Bereits im 17. Jahrhundert wusste man von radiumhaltigen Quellen in Ronneburg in Thüringen. Nach dem 2. Weltkrieg begann die damalige UdSSR mit dem systematischen Abbau von Uranerz. In Thüringen und Sachsen entstand so eines der weltweit größten Uranerzabbaugebiete. – Teil 3 unserer mitwachsenden, digitalen Begleitausstellung “Landschaft nach der Wismut” gilt dieser Uranbergbau-Geschichte.
Die deutschen Chemiker Otto Hahn, Fritz Straßmann und Lise Meitner führten 1938 erstmals eine experimentelle Uran-Kernspaltung durch. Dabei stellten sie fest, dass dabei eine 2,5 Millionen Mal größere Energiemenge, als bei der Verbrennung von Steinkohle freigesetzt wird. Die Erkenntnis legte den Grundstein zur militärischen und zivilen Nutzung der Kernenergie.
Mit den Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki am 6. und 9. August 1945 begann ein beispielloses nukleares Wettrüsten zwischen den USA und den NATO-Staaten einerseits und den, von der UdSSR geführten, Ostblockstaaten andererseits. Diese atomare Bedrohung der Menschheit charakterisierte den Zeitraum des „Kalten Krieges“.
Im Herbst 1945 stießen sowjetische Geologen in sächsischen Archiven auf Uranerzlagerstätten
Der Mangel an eigenen Uranvorkommen führte dazu, dass sowjetische Geologen im Herbst 1945 in Deutschland mit der Auswertung historischer Archivunterlagen des sächsischen Erzbergbaus und ersten Erkundungsarbeiten nach Uranerzlagerstätten begannen. Bereits ein Jahr später förderte man unter der Leitung der Sowjetarmee erstes Uranerz aus alten Halden, Stollen und Schächten der Sachsenerz-Bergwerke AG.
1947 wurden die Bergwerksunternehmen der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) in die Staatliche Aktiengesellschaft der Buntmetallindustrie Wismut (SABM) überführt. Damit beglich man Teile der Reparationsansprüche der UdSSR aus dem Zweiten Weltkrieg.
Arbeitskräfte aus der gesamten DDR zwangsverpflichtet
Bis 1954 war die SABM bedingungslos auf Produktion ausgerichtet: Arbeitskräfte aus der gesamten DDR wurden zwangsverpflichtet, Ländereien zwangsverkauft und in Sperrzonen verwandelt sowie ganze Ortschaften devastiert. Unter dem Tarnnamen „Wismut“ entwickelte sich der Betrieb zu einem Staat im Staat, mit eigenem Sicherheitsdienst. 1954 übernahm schließlich die neu gegründete Sowjetisch-Deutsche Aktiengesellschaft Wismut (SDAG) die SABM. Sie blieb bis 1991 zu 50 Prozent Eigentum der UdSSR. Die Grundlagen dafür hatte man 1953 in einem Regierungsabkommen zwischen der UdSSR und der DDR gelegt.
Mit den Jahren verbesserten sich die Arbeitsbedingungen der Kumpel. So gab es beispielsweise ein eigenes Gesundheitssystem mit Krankenhäusern, auch wurden Arbeitsschutzstandards eingeführt. Darüber band man die Bergleute mit Sondervergünstigungen, Spitzenlöhnen und politischer Indoktrination an die Betriebe. Die Teilnahme an sogenannten Parteilehrjahren der SED war obligatorisch. Schnaps-Marken gehörten zur Lohntüte, eigene Läden, Autobestellscheine und Bevorzugung bei der Wohnungsvergabe sollen ebenfalls als Beispiel genannt werden.
Anzahl der Beschäftigten der SDAG Wismut
Bis 31. Dezember 1990 förderte die SDAG Wismut über 200.000 Tonnen Uran für das sowjetische Atomprogramm. Dass die „Wismut“, nach den USA und Kanada, einer der größten Uranproduzenten weltweit war, belegen auch die Zahlen der Beschäftigten:
1947: ca. 51.000
1950: 129.640
1955: 104.466
1960: 51.507
1965: 44.665
1970: 45.121
1975: 44.800
1980: 45.372
1985: 46.052
1990: 32.044
Gesundheits- und Umweltschäden wurden verschwiegen
Über die Verwendung des Urans, die Umweltschäden und vor allem über die gesundheitlichen Risiken für die Beschäftigten und Anwohner der „Wismut“ sowie generell für die Bevölkerung der Region wurde geschwiegen. Bezeichnend dafür ist, dass der Betrieb nie unter der Aufsicht des Staatlichen Amtes für Atomsicherheit und Strahlenschutz stand.
1990 endete mit der deutschen Wiedervereinigung 40 Jahre Uranabbau in Thüringen und Sachsen.
Die geologischen Bedingungen
Die Uranlagerstätten Sachsens und Thüringens gehörten, wie die tschechischen Lagerstätten, zum zentralen Teil der westeuropäischen Uranprovinz. Sie sind an variszische, d.h. in der Karbonzeit gefaltete Gesteine des Grundgebirges, oder jüngere Sedimentgesteine des postvariszischen Tafelgebirges gebunden.
Die mit Abstand bedeutendsten geologischen Typen von Uranvorkommen waren die Lagerstätten in Ronneburg und die Ganglagerstätten im Erzgebirge. Aus ihnen gewann die speziell für den Uranbergbau gegründete Sowjetisch-Deutsche Aktiengesellschaft Wismut 86 Prozent ihrer Uranfördermenge.
Die Förderung der Erze erfolgte zum Teil im Tagebau, überwiegend jedoch im Untertagebergbau.
Die SDAG Wismut baute fünf geologische Typen von Uranlagerstätten ab:
- linsen- und stockwerkartige Lagerstätten in paläozoischen Schiefern, Kalksteinen und Diabasen (Typ „Ronneburg“)
- hydrothermale Ganglagerstätten (Typ „Schlema“)
- Sandsteinlagerstätten der Kreide (Typ „Königstein“)
- flözartige Lagerstätten in kalkig-tonigen Sedimenten des Zechsteins (Typ „Culmitzsch“)
- uranhaltige Steinkohlenflöze des Rotliegenden (Typ „Freital“)
In der Ganglagerstätte Schlema wurde der Abbau bis in eine Schachtsohle von 1.800 Metern geführt. Anfangs wurde reiches Stückerz in die Sowjetunion transportiert. Später musste man die Erze in Aufbereitungsanlagen zu Urankonzentraten verarbeiten. Zu den bedeutendsten Betrieben dieser Art gehörten Seelingstädt und Crossen. Hier wendete man zunächst mechanische Trennverfahren an, die später durch eine chemische Laugung der Erze ersetzt wurden.
1967 erreichte die Uran-Produktion mit 7.100 Tonnen Uran ihren Höhepunkt, bis 1990 ging sie auf ca. 3.000 Tonnen zurück. Im Zuge der Wismut-Sanierung verließ der letzte Container mit Yellow Cake (erste Anreicherungsstufe des Uranerzes) am 28. Oktober 1998 den Wismut-Betrieb in Seelingstädt.
In Königstein in Sachsen wird sanierungsbedingt jährlich noch Natur-Uran gefördert und verkauft.
Bergbau Zeitgeschichte im Ronneburger Revier
Eine kurze Chronologie
1948
Erkundungsschürfen im Seelingstädter Revier
1950
Entdecken der Lagerstätten Ronneburg im Dorf Schmirchau
1950–1955
Aufschluss der Grubenfelder der Bergwerke Schmirchau, Lichtenberg und Reust
1952
Aufschluss des Tagebaus Ronneburg
1954
Beginn der Aufschlussarbeiten für das Grubenfeld des Bergwerkes Paitzdorf
1955
Aufschluss des Tagebaus Stolzenberg
1958
Aufschluss des Tagebaus Lichtenberg, Untertage-Bergwerk Schmirchau
1960
Errichtung des Uranerzaufbereitungsbetriebes Seelingstädt
1961
Aufschluss des Grubenfeldes Ronneburg-Nord im Bergwerk Paitzdorf
ab 1969
Aufschluss der Grubenfelder Raitzhain und Beerwalde
ab 1974
Aufschluss der Lagerstätte im Bergwerk Drosen
1982
Beginn des Abbaus im Bergwerk Drosen
Weitere Informationen zur Geschichte finden Sie dazu auch auf der Webseite der Wismut GmbH.
Siehe auch: Geschichte der Wismut-Altstandorte – Videofilm Wismut GmbH
1991 übernimmt die Bundesrepublik Deutschland den sowjetischen Anteil der SDAG Wismut und überführt den gesamten Betrieb in das Sanierungsunternehmen Wismut GmbH.
Dieses Thema wird in einem der nächsten Teile der digitalen Begleitausstellung “Landschaft nach der Wismut” behandelt.
Text & Recherche: Klaus Hofmann / Museum Burg Posterstein
Weiterführende Informationen zur Thematik:
URANATLAS, Daten und Fakten über den Rohstoff des Atomzeitalters: Die Altlast der Wismut, Uranbergbau in Sachsen und Thüringen: Fast vergessen, mit Milliardenaufwand saniert, aber immer noch ein Problem, Seite 30/31
Der URANATLAS ist ein Kooperationsprojekt und wird gemeinsam von Le Monde diplomatique, der Nuclear Free Future Foundation, der Rosa-Luxemburg-Stiftung sowie dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland herausgegeben. 1. Auflage: September 2019
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