Ostereier-Schau mit “Easter Eggs”
Die Ostereier-Schau, die wir bis 1. Mai 2023 im Museum Burg Posterstein zeigen, enthält diesmal einige “Easter Eggs”, die sich auf unsere anderen Ausstellungen, Sammlungen und Forschungen beziehen. Für alle, denen der Begriff nicht so geläufig ist: Unter “Easter Eggs” versteht man versteckte Hinweise und Referenzen in künstlerischen Werken wie Filmen und Büchern, die sich auf andere Werke beziehen. In unserem Fall gibt’s in der Ausstellung mehr oder weniger unauffällige Andeutungen auf Ausstellungsthemen der ständigen Ausstellungen und der nächsten Sonderschau.
Die Ostereier-Schau auf Burg Posterstein
Die Ostereier-Schau „Wenn die Osterglocken läuten“ holt von 1. April bis 1. Mai 2023 den Frühling in die Burg Posterstein. Die Sonderschau zeigt in einem Raum hunderte, von Peter Rehfeld in verschiedenen Techniken gestaltete Ostereier aus der Sammlung des Museums und stellt sie Frühlingsgedichten gegenüber. Die Gedichte schrieben Autorinnen und Autoren, die in der ständigen Ausstellung des Museums eine Rolle spielen.
Was haben Jean Paul, Theodor Körner und Hans Fallada gemeinsam?
In der Ostereier-Schau treffen Besucherinnen und Besucher auf Gedichte von Theodor Körner, Jean Paul, Hans Wilhelm von Thümmel, Elisa von der Recke und Christoph August Tiedge, die allesamt Gäste im Salon der Herzogin von Kurland in Löbichau waren. Auch ein Gedicht, wenn auch kein fröhliches, von Hans Fallada, dem das Museum ab 14. Mai 2023 eine Ausstellung widmet, ist dabei.
Alle Schriftsteller eint, dass sie zu Lebzeiten Gast, vorrübergehend wohnhaft oder beheimatet im heutigen Altenburger Land waren und in der ständigen Ausstellung des Museums Erwähnung finden.
Das Patenkind der Herzogin Dorothea: Theodor Körner
Im Frühling
1810
Morgenduft!
Frühlingsluft!
Glühend Leben,
Muthige Lust,
Freudiges Streben
In freudiger Brust!
Hinauf, hinauf
Auf der lichten Bahn
Dem Frühling entgegen!Auf allen Fluren
Der Liebe Spuren,
Der Liebe Segen.
Wälderwärts
Zieht mich mein Herz,
Bergaus, bergein,
Frei in die Welt hinein,
Durch des Tages Gluth,
Durch nächtlich Grausen!Jugendmuth
Aus: Theodor Körner: Gedichte, in: Theodor Körner‘s Werke. Vollständigste Ausgabe mit mehreren bisher ungedruckten Gedichten und Briefen, Berlin 1890.
Will nicht weilen und hausen.
Wie alle Kräfte gewaltig sich regen,
Mit heißer Sehnsucht spät und früh,
Dem ewigen Morgen der Liebe entgegen,
Entgegen dem Frühling der Phantasie!
Theodor Körner (1791–1813) weilte häufiger in Löbichau als Gast seiner Patin, der Herzogin Dorothea von Kurland. Er studierte in Leipzig und Wien, wo er am Burgtheater arbeitete. Bekannt wurde er als Dichter der Befreiungskriege, in denen er 1813 starb. Der Maler Ernst Welker, von dem unsere Podcast-Folge Nummer 9 erzählt, zeichnete sein Grab. Auch Welker war – wenn auch später als Körner – in Löbichau.
Die Halbschwester der Herzogin: Elisa von der Recke
Ebenfalls eine Taufpatin Theodor Körners war die Schriftstellerin Elisa von der Recke (1754–1833), die Halbschwester der Herzogin Anna Dorothea von Kurland. Sie schrieb unter anderem folgendes Frühlingsgedicht:
Frühlingslied
Sieh, der Frühling lacht uns wieder;
aus: Gedichte der Frau Elisa von der Recke,
Bunt geschmückt sind Hain und Flur;
Laut erschallen seine Lieder
Von den Sängern der Natur;
Lichte Silberwolken mahlen
Schön sich auf des Himmels Blau,
Und die Pracht der Sonnenstrahlen
Schmückt mit Glanz die Blumenau‘.
Reiche Saat wogt auf den Feldern,
Wie ein grünes Wellenmeer;
Auf den Bergen, in den Wäldern
Lacht um uns die Freude her;
Jeder neue Tag entfaltet
Neuen Blüthenschmuck der Flur;
Und die Schönheit, die veraltet,
Wird ein Segen der Natur.
Schnell auch welkt der Jugend Blüthe,
Gleich dem holden Lenz, dahin!
Weisheit, zarte Seelengüte,
Sind ein bleibender Gewinn.
Lerne du von Mutter Erde,
Wie sie Lenz und Sommer braucht!
Daß zur Frucht die Blüthe werde,
Darum wird ihr Schmuck enthaucht.
gebornen Reichsgräfin von Medem /
hrsg. von C. A. Tiedge. Mit Compositionen von Himmel und Naumann, Halle 1806.
Der ständige Begleiter Elisa von der Reckes: Christoph August Tiedge
Gemeinsam mit dem Schriftsteller Christoph August Tiedge (1752–1841) verbrachte Elisa von der Recke so manchen Sommer in Löbichau. Auch er widmete dem Frühliung Gedichte:
Frühlingslied
Auf die Erde gießt der Himmel
Aus: An Minna von B., 1788, in: Elegien und vermischte Gedichte von C. A. Tiedge, Erstes Bändchen, Halle in der Rengerschen Buchhandlung 1803.
Seinen wärmern Sonnenschein,
Und ein fröhliches Gewimmel
Junger Kräfte rauscht im Hain.
Hohe Siegeslieder singend,
Winkt die blühende Natur,
Ihren vollen Thyrsus schwingend,
Dich auf ihre grüne Flur.
In den klaren Aether tauchen
Sich die Lüft‘, und schwärmen dann
Durch die Wiese hin, und hauchen
Sanft das erste Veilchen an.
Dieses Kind der wärmern Lüfte,
Zart und freundlich, wie dein Scherz,
O, das Veilchen, Minna, düfte
Seine Stille dir ins Herz!
Um die frühe Philomele
Flattert reges Laubgewühl;
Sie erweck‘ in deiner Seele
Das melodische Gefühl,
Welches in der holden Güte
In der Graziengestalt
Deiner zarten Lebensblüte
Leis‘ und lieblich wiederhallt.
Ab 1804 lebte Christoph August Tiedge mit Elisa von der Recke abwechselnd in Halle und Berlin oder reiste mit ihr durch Deutschland, die Schweiz und Italien.
Der Minister vom Nachbar-Rittergut: Hans Wilhelm von Thümmel
Zu den ständigen Löbichauer Gästen zählte der Geheime Rat und Minister Hans Wilhelm von Thümmel, dem das benachbarte Rittergut Nöbdenitz gehörte. Auch ihm widmeten wir bereits eine Podcast-Folge.
Thümmel wählte die 1000-jährige Eiche von Nöbdenitz zu seiner außergewöhnlichen Grabstätte. Zu Lebzeiten soll er in der Eiche Aphorismen verfasst haben. Frühlingsgedichte aus seiner Feder sind uns nicht bekannt, aber einer seiner Aphorismen hat den Weg in die Ostereier-Schau gefunden:
Aphorismus Nr. 140
Wer für die melodische Stimme
Aus: Hans Wilhelm von Thümmel: Aphorismen aus den Erfahrungen eines Sieben und Siebzigjährigen,
des Waldes kein Ohr,
wer für die Reize der Natur
nur ein flüchtiges Auge,
wer bei Erblickung
des strotzenden Fruchtbaums
und bei den grünenden Saaten,
die Reiche und Arme sättigen,
keine dankbare Zunge,
wer für Millionen
duftender Blumen und Kräuter
ur stumpfe Nerven hat,
der besitzt zwar Thiergefühl,
aber keine Empfindung:
er mag im Sumpfe ekler Zerstreuung
sein Leben hinhauchen.
Altenburg 1821.
Der Sommergast der Herzogin: Jean Paul
Einen Sommer verbrachte der bekannte Dichter Jean Paul (1763–1825) auf besondere Einladung der Herzogin von Kurland in Löbichau, wo er die dort herrschende Sprechfreiheit lobte. Davon erzählt unsere Podcast-Folge 1, in der wir Jean Pauls Besuch aus Sicht der Herzogin erzählen. Demnächst (Mai 2023) behandelt Folge 11 des Podcasts noch einmal diesen Besuch aus Sicht des Dichters.
Auch Jean Paul ist nicht für Frühlingsgedichte bekannt. Aber wir zitieren gern eine Stelle aus seinem “Titan”:
Wenn der Mensch vor dem Meere und auf Gebirgen, und vor Pyramiden und Ruinen, und vor dem Unglücke steht und sich erhebt, so strecket er die Arme nach der großen Freundschaft aus. – Und wenn ihn die Tonkunst und der Mond, und der Frühling und die Freudenthränen sanft bewegen, so zergeht sein Herz und er will die Liebe. – Und wer beide nie suchte, ist tausend Mal ärmer, als wer beide verlor.
Aus: Titan, Erstes Bändchen, in: Jean Pauls sämmtliche Werke, XXI, Fünfte Lieferung, Erster Band, Berlin 1827, S. 142.
Der Patient und Lehrling: Rudolf Ditzen
Nicht Gast im Salon der Herzogin von Kurland war der letzte Dichter, den die Sonderschau zitiert, denn er kam erst hundert Jahre später in unsere Gegend. Rudolf Ditzen (1893–1947), der später weltbekannte Schriftsteller Hans Fallada, verbrachte in seiner Jugend, längere Zeit in der Nervenheilanstalt in Tannenfeld. Diese war Jahrzehnte nach der Zeit des Löbichauer Salons im ehemaligen Schlosspark Tannenfeld entstanden. In der ländlichen, idyllischen Umgebung verfolgte der Arzt Dr. med. Arthur Tecklenburg dort ein modernes Klinikkonzept.
In dieser Umgebung verbesserte sich Rudolf Ditzens Zustand sichtlich, auch wenn das hier zitierte Gedicht noch von seiner schweren Depression in Folge seines missglückten Doppelselbstmords zeugt:
Tannenfeld
Vielleicht ist Park hier nichts so sehr wie Leid,
Aus: Rudolf Ditzen (Hans Fallada)
Vielleicht ist Baum ein hingeschluchztes Wort,
Und jedes Blatt ist einer Schwermut Kleid,
Darinnen Lust wie Leid erstickt verdorrt.
Vielleicht führt jeder Weg zum Irrsinn hin,
Vielleicht ist Teich ein tief erweinter Schmerz,
Und jedes Haus steht stets im Dunkel drin,
Und nichts ist stumm, eh’s nicht zu Boden fällt
Nur Ding ist tot und dies vielleicht auch nicht,
Es wehrt sich auch und schreit sein tiefstes Leid,
So schreit auch Mensch in Schmerzen jederzeit,
Bis man ihm schließlich dunkle Kränze flicht.
aus seiner Krankenakte
Nach seiner Entlassung absolvierte der junge Mann auf dem Rittergut Posterstein eine landwirtschaftliche Ausbildung. Anlässlich seines Geburtstags zeigt das Museum Burg Posterstein von 14. Mai bis 12. November 2023 die Ausstellung „Hans Fallada – Familienbilder. Wie aber bestehe ich vor Dir, sehr liebe Verwandtschaft –?!“ der Hans-Fallada-Gesellschaft. Diese schöpft aus den umfangreichen Beständen des Hans-Fallada-Archivs und rückt Erinnerungen, Briefe und Fotos der Familie Ditzen in den Mittelpunkt. In Posterstein zu sehen sein wird eine Kabinett-Ausstellung in einem Raum, die bewusst einen Schwerpunkt auf Rudolf Ditzens Jahre in Tannenfeld und Posterstein legt. Zur Ausstellung wird es ein umfangreiches Begleitprogramm geben.
Von Marlene Hofmann / Museum Burg Posterstein