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Schlagwort-Archive: historisch

Postersteiner Dorfordnung versus heutige Gesetzgebung

Geschichte & Geschichten Veröffentlicht am 21. Dezember 2024 von Museum Burg Posterstein21. Dezember 2024

Welche Gesetze der Postersteiner Dorfordnung von 1672 gibt es heute noch? Im Film „Peinliche Befragung“ analysieren die Historikerin Franziska Huberty aus dem Museum Burg Posterstein und Rechtsanwalt Frank Wunderlich, was von alten Postersteiner Gesetzen in unserer heutigen Gesetzgebung noch übrig ist.

Thumbnail für das YouTube-Video "Welche historischen Gesetze gibt es heute noch?"
Auf unserem YouTube-Kanal können Sie sich das ausführliche Gespräch zwischen Rechtsanwalt Frank Wunderlich und Historikerin Franziska Huberty ansehen. Zum Video.
Zum YouTube-Video

Das Gespräch entstand im Rahmen der Sonderschau „Schlag um Schlag – Die Burg als Gerichtsort“ im Jahr 2024. Nach Ausstellungsende verbleibt der historische Gerichtsraum in neuer Gestaltung.

Die Burg als Gerichtsort

Viele Burgen waren früher Orte, an denen auch Gericht gehalten wurde. Dann war der Burgherr der Richter und urteilte über die Vergehen der Bewohner der Burg und der umliegenden Dörfer.

Kolorierter Stich der Burg Posterstein im 19. Jahrhundert
Nordwestliche Ansicht der Burg Posterstein, 1839. Kolorierte Lithographie von C. Müller nach einer Zeichnung von Carl Wilhelm Arldt (1809–1868).

Dabei entschied der Burgherr nicht willkürlich. Über kleinere Anliegen wie Beleidigung, Diebstahl, Fällen von Vormundschaft und Erbrecht (die niedere Gerichtsbarkeit betreffend) entschied das Burggericht selbst. Bei schwerwiegenderen Fällen wie Gewalt und Mord (höhere Gerichtsbarkeit) wurde sich Rat von Rechtsgelehrten (zum Beispiel der Universität Jena) geholt.

Ausschnitt aus der Dorfordnung Postersteins mit Handschrift "Dorfordnung allhier zu Posterstein"
Überschrift der Dorfordnung von 1672

Die Dorfordnung sicherte das friedliche Zusammenleben im Dorf. Hielt sich jemand nicht an die Regeln, dann musste das Burg-Gericht einschreiten und Strafen verhängen oder den Streit schlichten.

Wir wollten untersuchen, wie sich einzelne Gesetze der Dorfordnung von Posterstein und der Postersteiner Rügegerichtsordnung von heutigem Recht unterscheiden.

Aufgeschlagenes Buch mit der Überschrift Rüge-Gerichte
Aufgeschlagene Seite der Rüge-Gerichte von 1650.

Dazu befragte Franziska Huberty den Rechtsanwalt Frank Wunderlich aus Nöbdenitz. Extra für uns hat er sich sechs historische Regelungen angesehen und recherchiert, ob es heute noch vergleichbare Gesetze gibt.

Regel 1: Nach der Schlägerei gibt es Freibier

Wir starten mit einer Regel aus der Dorfordnung zu Posterstein aus dem Jahr 1672, die da lautet:

Wenn die Gemeinde beysammen ist und ein Gemeinde Bier trinket,
und sich einer unterstehet zu schwören, Schlägerey anzurichten,
oder schmähet einer den andern daß Uneinigkeit daraus entstehet,
der soll so er überführet wird,
der Gemeinde einen Eymer bey der Herrschaft zum Austrinken füllen lassen.

Einer, der das Zusammensein der Dorfgemeinde mit Flüchen, Beleidigungen oder Schlägerei störte, der musste als Strafe also Freibier für alle spendieren.

Gibt es heute noch ähnliche Regeln?

Die Kurzantwort des Anwalts lautet: Heute sind solche Fälle im Strafgesetzbuch als Körperverletzung gemäß § 223 ff. StGB, eventuell als Landfriedensbruch gemäß §125 StGB und/oder Hausfriedensbruch gemäß § 123 StGB sowie als Beleidigung gemäß § 185 StGB und/oder Verleumdung gemäß § 187 StGB geregelt.

Zivilgerichtlich sind das alles rechtswidrige unerlaubte Handlungen gemäß § 823 ff BGB, die Ansprüche auf Schadenersatz und Unterlassung begründen.

Dazu gibt es den Täter-Opfer-Ausgleich, der gegebenenfalls vor einer Schiedsstelle oder auch beim Jugendamt stattfinden kann.

In örtlichen Satzungen gibt es dazu meist keine besonderen Regelungen.

Regel 2: Wenn der Nachbar den Zaun verrückt

Die folgende Regel stammt ebenfalls aus der Dorfordnung zu Posterstein aus dem Jahr 1672 und besagt:

Freytag vor Martini werden […] die Zäune angesehen
und so einer oder der andere den Zaun eines Schuhs breit in der Gemeinde gerücket,
soll er einen Groschen zur Buße geben, […] und also balden den Zaun hineinrücken.

Am 11. November (dem Freitag vor Martini) wurden also alle Zäune und Grenzen kontrolliert. Hatte im Lauf des Jahres jemand seinen Zaun aufs Nachbargrundstück verschoben, dann musste er diesen zurück verschieben und ein Bußgeld zahlen.

Wie gehen wir heute mit einer solchen Tat um?

Die Kurzantwort des Anwalts lautet: Das ist auch heute ab und an ein Problem. In Ortssatzungen ist dazu heute normalerweise nichts mehr geregelt. Es gibt aber Regelungen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) zu Besitz und Eigentum.

Wenn Grundstücksgrenzen nicht bestimmt sind oder die früher erfolgten Grenzfeststellungen nicht mehr erkennbar sind, weil Marksteine beseitigt oder nicht mehr vorhanden sind, dann ist das vorsätzliche Beseitigen von Marksteinen eine Ordnungswidrigkeit, die mit einem Bußgeld geahndet werden kann. Es besteht dann ein Anspruch auf Grenzwiederherstellung als Schadenersatzanspruch und/oder Beräumung und Herausgabe einer eventuell rechtswidrig in Besitz genommenen Fläche.

Dazu gibt es Regelungen im BGB zum sogenannten „Überbau“, wenn also eine Baulichkeit bis über die Grundstücksgrenze hinweg bis auf das Nachbargrundstück errichtet worden ist.

Im Thüringer Straßengesetz gibt es dazu noch Regelungen zur öffentlichen Straße bzw. zum öffentlichen Weg. Der Träger der Straßenbaulast (z.B. die Gemeinde oder Stadt, der Landkreis, das Bundesland oder der Bund) hat da ein weitgehendes Nutzungsrecht. Er kann den rechtswidrigen Nutzer auf Räumung und Herausgabe verklagen.

Regel 3: Bußgeld bei Nichterscheinen zu Beerdigungen

Eine Regel aus der Dorfordnung zu Posterstein aus dem Jahr 1672 behandelt den Besuch von Beerdigungen. Der Originaltext lautet:

Bey begräbnissen soll es alßo gehalten werden, ist ein Haußwirth oder eine Haußwirthin gestorben, sollen aus jeden Hauße zwey Personen, ist es aber ein Kind oder Gesinde nur einer der Leiche folgen, so dieses […] unterbleibet, soll zweene groschen buße entrichtet werden.

Es gab also eine Pflicht, dass zumindest einige Personen eines Hausstands bei Begräbnissen von Nachbarn zu erscheinen hatten. Interessant ist, dass dabei unterschieden wurde, ob ein erwachsener Hausbesitzer starb oder ob es sich bei dem Verstorbenen um ein Kind oder einen Angestellten handelte.

Gibt es heute noch vergleichbare Regeln?

Die Kurzantwort des Anwalts lautet: Dazu gibt es heute keine Regelungen mehr. Es ist jedem selbst überlassen, ob er oder sie nach dem Ableben eines Mitbürgers oder auch eines Bürgermeisters, Gemeinderats, Firmenchefs oder eines armen Bauern zu dessen Trauerfeier geht oder nicht.

Am ehesten gibt es heute moralische Verpflichtungen oder auch Sitten und Gewohnheiten, wonach es sich gehören könnte zur Trauerfeier eines Nachbarn, Bekannten, Verwandten, Vereinskumpels etc. zu gehen oder dies zu unterlassen. Rechtliche Verpflichtungen, die mit Zwang durchsetzbar sind, gibt es nicht mehr.

Regel 4: Fürs Schimpfen an den Pranger

In der Postersteiner Rüge-Gerichtsordnung von 1650 steht folgende Regelung:

Sollen sie sich alles fluchens, Gottes-lästerns undt unnöthigen schwerens enthaltten, […]
Wer aber hierwieder handelt, der soll das erste mahl an den Sonn- und Predigt-tagen,
öffentlich an pranger gestellet, undt da er weiter fortfähret, inn denen Gerichten ferner nicht geduldet […] auch sonst, nach anweisung der Rechte, gestraffet werden […]

Diese Gesetzgebung fordert also ein gottgefälliges Leben zu führen ohne Fluchen und Jammern. Bei Zuwiderhandeln drohte das öffentliche An-den-Pranger-Stellen an Sonn- und Predigttagen. Was entspricht dem in unserem heutigen Recht am Ehesten?

Die Kurzantwort des Anwalts lautet: Früher gab es diesbezüglich die Strafe des „an den Pranger stellens“ und andere Strafen wie die Pflicht zur Zahlung einer Geldstrafe, u.a. auch an den „Verfluchten“ oder an die Gemeinde bzw. die Kirchgemeinde.

Heute gibt es dazu in örtlichen Satzungen meist keine Regelungen. Nach den heutigen Satzungen soll man mit dem eigenen Verhalten keine andere Person beeinträchtigen oder dieser schaden. Es gilt das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme.

Heute spielen i Bezug auf die Bloßstellung einer Person die sozialen Medien eine große Rolle, die eine viel größere Reichweite haben als der dörfliche Pranger.

Regel 5: Ein Fass Wasser für den Brandfall

Zum Schutz vor Feuer gab es in der Postersteiner Rüge-Gerichtsordnung von 1650 diesen Passus:

Undt darmit ferner Schade, sonderlich Sommerzeit bey großer Hitze undt Dörrung […]
könne verhütet werden, So soll ein Jeder inn seinem Hauße undt vor seinem Hoffe ein ziemlich Faß mit Waßer angefüllet haben, deßen mann sich, wenn Gott eine Feuersbrunst verhengen sollte, alßobalden gebrauchen könne.

Es sollte also jeder vorsorglich ein Fass Wasser vor seinem Haus und seinem Hof stehen haben, das im Brandfall jeder gebrauchen durfte.

Die Kurzantwort des Anwalts lautet: Heute gibt es Regelungen zum Brandschutz, zum Teil auch in örtlichen Ordnungssatzungen. Das betrifft zum Beispiel Brandwände und was in welchen Mengen im Haus gelagert werden darf. Darunter fällt die Pflicht, Feuermelder zu installieren und das Verbot in bestimmten Städten und Gemeinden Silvesterknaller zu zünden. Aber auch, dass Dächer nicht aus Holz, sondern aus Steinen zu errichten sind, dass Zufahrtsmöglichkeiten für die Feuerwehr zu gewährleisten sind und Wasserbehälter oder Teiche erhalten werden müssen, um Löschwasser zu haben. Oder die Pflicht der Bürger, bei Personalmangel die Feuerwehr zu unterstützen. Zudem muss die Funktionstüchtigkeit von Sirenen gewährleistet werden und vieles mehr.

Regel 6: Sonntags nichts Hochprozentiges

Eine letzte Regelung aus der Postersteiner Rüge-Gerichtsordnung von 1650 möchten wir noch besprechen. Darin geht es um den Ausschank von Brandwein. Im Originaltext klingt das so:

Es wirdt auch Brantwein-schank des Sontags undt unter denen Predigten,
hiermit gäntzlichen verbothen, Würde aber jemandt darwieder handeln, undt zu bemelter Zeit schenken oder Gäste setzen, so soll der Wirth umb 1 aßo
[Altschock = 60 alte Groschen]
der Gast aber umb 30 g. gestraffet werden.

Sonntage und Predigttage waren also besonders wichtige Tage, an denen kein Alkohol ausgeschenkt werden durfte. Bei Zuwiderhandeln wurden sowohl der Wirt als auch seine Gäste bestraft.

Die Kurzantwort des Anwalts lautet: Heute gibt es immer noch ein Ladenschlussgesetz, wonach die Geschäfte an Sonn- und Feiertagen normalerweise nicht geöffnet werden dürfen. Damit wird der alten Regelung immer noch Rechnung getragen, aber nicht konsequent, denn in Urlaubsorten und in Tankstellen kann man sonntags und Sonntagvormittag während der Predigt in der Kirche kaufen, was einem beliebt, auch Alkohol.

Frank Wunderlich und Franziska Huberty beim Filmdreh im Gerichtsraum der Burg Posterstein, im Vordergrund die Kamera
Frank Wunderlich und Franziska Huberty beim Filmdreh im historischen Gerichtsraum der Burg Posterstein.

Moral und Empathie

Wir haben gesehen, es gibt einige Regeln, die es früher gab, auch heute noch. Andere sind unwichtig geworden. Aber auch heute noch sind allgemeingültige Gesetze und eine ordentliche Portion Moral und Empathie wichtig für ein gutes Miteinander.

Wir bedanken uns herzlich bei Rechtsanwalt Frank Wunderlich dafür, dass er sich die Mühe gemacht hat, in unseren historischen Gesetzestexten nach heutigen Entsprechungen zu suchen. Weitere Informationen zur Gerichtsbarkeit in früheren Zeiten gibt es in der ständigen Ausstellung auf Burg Posterstein. Dort sind ausgewählte Postersteiner Kriminalfälle von den Laiendarstellern des Traditionsvereins Altenburger Prinzenraub auch filmisch dargestellt.

Von Franziska Huberty und Marlene Hofmann, Recherche und Kurzantworten: Frank Wunderlich

Wie bequem reiste man in einer Kutsche?

Geschichte & Geschichten Veröffentlicht am 2. März 2023 von Museum Burg Posterstein2. März 2023

Reisten einfache Leute oder Bürger im Mittelalter sehr wenig, änderte sich das bereits vor über 200 Jahren. Damals reiste man vor allem zu Fuß, zu Pferd oder per Kutsche. Das war allerdings mit viel Aufwand, Unbequemlichkeit und auch Geld verbunden. In diesem Blogpost geht es speziell um das Reisen in Kutschen vor rund 200 Jahren.

Wenn die Fahrt zum Abenteuer wird

Reisen kann anstrengend sein: Ein Zug kommt nicht pünktlich oder gar nicht, auf der Autobahn ist Stau, vielleicht findet man sogar zu Fuß den Weg nicht gleich, weil das Handy-Signal nicht für Google Maps reicht, und alles dauert manchmal richtig lange. Aber alle diese Probleme, die wir heute bei Ausflügen oder auf dem Weg in den Urlaub haben, sind nichts gegen die Anstrengung, die unsere Vorfahren bei einer Kutschfahrt aushalten mussten.

Ein Mann mit schwer bepackten Pferden vor einer Brücke bei Rom
Johann Adam Klein zeichnete Reisende in Italien (Johann Adam Klein: Ponte Salara in der Campagna von Rom Radierung, Museum Burg Posterstein)

Anders als unsere Autos und Züge waren Kutschen nicht beheizbar und eine Klimaanlage hatten sie gleich gar nicht. Im Winter waren sie eiskalt und im Sommer schwitze man in der Hitze.

Die Straßen waren selten ausgebaut – stell sie dir mehr wie Feldwege vor. Jedes Schlagloch und jeder große Stein wurde von der ungefederten Kutsche an die Insassen weitergeben und schüttelte sie durch. Es konnte sogar passieren, dass ein Wagen umkippte oder bei starkem Regen einfach im Schlamm stecken blieb.

Zeichnung Ernst Welker: Ein Kutschenrad brennt
Hier hielt der Maler Ernst Welker in einer Bleistiftzeichnung fest, wie mitten in der Stadt ein brennendes Kutschenrad gelöscht werden musste (Sammlung Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena).

Wurde die Straße zu schlecht, mussten die Passagiere sogar aussteigen und zu Fuß neben der Kutsche herlaufen, bis sich der Weg besserte. Meist kam man so kaum schneller voran als zu Fuß. Selbst kurze Strecken konnten so in einem Abenteuer enden. Und wurden die Holzräder der Kutschen nicht ordentlich geschmiert, konnten sie sogar Feuer fangen. So eine Situation hielt der Maler Ernst Welker in seiner Bleistiftskizze (oben) fest.

„Sie fahren wie eine Schnecke“

Reisen vor 200 Jahren hieß, Zeit mit auf den Weg zu nehmen. Heute können wir mit dem Auto in wenigen Stunden durch ganz Deutschland fahren. Mit dem Flugzeug sind wir sogar in Europa und der ganzen Welt in kürzester Zeit am Ziel. Kutschen waren im Vergleich dazu langsame Gefährte. Sie fuhren nicht schneller, als die Zugpferde liefen. Und die waren nicht im Galopp unterwegs. Schon im Mittelalter konnte ein Bote zu Pferd bis zu 60 Kilometer am Tag weit reiten, eine Kutsche war nicht schneller. Waren die Straßen schlecht, ging es noch langsamer voran. Heute bräuchten wir mit dem Auto vermutlich keine Stunde für so eine Tagesstrecke.

Gräfin Trogoff als Krebs - Aquarell von Ernst Welker
Der Maler Ernst Welker stellte die Gräfin Trogoff als Krebs dar. Dazu schrieb er den Reim „Die Krebse immer rückwärts gehn / Das Kartenspiel man muss verstehn“, denn die Gräfin spielte sehr gern Karten. (Sammlung Museum Burg Posterstein).

Das Tempo ging auch vor 200 Jahren manchem Reisenden zu schleppend. Die Schriftstellerin Emilie von Binzer schrieb in einem ihrer Bücher, dass ihre Reisebegleiterin, die französische Gräfin Trogoff, oft die Kutscher mit den Worten „Sie fahren wie eine Schnecke!“ anfeuerte.

Ganz schön teuer!

Zudem war eine Reise ziemlich teuer. Die Pferde konnten nicht den ganzen Tag eine voll beladene Kutsche ziehen. Auch sie mussten sich einmal ausruhen. Und auch der Kutscher und die Passagiere brauchten Pausen. An sogenannten „Stationen“ konnten Reisende deshalb die Kutsche oder die Pferde wechseln. Oder sie übernachteten auf ihrer Fahrt an verschiedenen Orten. So musste man bei einer Reise nicht nur mit einem Fahrtgeld für das Ticket rechnen, sondern auch für die Kosten für Pferdefutter, Speisen und Übernachtungen aufkommen.

Und noch etwas lauerte auf dem Weg! Deutschland gab es vor 200 Jahren noch nicht in seiner jetzigen Form. Es war in viele Fürstentümer und Staaten aufgeteilt. Und jeder Staat hatte seine eigenen Grenzen, erhob Zollgebühren und hatte im schlimmsten Fall eine eigene Währung. Wollte man ins Ausland reisen, benötigte man Passierscheine, um über die Grenzen zu dürfen. Und alles kostete Geld. Das konnte sich nicht jeder leisten. Vor 200 Jahren waren es vor allem die Adligen und reiche Bürger, die einen Blick auf die weite Welt erhaschen konnten.

Eine Reise mit Kunst und Genuss

Wer die Fahrtkosten scheute, der konnte sich natürlich auch zu einer Fußreise aufmachen. Das langsame Vorankommen hatte immer den Vorteil, die Natur in aller Ruhe genießen zu können. Zu Fuß ging das sogar noch besser. Vor allem Künstler reisten viel zu Fuß, machten unterwegs Halt und zeichneten und malten die Landschaften, durch die sie reisten. Oft waren sie mit Mappen, Stiften, Papier oder zumindest mit einem Skizzenbuch unterwegs. Nicht selten fanden sie sich mit anderen Malern zusammen und reisten gemeinsam an verschiedene Orte, um gemeinsam den Zauber der Natur einzufangen.

Ein Reisender an einem Brunnen in Italien auf einem Bild von Johann Adam Klein
Ein Reisender an einem Brunnen in Italien auf einem Bild von Johann Adam Klein (Sammlung Uwe Buchheim)

Einer dieser Maler hieß Johann Adam Klein. Er hielt besonders gern Reisende auf Pferden, mit Kutschen oder Fuhrwerken fest.

Eine Reise bildet

Ein sehr beliebtes Reiseziel vor 200 Jahren war Italien. Nicht nur Künstler zog es in den Süden, auch Adlige und Bürgerliche wollten das „fremde Land“ kennenlernen, antike Bauwerke und Kunst bestaunen und sich so weiterbilden. Damals war es üblich, junge Männer auf eine „Bildungsreise“ zu schicken. Diese nannte man „Grand Tour“. Sie sollten Städte, Länder und Menschen kennenlernen und neue Erfahrungen sammeln. Italien war eines der beliebtesten Reiseziele. Denn von hier stammten die großen Vorbilder dieser Zeit.

Die Zeit um das Jahr 1800 nennt man auch Renaissance, was so viel bedeutet wie „Wiedergeburt der Antike“. Damals waren die Menschen begeistert von den Schriften und Ideen der alten Römer und Griechen. Das Mittelalter galt als düster und seine Zeitgenossen oft als ungebildet. (Den Begriff Mittelalter erklären wir in diesem Blogpost noch genauer.) Deshalb wurde Italien zum begehrten Reiseziel für alle, die es sich leisten konnten.

Historische Ansicht der Stadt Rom - Aquarell von Ernst Welker aus der Sammlung des Museums Burg Posterstein
Blick auf den Petersdom in Rom von der Villa Borghese aus, Ernst Welker, Aquarell, signiert: Welker fec., o. J., Museum Burg Posterstein

Für alle, die zu Hause bleiben mussten, blieben nur das Lesen von Reiseberichten oder das Besuchen von Kunstausstellungen. Sowohl in Büchern als auch in Bildern wurden die Eindrücke des Landes so in die Heimat gebracht.

Von Franziska Huberty / Museum Burg Posterstein

Zum Weiterlesen:

Wie haben Ritter Post verschickt? – Hier geht es um Boten zu Pferd im Mittelalter.

Die Sammlung Welker auf Europeana – Hier findet ihr alle Zeichnungen, in denen Ernst Welker die Gäste der Herzogin von Kurland in Tiergestalt oder als Gegenstände darstellte.

Ritterlich schick! – Wie sah Kleidung im Hochmittelalter aus?

Geschichte & Geschichten Veröffentlicht am 3. März 2021 von Museum Burg Posterstein3. März 2021

Die Zeit, die wir heute Mittelalter nennen, war ziemlich lang. Sie dauerte ungefähr 1000 Jahre. In einer so langen Zeit veränderte sich ganz schön viel – vor allem die Mode!  Posti und Stein nehmen dich mit auf den Laufsteg des Hochmittelalters!

Denkt man an die Kleidung eines Ritters, fällt zuerst das Kettenhemd ein. Als Teil der Rüstung schützte es seinen Träger vor vielen Angriffen. Dabei war es mit rund 15 Kilogramm recht schwer. Allerdings verteilt sich das Gewicht beim Tragen gut auf den Körper. Tatsächlich fühlt sich ein Kettenhemd leichter an, wenn man es anhat, als wenn man es auf dem Arm trägt. Obwohl man es wie ein Hemd anzog, zählt das Kettenhemd gar nicht als Kleidungsstück. Die ganze Rüstung des Ritters galt als Waffe! Als Schutzwaffe, um genau zu sein.

Regionale Naturprodukte

Die Kleidung des Mittelalters mussten aus den Materialien hergestellt werden, die in der Natur der unmittelbaren Umgebung vorkamen. Baumwolle oder Kunstleder kannte man nicht. Kleidung bestand oft aus Leinenstoffen, Hanf, Wolle, Leder oder Fell. Schafwolle und pflanzliche Fasern wurden gereinigt, zu Fäden gesponnen und dann zu einem Stoff verwebt. Mit Naturfarben aus Pflanzen oder Erde färbte man die fertigen Produkte. Seltene Stoffe wie Seide mussten aus fernen Ländern importiert werden und waren sehr teuer.

Kleiderordnungen regelten Stoffe und Farben

Im Mittelalter durfte sowieso nicht jeder die Kleidung anziehen, die er wollte. Sogenannte „Kleiderordnungen“ bestimmten, wer bestimmte Stoffe und Farben tragen durfte. Bunte Mäntel, teure Stoffe und edle Felle konnte nur der Adel anziehen. Die Bauern trugen meist graue, braune oder grüne Kleider aus einfachem Leinentuch oder Wolle. Dasselbe galt für Stadtbürger. So konnte man schon von weitem erkennen, zu welcher gesellschaftlichen Gruppe jemand gehörte.

Auch im späten Mittelalter liebten die Menschen noch farbenfrohe Kleider! Hier eine Seite aus einem Fechtbuch, das in der Forschungsbibliothek Gotha aufbewahrt wird.  (Hartlieb, Johannes; Thalhofer, Hans: Bildercodex (Johannes Hartlieb [?]: Namenmantik; Hans Talhofer: Fechtbuch). ostfränkisch-nordbairisches Übergangsgebiet. 1440er Jahre (und später), 1443)
Auch im späten Mittelalter liebten die Menschen noch farbenfrohe Kleider! Hier eine Seite aus einem Fechtbuch, das in der Forschungsbibliothek Gotha aufbewahrt wird. (Hartlieb, Johannes; Thalhofer, Hans: Bildercodex (Johannes Hartlieb [?]: Namenmantik; Hans Talhofer: Fechtbuch). ostfränkisch-nordbairisches Übergangsgebiet. 1440er Jahre (und später), 1443)

Ritter und Burgdamen kleideten sich figurbetont und farbenfroh

Die Ritter und Burgdamen vor 800 Jahren liebten es farbenfroh. Grün, Rot, Blau, alles war dabei. Die Stoffe waren zwar meist einfarbig, aber Ärmel und Kragen wurden mit schönen Schmuckbändern aufgehübscht. Die Kleider waren eng geschnitten und betonten die Figur. Über einem Leinen- oder Seidenhemd mit langen Ärmeln, das als Unterkleid diente, trug der Herr meist einen knöchellangen Überrock und darüber einen Mantel mit Pelzbesatz. Die Dame besaß ähnliche Unterkleidung,  trug darüber aber meist einen langen Rock mit Schleppe. Ein enges Mieder wurde über dem Hemd vorn zusammengebunden und alle trugen sehr gern schicke Gürtel.

Immer schön bedeckt halten!

Im gesamten Mittelalter war es üblich, dass verheiratete Frauen eine Kopfbedeckung trugen. Die Damen bedeckten ihr Haar zum Beispiel mit dem Schapel, einem kronenartigen Kopfreifen. Der hielt ein Kopftuch oder ein Haarnetz, das sogenannte Gebende. Sehr bekannt ist der Hennin – der Hut, der wie eine Eistüte aussieht. Auch die Männer trugen den Schapel. Die praktischste Kopfbedeckung war allerdings die Gugel, eine lange Kapuze mit Kragen.

Helden in Strumpfhosen?

Bei Rittern wie Burgdamen waren lange, unpraktische, schnabelartige Schuhe modern. Der Ritter trug keine Hosen. Er bevorzugte eine Art Strumpfhose, die an den Sohlen mit Leder verstärkt werden konnte und dann auch als Schuh diente. Vor allem Bauern nutzten diese Art Schuhwerk oder trugen geschnitzte Holzpantoffeln. An warmen Sommertagen gingen sie zur Not aber auch barfuß.


Wenn Du auch Fragen hast, dann schreib den Geistern eine Mail an postiundstein@burg-posterstein.de! Wir freuen uns, wenn Du unseren YouTube-Kanal abonnierst.

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Das thüringische Museums Burg Posterstein bloggt seit 2011 über Geschichte und Geschichten aus Sammlung, Forschung und Museumsalltag.

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