Das Thüringer Burgenjahr 2024 stellte die zahlreichen Thüringer Burgen in den Mittelpunkt der touristischen Werbung. Das nahm das Museum Burg Posterstein unter der Überschrift „Burg Posterstein – Trutzig seit 1191“ zum Anlass für zwei Sonderschauen zur Burggeschichte. Hier im Blog geben wir dazu in zwei Teilen ein Resümee.
Das Thüringer Burgenjahr
Im Rahmen der Burgenjahr-Kampagne entstanden eine Landing-Page zu Thüringer Burgen und ein gelungener Drohnenflug-Film, der Burg Posterstein aus neuen Winkeln präsentierte. Dieser Film war nicht nur in unserer Ausstellung, sondern auch auf den Burgenjahr-Ausstellungen der Wartburg und der Veste Heldburg zu sehen. Beide Ausstellungen nahmen die Burg im Allgemeinen und Thüringer Burgen im Speziellen in den Blick.

Das Museum Burg Posterstein präsentierte im Burgenjahr in zwei neuen Ausstellungen aktuellste Ergebnisse seiner Forschungen zur Geschichte der Burg Posterstein. Dabei bildeten die Gerichtsbarkeit in der Grundherrschaft Posterstein sowie die Baugeschichte der Burg die Schwerpunkte.
Das Projekt wurde gefördert vom Freistaat Thüringen – Thüringer Staatskanzlei, wofür wir herzlich danken.
Die Ausstellung „Schlag um Schlag – die Burg als Gerichtsort“
Die Ausstellung “Schlag um Schlag – Die Burg als Gerichtsort” vom 12. Mai bis 17. November 2024 war Teil 1 der Ausstellungsreihe „“Burg Posterstein – Trutzig seit 1191”. Im Gerichtsraum der Burg, dem historischen Schauplatz für Gerichtsverhandlungen, präsentierte sie neue Forschungsergebnisse zur Geschichte der Gerichtsbarkeit. Im Mittelpunkt stand die Burg als Ort, an dem Gericht gehalten und Recht gesprochen wurde.
Die Burg als Gerichtsort
Der Burgherr besaß das Recht, über seine Untertanen zu richten und war oftmals auch der Richter. Dabei entschied er nicht willkürlich. Über kleinere Anliegen wie Beleidigungen, Diebstähle, Fälle von Vormundschaft und Erbrecht (die niedere Gerichtsbarkeit betreffend) entschied das Burggericht selbst. Bei schwerwiegenderen Fällen wie Gewalt und Mord (höhere Gerichtsbarkeit) holte man sich Rat von Rechtsgelehrten der Universität Jena.

Eine Dorfordnung und Rügegerichtsordnung bestimmten, was man durfte oder nicht durfte und welche Strafen die jeweiligen Vergehen nach sich zogen. Ein jeder wurde dazu angehalten, sich „eines ehrbaren und gotteswohlgefälligen Lebens zu befleißigen“.
Seit dem 16. Jahrhundert wurden professionelle Advokaten angestellt. Ihnen zur Seite standen die Laienrichter und Schöffen aus der Dorfgemeinschaft. Folter als Mittel der Beweisaufnahme war üblich. Diese so genannte „peinliche Befragung“ durfte jedoch nur angewendet werden, wenn ausreichend Indizien für die Täterschaft vorlagen.

Ein wichtiges Anliegen der Ausstellung war es, darzustellen, dass gerichtliche Entscheidungen auch damals nicht willkürlich, sondern nach fest vorgezeichneten Abläufen getroffen wurden.
Auch in Posterstein hielt sich nicht jeder an geltende Gebote: Unzucht, Mord und andere Untaten kamen vor Gericht. Aufzeichnungen dazu gibt es seit 1528 in den Postersteiner Gerichtsbüchern, die viel über die Menschen und ihre Zeit vermitteln. Im Vorfeld recherchierte die Historikerin Sabine Hofmann in den originalen Gerichtsbüchern der Burg Posterstein, die im Landesarchiv Thüringen – Staatsarchiv Altenburg aufbewahrt werden.
Originale Gerichtsfälle nachgestellt von Laiendarstellern
Fünf verschiedene Straftaten vom Diebstahl, über die Beleidigung bis hin zum Mord wurden beispielhaft ausgewählt und mit Laiendarstellern des Traditionsvereins Altenburger Prinzenraub e.V. und der Gefolgschaft zu Posterstein nachgestellt. Drehorte waren das historische Gerichtszimmer der Burg und ein gut erhaltener Vierseithof im Dorf Posterstein. Die Dreharbeiten fanden an zwei Wochenenden statt, die den Beteiligten viel Einsatzfreude, Geduld und Durchhaltevermögen abverlangten.

Das Ergebnis sind fünf kurze Filme, die den Museumsgästen einen lebendigen Eindruck der Gerichtsbarkeit vergangener Zeiten vermitteln. Für die Kamera und den Schnitt war der Altenburger Kameramann Gunter Auer verantwortlich. Die Regie übernahmen Robert Kühn und Marcella von Jan. Die musikalische Umrahmung oblag Matthias von Hintzenstern.

Die fünf Filme stehen den Besuchern des Museums in der Ausstellung am Bildschirm mit Hörstation zur Verfügung.

Weiterhin gab es Ausstellungsbanner und Aufsteller in Ellipsenform zur Geschichte der Gerichtsbarkeit im Gerichtszimmer, auf denen die Gerichtsfälle schriftlich festgehalten wurden. Diese verbleiben nach Ausstellungsende im Raum. Ferner wurden Schilder mit Zitaten aus der Dorf- und Rügegerichtsordnung über den Türen angebracht.
Von Ferien-Rätsel bis LeseZEIT: Das Begleitprogramm zur Ausstellung
Die Ausstellung „Schlag um Schlag“ begleitete ein umfangreiches Veranstaltungsprogramm, welches das Thema Gerichtsbarkeit unterschiedlichen Zielgruppen auf vielfältige Weise näherbrachte. Hier geben wir einen Überblick:
Eröffnung mit Talkshow „Peinliche Befragung“ und Verleihung des „Goldenen Postersteins“
Zur Ausstellungseröffnung am 12. Mai 2024, 15 Uhr, feierten die fünf Kurzfilme zu ausgewählten Postersteiner Gerichtsfällen vor über 80 Zuschauerinnen und Zuschauern offiziell Premiere. Franziska Huberty, Mitarbeiterin im Museum Burg Posterstein, führte in der Talkshow „Peinliche Befragung“ kurze Interviews mit ausgewählten Beteiligten. Burgherr-Darsteller Marcus Engemann, Andy Drabek und Jürgen von Jan (beide mitverantwortlich für Organisation und Technik), Marcella von Jan (Regie) und Kuratorin Sabine Hofmann gaben Einblicke hinter die Kulissen des Filmdrehs. Im Anschluss wurde der „Goldene Posterstein“ an alle Darsteller und Unterstützerinnen am Set verliehen. Den ausführlichen Bericht gibt es hier.

Ferien-Rätsel „Findet den Dieb!“
Das Museum Burg Posterstein bietet in allen Schulferien thematisch wechselnde Rätsel für Kinder an. Das Ferien-Rätsel in den Sommerferien basierte frei auf einem historischen Gerichtsfall aus Posterstein: Im Rätsel benötigte der Burgherr die Hilfe der Kinder zur Ergreifung eines Diebes. Dabei erfuhren die Kinder und ihre Begleiter auf anschauliche Art und Weise, wie Recht und Gesetz im Mittelalter funktionierten. Alle Texte sprach Museumsmitarbeiterin Franziska Huberty selbst ein, sodass sie barrierefreier mittels eines QR-Codes angehört werden konnten. Einen Werbetrailer für Social Media produzierte das Museumsteam ebenfalls selbst.

Abends im Museum: Historische Kriminalfälle
Bei der Veranstaltung „Abends im Museum“ am 2. Oktober 2024, 20 Uhr, las Historikerin Franziska Huberty originale Texte zu einem Gerichtsfall vor und übersetzte diese in die heutige Sprache. Die Lesung fand am historischen Ort, dem Gerichtszimmer der Burg Posterstein, statt. Daraus entsteht langfristig eine Folge unseres Podcasts „LeseZEIT“.

Postersteiner Gerichtsfälle waren Thema beim Geistertag
Der Geistertag auf Burg Posterstein findet immer am 31. Oktober statt und richtet sich speziell an Familien mit Kindern. 2024 lehnte sich das Rätsel-Thema an die Sonderschau an. So trafen die Kinder im Rätsel und in Form verkleideter Mitglieder des Museumsvereins auf die Protagonisten verschiedener wahrer Kriminalfälle aus der Postersteiner Burggeschichte – von der beleidigten Nachbarin über den bestohlenen Bauern bis zum Unruhestifter. Das sorgte nicht nur für eine leichte Gänsehaut, sondern vermittelte auch Wissen über die Rechtsprechung der damaligen Zeit.

Live-LeseZEIT aus den Gerichtsbüchern
Zum Ende der Ausstellung las Franziska Huberty am 17. November, 15 Uhr, in einer Live-Ausgabe des Podcasts „LeseZEIT“ einen Originaltext aus den Postersteiner Gerichtsakten. Darin ging es um einen Unhold, der seine Zeitgenossen so sehr piesackte, dass seine Nachbarn ihn vor das Postersteiner Burggericht schafften. Auch diese Recherche soll langfristig als Podcast-Folge vertont und online zugänglich gemacht werden.

Den Rechtsanwalt gefragt: Welche historischen Gesetze gibt es heute noch?
Im Rahmen der Sonderschau „Schlag um Schlag“ entstand auch der Film „Peinliche Befragung“, in dem Museumsmitarbeiterin Franziska Huberty den Rechtsanwalt Frank Wunderlich befragt, inwieweit die Gesetze von damals heute noch gültig sind. Extra für das Interview hat er sich sechs historische Regelungen angesehen und recherchiert, ob es heute noch vergleichbare Gesetze gibt. Das Gespräch fand im Gerichtsraum der Burg Posterstein statt. Die Ergebnisse fassen wir hier im Blogpost zusammen, während man sich den Film auf unserem YouTube-Kanal ansehen kann.

Ein neues Angebot: Rätsel-Tour für Krimi- und Escape-Fans
Basierend auf ihren Recherchen zur Ausstellung entwarf Museumsmitarbeiterin Franziska Huberty das Krimi-Escapespiel „True Crime auf Burg Posterstein“, das auf einem authentischen Gerichtsfall der Burg Posterstein basiert. Die Spieler versuchen dabei im Team von 2 bis 6 Personen ein Verbrechen aufzuklären. Dabei wird die gesamte Burg als Platz des Geschehens einbezogen. Das Besondere daran: Man hat die Burg für sich allein, weil die Termine außerhalb der regulären Öffnungszeit liegen.
Vor der offiziellen Präsentation durchliefen mehrere Testgruppen die Rätseltour. Seit seiner Einführung im November 2024 erfreut sich das neue Angebot großer Beliebtheit und ist fest in den Museumsalltag integriert worden. Eine rechtzeitige Voranmeldung auf Grund der großen Nachfrage ist unbedingt empfehlenswert. Alle Infos zum Krimi-Escape-Spiel gibt es hier.

Artikel in den Archivnachrichten
Die innovativen Vermittlungsansätze der Rechercheergebnisse in der Ausstellung „Schlag um Schlag“ hielt Ausstellungskuratorin Sabine Hofmann in dem Artikel „Nicht nur nachts im Museum“ für die Fachzeitschrift „Archive in Thüringen – Mitteilungsblatt 2024“ (S.25-28) fest. „Die Frage, wie sich die wervollen Informationen aus unseren Akten herausholen lassen und für jedermann erlebbar werden, ist über die Jahre zu einem meiner Lieblingsthemen geworden“, hebt Doris Schilling vom Landesarchiv Thüringen – Staatsarchiv Altenburg in ihrem Editorial die Relevanz des Themas hervor. Die Mitteilungsblätter, die im Auftrag der Thüringer Staatskanzlei erscheinen, kann man hier online lesen.

Im nächsten Blogpost folgt der zweite Teil der Auswertung.
Von Nicole Thonfeld-Hanf und Marlene Hofmann