In dieser Podcast-Folge, die 2022 erstmals live im Museum Burg Posterstein zu hören war, stellt die Historikerin Franziska Huberty den Maler Heinrich Reinhold und seinen Künstlerkollegen Ernst Welker in den Mittelpunkt. Mehrfach gingen sie gemeinsam auf Reisen. In einem Brief beschreibt Heinrich Reinhold nicht nur die Landschaft, sondern auch wie solche Reisen abliefen, wie wetterabhängig die Künstler dabei waren, wie viel Gepäck sie mitnahmen und wie sie sich bei Regenwetter die Zeit vertrieben.
Den Titel der Folge spricht diesmal Uwe Buchheim, der das Museum Burg Posterstein gerade in Bezug auf Ernst Welker maßgeblich durch Schenkungen und Leihgaben unterstützt hat – herzlichen Dank dafür!
Wie immer können Sie diese Folge als Blogpost lesen oder als Podcast anhören:
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„Nächst ihr [Gräfin Trogoff] wurde der Reisezug durch unseren Zeichenlehrer, Herrn Ernst Welker, Vetter der beiden berühmten Welker, vermehrt. Er war aus Suhl gebürtig und Sachse vom reinsten Wasser; längere Zeit hatte er sein Fortkommen in Wien gefunden, von wo ihn die Herzogin als unseren Lehrer, gerne gesehenen Gast und guten Gesellschafter mitgenommen hatte.“
Emilie von Binzer: Drei Sommer in Löbichau, zu ihr gibt es eine eigene Podcast-Folge
So berichtet Emilie von Binzer in ihrem Buch „Drei Sommer in Löbichau“ über den Landschaftsmaler Ernst Welker. Und damit heiße ich Sie ganz herzlich willkommen zur 9. Folge der LeseZEIT mit Geschichte und Geschichten aus dem Museum Burg Posterstein. Aus dem Burgstudio begrüßt Sie wie immer die Historikerin Franziska Huberty.
Falsche Fakten über Ernst Welker
50 Jahre nach den eigentlichen Geschehnissen schrieb Emilie von Binzer, geborene von Gerschau und Enkelin der Herzogin Anna Dorothea von Kurland, inspiriert durch die „Jugenderinnerungen“ ihres einstigen Freundes Gustav Partheys, Auszüge aus ihrer Jugendzeit nieder, spricht über ihre Familie und über die Löbichauer Gäste, über besondere und weniger besondere Situationen des Salonalltags und gibt auf humorvolle, unterhaltende und nicht selten ironische Weise einen ganz speziellen und persönlichen Einblick in das Leben der damaligen Zeit. Dabei ist es nicht verwunderlich, dass ihr einige Fehler unterlaufen, wie auch hier, in diesem kurzen Abschnitt über ihren Zeichenlehrer Ernst Welker, der keines Wegs „aus Suhl gebürtig“ war. Und doch ist dieser kurze Abschnitt in gewisser Weise bezeichnend für die Erinnerung an den Maler. Denn oft sind nur die Hälfte aller veröffentlichten Daten über Ernst Welker – und das, wie es scheint, noch zu Lebzeiten des Künstlers – tatsächlich korrekt.
Obwohl Ernst Welker ein anerkannter Maler war, der mit den künstlerischen Größen seiner Zeit – wie Johann Adam Klein, den Gebrüdern Reinhold oder Johann Christoph Ehrhardt – auf Reisen ging, der Gesellschafter und Zeichenlehrer im Salon der Herzogin von Kurland in Löbichau war, mit Wilhelmine von Sagan durch Italien reiste und bis zu seinem Tod 1857 in Wien als Landschaftsmaler seinen Lebensunterhalt verdiente, gab es allein um sein Geburtsjahr lange Uneinigkeit. Bereits im „Biographischen Lexikon des Kaiserthums Oesterreich“, 1886 erschienen, werden die Lebensdaten des Malers mit 1788–1857 angegeben. Andere Quellen, darunter der Grabstein Ernst Welkers auf dem St. Marx-Friedhof in Wien, nennen das Jahr 1784 als sein Geburtsjahr. Doch im Allgemeinen durchgesetzt hat sich das Jahr 1788 – und das völlig zu Unrecht!
Und um Ihnen das endgültig zu beweisen, kommt hier der Originalauszug aus dem Taufregister der Kirche St. Augustin in Gotha: „5. Aprilis 1784. Hat Herr Phillip Friedrich Welker, herzogl. Sächs. Geheimer Archivarius allhier, seinen Sohn in hiesiger Schloßkirche von dem Herrn Ober-Hofprediger Bause taufen und Johann Heinrich Ernst nennen laßen.“ Neben dem Eintrag ist zudem vermerkt: natus – also geboren – den 4. Aprilis. Johann Heinrich Ernst Welker wurde also am 4. April 1784 in Gotha als Sohn des herzoglich-sächsischen geheimen Archivars und Juristen Philip Friedrich Welker und seiner Frau Johanne Auguste Sophie, geb. Kögel, geboren.
An dieser Stelle geht mein herzlicher Dank an Udo Hopf aus Gotha, mit dessen Hilfe und Kontakten es uns gelang, auch in Zeiten, in denen es schwierig war, in den Archiven zu recherchieren, an diese wichtigen Informationen und Quelle zu gelangen.
Philip Friedrich Welker hatte 1776 in Gotha geheiratet. Insgesamt entstammen aus der Ehe 5 Kinder. Zudem war Ernst Welkers Vater Mitglied der „Loge zu den 3 Rosen“ in Jena und starb 1792.
Der Maler Ernst Welker auf Reisen
Sein Sohn, Ernst Welker, erlangte erste Kenntnisse im Zeichnen wohl in Weimar, danach folgte ein Kunststudium an der Wiener Akademie der Bildenden Künste – wohl seit 1804. 1807 erhielt er dort sogar einen Preis für seine Arbeit als „junger Künstler“. Er machte den ersten Platz in der Kategorie „Landschaften“. In Wien muss Ernst Welker auch den Patensohn der Herzogin von Kurland, Theodor Körner kennengelernt haben. Glaubt man einem Artikel im „Allgemeinen Anzeiger der Deutschen“ – herausgegeben in Gotha, im Jahr 1814 – begleitete Welker Theodor Körner 1813 aus Wien nach Breslau, um sich dort als Freiwilliger im Lützowschen Coprs zu melden. Als Lützower Jäger kämpften beide auf Seite Preußens gegen Napoleon und Welker wurde Augenzeuge Körners Tod. Bekannt wurde vor allem ein Aquarell „Körners Grab bei Wöbbelin“, das später als Stich in großer Zahl käuflich zu erwerben war.
Welker kehrte nach Wien zurück, wo ihn 1816 die älteste Tochter der Herzogin von Kurland, Wilhelmine von Sagan, als Erzieher und Zeichenlehrer für ihre Pflegetöchter verpflichtete. In dieser Funktion weilte er in den Jahren 1819, 1820 und 1821 in deren Schlössern in Sagan und Ratibořice, was durch Briefe Wilhelmines an ihre Mutter zu belegen ist. 1819 und 1820 reiste Welker auch mit nach Löbichau, wo er die anwesenden Gäste zeichnen durfte.
Doch auch unabhängig von seinen Diensten bei der Herzogin von Sagan, begab sich Ernst Welker auf künstlerische Reisen. Im Sommer 1817 unternahm er mit seinen Malerkollegen Heinrich Reinhold und Johann Christoph Erhard eine Fußreise nach Niederösterreich, besonders in das Schneeberggebiet. Reisestationen waren u.a. die Burgruine Starhemberg und der Schlosspark Laxenburg. 1818 unternahm Welker zusammen mit den Malern Johann Christoph Erhard, Johann Adam Klein und den Brüdern Friedrich Philipp Reinhold und Heinrich Reinhold aus Gera Reisen nach Salzburg und Berchtesgaden, wovon zahlreiche Grafiken und Zeichnungen zeugen.
Und hier setzt auch unsere heutige LeseZEIT ein. Von Welker selbst sind – nach jetzigem Stand – keine persönlichen Berichte erhalten geblieben. So müssen wir aus den Aufzeichnungen seiner Zeitgenossen schöpfen.
1927 veröffentlichte Heinrich Schwarz einen Brief des Geraer Malers Heinrich Reinhold an dessen Bruder Gottfried Reinhold aus dem Jahr 1818. Darin beschreibt der Künstler seine Reise mit Erhard, Welker und Klein nach Salzburg und an den Königsee. Nicht nur seine Beschreibungen der Landschaft geben viel Aufschluss über die Reise der Künstler. Er beschreibt auch wie die kleine Gruppe unterwegs war und womit sie sich die Zeit vertrieben.
Welker reiste 1818 gemeinsam mit Erhard von Wien über Linz ab. Beide kamen zwei Tage vor den Brüdern Reinhold zwischen dem 22. und 25. Juni 1818 in Salzburg an und kehrten im Gasthof „Zum Mohren“ ein, wie man der „Salzburger Zeitung“ entnehmen kann. Dort trafen sich die vier schließlich noch mit Johann Adam Klein und die Reise begann.
Ich lese aus:
Heinrich Schwarz: Heinrich Reinholds Bericht über seine Reise nach Salzburg, Tirol und Oberösterreich im
Sommer 1818, aus: Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Band 67, Salzburg 1927. Die Ausschnitte befinden sich auf den Seiten 158 bis 163.
„Man soll doch niemals an der Erfüllung eines an sich nicht zu übertriebenen Wunsches, der an sich, versteht sich von selbst, auch rechtmäßig ist, zweifeln. Ein Beyspiel davon haben wir diesen Sommer gehabt. In meinem letzten Brief schrieb ich Dir, daß wir schon längst dem aufkeimenden Wunsch Gehör gaben, Salzburg zu sehen. Anfangs wurde derselbe, der anscheinenden Unmöglichkeit wegen, immer unter die frommen gezählt, bis endlich, durch einige glückliche Umstände begünstigt, der Entschluß schnell reifte, der Wille hatte die Möglichkeit herbeygeführt, und wir sahen uns plötzlich am Ziel unserer Wünsche, ehe wir noch glaubten, daß es möglich sey. Wir hatten beyde gerade ziemlich einträgliche Arbeiten gehabt, und diese lieferten das Reisegeld. Man soll sich nur zuweilen keck über alle Bedenklichkeiten wegsetzen, die in unsrer Lage übrigens verzeihlich sind. 0 hörst Du, welch herrlichen Genuß hat uns diese Reise verschafft! welch einen Gewinn für den Künstler an Geist und Körper! Diese Eindrücke können bey mir gewiß durch keine nachfolgenden jemals verdrängt werden. Es ist ein herrliches Land! Ich kann keck behaupten: es giebt in Deutschland wenigstens, keinen schönern Aufenthalt als Salzburg und die umliegende Gegend, Berchtesgaden mit einbegriffen, das Ländchen, was, beynahe buchstäblich genommen, höher als breit ist.
Elsaß, schön als es ist, kann ich nicht dagegen stellen, und die Schweiz, d. h. so weit ich sie sah, auch nicht. Ersterem fehlen die gewaltigen Gebirge, ob es gleich sehr fruchtbar und mahlerisch ist, und der von mir gesehene Theil der Schweiz hat nicht diese schönen Formen, oder ganz gewiß keine schöneren. Und doch wird Salzburg erst seit wenigen Jahren von Fremden häufiger besucht, und liegt uns um so viel näher als die Schweiz, es ist nämlich nur 42 Meilen von Wien. Ich will Dir nur erst eine Übersicht der ganzen Reise geben, damit Du Dich orientiren kannst.
Wir reisten den 23. Juli mit einem Landkutscher, der einen viersitzigen Wagen hat, die Person zu 40 fl W. W. gerechnet, mit noch 2 andern Herren von hier weg und kamen nach 4 und 1/2 Tag in Salzburg an, über St. Pölten, Stift Molk, Ens, Ebelsberg, Neubau, Wels, Lambach, Schwanenstadt, Vöglabruck (Salzburger Grenze). Frankenmark, Neumark, Salzburg. Von Wien bis Linz ist die Gegend weniger schön, doch hat man von St. Pölten an die Aussicht auf die nächsten steyerischen Berge. Die Donaugebirge sind unbedeutend. Mehrere Stunden oberhalb Linz aber bey Lambach &c. fängt sie auf der linken Seite an schön zu werden, da entfaltet sich nach und nach ein Gipfel der Gebirge des Salzkammergutes nach dem andren, und werden immer mahlerischer, so wie man sich der Salzburger Grenze nähert; dazu hatten wir königliches, aber sehr heißes Wetter, daß wir alle 4 im Wagen beynahe zerflossen sind, weil wir etwas eng saßen, absonderlich mit den Beinen. Das Herrliche fieng aber von der letzten Station vor Salzburg, Neumark, an. Welch ein Anblick, welche Fülle der Vegetation!
Rechts unten lag ein kleiner See, der Seekirchner See; gerade vor uns hatten wir den Kapuzinerberg mit einem Kloster, der nicht sehr hoch ist, und an welchem ein Theil der Stadt liegt, die man aber da noch nicht sieht, weil die Straße etwas links her kommt. Hinter diesem her vor ein Theil des Mönchsbergs, ein herrlicher ganz steil abgeschnittener Felsrücken von 200 bis 300 Fuß Höhe, welcher die Stadt von der Südseite einschließt, so daß über den Häusern unmittelbar sich die ganz schroffe, röthlich graue Felswand erhebt. Die Salza fließt zwischen diesen beyden Bergen mitten durch die Stadt, doch sieht man sie von diesem Standpunkt auch nicht. Ueber allen diesen nun hervor erheben sich die gewaltigen Häupter des Untersberges, über 6000 F. etwa 1 starke Stunde von der Stadt, weiter hinten noch in einer gewaltigen Kette das Tennengebirg, der Göllen, der sich an den hinteren Theil des Untersbergs anschließt, weiter rechts nach Südwest das Lattengebirg, der Ristfeucht, Ochsenkopf, Sonntagshorn, dann in Westen beinahe, der schöne hohe Staufen, von welchem aus sich das Gebirg verflacht und in die große bayerische Ebene in Nordwest und Norden ausläuft, ein köstliches Panorama. Dies alles sind Berge von 5— 7000 F. und drüber.
Das ist aber noch nicht alles, ganz hinten zwischen dem Göllen und Untersberg in Süden und hinter Berchtesgaden steigen nun erst der ehrwürdige zwiehäuptige Watzmann mit seinen furchtbaren Zacken von 10 000 F. und noch weiter die Teufelshörner empor, die auch zu Berchtesgaden gehören. Ich will nicht versuchen, Dir das Überraschende und Herzerhebende dieser Szene auszumahlen. Der schwüle Sommerton, die blauen Gebirge mit ihren Schneehäuptern, man muß es sehen. Nordöstlich von der Stadt etwa eine bis 1½ Stunde entfernt liegt noch ein anderer Berg mit runder Kuppe, der Geisberg von 4000 F. Der verschwindet aber ganz, man bemerkt nicht, daß er so hoch ist, ob seine Höhe gleich vielleicht 800 F. mehr beträgt als die des Brockens.
Die Stadt ist ganz italienisch gebaut mit flachen Dächern, und hat ein sehr freundliches einladendes Ansehen. Sie hat einen ganz fremden eignen Eindruck gemacht, wie ich mich von keiner der Städte, die ich sah, erinnere. Der Mönchsberg, ein wie gesagt an seiner höchsten Stelle etwa 300 F. hoher Felsrücken von etwa 2000 Schritt Länge, flötzartig und auf allen Seiten ganz senkrecht, schließt die Stadt dergestalt in Süden ein, daß man gezwungen war, durch die ganze Breite ein Thor von 163 Schritt Länge zu hauen, ein wahres Riesenwerk. Es ist gegen 10— 12 Schritt breit, und vielleicht 30 F. hoch, und in die Ebene zwischen den Mönchsberg und Untersberg hinaus führt. Oestlich an den Mönchsberg schließt sich der Schloßberg, auf welchem die Festung Hohen-Salzburg liegt, keine moderne Festung, sondern ein altes Schloß von ungeheuerm Umfang und Höhe in sehr schönem, halb italienischen Styl gebaut. Der Rücken des Mönchsberges ist ganz herrlich mit allen Arten Bäumen bewachsen, die sich überall wunderschön gruppieren. Dieß und die vortreffliche Aussicht auf die Gebirge und Ebene, macht ihn zu dem schönsten Park und Spatziergang, den ich je sah, nur daß die Kunst nichts dabey gewirkt hat. Südlich vom Mönchsberg in der Fläche nach dem Untersberg zu etwa 2000 Schritt vom Mönchsberg liegt ein andrer ganz isolierter ganz steiler, angeflötzter Felsrücken von etwa 800— 1000 Schritt Länge, und etwa 200— 300 F. Höhe, der Ofenlochberg, welcher ganz parallel mit ersterem läuft, auch sehr schön bewachsen ist, aber nur mit kleinen Bäumen und Gebüsch, und oben auch hin und wieder Feld hat.
Ein paar gute Freunde, auch Künstler, waren zwey Tage vor uns von Wien abgereist und erwarteten uns hier, wo wir alsdann auch in demselben Wirthshaus wohnten, und ein sehr lustiges Leben während der 3 Wochen unsers Aufenthaltes führten. Leider hatten wir aber 10— 11 Tage Regen, doch haben wir im unermeßlichen Schweiß unserer Angesichter ziemlich viel gezeichnet. Ein dritter Freund kam 8 Tage später auch an von Wien, und nun giengs noch lustiger und toller her, wenn wir Mittag oder Abends zum Essen zusammenkamen. Doch ich sehe, daß ich zu umständlich werde, also nur das Wesentliche. Wir trafen die beyden jungen Fürsten Lobkowitz nebst ihrem Hofmeister auch an, die durch Steyermark gekommen waren, und nun von hier aus den Glöckner, an der tyrolisch-kärntnerisch-Salzburger Grenze besuchen wollten, d. h. dieser Berg, der höchste in der ganzen österreichischen Monarchie, liegt da wo sich diese 3 Grenzen berühren. Zu dieser Expedition wurde ich denn eingeladen, welches nicht auszuschlagen war, da es sehr artige junge Leute sind, und auch der Folge wegen, und nach Berchtesgaden bestellt (5 St. von Salzburg), von wo aus der Marsch angetreten werden sollte, und wohin sie denn auch über Hallein, um dort die berühmten Salzwerke zu sehen, kommen wollten.
Wir gesegneten also Salzburg und machten uns in corpore auf, d. h. wir beyde, Ehrhardt, Klein und Welker. So sehr wir auch unser Gepäck vereinfacht hatten, indem wir die Oehlmahlereygeschichten nach Wien zurückgeschickt hatten, so wurde uns doch das Uebrige über die Maßen sauer und beschwerlich, da es zumal sehr schwül war. Wir hatten uns verspätet, und waren erst gegen halb 2 ausgegangen und kamen endlich Abends gegen 7 Uhr ziemlich müde in Berchtesgaden an. Dieß ist ein ganz kleines Städtchen oder eigentlich Markt, von etwa 2000 Einw. und liegt in einem Bergkessel, doch nicht fürchterlich, im Hintergrund starrt der Watzmann in die Höhe. Eine Stunde davon nach dem Watzmann zu liegt der berühmte Königs- oder Bartelmeisee zwischen gewaltig-schroffen Wänden rings umschlossen. Das ganze Thal bis an den See wo es sich schließt und eng wird, weil von der linken Seite her der hintere Göllen sich nähert, zeichnet sich durch seine herrliche Vegetation und Alpen aus, vorzüglich schöne ungeheure Ahorne giebts hier, aber wenig Feldbau, es ist schon zu kalt und rauh, und das wenige Getreide oder Hafer wird oft nicht reif. Deswegen nährt sich ein großer Theil der Einwohner von Schnitzarbeit, die bekannten Spielsachen, von denen Du auch wohl gehört hast, doch werden sie elend bezahlt und leben kümmerlich. Dann haben sie etwas Viehzucht, und ein großer Theil findet durch das große Salzwerk seinen Unterhalt.
Aber äußerst mahlerisch ist dieses Thal, doch konnten wir zu unsrem Leidwesen fast Nichts zeichnen, weil es 5 Tage ununterbrochen regnete, denn wenn es im Gebirg einmal anfängt, so kanns gar nicht wieder aufhören, besonders ist Berchtesgaden dafür bekannt. Wir sind schier verzweifelt. Zum Glück war das Wirthshaus sehr gut und billig, wir waren unsrer 5 auf einem Zimmer, und trieben tausend Streiche und Schnaken, hielten Akademie, zeichneten einander, oder Kostüme usw., wurde es ein wenig hell, gleich hinaus um etwas zu zeichnen, doch konnte wenig geschehen. Die Fürsten waren auch schon da und wohnten in demselben Wirthshaus.
Am 5ten Tag Abends wurde es hell, und wir beschlossen den folgenden Morgen abzukratzen, das Wetter möge seyn wie es wolle. Diesen Nachmittag befuhren wir noch den See, es war aber das Wetter auch nicht günstig, windig und fieng endlich wieder an zu regnen, das wir das Ende des Sees nicht erreichen konnten. Ein Sturm ist, auf diesem See besonders, kein Spas, weil er ganz von ungeheuren Wänden umstarrt ist, die senkrecht in den See hereinstehen, und keinen Platz zum Landen lassen im Fall der Noth. Er ist 2 Stunden lang oder etwas mehr, eine starke ¼ Stunde breit, und an der tiefsten Stelle in der Mitte 106 Klafter tief. Die See Liesel, ein hübsches Fischermädchen, welche uns fuhr, hatte eine ungeheure Pistole hergegeben, womit ich auf der Mitte des Sees schoß. Das Echo rollte wie Donner hinüber und herüber. Den folgenden Tag war das Wetter besser und wir rüsteten uns zur Abreise. Wir hatten einen Bedienten und immer einen Wagen, auf welchem das Gepäcke fortgeschafft wurde, so daß ich gar nichts zu tragen brauchte. Fritz wollte noch einen Tag dableiben um den Watzmann noch zu zeichnen. Ehrhardt und Welker setzten ihren Weg nach Gastein fort, und Klein wollte übers Gebirg nach Golling, so zerschlug sich die Gesellschaft auf einmal. Fritz gieng den Tag darauf allein nach Salzburg zurück, von da an die Seen des Salzkammergutes nach Gmunden, über Lambach an die Donau, und auf einem Schiff nach Wien.“
Von 1821 an weilte Welker mehrere Jahre in Italien, wo er seine Malerkollegen in Rom wiedertraf und viele neue Bekanntschaften schloss. Man kann davon ausgehen, dass er sich im Kreis der deutsch-römischen Künstlerkolonie bewegte und versuchte, mit Landschafts- und Architekturdarstellungen ein Publikum zu finden. Er unterhielt Kontakte zu Künstlern wie Berthel Thorvaldsen, Louise Seidler, Johann Christian Reinhart, Josef Anton Koch und Julius Schnorr von Carolsfeld. Im November 1822 reiste der Maler im Gefolge der Wilhelmine von Sagan nach Neapel.
1824 weilte Lili Parthey, die Schwester des Buchhändlers und Altertumsforschers Gustav Parthey, mit ihrem Mann und ihrem Bruder in Rom, traf die dort ansässigen Künstler und schrieb im November 1824 in ihr Tagebuch: „Abends kamen Mila und Tucher zum Thee und der kleine Welcker in alter Erinnerung; er hat leider seinen Bart abgeschnitten.“ Beide hatten sich in Löbichau kennengelernt, in seiner Zeit, als Welker noch einen Schnurrbart „wie einen Äquator“ trug.
In seinen späteren Jahren in Wien war Ernst Welker sehr produktiv. Seine Arbeiten wurden dort regelmäßig bis 1850 ausgestellt, wie man den Jahresausstellungen der Wiener Akademie der Bildenden Künste entnehmen kann. Er starb 1857 in Wien, wo sich auch seine Grabstätte befindet.
Und zum Schluss, mein persönlicher Lesetipp!
Im Juli 2022 widmete das Museum Burg Posterstein diesem fast unbekannten Künstler die Sonderschau „Sehnsuchtsziel Italien – Der Maler Ernst Welker auf Reisen und im Salon der Herzogin von Kurland“. Ausgestellt waren über 60 Arbeiten des Künstlers und weitere Werke seiner Malerkollegen. Die Ausstellung nahm die Besucher mit auf eine Reise nach Italien, Österreich, nach Böhmen und natürlich nach Löbichau! Imm Zuge dieser Sonderschau entstand der bis dato umfangreichste Katalog zum Leben und Wirken des Künstlers. Für nur 25,00 Euro können Sie dieses wunderbare Buch mit dem Titel „Sehnsuchtsziel Italien – Der Maler Ernst Welker auf Reisen und im Salon der Herzogin von Kurland“ im Museum Burg Posterstein erwerben und sich auf eine Reise durch verschieden Lebensstationen und Schaffensorte Welkers entführen lassen.
Und damit verabschiede ich mich, liebe Zuhörende, bis zur nächsten LeseZEIT mit Geschichte und Geschichten aus dem Museum Burg Posterstein!
Von Franziska Huberty (Text und Sprecherin) und Marlene Hofmann (Schnitt)
Zum Weiterhören:
LeseZEIT – Folge 1: Dorothea von Kurland
LeseZEIT – Folge 2: Emilie von Binzer
LeseZEIT – Folge 3: Gustav Parthey
LeseZEIT – Folge 4: Louise Seidler
LeseZEIT – Folge 7: Gustav Parthey