratet!“

Ein anderes: „Wir feierten unsere Hochzeit 5.8.1977 in der Esse“

„1987 Schulanfang, 1989 Blumenmädchen bei einer Hochzeit, 1988 oder 1989 Auftritt mit dem Mädchenturnen – wahrscheinlich 89 zur 40-Jahrfeier der DDR“

„Habe von 1975–1980 dort gearbeitet, war meine schönste Zeit“

„Mein Schulanfang 1990“

„1962 Schulanfang, 1977 Jugendweihe, 1979 Abschluss 10. Klasse – klasse“

„Tanzen in der ‚ESSE‘ war das Tollste in meiner Jugend in den 60er Jahren. Ich erinnere mich an die Bar, wo man immer mal zu einem ‚Getränk‘ eingeladen war. Mein erster Rausch fand auch in der Esse statt 😊 Weihnachtsball der EOS – jedes Jahr am 27.12. Mein Sohn ging später in die ESSE zum Gitarrenunterricht.“

„Ich bekam mal für das ganze Haus ‚Lokalverbot‘ für einige Zeit. Zur Jugendweihefeier meiner großen Tochter konnte ich nach Absprache diese Feier besuchen.“

Im Laufe der Ausstellung auf Burg Posterstein füllte sich die Pinnwand mit püersönlichen Erinnerungen.
Im Laufe der Ausstellung auf Burg Posterstein füllte sich die Pinnwand mit püersönlichen Erinnerungen.

Andere erinnern sich gern an Getränke, Veranstaltungen und das Ambiente:

„Sekt mit Früchten war das Getränk meiner ‚wilden Zeit‘. Die Bar in der ‚Esse‘ war der Sitzplatz für viele Stunden. Fasching war klasse. Schöne Zeit.“

„Der beliebte Sportlerball in der Esse – es war probbe voll aber schön …“

„1981 Jugendweihe, 1989 Silberhochzeit, und ganz viele schöne Abende beim Jugendtanz verbracht + Extrablätter“

„1977–78 ? genau weiß ich es nicht mehr, Hot & Blues-Jazzband spielte und Peter Schönhoff las und moderierte – war klasse“

„Zum Tag des Gesundheitswesens überraschte die Belegschaft der Auftritt von Katja Eckstein. Große klasse“

„‘Renft‘ Konzert“

Die Mitmach-Aktion #EsseSchmölln

Die Mitmach-Aktion #EsseSchmölln funktionierte – im Gegensatz zu den anderen Mitmach-Aktionen des Museums – am besten auf Facebook. Denn die Zielgruppe 50+ ist vor allem in diesem sozialen Netzwerk aktiv und über große lokale Facebook-Gruppen wie „Unser Schmölln“ fand der Aufruf zusätzlich Verbreitung. Darüber hinaus richteten wir anlässlich der Ausstellung die eigene Facebook-Gruppe „Regionale Geschichte Dreiländereck Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt“ ein, die innerhalb kurzer Zeit rund 200 Mitglieder zählte. Sie wird auch nach der Sonderschau dem Austausch über regionale Geschichte dienen und wird rege genutzt.

Auch über Facebook erhielten wir einige persönliche Geschichten aus dem Kulturhaus „Stadt Schmölln“. Spannend sind beispielsweise die Berichte aus den 1960er Jahren: „Zum Jugendtanz stand in der Anzeige: ‚Einlass nur in tanzgerechter Kleidung.‘ Das hieß Jungen mussten einen Schlips tragen. Ohne, oder gar in ‚Nietenhosen‘ (Bluejeans) wurde der Eintritt verweigert. Mädchen sollten ein Kleid oder Rock und Bluse tragen! Wurden aber in langen Hosen trotz alledem eingelassen, aber verwarnt! Westliche Tanzkultur war verboten! Man durfte das Mädchen beim Tanz nicht loslassen und schon garnicht drehen! Das wurde vom Saalrand aus überwacht und Verwarnungen verteilt, für die die es trotzdem wagten! Nach drei Verwarnungen musste man den Saal verlassen! Jugendliche unter 18 Jahren mussten 22 Uhr gehen. Zu meiner Zeit, Anfang der 60iger Jahre stand Herr [Name] am Rand des Saales und war für die Einhaltung dieser Regeln handlungsbefügt! Wurde der Tanzabend von der HO veranstaltet, waren diese Regeln eher nicht gültig. War schon ne komische Zeit. Aber schön war es trotzdem!“

Die Bar im Kulturhaus "Stadt Schmölln" in den 1970er Jahren (Foto: Sammlung Heimat- und Verschönerungsverein Schmölln e.V.)
Die Bar im Kulturhaus “Stadt Schmölln” in den 1970er Jahren (Foto: Sammlung Heimat- und Verschönerungsverein Schmölln e.V.)

Der gleiche Zeitzeuge ergänzte später noch Erinnerungen an die Silvester- und Faschingsfeiern im Kulturhaus: „Noch ne kleine Erinnerung! Silvester und Rosenmontag wurde im ganzen Haus gefeiert. Saal, Restaurant und Café waren für alle zugänglich. Die Eintrittskarten dafür wurden einige Wochen vorher, immer an einem Sonntag ab 9 Uhr im Haus verkauft! Diese Karten waren sehr begehrt. Deshalb sammelten sich bereits am Sonnabend Abend vorher eine größere Personenzahl vor der verschlossenen Tür des Gewerkschaftshauses ein, um die ganze Nacht über, bis zum Sonntag Morgen zu warten. Während der Nacht wurde die Personenzahl immer größer! Da jeder nur vier Eintrittskarten kaufen konnte haben wir uns „in Schichten“ angestellt! Wir benötigten acht Karten. Also teilten wir uns in zwei Schichten ein. 2 Personen von 22 Uhr bis 3:30 Uhr! Die wurden in der Nacht von 2 anderen abgelöst! Ab und zu fuhr der Streifenwagen der Polizei vorbei, die die Menschenansammlung offenbar nicht einordnen konnten! Dann fingen etwa 100 Personen laut an zu johlen und Stimmung zu machen. Anzuhalten trauten sich die Polizisten aber nicht! Aber kamen dann öfter vorbei! Das hat viel Spaß gemacht. Wir waren jung und die Veranstaltungen waren wirklich unvergesslich. Schade, dass es das in der Form für die jungen Leute von heute nicht mehr gibt.“

Diese Beiträge wurden dann von weiteren Schmöllnern kommentiert, die ähnliche Erfahrungen gemacht hatten. Viele schrieben, es waren „schöne Zeiten“ und „man erinnert sich gern zurück“. Es wurde sich ausgetauscht über gemeinsame Bekannte, ehemalige Mitarbeiter und über verschiedene Veranstaltungsformate wie Familientanz und Tanz im Restaurant. Andere verabredeten sich zum Ausstellungsbesuch und anschließend auf ein Bier. Auch der Leihgeber der Gästebücher aus dem Kulturhaus wurde erst über Facebook auf die Ausstellung aufmerksam. Da für solche Fälle eine leere Ausstellungsvitrine bereitstand, konnten die Bücher die Ausstellung noch ergänzen.

Die Abendkarte vom Abiball 1977 wurde als Erinnerungsstück aufgehoben.
Die Abendkarte vom Abiball 1977 wurde als Erinnerungsstück aufgehoben.

Ebenfalls Dank Facebook fanden Fotos von einer Jugendweihefeier und eine von allen Schülern und Lehrern signierte Abendkarte vom Abiball 1977 in die Ausstellung. Deren Besitzerin, die heute nicht mehr in Schmölln lebt, beschrieb in einem Brief ihre Erinnerungen: „Tatsächlich habe ich die ausreichend gezeichnete Abendkarte als Andenken an unseren Abiball im Jahre 1977 aufgehoben, da diese ja durch die vielen Unterschriften meiner Mitschüler und auch der Lehrer sowie diverser Weinflecke zu einem Unikat wurde. Entstanden ist die Unterschriftensammlung am späten Abend und nach einer tollen Feier mit Musik, Tanz und ausreichend Alkohol anlässlich des bestandenen Abiturs. […] Dennoch war es ein sehr schöner Abschluss vor allem der Abiturzeit und nach bestandener Prüfung konnten wirausgelassen feiern und uns verabschieden, denn das bevorstehende Studium oder für die Männer der Beginn der NVA-Zeit verstreute uns in der ganzen damaligen DDR und man verlor sich aus den Augen. Generell bleibt die „ESSE“ für unsere Generation (Jahrgang 1958/59) in sehr guter Erinnerung, denn wir erlebten tolle Konzerte diverser Bands, zahlreiche Jugendtanz-Veranstaltungen und Diskotheken, Faschingsball, Silvesterball, Frühlingsball und Weihnachtsball der Schule, und, und, und … – später den so genannten monatlichen Familientanz. Besonders beliebt war die „obere“ Bar – Lieblingsgetränk der Mädels „Grüne Wiese“.“

Cocktails und Zeitgeschichte

Eben jene „Grüne Wiese“ sowie drei andere im Kulturhaus beliebte Cocktails mischte Kuratorin Franziska Huberty unter fachmännischer Anleitung des ehemaligen Restaurantleiters Bernd Adam in einer Video-Reihe auf YouTube nach. Dabei ging es nicht nur um die Rezepte, sondern jedes Video behandelte auch ein Stück Gastronomiegeschichte der DDR.

Franziska Huberty und Bernd Adam beim Zeitzeugengespräch Cocktail-Zeit zur Gastronomiegeschichte im DDR-Kulturhaus Stadt Schmölln
Franziska Huberty und Bernd Adam beim Zeitzeugengespräch Cocktail-Zeit zur Gastronomiegeschichte im DDR-Kulturhaus Stadt Schmölln

Über diese Video-Reihe berichtet dieser Blogpost ausführlich.

Die „Esse“ hat eine Lücke hinterlassen

Im Frühjahr 1991 wurde das Kulturhaus „Stadt Schmölln“ geschlossen. Der letzte Eintrag im letzten Gästebuch aus dem Kulturhaus lautet: „Entgegen der Beschwerden von den vorhergehenden Seiten können wir bestätigen ‚Esse bleibt Esse‘. Seit Jahren sind wir Gäste des Hauses und bringen zum Ausdruck, trotz unterschiedlicher Silvesterproblemstellung bleibt der 31.12. der letzte Tag des Jahres. Auf ein gesamtdeutsches Jahr 1991 verbleibt die alte Sippschaft in jugendlicher Frische.“ (31.12.1990)

Einige Gästebücher aus dem Kulturhaus "Stadt Schmölln" erreichten die Ausstellung des Museums via Facebook.
Einige Gästebücher aus dem Kulturhaus “Stadt Schmölln” erreichten die Ausstellung des Museums via Facebook.

Nach der Wende verfiel das leerstehende Kulturhaus. Der Sprengung des namensgebenden Schornsteins wohnte 1999 eine große Menschenmenge bei – damals eher neugierig als nostalgisch.

Der Schornstein des Kulturhauses kurz vor der Sprengung (Foto: Heimat- und Verschönerungsverein Schmölln e.V.)
Der Schornstein des Kulturhauses kurz vor der Sprengung (Foto: Heimat- und Verschönerungsverein Schmölln e.V.)

Inzwischen, über zwanzig Jahre später, wurde in den Zeitzeugengesprächen und Gesprächen mit den Besuchern deutlich, dass das Verschwinden des Kulturhauses in der Schmöllner Kulturlandschaft eine Lücke hinterlassen hat, die Musikclub, Stak und Ostthüringenhalle so nicht ausfüllen können. Gleichzeitig herrschte Einigkeit darüber, dass ein Konzept wie damals mit buntem Programm für alle heute nicht mehr funktionieren würde. Gefragt sind daher Ideen und Konzepte für die Zukunft.

Fortsetzung der Ausstellung im Knopf- und Regionalmuseum Schmölln

Hier setzen die Ausstellung im Knopfmuseum Schmölln und das zukunftsweisende Konzept für das Kultur- und Bürgerservicezentrum „El Button“ an. Die Ausstellung „Brauchen wir die ‚Esse‘ oder welche Kultur möchte Schmölln?“ ist von 9. Juli bis 31. Dezember 2022 zu sehen. Teile der Postersteiner Ausstellung werden ergänzt durch neue Exponate und Fragestellungen, die auf die Zukunft der Schmöllner Kultur abzielen.

Ausstellungsplakat #EsseSchmölln in Schmölln
Das Plakat zur Schmöllner Esse-Ausstellung

Auch diese neue Ausstellung möchte mit den Schmöllner Bürgern ins Gespräch kommen und Konzepte entwerfen. Gefördert wird sie im Rahmen des Projekts „Der fliegende Salon – Kulturaustausch im Altenburger Land“ in TRAFO – Modelle für Kultur im Wandel, eine Initiative der Kulturstiftung des Bundes sowie durch die Thüringer Staatskanzlei.

Ein Zeitzeugengespräch der besonderen Art: Die Video-Reihe „Cocktail-Zeit“ zur Gastronomiegeschichte in der DDR

Geschichte & Geschichten Veröffentlicht am 26. März 2022 von Museum Burg Posterstein15. Dezember 2022
Franziska Huberty und Bernd Adam beim Zeitzeugengespräch Cocktail-Zeit zur Gastronomiegeschichte im DDR-Kulturhaus Stadt Schmölln
Franziska Huberty und Bernd Adam beim Zeitzeugengespräch Cocktail-Zeit zur Gastronomiegeschichte im DDR-Kulturhaus “Stadt Schmölln”

Begleitend zur Sonderschau „Damals in der ‚Esse‘ – Erinnerungen an das Kulturhaus ‚Stadt Schmölln‘“ vom 30. Januar bis 20. März 2022 im Museum Burg Posterstein entstand die Video-Reihe „Cocktail-Zeit“. Darin interviewte Franziska Huberty, Historikerin im Museum Burg Posterstein, Bernd Adam, den langjährigen Restaurantleiter des ehemaligen DDR-Kulturhauses „Stadt Schmölln“. Jede der vier Folgen hatte einen inhaltlichen Themenschwerpunkt zum Gastronomiealltag in der DDR. Zum Abschluss jedes Gesprächs wurde ein Cocktail-Klassiker nach Originalrezept gemixt. Das jeweilige Rezept finden Sie immer am Ende eines Videos.

Das ungewöhnliche Konzept kam richtig gut an – wie die verhältnismäßig hohe Zahl an Zuschauern, Kommentaren und neuen YouTube-Abonnenten zeigt. Wie auch in der Ausstellung zählte besonders die lokale Bevölkerung aus Schmölln und den umliegenden Dörfern zum Publikum. Die kurzen Filme wecken Erinnerungen und bieten Anlass zum Reden. Für das Museum sind sie ein wichtiges Zeitzeugen-Dokument, das archiviert wird.

Da wir im Museum Burg Posterstein einen großen Teil unserer Forschungsergebnisse hier im Blog dokumentieren, fasst dieser Blogpost einige Aspekte der Gespräche zusammen.

Folge 1: Das Kulturhaus „Stadt Schmölln“

Thumbnail Video Cocktailzeit mit FRanziska Huberty und Bernd Adam - Folge 1
Cocktailzeit mit Franziska Huberty und Bernd Adam – Folge 1

Die erste Folge widmete sich der Frage, welche Funktion ein Kulturhaus zu DDR-Zeiten eigentlich hatte. Bernd Adam erläutert, dass es zwar reine Kulturhäuser gab, in denen ausschließlich Kulturveranstaltungen stattfanden. Beim Kulturhaus „Stadt Schmölln“ wurde jedoch Gastronomie und Kultur gemeinsam betrieben.

Kurzer historischer Exkurs: Seit 1864 eine wichtige Kultur-Adresse in Schmölln

Das Kulturhaus „Stadt Schmölln“ befand sich in der Nähe des Bahnhofs an der Stelle, wo seit 1864 bereits das „Hotel Wartburg“ für kulturelle Veranstaltungen, Feste und Konzerte genutzt wurde. 1946 wurde es verstaatlicht und samt Inventar an den Freien Deutschen Gewerkschaftsbund (FDGB) übergeben. Ab 1952 verwaltete die Stadt Schmölln das „Gewerkschaftshaus“ und 1961 übernahm es die Handelsorganisation (HO).

Postkarte vom Bahnhofsplatz Schmölln mit dem Hotel Wartburg aus dem Jahr 1909 (Sammlung Heimat- und Verschönerungsverein Schmölln)
Postkarte vom Bahnhofsplatz Schmölln mit dem Hotel Wartburg aus dem Jahr 1909 (Sammlung Heimat- und Verschönerungsverein Schmölln)

Unter Einbeziehung der alten Bausubstanz fanden ab 1967 Umbauarbeiten statt. Im April 1969 tagte im neuen Saal die Kreisdelegiertenkonferenz der SED. Zum 20. Jahrestag der DDR eröffnete das neue Restaurant. Die dritte Ausbaustufe umfasste ein Café, drei Klubräume und eine Wohnung. Mit der Einweihung als neues Kulturzentrum erhielt das Gebäude schließlich auch den Namen „Stadt Schmölln“. Auf Grund seines 27 Meter hohen Schornsteins wurde das Gebäude im Volksmund „Esse“ genannt, denn so heißt ein Schornstein im lokalen Dialekt. Im Interview erzählt Bernd Adam, dass diese Höhe des Schornsteins wirklich notwendig zum Betrieb des Brennöfen mit Braunkohle gewesen ist: „Wir kriegen ja kaum Brikett, manchmal schon, aber vorwiegend war es Braunkohle und das war einfach nur furchtbar“, erzählt er.

Das Kulturhaus "Stadt Schmölln" auf Postkarte von 1988 (Sammlung Museums Burg Posterstein)
Das Kulturhaus “Stadt Schmölln” auf Postkarte (Ausschnitt) von 1988 (Sammlung Museums Burg Posterstein)

Ein Programm für alle Zielgruppen

Das Kulturhaus umfasste einen Saal für 500 Personen, einen Speisesaal für 36 Personen, eine Bar für 50 Gäste, ein Restaurant für 170 Gäste und ein Café für 56 Personen. Das Angebot des Kulturhauses „Stadt Schmölln“ war vielseitig und richtete sich an alle Altersgruppen. Neben der Gastronomie, offiziellen Veranstaltungen wie zu Jugendweihen oder Abiturfesten fanden unter anderem private Feiern, Konzerte, Jugend- und Familientanz, Faschings- und Silvesterfeiern, Kreistagssitzungen, Parteiveranstaltungen, Schachturniere und Arbeitsgruppentreffen statt.

Ausschnitt aus dem Veranstaltungskalender der Stadt Schmölln im Jahr 1971 - mit dem Programm im Kulturhaus "Stadt Schmölln (Sammlung Museum Burg Posterstein)
Ausschnitt aus dem Veranstaltungskalender der Stadt Schmölln im Jahr 1971 – mit dem Programm im Kulturhaus “Stadt Schmölln (Sammlung Museum Burg Posterstein)

Unser Gesprächspartner Bernd Adam war dort acht Jahre lang Restaurantleiter. Nach dem Studium kam er 1972 von Leipzig nach Schmölln, schrieb dort seine Abschlussarbeit und wurde als gastronomischer Leiter eingesetzt – mit Unterbrechungen, in denen er zur Armee musste und anschließend den Gasthof “Drei Schwäne” übernahm. 1982 kam Bernd Adam zum Kulturhaus „Stadt Schmölln“ zurück und bildete dort die Gastronomielehrlinge der HO aus. Nach der Schließung des Kulturhauses kaufte er das Hotel „Reußischer Hof“, welches er bis zu seiner Pensionierung betrieb.

Folge 2: Logistische Herausforderungen und verschnittene Weine

Thumbnail Video Cocktailzeit mit Franziska Huberty und Bernd Adam - Folge 2
Cocktailzeit mit Franziska Huberty und Bernd Adam – Folge 2

In der zweiten Folge dreht sich das Gespräch um die Logistik, die notwendig war, um das Kulturhaus zu betreiben. In der Mangelwirtschaft der DDR gestaltete es sich oftmals schwierig, alle Waren zu beschaffen und Bernd Adam schildert, dass man besonderes organisatorisches Geschick, aber auch gute Beziehungen für alles benötigte. Er beschreibt, dass es ohne den Kontakt zu einem lokalen Jagdleiter, der wiederum ebenfalls über hervorragende Kontakte verfügte, fast unmöglich gewesen wäre, für große Veranstaltungen ausreichend Fleisch zur Verfügung zu haben. „Das Wild war unser Retter, wenn man es so will“, fasst Adam die Lage zusammen.

Der Festsaal im Kulturhaus "Stadt Schmölln" in den 1970er Jahren (Foto: Heimat- und Verschönerungsverein Schmölln e.V.)
Der Festsaal im Kulturhaus “Stadt Schmölln” in den 1970er Jahren (Foto: Heimat- und Verschönerungsverein Schmölln e.V.)

Auch eine gute Vorratswirtschaft trug maßgeblich zum Erfolg bei. Im Keller des Kulturhauses gab es ein riesiges Lager, verwaltet mit Karteikarten. Waren vom Zucker, Mehl bis hin zum Wein und Sekt wurden über die Großhandelsgesellschaft (GHG) angekauft.

Sonderlieferungen und Waren aus dem „nicht-sozialistischen Ausland“

Im dritten Video geht Bernd Adam ebenfalls auf das Thema ein: „Es gab nicht alles, aber es gab vieles“, erläutert er, „Wenn wir bestellt haben, haben wir immer zwei Drittel mehr bestellt, um ein Drittel zu bekommen, was wir brauchten.“ Dreimal im Jahr erhielt das Kulturhaus Sonderlieferungen: vor der Jugendweihe, vor dem Schulanfang und vor Weihnachten. „Dann gab es ‚erlesene Konserven‘, spricht: Ananas, Mandarinen, Champignons, auch Letscho, und Ölsardinen“, erzählt Bernd Adam.

Getränkekarte aus dem Café des Kulturhaus "Stadt Schmölln" aus dem Jahr 1973 (Sammlung Heimat- und Verschönerungsverein Schmölln)
Getränkekarte aus dem Café des Kulturhaus “Stadt Schmölln” aus dem Jahr 1973 (Sammlung Heimat- und Verschönerungsverein Schmölln)

Auf besondere Regionalität wurde dabei nicht geachtet, auch wenn beispielsweise Kartoffeln von den Bauern vor Ort geliefert wurden. Wein kam aus dem „nicht-sozialistischen Ausland“ in großen Behältern in Zügen in Leipzig-Panitzsch an. „Wir haben dann gesagt: Panschitz“, erzählt Bernd Adam im Video, „Denn dort wurden die die Weine verschnitten und dabei kamen dann solche Weine raus wie ‚Natalie‘, ‚Hemus‘ und dergleichen. Die hießen dann so, aber die waren nur ein Cuvée. Man schmeckte das dann ab, das habe ich live erlebt vom Kellermeister, ich wollte es immer nicht glauben. Und dann war es natürlich so, dass dem Zucker zugegeben wurde und zu DDR-Zeiten haben sich alle gewundert: Och, ich hab gestern wieder gesoffen. Nein! Es war der Wein, dem nachträglich Zucker zugegeben wurde und dadurch kamen die Kopfschmerzen.“

Folge 3: Zu verschiedenen Anlässen gab es verschiedene Preise

Thumbnail Video Cocktailzeit mit Franziska Huberty und Bernd Adam - Folge 3
Cocktailzeit mit Franziska Huberty und Bernd Adam – Folge 3

In der dritten Folge sprachen Franziska Huberty und Bernd Adam über verschiedene Preisstufen im Kulturhaus „Stadt Schmölln“. Gleich zu Beginn des Gesprächs ging es um den Preis für einen Cocktail, der im Kulturhaus „Stadt Schmölln“ zwischen 2,50 und 3,50 DDR-Mark lag. Das war nicht so günstig wie es auf heutiger Sicht klingt, wenn man es in Relation setzt zum durchschnittlichen Bruttogehalt eines vollbeschäftigten Arbeitnehmers in der DDR, das laut Bundesamt für Statistik 1975 rund 900 DDR-Mark und 1980 rund 1000 DDR-Mark betrug (Zur Quelle).

Tageskarte aus dem Café des Kulturhaus "Stadt Schmölln" aus dem Jahr 1973 (Sammlung Heimat- und Verschönerungsverein Schmölln)
Tageskarte aus dem Café des Kulturhaus “Stadt Schmölln” aus dem Jahr 1973 (Sammlung Heimat- und Verschönerungsverein Schmölln)

Je nachdem, ob es zusätzliche Kulturveranstaltungen gab, bot das Kulturhaus „Stadt Schmölln“ Getränke und Speisen zu unterschiedlichen Preisen an. Bernd Adam erzählt: „Wir hatten ja zu DDR-Zeiten verschiedenen Preisstufen. Preisstufe 1 bis 4 und dann noch ‘S 1’ war die einfachste Preisstufe, ich sag mal, ohne das abzuwerten: die Gaststuben auf dem Lande und die 4, das waren die gehobenen Hotels in den Städten und in den Großstädten. Und die hatten dann auch S. Und Leipzig zum Beispiel, das ‚Astoria‘, wo ich auch mal gearbeitet habe, hatte dann zur Messe ‚S plus 100 Prozent‘ und dann kam dann schon das Bier vier Mark …“ Die Preisstufen richteten sich also nach der Ausstattung und dem Angebot. Wenn “Stadt Schmölln” sonntags und mittwochs nachmittags Tanz im Restaurant stattfand, galt nicht die Preisstufe 3, sondern die Preisstufe 4. Dann kostete das Bier nicht 56 Pfennige, sondern 61 Pfennige.

Einkauf zum Verkaufspreis

Die unterschiedlichen Preisstufen bedeuteten nicht automatisch, dass sich das Geschäft für das Kulturhaus rechnete. „Das ist ja das Verrückte“, erzählt Bernd Adam im Interview, „Wir haben die Waren und Lebensmittel zum Verkaufspreis eingekauft.“ Er erläutert das am Beispiel des Kaffees, von dem das Kilo 130,80 Mark in der Preisstufe 3 kostete. Laut Preisanordnung war der Gastronom gezwungen 6,5 Gramm Kaffee auf die Tasse zu verwenden. Mit Zucker und Sahne kostete die Tasse Kaffee dann 84 Pfennige. Ob das ökonomisch war, hat Bernd Adam nie erfahren: „Wir haben gewirtschaftet, das wurde auch nie nach der ökonomischen Kennziffer abgerechnet, es wurde aber ein Schnitt gemacht und gesagt: ihr seid gut, ihr seid nicht so gut, aber da stand die Ökonomie nicht gesamt im Fokus.“

Folge 4: „Die Lehrlinge haben mich gehasst“

Thumbnail Video Cocktailzeit mit Franziska Huberty und Bernd Adam - Folge 4
Cocktailzeit mit Franziska Huberty und Bernd Adam – Folge 4

Das Kulturhaus „Stadt Schmölln“ war auch Ausbildungsbetrieb der Handelsorganisation (HO) und Bernd Adam war zeitweise für die Ausbildung und Prüfung der angehenden Köchinnen und Köche und Kellnerinnen und Kellner verantwortlich.

„Wir waren ein ganz junges Team und in der ‚Esse‘ waren ja bis 60 Mitarbeiter“, berichtet Bernd Adam. 30 Lehrlinge gab es alleine im Bereich Service und Küche. Nicht für alle war es ihr erster Berufswunsch. Bernd Adam beschreibt sehr anschaulich, warum auch der Beruf des Kellners gelernt sein will und dass es eben nicht jeder automatisch kann. Seine Methoden stießen dabei nicht sofort auf Gegenliebe: „Von dem Tag an haben sie mich gehasst, bis sie begriffen haben, dass das gut war, dass das richtig war“, erzählt der Mann, den auch heute noch viele Schmöllner persönlich kennen, „Aber es war eine sehr schöne, eine sehr praktische und auch eine sehr intensive Lehre.“

Die Bar im Kulturhaus "Stadt Schmölln" in den 1970er Jahren (Foto: Sammlung Heimat- und Verschönerungsverein Schmölln e.V.)
Die Bar im Kulturhaus “Stadt Schmölln” in den 1970er Jahren (Foto: Sammlung Heimat- und Verschönerungsverein Schmölln e.V.)

„Die Lehre war auch deswegen wichtig, damit wir Fachkräfte hatten, weil ich immer der Meinung war und bin, dass man eine gute Gastronomie vorwiegend mit Fachkräften gestalten kann“, erklärt er. In den 1970er Jahren baute er die Prüfungskommission für Köche und Kellner mit auf, pflegte einen guten Kontakt zur Berufsschule und gehörte später auch dort der Prüfungskommission an.

„Also ich hab Gastronomie gelebt. Ich war auf den Tag genau 51 Jahre in der Gastronomie, ich möchte keinen Tag missen, es hat mir von Anfang an Spaß gemacht, es war meine Welt“, bekundet Bernd Adam voller Herzblut.

Mit der Wende kam auch der Niedergang des Kulturhauses

Bereits 1991 wurde das Kulturhaus „Stadt Schmölln“ geschlossen. Das letzte Konzert fand am 2. März 1991 statt. Es spielte die Band „Odyssee“. Als Schließtag war der 31. Mai vorgesehen, der Termin wurde aber um einen Monat vorverlegt. Die letzte (inoffizielle) Veranstaltung fand trotzdem nach dem 30. April statt – ein Klassentreffen.

Kulturhaus "Stadt Schmölln" damals und heute auf der Postkarte des Museums Burg Posterstein
Kulturhaus “Stadt Schmölln” damals und heute auf der Postkarte zur Ausstellung “Damals in der Esse” des Museums Burg Posterstein

1999 wurde das Gebäude komplett abgerissen. Am 16. September 1999 wurde der namensgebende Schornstein der „Esse“ gesprengt. Auf der Fläche des ehemaligen Kulturhauses befindet sich heute ein Parkplatz.

Von Marlene Hofmann / Museum Burg Posterstein – Ein herzliches Dankeschön geht an den Heimat- und Verschönerungsverein Schmölln e.V. für die Bereitstellung von Fotos und Scans aus seiner Sammlung.

Göttliche Dorothea: Würdigung der Herzogin von Kurland erschienen

Geschichte & Geschichten Veröffentlicht am 17. März 2022 von Museum Burg Posterstein18. März 2022

Eine neue, umfangreiche Würdigung der Herzogin Anna Dorothea von Kurland ist 2018 auf Lettisch und 2021 auf Französisch erschienen. Monika Diedrich aus Ponitz, ausgebildete Französischlehrerin und Mitglied des Museumsvereins Burg Posterstein, hat das 400 Seiten starke Werk ehrenamtlich ins Deutsche übersetzt.

Blick in die Ausstellung zur europäischen Salongeschichte im Museum Burg Posterstein
Blick in die Ausstellung zur europäischen Salongeschichte im Museum Burg Posterstein

Im Jahr 2018 hatte das Schlossmuseum Rundāle das Buch „Dievinātā Doroteja“ als späte Widmung zum 250. Geburtstag der Herzogin Dorothea von Kurland (1761-1821) auf Lettisch veröffentlicht. Im September 2021 erschien im französischen Verlag Lacurne anlässlich ihres 200sten Todestages nun eine französische Fassung dieser ausführlichen Würdigung der letzten Herzogin von Kurland. Verfasser ist der langjährige Direktor des Schlossmuseums Rundāle in Lettland, Dr. Imants Lancmanis. Die französische Ausgabe wurde um neue Fakten und Bilder erweitert. Die Übersetzung des Textes aus dem Lettischen ins Französische stammt von Dita Podskočija.

Monika Diedrich aus Ponitz, ausgebildete Französischlehrerin und Mitglied des Fördervereins Museum Burg Posterstein e.V., hat das opulente, über 400 Seiten umfassende Werk nun ehrenamtlich ins Deutsche übersetzt.

Lancmanis, einer der bedeutendsten lettischen Wissenschaftler und verdienter Kulturmanager, ist es gelungen, zahlreiche, bislang unveröffentlichte Abbildungen aus Museen und Privatsammlungen der ganzen Welt zusammenzutragen. Er benutzt Forschungsergebnisse aus Frankreich, Lettland, Tschechien und Deutschland.

Anna Dorothea von Kurland - Ausstellung im Museum Burg Posterstein
Anna Dorothea von Kurland – Ausstellung im Museum Burg Posterstein

Der Weg der letzten Herzogin von Kurland führte von Kurland nach Rom, Berlin, Paris und Wien. Und natürlich geht der Autor in seiner Biografie nicht nur darauf oder auf den gesellschaftlichen und politischen Einfluss der schönen, charmanten und reichen Herzogin ein, sondern er beschreibt auch ausführlich ihren Salon in Löbichau. Dabei würdigt Lancmanis ausdrücklich die Forschungen und Ausstellungen des Museums Burg Posterstein, die nach seiner Meinung wesentlich zum internationalen Verständnis und zur Kenntnis über die Herzogin beigetragen haben.

Vorerst kann man das schöne neue Buch und seine Übersetzung nur in der Museumsbibliothek in Posterstein benutzen. Wir möchten uns jedoch dafür einsetzen, dass das Werk auch auf Deutsch erscheinen kann. Das Gespräch darüber mit Imants Lancmanis und dem Schlossmuseum Rundāle dürfte leicht zustande kommen, denn der Museumsverein Burg Posterstein arbeitet schon seit den frühen 1990er Jahren mit dem lettischen Museum zusammen. Schon mehrmals fanden gegenseitige Austausche und Besuche statt. 2011 erschien die umfangreiche Postersteiner Biografie „Die Herzogin von Kurland im Spiegel ihrer Zeitgenossen“, zu der Imants Lancmanis neben weiteren, internationalen Autoren, zwei Kapitel beisteuerte. Das Buch ist im Museumsladen der Burg Posterstein erhältlich.

Von Marlene Hofmann / Museum Burg Posterstein

Postersteiner Stele kehrt nach Köln zurück – Rückblick auf ein besonderes Kunstprojekt

Geschichte & Geschichten Veröffentlicht am 15. März 2022 von Museum Burg Posterstein15. Dezember 2022
Die Stele von Wolfgang Stöcker im Burgpark der Burg Posterstein
Die Stele von Wolfgang Stöcker im Burgpark der Burg Posterstein

Als Museen und kulturelle Orte in ganz Deutschland wegen der Pandemie geschlossen bleiben mussten, fotografierte und dokumentierte der Kölner Künstler Wolfgang Stöcker die plötzlich “hermetisch verschlossenen”, sonst öffentlich zugänglichen Orte. In einer deutschlandweiten Kunstaktion machte er mit Skulpturen und Kunstwerken im öffentlichen Raum auf diese Kulturorte und den kulturellen Reichtum aufmerksam. In seinen Fotografieren, collagenhaft nebeneinandergestellt, traten die verschiedensten Orte auf ästhetische Weise miteinander in Korrespondenz.

Die Postersteiner Stele stand vom 28. September 2021 bis 8. März 2022 im Burgpark Posterstein. Über QR-Code und ein Plakat in unmittelbarer Nähe konnten sich interessierte Besucher über das Projekt informieren, das farblich mit den herbstlich-braunen Tönen der Natur harmonierte.

Das informative Video kann man hier anschauen:

Wolfgang Stöcker vor seinem Kunstwerk "Postersteiner Stele"
Im Film erzählt Wolfgang Stöcker über die Idee hinter seiner “Postersteiner Stele”

Die Motive auf der Stele

Auf der Stele zu sehen waren Fotografien, die während des Lockdowns und kurz danach in verschiedenen deutschen Museen entstanden sind. Die Idee: Innenräume werden über Fotografien nach außen getragen. Neben der Postersteiner Stele wählte der Künstler noch andere Projektionsformen, beispielsweise Pavillons (Bergisch Gladbach, April 2021) oder Bildtafeln im öffentlichen Raum (Köln, Mai – Okober 2021).

Auf der Postersteiner Stele waren sowohl ganze Architekturansichten wie auch kleine Detailaufnahmen von Wandstrukturen, Stuck sowie Möbeln, Schnitzereien, Figuren und Holzkonstruktionen zu sehen. Zusammengesetzt ergeben die Motive eine lebendige optisch-assoziative Mischung von sehr unterschiedlicher Wirkung. 

Wolfgang Stöcker beim Aufbau seiner Skulptur "Postersteiner Stele" am 28. September 2021 im Park der Burg Posterstein. Im Vordergrund die Stele mit Fotocollage mit Büsten aus dem Museum Burg Posterstein. Im Hintergrund der Künstler und die Burgmauer.
Wolfgang Stöcker beim Aufbau seiner Skulptur “Postersteiner Stele” am 28. September 2021 im Park der Burg Posterstein.

Die Motive von oben nach unten:

Ganz oben:
kleiner Quader mit Aufnahmen aus Burg Posterstein (15.06.2021) und dem Residenzschloss Altenburg (14.06.2021) sowie der dortigen Schlosskirche (14.06.2021).

Würfel darunter:
Detailaufnahmen des gerade in Restauration befindlichen Speichers im Stadtmuseum Lindau (09.07.2021), eine Detailaufnahme aus dem Lehmbruckmuseum (16.03.2021) sowie des Kölner Museum Ludwig (Dezember 2020). Zusätzlich tauchen Stuckelemente des Altenburger Schlosses auf.

Länglicher Sockel:
Bildcollagen, vorwiegend mit Büsten der Herzogin von Kurland und ihren Töchtern, alle Burg Posterstein (15.06.2021). Fragmentarisch tauchen darin Motive aus dem Landesmuseum für Vorgeschichte Halle (05.08.2021) und dem Speicher des Stadtmuseums Lindau (09.07.2021) auf.

Unterer Sockel:
Der untere Sockel weist vier Seitenansichten mit je zwölf Motiven auf. Einige davon wiederholen sich in einem nicht symmetrisch verlaufendem, lockeren Rhythmus. 

Die Zuordnung der Motive beginnt immer von links oben nach rechts unten:

Die Fotografien auf Seite 1 der Skulptur "Postersteiner Stele" von Wolfgang Stöcker

ganz oben: MARTA Herford, Museum Burg Posterstein
2. von oben: Schloss Augustusburg in Brühl, Schloss Augustusburg in Brühl
3. von oben: Museum Ludwig in Köln, Museum Burg Posterstein
4. von oben: Residenzschloss Altenburg, MARTA Herford
5. von oben: Museum Ludwig, Köln, Museum Burg Posterstein
ganz unten: arpmuseum, Rolandseck, Schloss Augustusburg in Brühl

Die Fotografien auf Seite 2 der Skulptur "Postersteiner Stele" von Wolfgang Stöcker

ganz oben: arpmuseum in Rolandseck, Schloss Augustusburg in Brühl
2. von oben: Museum Ludwig in Köln, Lehmbruckmuseum in Duisburg
3. von oben: MARTA Herford, Museum Burg Posterstein
4. von oben: Schloss Augustusburg in Brühl, Residenzschloss Altenburg
5. von oben: Museum Burg Posterstein, Museum Burg Posterstein
ganz unten: Schloss Augustusburg in Brühl, Schloss Augustusburg in Brühl

Die Fotografien auf Seite 3 der Skulptur "Postersteiner Stele" von Wolfgang Stöcker

ganz oben: Schloss Augustusburg in Brühl, Lehmbruckmuseum in Duisburg
2. von oben: Residenzschloss Altenburg, Schloss Augustusburg in Brühl
3. von oben: Museum Burg Posterstein, Museum Ludwig in Köln
4. von oben: arpmuseum in Rolandseck, MARTA Herford
5. von oben: Museum Burg Posterstein, Museum Burg Posterstein
ganz unten: Lehmbruckmuseum in Duisburg, Schloss Augustusburg in Brühl

Die Fotografien auf Seite 4 der Skulptur "Postersteiner Stele" von Wolfgang Stöcker

ganz oben: Museum Ludwig in Köln, Schloss Augustusburg in Brühl
2. von oben: Museum Burg Posterstein, Residenzschloss Altenburg
3. von oben: Residenzschloss Altenburg, Schloss Augustusburg in Brühl
4. von oben: Museum Burg Posterstein, Stadtmuseum Lindau
5. von oben: Schloss Augustusburg in Brühl, MARTA Herford
ganz unten: arpmuseum in Rolandseck, Schloss Augustusburg in Brühl

Schichten

Eine Sammlung von Wolfgang Stöckers so entstandenen Detailaufnahmen finden Sie hier auf seiner Website. Unter der Überschrift “Schichten – Archäologie der ersten Oberfläche” zeigt er ungewöhnliche Details und Blicke auf Museumsexponate und Architektur.


Gefördert durch das Stipendium „Auf Geht´s“ / NRW.

Ausstellung zeigt Erinnerungsstücke an das DDR-Kulturhaus „Stadt Schmölln“

Geschichte & Geschichten Veröffentlicht am 10. Februar 2022 von Museum Burg Posterstein15. Dezember 2022

Mit der Sonderschau „Damals in der ‚Esse‘ – Erinnerungen an das Kulturhaus ‚Stadt Schmölln‘“ widmet sich das Museum Burg Posterstein bis 20. März 2022 der neueren regionalen Geschichte. Das Kulturhaus, in den 1970er und 80er Jahren ein regionales Zentrum, hieß wegen seines markanten Schornsteins im Volksmund „Esse“, was im regionalen Dialekt ein Synonym für Schornstein ist. Nach einigen Jahren Leerstand wurde es 1999 abgerissen. Die multimediale Zusammenstellung basiert auf Fotos, Erinnerungen, Zeitungsausschnitten und Zeitzeugengesprächen und lässt Raum für weitere Erinnerungen der Besucher.

Die Postkarte zur Ausstellung "Damals in der Esse" vor dem Museum Burg Posterstein
An der Stelle des früheren Kulturhauses befindet sich heute ein Parkplatz. – Die Ausstellung im Museum Burg Posterstein sammelt Erinnerungen von Zeitzeugen.

Rund dreißig Jahre nach dem letzten Konzert im Kulturhaus „Esse“ Schmölln sammelte das Museum Burg Posterstein im Rahmen des Projekts “Der Fliegende Salon” Erinnerungen und Erinnerungsstücke von Zeitzeugen. Die Ausstellung fasst die Ergebnisse des Zeitzeugen-Salons in Schmölln am 30. Oktober 2021 zusammen und erweitert sie.

Rund private 50 Erinnerungsstücke

Für die Ausstellung erhielt das Museum rund fünfzig persönliche Erinnerungsstücke, darunter Fotos, Autogrammkarten, Eintrittskarten, Kleidung und aus dem Kulturhaus stammende Gegenstände.

Ausstellung zum Kulturhaus Stadt Schmölln im Museum Burg Posterstein, links in einer Vitrine eine Gitarre
Blick in die Ausstellung über das ehemalige Kulturhaus “Stadt Schmölln”. Eines der Erinnerungsstücke ist eine Gitarre, die beim letzten Konzert 1991 zum Einsatz kam.

Die „Esse“ war mit großem Saal, Restaurant, Café und Bar ein Treffpunkt für alle Generationen. Das Programm war breit angelegt. Eine tragende Rolle spielte dabei die Musik. Das Angebot reichte von Rock-, Pop- und Bluesbands über Schlagersänger bis hin zu klassischen Chorauftritten, Tanzorchestern. Zu den jährlichen Höhepunkten zählten die Silvester- und Faschingsfeiern. Zum wiederkehrenden Programm gehörten Familientanz, Jugendtanz, Messen und Märkte. Aber auch politische Versammlungen und Jugendweihefeiern fanden regelmäßig dort statt. Zudem war das Kulturhaus ein beliebter Ort für private Feierlichkeiten jeder Art: Betriebsfeste, Hochzeiten, Geburtstage oder Trauerfeiern wurden in den entsprechenden Räumen ausgerichtet. Die Ausstellung versucht die Zeit und ihre Alltagskultur auch für nachgeborene Generationen anschaulich darzustellen.

Blick in die Ausstellung "Damals in der Esse" im Museum Burg Posterstein mit Zeitungsausschnitten und historischen Originalplakaten
Zeitungsausschnitte und ein originales Plakat in der Ausstellung über das Kulturhaus “Stadt Schmölln” im Museum Burg Posterstein

Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit, persönliche Erinnerungen an die Zeit des Kulturhauses an einer Pinnwand zu hinterlassen. Auch in der Facebook-Gruppe „Regionale Geschichte Dreiländereck Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt“ und unter dem Hashtag #EsseSchmölln in den anderen sozialen Netzwerken lädt das Museum Zeitzeugen herzlich ein, persönliche Erinnerungen an das ehemalige Kulturhaus der Stadt Schmölln zu teilen. Auf diese Weise sind bereits Berichte darüber, wie schwer es war, an begehrte Silvesterkarten zu kommen oder was die Kleidungsordnung in den 1970ern vorschrieb, und auch Leihgaben für die Sonderschau im Museum eingegangen.

Video-Einblick in die Ausstellung

Kuratorin Franziska Huberty gibt per Video einen Einblick in die Ausstellung. Das Video finden Sie über den YouTube-Kanal des Museums. – Wir freuen uns über ein Abo.

Thumbnail für das Video zur Ausstellung "Damals in der Esse", Franziska Huberty posiert vor einem historischen Plakat
Im Video gibt Franziska Huberty einen Einblick in die Ausstellung “Damals in der Esse” (2022 im Museum Burg Posterstein)

Eine kleine Video-Reihe zur Ausstellung ist geplant.

Passendes „Esse-Special“ im Café „Zur eisernen Bank“

Für die Zeit der Ausstellung hat sich das direkt neben der Burg Posterstein gelegene Café „Zur eisernen Bank“ ein „Esse-Special“ ausgedacht – angelehnt an das Menü, das es damals im Kulturhaus „Stadt Schmölln“ gab. Das Café hat mittwochs bis sonntags immer nachmittags geöffnet und ist unter (034496) 16 39 11 erreichbar.

Fortsetzung der Ausstellung im Knopf- und Regionalmuseum Schmölln

Im Sommer 2022 wird es eine Fortsetzung dieser Sonderschau im Knopf- und Regionalmuseum Schmölln geben. Dabei soll neben der Rückschau dann auch in die Zukunft geblickt werden: Was fehlt den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt Schmölln heute ohne Kulturhaus? Was wünschen sie sich für die Zukunft?

Von Marlene Hofmann / Museum Burg Posterstein

LeseZEIT – Folge 7: Gustav Parthey Weihnachts-Spezial

Geschichte & Geschichten Veröffentlicht am 23. Dezember 2021 von Museum Burg Posterstein15. Dezember 2022

In der Weihnachtszeit möchten wir Sie in Folge 7 unseres Podcasts LeseZEIT mitnehmen in den Berliner Salon der Herzogin von Kurland. Anhand von Gustav Partheys Jugenderinnerungen reisen wir ins Jahr 1806 in die stimmungsvollen Räume des kurländischen Palais Unter den Linden.

Wie immer können Sie diese Folge als Blogpost lesen oder als Podcast anhören:

https://blog.burg-posterstein.de/wp-content/uploads/2021/12/LeseZEIT_Folge7_GustavParthey.mp3

Podcast: Play in new window | Download

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„Markt und Straßen stehn verlassen,
Still erleuchtet jedes Haus,
Sinnend geh ich durch die Gassen,
Alles sieht so festlich aus.“

aus: “Weihnachten” von Joseph von Eichendorff (1788–1857)

Und mit diesen berühmten Worten aus der ersten Strophe des Gedichtes „Weihnachten“ des Lyrikers Joseph von Eichendorff (1788–1857) beginnt unsere weihnachtlich-winterlichen siebten Folge der LeseZEIT mit Geschichte und Geschichten aus dem Museum Burg Posterstein.

Schlitten und Pferde des Prinzen Carl von Preußen
Schlitten und Pferde des Prinzen Carl von Preußen by Krüger, Franz (1797-1857) (Maler) (Herstellung) – Stiftung Stadtmuseum Berlin, Germany – CC0 / Europeana

Passend zur Jahreszeit tauchen wir heute gemeinsam in eine winterliche Geschichte ein, die uns Gustav Parthey (1798–1872) in seinen Jugenderinnerungen beschreibt. Vielleicht erinnern Sie sich an unsere dritte LeseZEIT-Folge, in der wir schon einmal mit dem Altertumsforscher und Buchhändler Gustav Parthey (1798–1872) im Jahr 1812 von Berlin zur Herzogin von Kurland nach Löbichau reisten?

Heute wollen wir mit dem jungen Parthey einen Winter in Berlin verbringen und besuchen dabei auch die Herzogin Anna Dorothea von Kurland in ihrem Salon, den Sie seit 1805 im „kurländischen Haus“ führte. Dort, im Palais Unter den Linden Nummer 7, verbrachte Sie oft die Wintermonate. Das Haus wurde um 1734 erbaut und diente im 18. Jahrhundert u.a. Prinzessin Amalie, der Schwester Friedrichs II., als Wohnstätte. 1805 ging es in den Besitz der Herzogin Anna Dorothea von Kurland über. Während der französischen Besatzung Berlins unter Napoleon I. bewohnte der französische Stadtkommandant das Palais. 1837 verkaufte die jüngste Tochter der Herzogin von Kurland, Dorothée, das Haus an Zar Nikolaus I., der dort die Russische Botschaft zu Berlin einrichtete. Nach nationalsozialistischer Nutzung seit 1942 wurde das Kurländische Palais im Februar 1944 bei den alliierten Luftangriffen auf Berlin zerstört. An seiner Stelle befindet sich aber noch heute die Botschaft der Russischen Föderation in Berlin.

Russische Gesandtschaft im Palais Kurland um 1840, Druck (Sammlung Museum Burg Posterstein)
Russische Gesandtschaft im Palais Kurland um 1840, Druck (Sammlung Museum Burg Posterstein)

Da wir in der dritten Folge der Lesezeit unseren heutigen Autor Gustav Friedrich Konstantin Parthey bereits vorgestellt haben, möchte ich Ihnen an seiner statt, kurz die Protagonisten unserer heutigen Episode nennen. Zu einigen der Personen liefert Parthey selbst eine Erläuterung. Zu anderen möchte ich gern noch ein paar Worte verlieren.

Neben dem Erzähler Gustav, um dessen Erinnerungen aus Jugendzeiten es schließlich geht, treten dessen Eltern – Hofrat Friedrich Parthey (1745–1822), einstiger Gesellschafter der Herzogin von Kurland, und seine Frau Charlotte Wilhelmine (1767–1803), älteste Tochter des Buchhändlers Friedrich Nicolai, auf. Zudem wird Gustav fast immer von seiner Schwester Lili Parthey und seinem Pflegebruder Fritz begleitet.

Das Portrait von Fritz Piattoli hat Emilie von Binzer, Zeichenschülerin Ernst Welkers, unterschrieben (Sammlung Welker, Museum Burg Posterstein)
Das Portrait von Fritz Piattoli hat Emilie von Binzer, Zeichenschülerin Ernst Welkers, unterschrieben (Sammlung Welker, Museum Burg Posterstein)

Fritz von Piattoli (1800–1849) war der uneheliche Sohn Johannas, der dritten Tochter Dorothea von Kurlands. Sein Vater war der Musikdirektor Arnoldi aus Sagan. Im Alter von zehn Jahren wurde er von der Baronesse Julie Vietinghoff, einer Hofdame und Begleiterin der Herzogin von Kurland, adoptiert. Seit 1808 wurde Fritz schließlich als Pflegekind in die Familie Parthey aufgenommen und lebte bis 1818 in deren Haus.

Auf Seiten der Kurländer finden neben der Herzogin Dorothea selbst, auch ihre Töchter Wilhelmine, Pauline, Johanna – hier Jeanette genannt – und Dorothée – im Laufe der Geschichte gern als „Prinzeßchen“ bezeichnet – Erwähnung. Besonderes Augenmerk sollte hier auf Prinz Konstantin, den Sohn Paulines geworfen werden. Konstantin oder besser vollständig: Friedrich Wilhelm Konstantin Hermann Thassilo von Hohenzollern-Hechingen (1801–1869), war das einzige Kind des Fürsten Friedrich von Hohenzollern-Hechingen (1776–1838) aus dessen Ehe mit Prinzessin Pauline Biron von Kurland (1782–1845), der zweiten Tochter Dorotheas. Der Bericht Partheys bezieht sich auf die Jahre nach 1806. Noch in der Obhut der Mutter, müssen wir uns den Erbprinzen des Hauses Hohenzollern-Hechingen also im zarten Alter von sechs oder sieben Jahren vorstellen.

Portrait Henriette Herz
Henriette Herz aus: “Berlin som tysk Rigshovedstad. Erindringer, etc” – 1884 – The British Library, United Kingdom – Public Domain / Europeana

Zum krönenden Schluss soll noch Madam Herz hervorgehoben werden. Bei dieser Dame handelt es sich um keine Geringere als Henriette Julie Herz (1764–1847), die einen der bekanntesten jüdischen Salons in Berlin führte. Gemeinsam mit ihrem Mann, dem Arzt Marcus Herz (1747–1803), etablierte Henriette Herz einen Doppelsalon in ihrem Hause, der sowohl den wissenschaftlichen Kreis um ihren Mann, als auch ihren eigenen literarischen Zirkel umfasste. Nach dem Tod ihres Mannes musste Henriette Herz ihre Gesellschaften einschränken und schloss sich u.a. dem Kreis um Rahel Varnhagen an. Auf den Vorschlag des Lyrikers und Finanzrats Leopold Friedrich Günther von Goeckingks (1748–1828) wurde sie nach einigem Zögern Englischlehrerin für die jüngste Tochter der Herzogin von Kurland und so ebenfalls Teil der Gesellschaft Dorotheas in Berlin.

Nun aber genug der Vorrede! Kommen wir zum eigentlichen Höhepunkt: Ein Winterbericht mit weihnachtlichen Episoden aus der Feder Gustav Partheys.

Ich lese aus dem Kapitel „Herzogin von Kurland in Berlin“, in: Gustav Parthey: Jugenderinnerungen. Handschrift für Freunde, Erster Theil“, erschienen im Verlag Ernst Frensdorff, Berlin 1907. Die Ausschnitte befinden sich auf den Seiten 95 bis 107.

„Einen grellen Gegensatz zu den dunkeln einförmigen Winterabenden beim Grosvater Nicolai bildeten die glänzenden Gesellschaften bei der Herzogin von Kurland, wohin mein Vater uns nur in sehr seltnen Fällen mitnahm, weil er den richtigen Grundsatz hatte, daß für einfache, bürgerlich erzogene Kinder eine solche fürstliche Pracht nichts tauge.

Die Herzogin Anna Dorothea von Kurland - Portrait aus dem Buch Hans Wilhelm von Thümmels
Die Herzogin Anna Dorothea von Kurland – Portrait aus einem Buch Hans Wilhelm von Thümmels (Sammlung Museum Burg Posterstein)

Die Herzogin hatte sich nach dem Tode des Herzogs in Deutschland niedergelassen; sie lebte den Winter in Berlin, den Sommer auf ihrem Landgute Löbichau bei Altenburg. Ihr Mann, der letzte Herzog von Kurland, hatte sich entschlossen, da sein einziger Sohn gestorben war, sein Herzogthum i. J. 1795 an Rußland zu verkaufen. Der Preis war auf eine Million Dukaten festgesetzt worden, allein nach dem Tode des Herzogs (i. J. 1800) gerieten die russischen Abzahlungen allmälig in’s Stocken; alle Reclamationen waren umsonst; im Wege des Prozesses blieb gar nichts zu erwarten, und so erhielten denn die Erben, wie ich dies später aus dem Munde der Herzogin selbst erfuhr, statt eines Dukaten nicht mehr als 17 Silbergroschen.

Schon früher hatte der Herzog in Deutschland große Güterankäufe gemacht; in Schlesien erwarb er das Herzogthum Sagan, in Böhmen die Herrschaft Nachod, in Sachsen das Landgut Löbichau. In Berlin besaß die Herzogin ein schönes Haus unter den Linden No. 7, das in meiner Jugend allein mit dem Namen des kurländischen Hauses bezeichnet wurde. Sie richtete sich darin auf das geschmackvollste ein, und versammelte einen Kreis von allen Berliner Notabilitäten um sich.

Wilhelmine von Sagan, nach Joseph Grassi (1757-1838), Museum Burg Posterstein
Wilhelmine von Sagan, nach Joseph Grassi (1757-1838), Museum Burg Posterstein

Von den vier Töchtern der Herzogin erhielt die älteste, Wilhelmine, das Herzogthum Sagan; sie war zuerst an den französischen Prinzen Rohan, dann an den russischen Fürsten Trubetzkoi verheirathet. Die zweite Tochter Pauline heirathete den regierenden Fürsten von Hohenzollern-Hechingen, die dritte, Jeanette, den neapolitanischen Fürsten Acerenza-Pignatelli. Die vierte Tochter Dorothea lebte bei ihrer Mutter; sie war im Jahre 1806, als wir Kinder anfingen in das herzogliche Haus zu kommen, 13 Jahre alt und von wunderbarer Schönheit. […]

Wir Kinder verkehrten bei der Herzogin meist in einem Zimmer neben dem Salon. Eines Abends belustigte uns Fritz durch die Nachahmung der verschiedensten Thierstimmen, worin er eine große Virtuosität besaß. Er krähte wie ein Hahn, bellte wie ein Hund und miaute wie eine Katze. Dies alles wußte er anfangs so geschickt zu mäßigen, daß er hoffen konnte, im Salon nicht gehört zu werden; allein beim Blöken des Kalbes vergaß er sich so sehr, daß der unharmonische Ton weithin durch die Zimmer schallte. Ganz entrüstet und mit gerunzelter Stirn eilte mein Vater herein; er wurde aber bald durch Prinzeßchens [Dorothée] Schmeichelworte begütigt.

Dorothée von Dino-Talleyrand auf einem Holzstich nach Gérard
Dorothée von Dino-Talleyrand auf einem Holzstich nach Gérard

Eines Abends fanden wir bei Prinzeßchen eine nicht mehr ganz junge Frau von hoher Gestalt und von wahrhaft wunderbarer Schönheit. Wir erfuhren, es sei eine arme Jüdin, Madam Herz, von der die Prinzessin englischen Unterricht erhielt. Nie werde ich den Glanz dieser Erscheinung vergessen. Wenn die Prinzessin eine ideale jugendliche Figur, eine Hebe oder Venus darstellte, so konnte man Madam Herz einer Juno oder Proserpina vergleichen. […]

Eines Winters erhielt die Herzogin den Besuch ihrer zweiten Tochter, der Fürstin von Hohenzollern-Hechingen mit den Erbprinzen Konstantin, der ungefähr in meinem Alter war (geb. 1801, ⴕ 1869). Anfangs hatte ich einen großen Respekt vor ihm, und wagte bei meiner angebornen Zurückhaltung kaum, ihn anzureden. Als ich sah, daß er ein Mensch sei, wie alle andern, so faßte ich bald mehr Muth, und wir spielten sehr vergnügt zusammen. Weil aber allen Knaben die Kampflust angeboren ist, und sie ihre Kräfte gegen einander versuchen wollen, so kam es auch zwischen uns sehr bald zum Balgen und Ringen, das ich in der Schule zwar weniger als andre, aber doch geübt hatte. Dabei galt es nun als höchst unwürdig, gegen alles Kriegs- und Völkerrecht verstoßend, einander in den Haaren zu raufen. Ich setzte dies als stillschweigende Bedingung bei meinem fürstlichen Gegner voraus; da er indessen, als ich einmal im Vortheil war, mir in die Haare fuhr, so that ich dasselbe mit solcher Vehemenz, daß er in ein fürchterliches Geschrei ausbrach. Der ganze Salon eilte herbei, die Fürstin von Hohenzollern fand ihren Thronerben in Thränen, ich stand, einen Flausch seiner blonden Haare haltend, sehr verlegen daneben, und erwartete ein schreckliches Strafgericht. Aber o Wunder! nachdem ich die Sache wahrheitsgetreu erzählt, und der Prinz nicht läugnen konnte, daß er mir zuerst in die Haare gefahren sei, so ward ich von seiner Mutter mit Liebkosungen überhäuft, dafür, daß ich ihrem ungezogenen Sohn gezeigt, wie er sich nicht alles gegen andre erlauben dürfe. „Siehst du wohl, Konstantin“, so schloß sie ihren Sermon an den zerzausten Erbprinzen, „wer ausgiebt, der muß einnehmen!“

In diesem Winter schickte der galante Kaiser Alexander von Rusland der Herzogin zwei gewaltig große Spiegel aus einem Stücke mit prachtvollen goldnen Rahmen, vielleicht um sie über die ausbleibenden Geldzahlungen zu trösten. Mein Vater besorgte das Auspacken, und ließ sie vorläufig in einer Entrée des kurländischen Hauses aufstellen. Dies gab dem Prinzen Konstantin und mir die schönste Gelegenheit, uns recht oft und recht lange davor zu bewegen, und in Rüstungen aus Pappe gehüllt, davor zu exerciren. Als aber mein Vater eines Tages bemerkte, daß der Prinz mit seinem blechernen Säbel den kostbaren Platten in eine gefährliche Nähe kam, so fanden wir das nächste Mal das Zimmer verschlossen, und alle Bitten um Einlaß wurden von dem an Gehorsam gewöhnten Haushofmeister abgewiesen.

Ernst Welker portraitierte die Fürstin von Hohenzollern, Tochter der Herzogin von Kurland, als Eidechse. (Sammlung Welker, Museum Burg Posterstein)
Ernst Welker portraitierte die Fürstin von Hohenzollern, Tochter der Herzogin von Kurland, als Eidechse. (Sammlung Welker, Museum Burg Posterstein)

Zu Ehren des Besuches der Fürstin von Hohenzollern wurde in jenem Winter das Weihnachtsfest im kurländischen Hause mit besonderem Glanze gefeiert; ich erinnere mich sehr wohl, daß nur auf ganz besonderes Bitten der Herzogin mein Vater darin willigte, uns mitzubringen. Es ereignete sich dabei ein Unfall, der mich, wenn ich daran denke, noch immer mit Schrecken erfüllt. In den hellerleuchteten Sälen waren viele Tische mit bunten Weihnachtspyramiden und Geschenken aufgestellt, eine froh bewegte Gesellschaft wogte auf und ab. Die Herzogin Mutter, ja sogar –Großmutter strahlte im Schimmer einer unverwelklichen Schönheit, und konnte in vieler Hinsicht die Vergleichung mit ihrer Tochter wohl aushalten. Nie werde ich die seelengewinnende Freundlichkeit vergessen, mit der sie uns drei, meine Schwester, Fritz und mich zu den für uns bestimmten Tischchen hinführte, die mit allerhand werthvollen Geschenken bedeckt waren. Als Hauptstück stand auf meinem Tische ein kleines zweirädriges Wägelchen, inwendig mit einem Uhrwerk versehn. Wurde dieses aufgezogen, so fuhr der Wagen von selbst in der Stube herum. Diese eigne Bewegung eines unbelebten Körpers hatte für die Kinder etwas wunderbares, beinahe übernatürliches, und wurde von allen Seiten angestaunt. Jeder wollte das Uhrwerk aufziehn, um den Wagen noch einmal laufen zu lassen, und als zuletzt Prinz Konstantin etwas unsanft damit umging, so versagte die Feder und das schöne Spielzeug war verdorben.

Indem wir noch damit beschäftigt waren, gerieth mitten im Saale eine von den großen Weihnachtspyramiden in Brand; die Flamme, von dem leichten Holzwerk genährt, stieg mächtig leuchtend empor, und ein dicker brauner Qualm wälzte sich an der hohen Decke entlang. Das unmittelbare Hereinbrechen der Gefahr in die heiter geordneten und festlich geschmückten Prachtgemächer hatte etwas schauerliches, aber anfangs konnte der Gedanke, daß nicht allein die schönen, so eben erhaltenen Geschenke, sondern auch die Räume selbst vom Untergange bedroht seien, von der kindlichen Seele kaum gefaßt werden. Ich stand, den zerbrochenen Wagen haltend, ruhig neben meinen Aeltern, und betrachtete das überraschende, nie gesehene Schauspiel mit Erstaunen.

Indessen wurde das Uebel, noch ehe die Kunde davon in die andern Säle gelangen konnte, durch rasche Hülfe beseitigt. Der Haushofmeister war gleich mit den Lakaien zur Hand, die durch einige Flaschen Wasser das Feuer dämpften, und sehr bald die schwarz verkohlten, rauchenden Reste der Pyramide aus dem Saale forttrugen. Hatte der herrliche, rasch vorüberrauschende Anblick der auflodernden Flammen uns erfreut, so war die Verwüstung desto widerwärtiger, die durch Nässe und Schmutz auf dem schöngetäfelten Fußboden entstand. So oft nachher bei uns das Weihnachtsfest im frohen Familienkreise gefeiert ward, so verging selten ein Jahr, wo jenes frühen Jugendereignisses nicht gedacht worden wäre, indem wir den Vater oder die Mutter mit sorglicher Stimme sagen hörten: daß nur keine Pyramide in Brand geräth! […]

Von solchen Vorkommnissen erzählte ich ganz unbefangen meinen Freunden und Schulkameraden. Es fiel mir nicht ein, etwas besonderes daraus zu machen, daß unser Weihnachten bei der Herzogin von Kurland gefeiert sei, oder daß ich den Prinzen von Hohenzollern in den Haaren gerauft, aber bald wurde ich zurückhaltender, als ich hörte, daß ein Mitschüler beim Nachhausegehn zu einem andern sagte: der Parthey weiß sich recht viel mit seinen vornehmen Bekanntschaften! und der andre erwiederte: es wird wohl die Hälfte davon erfunden sein! Seitdem hütete ich mich wohl, jemals wieder etwas aus dem herzoglichen Zirkel mitzutheilen.“

Weihnachtspyramide aus dem Erzgebirge, mit vier Ebenen, ca. 1,20 Meter hoch, in einer der jährlichen Weihnachtskrippenausstellungen des Museums (Sammlung Museum Burg Posterstein)
Weihnachtspyramide aus dem Erzgebirge, mit vier Ebenen, ca. 1,20 Meter hoch, in einer der jährlichen Weihnachtskrippenausstellungen des Museums (Sammlung Museum Burg Posterstein)

Und die Moral von der Geschicht‘: Behalten Sie immer ihre brennenden Kerzen im Auge! Ein Rat, der damals genauso praktisch und aktuell war, wie heute noch. Und was lernen wir noch aus dieser kleinen Episode? – Kinder haben schon vor gut 200 Jahren Unsinn getrieben, waren auch einmal laut und haben nie das „Wesentliche“ an Weihnachten aus dem Blick verloren: Die Geschenke!

Und mit diesen Erkenntnissen möchte ich mich für dieses Jahr von ihnen, liebe Zuhörende, verabschieden. Sollten sie noch nicht gänzlich in Weihnachtsstimmung sein, empfehle ich ihnen einen Blick in unsere Weihnachtskrippenausstellung. In diesem Jahr unternehmen wir mit ihnen eine kleine Weltreise mit Weihnachtskrippen – von Europa nach Amerika, Asien und Afrika, zurück in hiesige Gefilde. Begleitet wird unsere diesjährige Auswahl an Exponaten von persönlichen Geschichten aus heutiger Zeit, aber auch von historischen Berichten. Und natürlich finden sie auch unseren Gustav Parthey dort wieder.

Ein Teil unserer Weihnachtskrippen lässt sich aber auch bequem von zu Hause aus erkunden: in unserer digitalen Krippenausstellung.

Das gesamte Team des Museums Burg Posterstein wünscht ihnen und ihren Familien eine besinnliche und schöne Weihnachtszeit und einen gesunden Start ins neue Jahr!

Von Franziska Huberty / Museum Burg Posterstein

Quelle:

Gustav Parthey: „Herzogin von Kurland in Berlin“, in: Jugenderinnerungen. Handschrift für Freunde, Erster Theil, Verlag Ernst Frensdorff, Berlin 1907, S.95 – 107.

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