Die 800 Jahre alte Bergspornburg Posterstein inmitten des thüringischen Sprottentals ist seit 1952 regionalgeschichtliches Museum mit vielfältigen Ausstellungen – von der Burggeschichte bis zur europäischen Salongeschichte um 1800. Wir bloggen seit 2011 Geschichten aus der Geschichte.
Zur Sammlung des Museums Burg Posterstein gehört ein Reisebureau aus dem 17. Jahrhundert, eine mit Messingblech und Eisenbändern beschlagene Reisetruhe mit Tragegriffen. Sie verfügt über zwei Etagen mit acht bzw. fünf Schubkästen zum Aufbewahren von Schreibuntensilien, links für Tintenfass und Streusandbüchse. Die Schübe sind bemalt oder mit Schmuckpapier bzw. goldgeprägtem Leder verziert.
Im Deckel befindet sich ein Kupferstich von Johann Hoffman mit dem Titel „Tactus das Fühlen“ sowie eine verriegelbare Platte. Deren Oberseite zeigt einen Kupferstich von Gerhardt Altenbach mit dem Titel „Der Arglistige Blockschleyffer“. Die Unterseite ist mit goldgeprägtem Leder verziert.
2023 konnte das besondere Exponat mit Fördergeldern des Freistaats Thüringen restauriert werden und ist nun wieder in der ständigen Ausstellung des Museums Burg Posterstein zu sehen.
Die Restaurierung umfasste eine Reinigung, Konservierung und Festigung der Kupferstiche, des Leders mit Goldprägung und des Marmorpapiers durch den anerkannten Restaurator Christian Maul. Er ist seit vielen Jahren mit den Sammlungen des Museums vertraut.
Der Holzrestaurator Matthias Krahnstöver aus Frohburg ergänzte, sicherte und konservierte Leisten und kleinere Beschädigungen an den Kästen und Schüben.
Die verloren gegangene Schlosshälfte an der Vorderseite soll nicht rekonstruiert werden. Messingteile und verzinnte Bänder wurden konserviert.
Die Reisetruhe wird in der ständigen Ausstellung gezeigt. Ein Bericht darüber erscheint in einer der nächsten Ausgaben der Thüringer Museumshefte.
Der Freistaat Thüringen förderte die Maßnahme „Restaurierung und Konservierung von Sammlungsbeständen“ im Rahmen der Richtlinie zur Förderung von Kultur und Kunst mit einem Zuschuss von 2.750,00 Euro.
Zum 130. Geburtstag des Schriftstellers Hans Fallada zeigte das Museum Burg Posterstein 2023 die Ausstellung „Hans Fallada – Familienbilder“ als Kabinett-Ausstellung. Über 16.800 Besucher kamen während der Ausstellungsdauer vom 14. Mai bis 12. November 2023, um dem berühmten „Einwohner“ Postersteins näher zu kommen. Ein umfangreiches Begleitprogramm mit Lesungen, Musik, Film und Vortag wurde auf die Beine gestellt. Das Buch „Hans Fallada in Tannenfeld und Posterstein“ macht die Ausstellung auch nach ihrem Ende umfangreich für die interessierten Besucher zugänglich.
Über 130 Jahre ist es her, dass Rudolf Wilhelm Friedrich Ditzen als drittes Kind des Landrichters Georg Wilhelm Heinrich Ditzen (1852–1937) und seiner Frau Elisabeth Mathilde Auguste(1868–1951), geb. Lorenz, am 21. Juli 1893 in Greifswald zur Welt kam. Den meisten ist Rudolf Ditzen als Schriftsteller unter dem Pseudonym Hans Fallada bekannt. Bis heute sind seine Werke wie „Der junge Goedeschal“ (1920), „Bauern, Bonzen und Bomben“ (1931), „Kleiner Mann – was nun?“ (1932), „Wer einmal aus dem Blechnapf frißt“ (1934), „Wolf unter Wölfen“ (1937), „Jeder stirbt für sich allein“ (1947) und „Der Trinker“ (1950) weltbekannt. Sein Lebenslauf ist geprägt von Umbrüchen, vielen Tiefen und einigen Höhen – immer schwankend zwischen Erfolg, Misserfolg, Familienglück, Depressionen und Drogensucht.
Leben und Werk Hans Falladas sind weitgehend erforscht. Dabei fällt das Interesse hauptsächlich und naturgemäß auf sein Wirken als Schriftsteller. Doch auch seine Kindheit und Jugend sind weitgehend dokumentiert.
Eine Lücke tat sich oft allerdings auf: Falladas Zeit in Tannenfeld und Posterstein. Diese Lücke hat das Museum Burg Posterstein nun temporär durch die Sonderschau „Hans Fallada – Familienbilder“ gefüllt. Im Oktober konnte das Museum die 13.333. Besucherin mit einem kleinen Geschenk und einer Urkunde begrüßen. Über 16.800 Besucher kamen insgesamt, um dem berühmten „Einwohner“ Postersteins näher zu kommen.
Seinen festen Platz in der Dauerausstellung der Burg hatte Hans Fallada stets sicher. Durch das Buch „Hans Fallada in Tannenfeld und Posterstein“ bleibt aber auch die neuste Forschungsarbeit des Museums nachhaltig gesichert und umfangreich für die interessierten Besucher zugänglich. Das Buch kann im Museum gekauft oder über das Museum bestellt werden.
Eine Tragödie mit Folgen
Doch was war überhaupt passiert? In seiner Kindheit zog Rudolf Ditzens Familie mehrfach um. Von Greifswald nach Berlin, dann von Berlin nach Leipzig – immer der Berufung des Vaters hinterher. Nach einem schweren Fahrradunfall in Leipzig musste der junge Rudolf Ditzen erstmals mit Morphium behandelt werden. Eine Droge, von der er Zeitlebens nicht mehr loskommen sollte. Nach einigen Zwischenfällen und einem ersten Kuraufenthalt in der Nähe von Bad Berka, schrieben ihn seine Eltern 1911 am Gymnasium Fridericianum in Rudolstadt ein.
Doch diese Zeit endete dramatisch. Mit seinem Schulfreund Hanns-Dietrich von Necker verabredete sich Rudolf zum Scheinduell – ein getarnter Doppelselbstmord unter Schülern. Und leider auch nicht der einzige Vorfall dieser Art zur damaligen Zeit.
Hanns-Dietrich von Necker starb bei diesem Duell, Rudolf Ditzen wurde schwer verletzt. Doch auf die Tat folgte ein Haftbefehl. Dem jungen Mann drohte eine Mordanklage.
Nach der Untersuchung an der psychiatrischen Klinik in Jena, ließ man die Mordanklage wegen Unzurechnungsfähigkeit fallen und übergab den jungen Rudolf Ditzen 1912 zur Behandlung in die Nervenheilanstalt in Tannenfeld und in die Obhut des dortigen Anstaltsleiters Dr. Arthur Tecklenburgs. Über ein Jahr lang war Rudolf Ditzen in Behandlung, begleitet von seiner Tante Adelaide (Ada) Ditzen, die ihm Unterricht in Sprachen erteilte und die ersten Türen in die Welt der Literaten aufstieß.
Und diese Behandlung gelang – dem jungen Mann ging es Zusehens besser. Auf Anraten Tecklenburgs kam er 1913 auf das nur zwei Kilometer von Tannenfeld entfernte Rittergut Posterstein und wurde landwirtschaftlicher Eleve unter der Leitung der Familie Hermann. Bis 1915 absolvierte er auf dem Rittergut Posterstein eine landwirtschaftliche Ausbildung – eine Tätigkeit, der er bis zu seinem Durchbruch als Schriftsteller noch einige Jahre treu blieb. Sie diente ihm für sein späteres Schaffen als Quelle und Inspiration.
Die Ausstellung im Museum Burg Posterstein
Die Basis der Ausstellung bildete die Wanderausstellung „Hans Fallada – Familienbilder. Wie aber bestehe ich vor Dir, sehr liebe Verwandtschaft –?!“ der Hans-Fallada-Gesellschaft. Anhand zeitgenössischer Zitate aus Briefen und Dokumenten sowie Fotos und Postkarten stellen darin 16 Ausstellungsbanner Hans Falladas Familie von den Urgroßeltern bis zu seinen eigenen Kindern und natürlich ihn selbst – als Kind dieser Familie, als Landwirt und als Schriftsteller – vor. Hierin kommen die umfangreichen Bestände des Hans-Fallada-Archivs zur Geltung.
Ergänzt hat das Museum Burg Posterstein diese stark textbasierte Schau in Posterstein durch einen größeren Schwerpunkt auf Rudolf Ditzens Zeit in Jena, Tannenfeld und Posterstein.
Das Museum produzierte in Zusammenarbeit mit dem TV-Journalisten Gunter Auer einen rund sieben Minuten langen Film über Rudolf Ditzens Jahre in Tannenfeld und Posterstein. Franziska Huberty, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Museum Burg Posterstein, steht darin an den Originalschauplätzen im Schlosspark und im Schloss Tannenfeld sowie vor und im Herrenhaus Posterstein und erzählt anschaulich Rudolf Ditzens Geschichte. Anhand von Originalzitaten, gekonnt vertont von Schauspieler Robert Gregor Kühn, wird die Geschichte lebendig.
Lesungen, Musik und Film – ein umfangreiches Begleitprogramm
Begleitend zur Ausstellung gab es ein umfassendes Veranstaltungsprogramm mit zwei Live-Ausgaben des Postersteiner Museumspodcasts „LeseZEIT auf Burg Posterstein“, in denen Franziska Huberty aus originalen zeitgenössischen Dokumenten las. Zur Ausstellungseröffnung lag der Fokus dabei auf Briefen und Dokumenten, die Falladas Zeit in Tannenfeld und Posterstein abbildeten. Musikalisch wurde die Vernissage von Sänger Uǧur Okay und Katharina Weingart am Piano umrahmt.
An Hans Falladas 130. Geburtstag, dem 21. Juli 2023, zeigten wir bei einem Filmabend den Spielfilm „Jeder stirbt für sich allein“. Den Hans-Fallada-Filmabend realisierte das Museum gemeinsam mit dem METROPOL Kino in Gera. Das Buch „Jeder stirbt für sich allein“ erschien erst nach Falladas Tod. Es erzählt die wahre Geschichte eines Berliner Arbeiterehepaars, das sich nach dem Soldatentod seines Sohnes mit Postkartenaktionen gegen die NS-Diktatur auflehnt. Das Buch wurde 2011 in der ungekürzten Neuauflage noch einmal zum internationalen Bestseller.
Im August und September fanden zwei musikalische Nachmittage auf Falladas Spuren mit dem Schauspieler Robert Gregor Kühn und Matthias von Hintzenstern am Piano in Posterstein statt. Robert Gregor Kühn trug aus Hans Falladas Erinnerungen „Wie ich Schriftsteller wurde” vor und wurde dabei von Matthias von Hintzenstern mit Musik aus den 1920er Jahren begleitet.
Am 30. September 2023 präsentierte Dr. Stefan Knüppel, Leiter des Hans-Fallada-Museums Carwitz, Hans Falladas Wohnhaus und das heutige Museum in Carwitz. In seinem Vortrag „Heute bei uns zu Haus“ gab er anschaulich Einblicke in das Leben des Schriftstellers. In einem virtuellen Museumsrundgang entführt er die Zuhörenden in Falladas einstigen Wohn- und Rückzugsort im entfernten Carwitz.
Am letzten Ausstellungstag, den 12. November 2023, schloss die Sonderschau mit einer Führung von Museumsmitarbeiterin Nicole Thonfeld-Hanf und einer zweiten Live-Lesung des Museumspodcasts „LeseZEIT auf Burg Posterstein“.
Die LeseZEIT gab diesmal Eindrücke zu den Bauplänen der Heilanstalt in Tannenfeld. Franziska Huberty laß aus historischen Dokumenten des Landesarchivs Thüringen, Staatsarchiv Altenburg. Darin sind das Konzept und die Architektur der Nervenheilanstalt in Tannenfeld von seinem Gründer, Arthur Tecklenburg, selbst beschrieben und dokumentiert.
Ein Buch zu Ehren eines Schriftstellers
Für die Ausstellung „Hans Fallada – Familienbilder“ recherchierte das Museum umfangreich in verschiedenen Archiven und Sammlungen zu Falladas Zeit in Tannenfeld und Posterstein. Dieses geballte Wissen über eine sehr bewegte Zeit im Leben des bekannten Schriftstellers veröffentlichte das Museum im Zuge der Ausstellung in einer neuen Publikation. Das Buch „Hans Fallada in Tannenfeld und Posterstein“ von Marlene Hofmann fasst auf 112 Seiten und mit über 70 meist farbigen Abbildungen die Forschungsarbeit zusammen. Neue Erkenntnisse konnten auch über die Anlage Tannenfeld selbst gewonnen werden. Das Buch ist an der Museumskasse oder per Mail an das Museum erhältlich.
Seinen festen Platz in der Dauerausstellung hat sich Hans Fallada über die Ausstellungsdauer hinaus natürlich bewahrt. Durch die Publikation, die Podcast-Folgen (die nach und nach online gestellt werden) und die Blogbeiträge wird aber auch die Sonderschau nachhaltig bewahrt und sicherlich wird es nicht das letzte Mal gewesen sein, dass das Museum Burg Posterstein Hans Fallada ins Zentrum seiner wissenschaftlichen Arbeit rückt.
[1]aus: „Wer einmal aus dem Blechnapf frisst“: Zitiert nach: Fallada, Hans: Sehnsucht ist besser als Erfüllung. Lebensweisheiten und Aphorismen, Berlin 2016, S. 13.
von Franziska Huberty und Marlene Hofmann / Museum Burg Posterstein
Erstmals verschönt 2023 ein Weihnachtspfad in Nöbdenitz die Adventszeit. Beim Spaziergang durch den Postersteiner Nachbarort fallen schon bald weihnachtliche Tafeln, Märchenfiguren und liebevolle weihnachtliche Deko auf.
Startpunkt Weihnachtspfad: Dorfmitte
Der Weihnachtspfad beginnt in der Dorfmitte am ehemaligen Konsum (Dorfstraße 9 und 10). Dort steht nicht nur ein Spinnrad, gleich um die Ecke befindet sich auch der Briefkasten des Weihnachtsmanns. Noch bis 3. Advent können Kinder dort ihre Briefe, Wunschzettel und Fragen einwerfen.
Das Tolle daran: Alle Briefe werden alle beantwortet, wenn sie bis 17. Dezember 2023 eingehen.
Durchs Dorf führt der Weg über die Sprottenbrücke hin zum Sprotte-Erlebnispfad. Der führt vom alten Wasserschloss, vorbei am Teich mit dem Teehaus und entlang der Fischtreppe und einer Feuchtwiese. In der Weihnachtszeit trifft man hier auf Frau Holle, Rumpelstilzchen und das „Tischlein deck dich“. Mit Liebe zum Detail gestaltete Texttafeln geben Wanderern Rätsel auf und laden zum Singen ein.
An überraschenden Stellen schmücken Weihnachtskugeln den Wald und Weihnachtswichtel schauen zwischen Ästen hervor. Selbst eine Weihnachtskrippe ist dabei. Die letzte Station, Nummer 24 wie im Adventskalender, ist an den Hängebrücken.
Hier gibt es eine Übersicht über die 24 Stationen des Weihnachtspfads:
Die Idee zum Weihnachtspfad hatte Giesela Grimm aus Untschen. Die Nöbdenitzerin Nicole Bauch stürzte sich – unterstützt vom Ortsverschönerungsverein Nöbdenitz – mit Begeisterung in die Umsetzung. Der Ortsverschönerungsverein sammelte für den Weihnachtspfad im Vorfeld nicht mehr gebrauchten Baumschmuck als Spende. Weitere Deko-Spenden können an Station 24 an der Hängebrücke in eine Truhe gelegt werden.
Über hundert Weihnachtskrippen in einem Raum sind dort zu sehen. Manche sind so klein, dass sie in eine Streichholzschachtel passen und andere stellen ganze Landschaften in einem Holzfass dar.
Rückweg über den Holzmichelweg
Für den abwechslungsreichen Rückweg geht man entlang uriger Fachwerkhäuschen quer durchs Dorf und gelangt über den Holzmichelweg zurück zum Weihnachtspfad. Der Holzmichelweg schlängelt sich unter der historischen Autobahnbrücke hindurch hin zur sagenumwobenen Mönchsbrücke und trifft an den Hängebrücken wieder auf den Sprotte-Erlebnispfad bzw. den Weihnachtspfad.
Mit der offiziellen Grundsteinlegung am Vormittag des 9. November 2023 beginnt der Wiederaufbau des historischen Nordflügels der Burg Posterstein. Der ehemalige Festsaal-Flügel der über 800 Jahre alten Burg wurde in den 1950er Jahren ohne weitere Dokumentation und ohne baufällig zu sein abgerissen. Seither klaffte die Ruine wie ein Loch an der Hangseite der Burg und gefährdete nicht zuletzt die Statik der Burganlage.
Seit rund dreißig Jahren setzt sich der Museumsverein Burg Posterstein für den Wiederaufbau ein. Der Wiederaufbau gliedert sich historisch in die Geschichte der Burganlage ein, wo im Lauf der Jahrhunderte immer wieder neu und umgebaut wurde, um neuen Anforderungen gerecht zu werden.
Warum die Burg Posterstein den Nordflügel braucht
In der Burg Posterstein befindet sich ein erfolgreiches Museum, das Geschichte anschaulich vermittelt, vor allem an junge Besucher. Besonders gut votiert ist die Ausstellung „Kinderburg“, die zu den beliebtesten Familienangeboten in Thüringen gehört. Mit Stand Oktober lockten die Ausstellungen und Veranstaltungen 2023 bereits über 22.000 Besucher in die Burg. Um diesem „Ansturm“ gerecht zu werden, braucht es Barrierefreiheit, Räume für Museumspädagogik und Veranstaltungen sowie moderne Depots. Mit dem Wiederaufbau des Nordflügels entsteht auf 547 Quadratmeter Nutzfläche ein Begegnungsort, wo europäische Salonkultur digital und analog vermittelt und erlebbar wird. Darauf aufbauend soll es ein Ort für das Gespräch über Zukunftskonzepte und gesellschaftliche Themen sein. Der Museumsverein als Träger des Museums unternimmt im Rahmen der Möglichkeiten alles, um außer öffentlicher Förderung auch private Unterstützung zu unterhalten. Das Museum Burg Posterstein ist mit ausgewiesenen Fachkräften besetzt und hat die inhaltliche Konzeption fertig gestellt.
Das Bauvorhaben
Während die Burg von 1984 bis 1991 letztmalig restauriert wurde, blieb der Nordflügel außen vor. Dennoch lagen Konzepte und Bauzeichnungen für den Wiederaufbau fertig in der Schublade bis am 30. September 2020 der Kreistag in einem Grundsatzbeschluss grünes Licht gab für den Wiederaufbau. Das Architekturbüro Godts wurde mit der Planung beauftragt und legte eine Planung vor, die von Anfang an den Denkmalschutz berücksichtigte und dabei konsequent eine moderne Formensprache anwendet. Träger der Baumaßnahme ist der Landkreis Altenburger Land als Eigentümer der Gebäude. Er arbeitet eng mit dem Museumsverein Burg Posterstein e.V., dem Träger des Museums, zusammen. Der Landkreis erhält Fördermittel in Höhe von rund 1,5 Millionen Euro vom Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft im Rahmen des Dorfentwicklungsprogrammes, um den Rohbau fertig zu stellen. Nachfolgend sind nach dem Stand der Planung weitere Mittel notwendig, um den Ausbau und die Gestaltung des Gebäudes zu realisieren. Insgesamt beträgt der Investitionsbedarf 4,1 Millionen Euro. Großer Dank gilt auch der Bürgerstiftung Altenburger Land, die das Vorhaben großzügig unterstützt. Viele Bürger beteiligen sich an dem Projekt, indem sie ihre eigenen kleinen „Postersteine“ erwerben.
Landrat Uwe Melzer und Museumsdirektor Klaus Hofmann bei der Versenkung einer Metallhülse mit Erinnerungsstücken an die heutige Zeit.
Landrat Uwe Melzer betonte während der Grundsteinlegung die Bedeutung des Museums Burg Posterstein für die Kultur und den Tourismus im Altenburger Land und den festen Willen, mit dem Wiederaufbau des ehemaligen Festsaalflügels der Burg eine Perspektive zu sichern. Den Grundstein, dem verschiedene Dokumente über die Burg und das Projekt beigefügt wurden, legte Uwe Melzer gemeinsam mit dem Direktor des Museums Klaus Hofmann und dem Chef der für den Rohbau zuständigen Firma Frank Naumann GmbH aus dem benachbarten Kleinstechau.
Den Baufortschritt live mitverfolgen
Museumsgäste können die Bauarbeiten aus einem Fenster im Obergeschoss der Burg live mitverfolgen. Eine Tafel informiert dort über das Bauprojekt. Den Fortschritt dieses größten Bauvorhabens in der Geschichte des Museums dokumentiert das Museumsteam im Bautagebuch auf seiner Website.
Der Museumsverein Burg Posterstein fuhr vom 15. bis 17. September 2023 auf Bildungsfahrt nach Mecklenburg-Vorpommern. Vereinsmitglied Monika Dietrich berichtet in diesem Blogpost von den Entdeckungen.
Seit Mai dieses Jahres wartet das Museum Burg Posterstein mit der Ausstellung „Hans Fallada – Familienbilder“, mit Vorträgen, Lesungen, Filmen und Konzerten zum Thema „Hans Fallada“ auf. Denn eine wichtige Zeit – von 1913 bis 1915 – verbrachte der spätere Schriftsteller auf dem Rittergut in Posterstein als Landwirtschaftseleve.
Es liegt auf der Hand, dass das Museum der Burg Posterstein sich seinen Aufenthalt in Tannenfeld und Posterstein widmete und Verbindungen zum Fallada-Museum in Carwitz bei Feldberg in Mecklenburg-Vorpommern aufnahm.
Mitglieder des Museumsvereins Burg Posterstein vor dem Hans-Fallada-Haus in Carwitz
Demzufolge führte der Weg einer Gruppe von 22 Mitgliedern des Museumsvereins Burg Posterstein zur diesjährigen Bildungsfahrt am 15. September 2023 gen Nord-Ost.
Station 1: Lübben
Der erste Ort, an dem Halt gemacht wurde, war Lübben. Warum Lübben? In Lübben lebte kurzzeitig die Gräfin von Kielmannsegge, die eine Bekannte der Herzogin Anna Dorothea von Kurland in Paris war. Und über die Herzogin von Kurland wird ja in Posterstein stets eifrig geforscht!
Station 2: Hans-Fallada-Museum
Am Nachmittag dieses Tages gelangte die Reisegesellschaft per Kleinbussen und PKW – nicht mit Kutschen – in Carwitz an. So war es möglich, am nächsten Tag morgens dem Hans-Fallada-Museum einen Besuch abzustatten.
Die Mitglieder des Museumsvereins bei der Führung durch den Garten von Hans Falladas Wohnhaus.
Die Führung des Museumsdirektors, Herrn Dr. Stefan Knüppel, durch Haus und Garten Falladas ermöglichte es den Gästen, einen hervorragenden Eindruck vom Leben und Wirken des Schriftstellers und gelernten Landwirts zu bekommen und auch Einsichten in sein familiäres Leben.
Zu Hans Falladas Wohnhaus gehörte ein eigener Bootsanleger.
Denn Hans Fallada ist ja als kritischer Zeitzeuge in den 1920er und 1930er Jahren in seinen Werken auszumachen, wie auch als Freund der Kinder, seiner Kinder, wovon die zahlreichen Kinderbücher („Geschichten aus der Murkelei“) zeugen.
Hans Falladas Bienenhaus im Obstgarten wurde wieder originalgetreu hergerichtet.
Station 3: Schloss Oranienburg
Begeistert und ergriffen zog die Gruppe wieder von dannen, um ein weiteres Highlight der Umgebung zu besuchen: das Schloss von Oranienburg. Es war ein Erlebnis, die preußische Geschichte des 17. und 18. Jahrhunderts dieses Anwesens kennenzulernen, die Einrichtung zu bewundern und die wertvollen Bildteppiche zu bestaunen.
Das waren nun schon zwei Tage voller Neuigkeiten, voller Wunder, was es doch alles in Gebäuden und Landschaften in nicht allzu weiter Entfernung von unserem Altenburger Land zu entdecken gibt.
Station 4: Schloss Glienecke und Pfaueninsel
Der dritte Tag – noch waren die Mitreisenden nicht ermüdet – brachte die Entdeckung des wunderbaren Schlosses Glienecke nahe Potsdam. Keiner hätte sie vermissen wollen! Und zum Schluss der Reise kam noch ein Spaziergang über die Pfaueninsel unweit des Schlosses hinzu.
Tempel für Königin Luise auf der Pfaueninsel bei Schloss Glienecke.
Erfüllt von Neuem, angespornt, weiterhin neugierig zu bleiben, aber auch schon etwas erschlafft vom vielen Sehen, Hören und Gehen wurde die Heimreise angetreten, die von den „Chauffeuren“ bestens bewältigt wurde.
Pavillion an der Glienecker Brücke im Park von Schloss Glienecke.
Von Monika Dietrich / Museumsverein Burg Posterstein e.V.; Fotos: Frank Quaas, Sabine Hofmann
Werfen an der Salzach – wer kennt es? Zumindest die Burg Hohenwerfen sehen alle, die die Autobahn von Salzburg nach Villach nehmen. Anhalten können die wenigsten auf dem Weg zu ihrem eigentlichen Ziel, denn dafür müsste man die Autobahn verlassen und ein kleines Stück auf der Landstraße genau an der Salzach entlangfahren. Das haben wir vom Museumsverein Burg Posterstein getan und sogar noch den Tourismus durch Einkehren und Übernachten gefördert. Denn so war das auch im 19. Jahrhundert, also vor etwa 200 Jahren, als der Alpentourismus eine erste Blüte erlebte und Salzburg zum Sehnsuchtsziel für Künstler und Erholungssuchende avancierte.
Blick auf die Burg Hohenwerfen im Jahr 2023.
Im Salzburgmuseum in der Neuen Residenz am Mozartplatz beschäftigt sich eine ganze Abteilung damit, wie die Stadt zum Mythos wurde. Dort finden sich auch die Zeichnungen oder die Drucke davon, die Ernst Welker (1784–1857) und seine Malerfreunde Friedrich Philipp (1779–1840) und Heinrich Reinhold (1788–1825), Johann Adam Klein (1788–1825) und Johann Christian Erhard (1795–1822) während ihrer Exkursion 1818 von Wien in die Alpenstadt fertigten. Sie zeichneten die Berge um Salzburg, saßen auf der Kanzel bei Aigen, heute ein Stadtteil von Salzburg, zogen nach Berchtesgaden zum Watzmann und an den Königssee.
1831 kam Ernst Welker noch einmal in die Gegend. Er schloss sich einer Gruppe von reisenden Malern an, darunter Friedrich Gauermann (1807–1862), Johann Fischbach (1797–1871), Franz (1787–1868) und Wilhelm Steinfeld (1816–1854) sowie Franz Gruber (wahrscheinlich der Maler Franz Xaver Gruber (1801–1862)). So, wie hier von Johann Fischbach gezeichnet, sah Aigen zu dieser Zeit aus:
J. Fischbachs Zeichnung von Aigen bei Salzburg, gestochen von C. Huber, Lithografie, um 1840, Museum Burg Posterstein
Heute ist dieser Blick so nicht mehr nachzustellen, denn das Tal ist komplett bebaut.
Salzburg heute
Bevor sie Salzburg erreichten, wanderten Ernst Welker und seine Künstlerfreunde die Salzach entlang und erfreuten sich an der Gebirgslandschaft. In Folge 9 unseres Podcasts „LeseZEIT auf Burg Posterstein“ liest Franziska Huberty aus Heinrich Reinholds anschaulichen und ausführlichen Reisebericht.
Die Festung Werfen über der Salza – ein Aquarell über Bleistift von Ernst Welker, signiert „Welker fec.“ ohne Jahr, aus der Sammlung Uwe Buchheims.
Dabei erblickten eine ganz außergewöhnliche Burganlage. Diese hielt der Maler Ernst Welker, dem das Museum Burg Posterstein 2022 eine ganze Ausstellung widmete, mit Bleistift und Pinsel fest. Anders als den Touristen 200 Jahre später, standen ihm weder Eisenbahn, noch Auto und schon gar nicht Fotoapparat oder Handy zur Verfügung. Der Blick für die Ewigkeit, den der Künstler sicher zunächst seinem Skizzenbuch anvertraute, fand später als ausgearbeitete Zeichnung den Weg in die Museen. Ein Exemplar des Blickes auf Hohenwerfen von Ernst Welker befindet sich im Museum Burg Posterstein, ein etwas abgewandeltes Blatt in der berühmten Albertina in Wien.
So sieht Welkers Blick heute aus – der Fluss ist durch Bäume und Häuser heute nicht mehr zu sehen.
Aufgestiegen zur Burg ist Ernst Welker wohl eher nicht. Dies gestaltete sich auch schwieriger als heute, da sich die Burganlage inzwischen in staatlichen Händen befindet und ein Aufzug den zahlungswilligen Besucher in Windeseile den Berg hinauf- und wieder herunterbringt. Nach der Säkularisierung 1803 stand die Burg unter Herrschaft der Bayern, die die Anlage verfallen ließen. Keine Chance also für unsere Malerfreunde auf eine Einladung.
Aufzug- und Empfangsgebäude der Burg Hohenwerfen.
Heute kann man die Burganlage also bequem per Aufzug erreichen und per Führung erkunden. Die inhaltliche Vermittlung der „Erlebnisburg“ lässt unserer Meinung nach zwar noch Luft nach oben, aber die Burg selbst ist sehenswert. Sie ist trotz eines Brandes des Hauptgebäudes 1931 eine großartige, geradezu bilderbuchhafte Burganlage, die alles bereithält, was die mittelalterliche Burgenarchitektur zu bieten hatte.
Es bleibt die Aufforderung an den Besucher des 21. Jahrhunderts: Entschleunigt doch einmal eure Reise von und nach den Süden und lauft die Salzach entlang, haltet den Blick auf die Burg Hohenwerfen nicht nur auf einem bald vergessenen Handyfoto fest, sondern erkundet die Burg, um dann vielleicht auch noch Salzburg und seine Umgebung zu durchstreifen.
Von Sabine Hofmann / Museumsverein Burg Posterstein
Lesetipp: Sehnsuchtsziel Italien – Der Maler Ernst Welker auf Reisen und im Salon der Herzogin von Kurland
Das Buch „Sehnsuchtsziel Italien“ kann man über das Museum Burg Posterstein kaufen
Erstmals stellt ein Buch den Künstler Ernst Welker in den Mittelpunkt. Es ist über das Museum Burg Posterstein bestellbar.
Aus über 12.000 Ausflugszielen in Deutschland, Österreich und der Schweiz wählte das auf familienfreundliche Ausflugsziele spezialisierte Suchportal www.familienausflug.info das Museum Burg Posterstein unter die TOP 10-Ausflugsziele 2023 in Thüringen. Das Suchportal zählt zu den beliebtesten seiner Art. Die Grundlage für die Auszeichnung bilden über zwölf Millionen öffentliche Bewertungen im Internet. Insgesamt erhielten 290 Ausflugsziele in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Südtirol den Award. Weitere Infos zur Auszeichnung finden Sie hier.
Das Museum Burg Posterstein punktet bei Familien mit der beliebten Kinderburg-Ausstellung, regelmäßigen Ferien-Programmen und Veranstaltungen wie dem Steckenpferd-Turnier. 2022 waren fast die Hälfte der rund 20.000 Museumsbesucher Familien mit Kindern, Schulklassen und Kitas.
Hier zeigt Museumsmitarbeiterin Franziska Huberty die Urkunde von Familienausflug.info. Franziska Huberty ist auch maßgeblich mitverantwortlich dafür, dass Burg Posterstein so familienfreundlich ist. Sie hat nicht nur die Ausstellung „Die Kinderburg“ mit konzipiert, sondern führt derzeit fast täglich Schulklassen, Kitas und Kindergeburtstage auf unterhaltsame Art durch die Burg.
Familienfreundliche Burg Posterstein
Kinder entdecken die Burg Posterstein mit einer Schatzkarte. Denn „Die Kinderburg“-Ausstellung beantwortet von Kindern gestellte Fragen kurz und knapp. Zum Beispiel: Wie pullerte ein Ritter, wenn er seine Rüstung anhatte? Hatte jeder Ritter ein Pferd? Und: Durfte jeder Ritter oder Burgherrin werden?
Stationen zum Anfassen, Ansehen und Anhören führen interaktiv und spannungsreich durch die gesamte Burg – vom Verlies bis auf den Turm. Von der Plattform in 25 Metern Höhe reicht die Sicht bei schönem Wetter bis ins Erzgebirge.
Kleine Besucherin beim „Marchen-Memo“ – „Marchen“ hießen im Altenburger Land die Bauersfrauen in Tracht.
Die über 800 Jahre alten Höhenburg Posterstein liegt im Dreiländereck Thüringen-Sachsen-Sachsen-Anhalt. Die Ausstellungen erzählen von der Geschichte der Burg Posterstein, der Region und von Salons, die kluge Frauen vor 200 Jahren führten.
Jedes Jahr zu Pfingsten erwacht beim großen Mittelalterspektakel mit Ritterspielen, Gauklern und Händlern für drei Tage das Mittelalter zum Leben. Und zum Internationalen Kindertag am 20. September – in Thüringen ein Feiertag – treten kleine Ritterinnen und Ritter beim Großen Postersteiner Steckenpferdturnier an.
Das Museum Burg Posterstein zeigt wechselnde Sonderausstellungen zu regionaler Geschichte und Kunst. In allen Schulferien finden Ferienprogramme mit immer wieder neuen Themen-Schwerpunkten statt.
Nächstes Ferienprogramm:
8. Juli bis 20. August, während der Öffnungszeiten des Museums
Besaß jeder Ritter ein eigenes Pferd? Welche Tiere lebten auf einer Burg? Und heulte ein Schlosshund wirklich? In den Sommerferien dreht sich alles um Tiere, die zu den festen Bewohnern von Burgen und Rittergütern gehörten. Ihr bekommt kniffelige Rätselfragen und allerhand Gelegenheit, euch auszuprobieren.
Für das Sommerferien-Rätsel ist keine Voranmeldung nötig.
In den Sommerferien freier Eintritt mit dem Thüringer Kulturpass
Schülerinnen und Schüler mit Thüringer Kulturpass können die Burg Posterstein in den Sommerferien kostenlos besuchen. Dafür reicht es, den analogen oder digitalen Kulturpass an der Museumskasse vorzuzeigen.
Mit dem Thüringer Kulturpass können Schülerinnen und Schüler in Kultureinrichtungen weltweit Stempel sammeln. Für zehn Stempel erhalten Teilnehmende ein persönliches Zertifikat sowie die Chance auf eine Vielzahl attraktiver Preise. Der Thüringer Kulturpass wird von der Thüringer Staatskanzlei gefördert.
Die Ostereier-Schau, die wir bis 1. Mai 2023im Museum Burg Posterstein zeigen, enthält diesmal einige „Easter Eggs“, die sich auf unsere anderen Ausstellungen, Sammlungen und Forschungen beziehen. Für alle, denen der Begriff nicht so geläufig ist: Unter „Easter Eggs“ versteht man versteckte Hinweise und Referenzen in künstlerischen Werken wie Filmen und Büchern, die sich auf andere Werke beziehen. In unserem Fall gibt’s in der Ausstellung mehr oder weniger unauffällige Andeutungen auf Ausstellungsthemen der ständigen Ausstellungen und der nächsten Sonderschau.
Die Ostereier-Schau auf Burg Posterstein
Die Ostereier-Schau „Wenn die Osterglocken läuten“ holt von 1. April bis 1. Mai 2023 den Frühling in die Burg Posterstein. Die Sonderschau zeigt in einem Raum hunderte, von Peter Rehfeld in verschiedenen Techniken gestaltete Ostereier aus der Sammlung des Museums und stellt sie Frühlingsgedichten gegenüber. Die Gedichte schrieben Autorinnen und Autoren, die in der ständigen Ausstellung des Museums eine Rolle spielen.
Im Video gestaltet Marion Dinger aus dem Museumsverein Burg Posterstein e.V. ein Osterei mit Narzisse und Gedicht – per Klick gelangen Sie zu unserem YouTube-Account, wo Sie sich die Anleitung im Zeitraffer anschauen können.
Was haben Jean Paul, Theodor Körner und Hans Fallada gemeinsam?
In der Ostereier-Schau treffen Besucherinnen und Besucher auf Gedichte von Theodor Körner, Jean Paul, Hans Wilhelm von Thümmel, Elisa von der Recke und Christoph August Tiedge, die allesamt Gäste im Salon der Herzogin von Kurland in Löbichau waren. Auch ein Gedicht, wenn auch kein fröhliches, von Hans Fallada, dem das Museum ab 14. Mai 2023 eine Ausstellung widmet, ist dabei.
Alle Schriftsteller eint, dass sie zu Lebzeiten Gast, vorrübergehend wohnhaft oder beheimatet im heutigen Altenburger Land waren und in der ständigen Ausstellung des Museums Erwähnung finden.
Das Patenkind der Herzogin Dorothea: Theodor Körner
Im Frühling
1810
Morgenduft! Frühlingsluft! Glühend Leben, Muthige Lust, Freudiges Streben In freudiger Brust! Hinauf, hinauf Auf der lichten Bahn Dem Frühling entgegen!
Auf allen Fluren Der Liebe Spuren, Der Liebe Segen. Wälderwärts Zieht mich mein Herz, Bergaus, bergein, Frei in die Welt hinein, Durch des Tages Gluth, Durch nächtlich Grausen!
Jugendmuth Will nicht weilen und hausen. Wie alle Kräfte gewaltig sich regen, Mit heißer Sehnsucht spät und früh, Dem ewigen Morgen der Liebe entgegen, Entgegen dem Frühling der Phantasie!
Aus: Theodor Körner: Gedichte, in: Theodor Körner‘s Werke. Vollständigste Ausgabe mit mehreren bisher ungedruckten Gedichten und Briefen, Berlin 1890.
Theodor Körner (1791–1813) weilte häufiger in Löbichau als Gast seiner Patin, der Herzogin Dorothea von Kurland. Er studierte in Leipzig und Wien, wo er am Burgtheater arbeitete. Bekannt wurde er als Dichter der Befreiungskriege, in denen er 1813 starb. Der Maler Ernst Welker, von dem unsere Podcast-Folge Nummer 9 erzählt, zeichnete sein Grab. Auch Welker war – wenn auch später als Körner – in Löbichau.
Die Postersteiner Ostereier-Schau verbindet Ostereier und Frühlingsgedichte.
Die Halbschwester der Herzogin: Elisa von der Recke
Ebenfalls eine Taufpatin Theodor Körners war die Schriftstellerin Elisa von der Recke (1754–1833), die Halbschwester der Herzogin Anna Dorothea von Kurland. Sie schrieb unter anderem folgendes Frühlingsgedicht:
Frühlingslied
Sieh, der Frühling lacht uns wieder; Bunt geschmückt sind Hain und Flur; Laut erschallen seine Lieder Von den Sängern der Natur; Lichte Silberwolken mahlen Schön sich auf des Himmels Blau, Und die Pracht der Sonnenstrahlen Schmückt mit Glanz die Blumenau‘. Reiche Saat wogt auf den Feldern, Wie ein grünes Wellenmeer; Auf den Bergen, in den Wäldern Lacht um uns die Freude her; Jeder neue Tag entfaltet Neuen Blüthenschmuck der Flur; Und die Schönheit, die veraltet, Wird ein Segen der Natur. Schnell auch welkt der Jugend Blüthe, Gleich dem holden Lenz, dahin! Weisheit, zarte Seelengüte, Sind ein bleibender Gewinn. Lerne du von Mutter Erde, Wie sie Lenz und Sommer braucht! Daß zur Frucht die Blüthe werde, Darum wird ihr Schmuck enthaucht.
aus: Gedichte der Frau Elisa von der Recke, gebornen Reichsgräfin von Medem / hrsg. von C. A. Tiedge. Mit Compositionen von Himmel und Naumann, Halle 1806.
Der ständige Begleiter Elisa von der Reckes: Christoph August Tiedge
Gemeinsam mit dem Schriftsteller Christoph August Tiedge (1752–1841) verbrachte Elisa von der Recke so manchen Sommer in Löbichau. Auch er widmete dem Frühliung Gedichte:
Frühlingslied
Auf die Erde gießt der Himmel Seinen wärmern Sonnenschein, Und ein fröhliches Gewimmel Junger Kräfte rauscht im Hain. Hohe Siegeslieder singend, Winkt die blühende Natur, Ihren vollen Thyrsus schwingend, Dich auf ihre grüne Flur. In den klaren Aether tauchen Sich die Lüft‘, und schwärmen dann Durch die Wiese hin, und hauchen Sanft das erste Veilchen an. Dieses Kind der wärmern Lüfte, Zart und freundlich, wie dein Scherz, O, das Veilchen, Minna, düfte Seine Stille dir ins Herz! Um die frühe Philomele Flattert reges Laubgewühl; Sie erweck‘ in deiner Seele Das melodische Gefühl, Welches in der holden Güte In der Graziengestalt Deiner zarten Lebensblüte Leis‘ und lieblich wiederhallt.
Aus: An Minna von B., 1788, in: Elegien und vermischte Gedichte von C. A. Tiedge, Erstes Bändchen, Halle in der Rengerschen Buchhandlung 1803.
Ab 1804 lebte Christoph August Tiedge mit Elisa von der Recke abwechselnd in Halle und Berlin oder reiste mit ihr durch Deutschland, die Schweiz und Italien.
Der Minister vom Nachbar-Rittergut: Hans Wilhelm von Thümmel
Zu den ständigen Löbichauer Gästen zählte der Geheime Rat und Minister Hans Wilhelm von Thümmel, dem das benachbarte Rittergut Nöbdenitz gehörte. Auch ihm widmeten wir bereits eine Podcast-Folge.
Die 1000-jährige Eiche Nöbdenitz im März 2023
Thümmel wählte die 1000-jährige Eiche von Nöbdenitz zu seiner außergewöhnlichen Grabstätte. Zu Lebzeiten soll er in der Eiche Aphorismen verfasst haben. Frühlingsgedichte aus seiner Feder sind uns nicht bekannt, aber einer seiner Aphorismen hat den Weg in die Ostereier-Schau gefunden:
Aphorismus Nr. 140
Wer für die melodische Stimme des Waldes kein Ohr, wer für die Reize der Natur nur ein flüchtiges Auge, wer bei Erblickung des strotzenden Fruchtbaums und bei den grünenden Saaten, die Reiche und Arme sättigen, keine dankbare Zunge, wer für Millionen duftender Blumen und Kräuter ur stumpfe Nerven hat, der besitzt zwar Thiergefühl, aber keine Empfindung: er mag im Sumpfe ekler Zerstreuung sein Leben hinhauchen.
Aus: Hans Wilhelm von Thümmel: Aphorismen aus den Erfahrungen eines Sieben und Siebzigjährigen, Altenburg 1821.
Der Sommergast der Herzogin: Jean Paul
Einen Sommer verbrachte der bekannte Dichter Jean Paul (1763–1825) auf besondere Einladung der Herzogin von Kurland in Löbichau, wo er die dort herrschende Sprechfreiheit lobte. Davon erzählt unsere Podcast-Folge 1, in der wir Jean Pauls Besuch aus Sicht der Herzogin erzählen. Demnächst (Mai 2023) behandelt Folge 11 des Podcasts noch einmal diesen Besuch aus Sicht des Dichters.
Frühling im Schlosspark Tannenfeld
Auch Jean Paul ist nicht für Frühlingsgedichte bekannt. Aber wir zitieren gern eine Stelle aus seinem „Titan“:
Wenn der Mensch vor dem Meere und auf Gebirgen, und vor Pyramiden und Ruinen, und vor dem Unglücke steht und sich erhebt, so strecket er die Arme nach der großen Freundschaft aus. – Und wenn ihn die Tonkunst und der Mond, und der Frühling und die Freudenthränen sanft bewegen, so zergeht sein Herz und er will die Liebe. – Und wer beide nie suchte, ist tausend Mal ärmer, als wer beide verlor.
Aus: Titan, Erstes Bändchen, in: Jean Pauls sämmtliche Werke, XXI, Fünfte Lieferung, Erster Band, Berlin 1827, S. 142.
Der Patient und Lehrling: Rudolf Ditzen
Nicht Gast im Salon der Herzogin von Kurland war der letzte Dichter, den die Sonderschau zitiert, denn er kam erst hundert Jahre später in unsere Gegend. Rudolf Ditzen (1893–1947), der später weltbekannte Schriftsteller Hans Fallada, verbrachte in seiner Jugend, längere Zeit in der Nervenheilanstalt in Tannenfeld. Diese war Jahrzehnte nach der Zeit des Löbichauer Salons im ehemaligen Schlosspark Tannenfeld entstanden. In der ländlichen, idyllischen Umgebung verfolgte der Arzt Dr. med. Arthur Tecklenburg dort ein modernes Klinikkonzept.
Blühende Narzissen im Schlosspark Tannenfeld
In dieser Umgebung verbesserte sich Rudolf Ditzens Zustand sichtlich, auch wenn das hier zitierte Gedicht noch von seiner schweren Depression in Folge seines missglückten Doppelselbstmords zeugt:
Tannenfeld
Vielleicht ist Park hier nichts so sehr wie Leid, Vielleicht ist Baum ein hingeschluchztes Wort, Und jedes Blatt ist einer Schwermut Kleid, Darinnen Lust wie Leid erstickt verdorrt. Vielleicht führt jeder Weg zum Irrsinn hin, Vielleicht ist Teich ein tief erweinter Schmerz, Und jedes Haus steht stets im Dunkel drin, Und nichts ist stumm, eh’s nicht zu Boden fällt Nur Ding ist tot und dies vielleicht auch nicht, Es wehrt sich auch und schreit sein tiefstes Leid, So schreit auch Mensch in Schmerzen jederzeit, Bis man ihm schließlich dunkle Kränze flicht.
Aus: Rudolf Ditzen (Hans Fallada) aus seiner Krankenakte
Nach seiner Entlassung absolvierte der junge Mann auf dem Rittergut Posterstein eine landwirtschaftliche Ausbildung. Anlässlich seines Geburtstags zeigt das Museum Burg Posterstein von 14. Mai bis 12. November 2023 die Ausstellung „Hans Fallada – Familienbilder. Wie aber bestehe ich vor Dir, sehr liebe Verwandtschaft –?!“ der Hans-Fallada-Gesellschaft. Diese schöpft aus den umfangreichen Beständen des Hans-Fallada-Archivs und rückt Erinnerungen, Briefe und Fotos der Familie Ditzen in den Mittelpunkt. In Posterstein zu sehen sein wird eine Kabinett-Ausstellung in einem Raum, die bewusst einen Schwerpunkt auf Rudolf Ditzens Jahre in Tannenfeld und Posterstein legt. Zur Ausstellung wird es ein umfangreiches Begleitprogramm geben.
In dieser Podcast-Folge, die 2022 erstmals live im Museum Burg Posterstein zu hören war, stellt die Historikerin Franziska Huberty den Maler Heinrich Reinhold und seinen Künstlerkollegen Ernst Welker in den Mittelpunkt. Mehrfach gingen sie gemeinsam auf Reisen. In einem Brief beschreibt Heinrich Reinhold nicht nur die Landschaft, sondern auch wie solche Reisen abliefen, wie wetterabhängig die Künstler dabei waren, wie viel Gepäck sie mitnahmen und wie sie sich bei Regenwetter die Zeit vertrieben.
Den Titel der Folge spricht diesmal Uwe Buchheim, der das Museum Burg Posterstein gerade in Bezug auf Ernst Welker maßgeblich durch Schenkungen und Leihgaben unterstützt hat – herzlichen Dank dafür!
Wie immer können Sie diese Folge als Blogpost lesen oder als Podcast anhören:
„Nächst ihr [Gräfin Trogoff] wurde der Reisezug durch unseren Zeichenlehrer, Herrn Ernst Welker, Vetter der beiden berühmten Welker, vermehrt. Er war aus Suhl gebürtig und Sachse vom reinsten Wasser; längere Zeit hatte er sein Fortkommen in Wien gefunden, von wo ihn die Herzogin als unseren Lehrer, gerne gesehenen Gast und guten Gesellschafter mitgenommen hatte.“
Emilie von Binzer: Drei Sommer in Löbichau, zu ihr gibt es eine eigene Podcast-Folge
So berichtet Emilie von Binzer in ihrem Buch „Drei Sommer in Löbichau“ über den Landschaftsmaler Ernst Welker. Und damit heiße ich Sie ganz herzlich willkommen zur 9. Folge der LeseZEIT mit Geschichte und Geschichten aus dem Museum Burg Posterstein. Aus dem Burgstudio begrüßt Sie wie immer die Historikerin Franziska Huberty.
Falsche Fakten über Ernst Welker
50 Jahre nach den eigentlichen Geschehnissen schrieb Emilie von Binzer, geborene von Gerschau und Enkelin der Herzogin Anna Dorothea von Kurland, inspiriert durch die „Jugenderinnerungen“ ihres einstigen Freundes Gustav Partheys, Auszüge aus ihrer Jugendzeit nieder, spricht über ihre Familie und über die Löbichauer Gäste, über besondere und weniger besondere Situationen des Salonalltags und gibt auf humorvolle, unterhaltende und nicht selten ironische Weise einen ganz speziellen und persönlichen Einblick in das Leben der damaligen Zeit. Dabei ist es nicht verwunderlich, dass ihr einige Fehler unterlaufen, wie auch hier, in diesem kurzen Abschnitt über ihren Zeichenlehrer Ernst Welker, der keines Wegs „aus Suhl gebürtig“ war. Und doch ist dieser kurze Abschnitt in gewisser Weise bezeichnend für die Erinnerung an den Maler. Denn oft sind nur die Hälfte aller veröffentlichten Daten über Ernst Welker – und das, wie es scheint, noch zu Lebzeiten des Künstlers – tatsächlich korrekt.
Der Maler Ernst Welker und seine Zeichenschülerin Emilie von Gerschau (später: von Binzer) auf einem Sofa. Ausschnitt aus einer Bleistiftskizze (Sammlung Welker, Museum Burg Posterstein).
Obwohl Ernst Welker ein anerkannter Maler war, der mit den künstlerischen Größen seiner Zeit – wie Johann Adam Klein, den Gebrüdern Reinhold oder Johann Christoph Ehrhardt – auf Reisen ging, der Gesellschafter und Zeichenlehrer im Salon der Herzogin von Kurland in Löbichau war, mit Wilhelmine von Sagan durch Italien reiste und bis zu seinem Tod 1857 in Wien als Landschaftsmaler seinen Lebensunterhalt verdiente, gab es allein um sein Geburtsjahr lange Uneinigkeit. Bereits im „Biographischen Lexikon des Kaiserthums Oesterreich“, 1886 erschienen, werden die Lebensdaten des Malers mit 1788–1857 angegeben. Andere Quellen, darunter der Grabstein Ernst Welkers auf dem St. Marx-Friedhof in Wien, nennen das Jahr 1784 als sein Geburtsjahr. Doch im Allgemeinen durchgesetzt hat sich das Jahr 1788 – und das völlig zu Unrecht!
Und um Ihnen das endgültig zu beweisen, kommt hier der Originalauszug aus dem Taufregister der Kirche St. Augustin in Gotha: „5. Aprilis 1784. Hat Herr Phillip Friedrich Welker, herzogl. Sächs. Geheimer Archivarius allhier, seinen Sohn in hiesiger Schloßkirche von dem Herrn Ober-Hofprediger Bause taufen und Johann Heinrich Ernst nennen laßen.“ Neben dem Eintrag ist zudem vermerkt: natus – also geboren – den 4. Aprilis. Johann Heinrich Ernst Welker wurde also am 4. April 1784 in Gotha als Sohn des herzoglich-sächsischen geheimen Archivars und Juristen Philip Friedrich Welker und seiner Frau Johanne Auguste Sophie, geb. Kögel, geboren.
An dieser Stelle geht mein herzlicher Dank an Udo Hopf aus Gotha, mit dessen Hilfe und Kontakten es uns gelang, auch in Zeiten, in denen es schwierig war, in den Archiven zu recherchieren, an diese wichtigen Informationen und Quelle zu gelangen.
Philip Friedrich Welker hatte 1776 in Gotha geheiratet. Insgesamt entstammen aus der Ehe 5 Kinder. Zudem war Ernst Welkers Vater Mitglied der „Loge zu den 3 Rosen“ in Jena und starb 1792.
Der Maler Ernst Welker auf Reisen
Sein Sohn, Ernst Welker, erlangte erste Kenntnisse im Zeichnen wohl in Weimar, danach folgte ein Kunststudium an der Wiener Akademie der Bildenden Künste – wohl seit 1804. 1807 erhielt er dort sogar einen Preis für seine Arbeit als „junger Künstler“. Er machte den ersten Platz in der Kategorie „Landschaften“. In Wien muss Ernst Welker auch den Patensohn der Herzogin von Kurland, Theodor Körner kennengelernt haben. Glaubt man einem Artikel im „Allgemeinen Anzeiger der Deutschen“ – herausgegeben in Gotha, im Jahr 1814 – begleitete Welker Theodor Körner 1813 aus Wien nach Breslau, um sich dort als Freiwilliger im Lützowschen Coprs zu melden. Als Lützower Jäger kämpften beide auf Seite Preußens gegen Napoleon und Welker wurde Augenzeuge Körners Tod. Bekannt wurde vor allem ein Aquarell „Körners Grab bei Wöbbelin“, das später als Stich in großer Zahl käuflich zu erwerben war.
Theodor Körners Grab bay Wöbbelin, bey Grabow in Mecklenburg Schwerin, geblieb. den 26. August 1813, Ernst Welker ad nat. del. 1813 et se. 1814, British Museum, CC-BY-NC-SA 4.0
Welker kehrte nach Wien zurück, wo ihn 1816 die älteste Tochter der Herzogin von Kurland, Wilhelmine von Sagan, als Erzieher und Zeichenlehrer für ihre Pflegetöchter verpflichtete. In dieser Funktion weilte er in den Jahren 1819, 1820 und 1821 in deren Schlössern in Sagan und Ratibořice, was durch Briefe Wilhelmines an ihre Mutter zu belegen ist. 1819 und 1820 reiste Welker auch mit nach Löbichau, wo er die anwesenden Gäste zeichnen durfte.
Doch auch unabhängig von seinen Diensten bei der Herzogin von Sagan, begab sich Ernst Welker auf künstlerische Reisen. Im Sommer 1817 unternahm er mit seinen Malerkollegen Heinrich Reinhold und Johann Christoph Erhard eine Fußreise nach Niederösterreich, besonders in das Schneeberggebiet. Reisestationen waren u.a. die Burgruine Starhemberg und der Schlosspark Laxenburg. 1818 unternahm Welker zusammen mit den Malern Johann Christoph Erhard, Johann Adam Klein und den Brüdern Friedrich Philipp Reinhold und Heinrich Reinhold aus Gera Reisen nach Salzburg und Berchtesgaden, wovon zahlreiche Grafiken und Zeichnungen zeugen.
Die Maler Heinrich Reinhold (links), Johann Christoph Erhard (Mitte) und Ernst Welker (rechts) vor einer Burgruine in der Umgebung des Schneeberges, gezeichnet und radiert von Johann Christoph Erhard, 1817 (Sammlung Museum Burg Posterstein)
Und hier setzt auch unsere heutige LeseZEIT ein. Von Welker selbst sind – nach jetzigem Stand – keine persönlichen Berichte erhalten geblieben. So müssen wir aus den Aufzeichnungen seiner Zeitgenossen schöpfen.
1927 veröffentlichte Heinrich Schwarz einen Brief des Geraer Malers Heinrich Reinhold an dessen Bruder Gottfried Reinhold aus dem Jahr 1818. Darin beschreibt der Künstler seine Reise mit Erhard, Welker und Klein nach Salzburg und an den Königsee. Nicht nur seine Beschreibungen der Landschaft geben viel Aufschluss über die Reise der Künstler. Er beschreibt auch wie die kleine Gruppe unterwegs war und womit sie sich die Zeit vertrieben.
Welker reiste 1818 gemeinsam mit Erhard von Wien über Linz ab. Beide kamen zwei Tage vor den Brüdern Reinhold zwischen dem 22. und 25. Juni 1818 in Salzburg an und kehrten im Gasthof „Zum Mohren“ ein, wie man der „Salzburger Zeitung“ entnehmen kann. Dort trafen sich die vier schließlich noch mit Johann Adam Klein und die Reise begann.
Ich lese aus:
Heinrich Schwarz: Heinrich Reinholds Bericht über seine Reise nach Salzburg, Tirol und Oberösterreich im Sommer 1818, aus: Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Band 67, Salzburg 1927. Die Ausschnitte befinden sich auf den Seiten 158 bis 163.
„Man soll doch niemals an der Erfüllung eines an sich nicht zu übertriebenen Wunsches, der an sich, versteht sich von selbst, auch rechtmäßig ist, zweifeln. Ein Beyspiel davon haben wir diesen Sommer gehabt. In meinem letzten Brief schrieb ich Dir, daß wir schon längst dem aufkeimenden Wunsch Gehör gaben, Salzburg zu sehen. Anfangs wurde derselbe, der anscheinenden Unmöglichkeit wegen, immer unter die frommen gezählt, bis endlich, durch einige glückliche Umstände begünstigt, der Entschluß schnell reifte, der Wille hatte die Möglichkeit herbeygeführt, und wir sahen uns plötzlich am Ziel unserer Wünsche, ehe wir noch glaubten, daß es möglich sey. Wir hatten beyde gerade ziemlich einträgliche Arbeiten gehabt, und diese lieferten das Reisegeld. Man soll sich nur zuweilen keck über alle Bedenklichkeiten wegsetzen, die in unsrer Lage übrigens verzeihlich sind. 0 hörst Du, welch herrlichen Genuß hat uns diese Reise verschafft! welch einen Gewinn für den Künstler an Geist und Körper! Diese Eindrücke können bey mir gewiß durch keine nachfolgenden jemals verdrängt werden. Es ist ein herrliches Land! Ich kann keck behaupten: es giebt in Deutschland wenigstens, keinen schönern Aufenthalt als Salzburg und die umliegende Gegend, Berchtesgaden mit einbegriffen, das Ländchen, was, beynahe buchstäblich genommen, höher als breit ist.
Elsaß, schön als es ist, kann ich nicht dagegen stellen, und die Schweiz, d. h. so weit ich sie sah, auch nicht. Ersterem fehlen die gewaltigen Gebirge, ob es gleich sehr fruchtbar und mahlerisch ist, und der von mir gesehene Theil der Schweiz hat nicht diese schönen Formen, oder ganz gewiß keine schöneren. Und doch wird Salzburg erst seit wenigen Jahren von Fremden häufiger besucht, und liegt uns um so viel näher als die Schweiz, es ist nämlich nur 42 Meilen von Wien. Ich will Dir nur erst eine Übersicht der ganzen Reise geben, damit Du Dich orientiren kannst.
Wir reisten den 23. Juli mit einem Landkutscher, der einen viersitzigen Wagen hat, die Person zu 40 fl W. W. gerechnet, mit noch 2 andern Herren von hier weg und kamen nach 4 und 1/2 Tag in Salzburg an, über St. Pölten, Stift Molk, Ens, Ebelsberg, Neubau, Wels, Lambach, Schwanenstadt, Vöglabruck (Salzburger Grenze). Frankenmark, Neumark, Salzburg. Von Wien bis Linz ist die Gegend weniger schön, doch hat man von St. Pölten an die Aussicht auf die nächsten steyerischen Berge. Die Donaugebirge sind unbedeutend. Mehrere Stunden oberhalb Linz aber bey Lambach &c. fängt sie auf der linken Seite an schön zu werden, da entfaltet sich nach und nach ein Gipfel der Gebirge des Salzkammergutes nach dem andren, und werden immer mahlerischer, so wie man sich der Salzburger Grenze nähert; dazu hatten wir königliches, aber sehr heißes Wetter, daß wir alle 4 im Wagen beynahe zerflossen sind, weil wir etwas eng saßen, absonderlich mit den Beinen. Das Herrliche fieng aber von der letzten Station vor Salzburg, Neumark, an. Welch ein Anblick, welche Fülle der Vegetation!
Rechts unten lag ein kleiner See, der Seekirchner See; gerade vor uns hatten wir den Kapuzinerberg mit einem Kloster, der nicht sehr hoch ist, und an welchem ein Theil der Stadt liegt, die man aber da noch nicht sieht, weil die Straße etwas links her kommt. Hinter diesem her vor ein Theil des Mönchsbergs, ein herrlicher ganz steil abgeschnittener Felsrücken von 200 bis 300 Fuß Höhe, welcher die Stadt von derSüdseite einschließt, so daß über den Häusern unmittelbar sich die ganz schroffe, röthlich graue Felswand erhebt. Die Salza fließt zwischen diesen beyden Bergen mitten durch die Stadt, doch sieht man sie von diesem Standpunkt auch nicht. Ueber allen diesen nun hervor erheben sich die gewaltigen Häupter des Untersberges, über 6000 F. etwa 1 starke Stunde von der Stadt, weiter hinten noch in einer gewaltigen Kette das Tennengebirg, der Göllen, der sich an den hinteren Theil des Untersbergs anschließt, weiter rechts nach Südwest das Lattengebirg, der Ristfeucht, Ochsenkopf, Sonntagshorn, dann in Westen beinahe, der schöne hohe Staufen, von welchem aus sich das Gebirg verflacht und in die große bayerische Ebene in Nordwest und Norden ausläuft, ein köstliches Panorama. Dies alles sind Berge von 5— 7000 F. und drüber.
Das ist aber noch nicht alles, ganz hinten zwischen dem Göllen und Untersberg in Süden und hinter Berchtesgaden steigen nun erst der ehrwürdige zwiehäuptige Watzmann mit seinen furchtbaren Zacken von 10 000 F. und noch weiter die Teufelshörner empor, die auch zu Berchtesgaden gehören. Ich will nicht versuchen, Dir das Überraschende und Herzerhebende dieser Szene auszumahlen. Der schwüle Sommerton, die blauen Gebirge mit ihren Schneehäuptern, man muß es sehen. Nordöstlich von der Stadt etwa eine bis 1½ Stunde entfernt liegt noch ein anderer Berg mit runder Kuppe, der Geisberg von 4000 F. Der verschwindet aber ganz, man bemerkt nicht, daß er so hoch ist, ob seine Höhe gleich vielleicht 800 F. mehr beträgt als die des Brockens.
Die Stadt ist ganz italienisch gebaut mit flachen Dächern, und hat ein sehr freundliches einladendes Ansehen. Sie hat einen ganz fremden eignen Eindruck gemacht, wie ich mich von keiner der Städte, die ich sah, erinnere. Der Mönchsberg, ein wie gesagt an seiner höchsten Stelle etwa 300 F. hoher Felsrücken von etwa 2000 Schritt Länge, flötzartig und auf allen Seiten ganz senkrecht, schließt die Stadt dergestalt in Süden ein, daß man gezwungen war, durch die ganze Breite ein Thor von 163 Schritt Länge zu hauen, ein wahres Riesenwerk. Es ist gegen 10— 12 Schritt breit, und vielleicht 30 F. hoch, und in die Ebene zwischen den Mönchsberg und Untersberg hinaus führt. Oestlich an den Mönchsberg schließt sich der Schloßberg, auf welchem die Festung Hohen-Salzburg liegt, keine moderne Festung, sondern ein altes Schloß von ungeheuerm Umfang und Höhe in sehr schönem, halb italienischen Styl gebaut. Der Rücken des Mönchsberges ist ganz herrlich mit allen Arten Bäumen bewachsen, die sich überall wunderschön gruppieren. Dieß und die vortreffliche Aussicht auf die Gebirge und Ebene, macht ihn zu dem schönsten Park und Spatziergang, den ich je sah, nur daß die Kunst nichts dabey gewirkt hat. Südlich vom Mönchsberg in der Fläche nach dem Untersberg zu etwa 2000 Schritt vom Mönchsberg liegt ein andrer ganz isolierter ganz steiler, angeflötzter Felsrücken von etwa 800— 1000 Schritt Länge, und etwa 200— 300 F. Höhe, der Ofenlochberg, welcher ganz parallel mit ersterem läuft, auch sehr schön bewachsen ist, aber nur mit kleinen Bäumen und Gebüsch, und oben auch hin und wieder Feld hat.
Ein paar gute Freunde, auch Künstler, waren zwey Tage vor uns von Wien abgereist und erwarteten uns hier, wo wir alsdann auch in demselben Wirthshaus wohnten, und ein sehr lustiges Leben während der 3 Wochen unsers Aufenthaltes führten. Leider hatten wir aber 10— 11 Tage Regen, doch haben wir im unermeßlichen Schweiß unserer Angesichter ziemlich viel gezeichnet. Ein dritter Freund kam 8 Tage später auch an von Wien, und nun giengs noch lustiger und toller her, wenn wir Mittag oder Abends zum Essen zusammenkamen. Doch ich sehe, daß ich zu umständlich werde, also nur das Wesentliche. Wir trafen die beyden jungen Fürsten Lobkowitz nebst ihrem Hofmeister auch an, die durch Steyermark gekommen waren, und nun von hier aus den Glöckner, an der tyrolisch-kärntnerisch-Salzburger Grenze besuchen wollten, d. h. dieser Berg, der höchste in der ganzen österreichischen Monarchie, liegt da wo sich diese 3 Grenzen berühren. Zu dieser Expedition wurde ich denn eingeladen, welches nicht auszuschlagen war, da es sehr artige junge Leute sind, und auch der Folge wegen, und nach Berchtesgaden bestellt (5 St. von Salzburg), von wo aus der Marsch angetreten werden sollte, und wohin sie denn auch über Hallein, um dort die berühmten Salzwerke zu sehen, kommen wollten.
Wir gesegneten also Salzburg und machten uns in corpore auf, d. h. wir beyde, Ehrhardt, Klein und Welker. So sehr wir auch unser Gepäck vereinfacht hatten, indem wir die Oehlmahlereygeschichten nach Wien zurückgeschickt hatten, so wurde uns doch das Uebrige über die Maßen sauer und beschwerlich, da es zumal sehr schwül war. Wir hatten uns verspätet, und waren erst gegen halb 2 ausgegangen und kamen endlich Abends gegen 7 Uhr ziemlich müde in Berchtesgaden an. Dieß ist ein ganz kleines Städtchen oder eigentlich Markt, von etwa 2000 Einw. und liegt in einem Bergkessel, doch nicht fürchterlich, im Hintergrund starrt der Watzmann in die Höhe. Eine Stunde davon nach dem Watzmann zu liegt der berühmte Königs- oder Bartelmeisee zwischen gewaltig-schroffen Wänden rings umschlossen. Das ganze Thal bis an den See wo es sich schließt und eng wird, weil von der linken Seite her der hintere Göllen sich nähert, zeichnet sich durch seine herrliche Vegetation und Alpen aus, vorzüglich schöne ungeheure Ahorne giebts hier, aber wenig Feldbau, es ist schon zu kalt und rauh, und das wenige Getreide oder Hafer wird oft nicht reif. Deswegen nährt sich ein großer Theil der Einwohner von Schnitzarbeit, die bekannten Spielsachen, von denen Du auch wohl gehört hast, doch werden sie elend bezahlt und leben kümmerlich. Dann haben sie etwas Viehzucht, und ein großer Theil findet durch das große Salzwerk seinen Unterhalt.
Die Künstler Johann Christoph Erhard, Heinrich und Friedrich Reinhold und Ernst Welker (von links nach rechts) auf ihrer Reise von Salzburg nach Berchtesgaden im August 1818, gezeichnet von Johann Adam Klein (Sammlung Thorvaldsens Museum Kopenhagen, CC0).
Aber äußerst mahlerisch ist dieses Thal, doch konnten wir zu unsrem Leidwesen fast Nichts zeichnen, weil es 5 Tage ununterbrochen regnete, denn wenn es im Gebirg einmal anfängt, so kanns gar nicht wieder aufhören, besonders ist Berchtesgaden dafür bekannt. Wir sind schier verzweifelt. Zum Glück war das Wirthshaus sehr gut und billig, wir waren unsrer 5 auf einem Zimmer, und trieben tausend Streiche und Schnaken, hielten Akademie, zeichneten einander, oder Kostüme usw., wurde es ein wenig hell, gleich hinaus um etwas zu zeichnen, doch konnte wenig geschehen. Die Fürsten waren auch schon da und wohnten in demselben Wirthshaus.
Am 5ten Tag Abends wurde es hell, und wir beschlossen den folgenden Morgen abzukratzen, das Wetter möge seyn wie es wolle. Diesen Nachmittag befuhren wir noch den See, es war aber das Wetter auch nicht günstig, windig und fieng endlich wieder an zu regnen, das wir das Ende des Sees nicht erreichen konnten. Ein Sturm ist, auf diesem See besonders, kein Spas, weil er ganz von ungeheuren Wänden umstarrt ist, die senkrecht in den See hereinstehen, und keinen Platz zum Landen lassen im Fall der Noth. Er ist 2 Stunden lang oder etwas mehr, eine starke ¼ Stunde breit, und an der tiefsten Stelle in der Mitte 106 Klafter tief. Die See Liesel, ein hübsches Fischermädchen, welche uns fuhr, hatte eine ungeheure Pistole hergegeben, womit ich auf der Mitte des Sees schoß. Das Echo rollte wie Donner hinüber und herüber. Den folgenden Tag war das Wetter besser und wir rüsteten uns zur Abreise. Wir hatten einen Bedienten und immer einen Wagen, auf welchem das Gepäcke fortgeschafft wurde, so daß ich gar nichts zu tragen brauchte. Fritz wollte noch einen Tag dableiben um den Watzmann noch zu zeichnen. Ehrhardt und Welker setzten ihren Weg nach Gastein fort, und Klein wollte übers Gebirg nach Golling, so zerschlug sich die Gesellschaft auf einmal. Fritz gieng den Tag darauf allein nach Salzburg zurück, von da an die Seen des Salzkammergutes nach Gmunden, über Lambach an die Donau, und auf einem Schiff nach Wien.“
Von 1821 an weilte Welker mehrere Jahre in Italien, wo er seine Malerkollegen in Rom wiedertraf und viele neue Bekanntschaften schloss. Man kann davon ausgehen, dass er sich im Kreis der deutsch-römischen Künstlerkolonie bewegte und versuchte, mit Landschafts- und Architekturdarstellungen ein Publikum zu finden. Er unterhielt Kontakte zu Künstlern wie Berthel Thorvaldsen, Louise Seidler, Johann Christian Reinhart, Josef Anton Koch und Julius Schnorr von Carolsfeld. Im November 1822 reiste der Maler im Gefolge der Wilhelmine von Sagan nach Neapel.
1824 weilte Lili Parthey, die Schwester des Buchhändlers und Altertumsforschers Gustav Parthey, mit ihrem Mann und ihrem Bruder in Rom, traf die dort ansässigen Künstler und schrieb im November 1824 in ihr Tagebuch: „Abends kamen Mila und Tucher zum Thee und der kleine Welcker in alter Erinnerung; er hat leider seinen Bart abgeschnitten.“ Beide hatten sich in Löbichau kennengelernt, in seiner Zeit, als Welker noch einen Schnurrbart „wie einen Äquator“ trug.
In seinen späteren Jahren in Wien war Ernst Welker sehr produktiv. Seine Arbeiten wurden dort regelmäßig bis 1850 ausgestellt, wie man den Jahresausstellungen der Wiener Akademie der Bildenden Künste entnehmen kann. Er starb 1857 in Wien, wo sich auch seine Grabstätte befindet.
Im Juli 2022 widmete das Museum Burg Posterstein diesem fast unbekannten Künstler die Sonderschau „Sehnsuchtsziel Italien – Der Maler Ernst Welker auf Reisen und im Salon der Herzogin von Kurland“. Ausgestellt waren über 60 Arbeiten des Künstlers und weitere Werke seiner Malerkollegen. Die Ausstellung nahm die Besucher mit auf eine Reise nach Italien, Österreich, nach Böhmen und natürlich nach Löbichau! Imm Zuge dieser Sonderschau entstand der bis dato umfangreichste Katalog zum Leben und Wirken des Künstlers. Für nur 25,00 Euro können Sie dieses wunderbare Buch mit dem Titel „Sehnsuchtsziel Italien – Der Maler Ernst Welker auf Reisen und im Salon der Herzogin von Kurland“ im Museum Burg Posterstein erwerben und sich auf eine Reise durch verschieden Lebensstationen und Schaffensorte Welkers entführen lassen.
Und damit verabschiede ich mich, liebe Zuhörende, bis zur nächsten LeseZEIT mit Geschichte und Geschichten aus dem Museum Burg Posterstein!
Von Franziska Huberty (Text und Sprecherin) und Marlene Hofmann (Schnitt)
Reisten einfache Leute oder Bürger im Mittelalter sehr wenig, änderte sich das bereits vor über 200 Jahren. Damals reiste man vor allem zu Fuß, zu Pferd oder per Kutsche. Das war allerdings mit viel Aufwand, Unbequemlichkeit und auch Geld verbunden. In diesem Blogpost geht es speziell um das Reisen in Kutschen vor rund 200 Jahren.
Wenn die Fahrt zum Abenteuer wird
Reisen kann anstrengend sein: Ein Zug kommt nicht pünktlich oder gar nicht, auf der Autobahn ist Stau, vielleicht findet man sogar zu Fuß den Weg nicht gleich, weil das Handy-Signal nicht für Google Maps reicht, und alles dauert manchmal richtig lange. Aber alle diese Probleme, die wir heute bei Ausflügen oder auf dem Weg in den Urlaub haben, sind nichts gegen die Anstrengung, die unsere Vorfahren bei einer Kutschfahrt aushalten mussten.
Johann Adam Klein zeichnete Reisende in Italien (Johann Adam Klein:
Ponte Salara in der Campagna von Rom
Radierung,
Museum Burg Posterstein)
Anders als unsere Autos und Züge waren Kutschen nicht beheizbar und eine Klimaanlage hatten sie gleich gar nicht. Im Winter waren sie eiskalt und im Sommer schwitze man in der Hitze.
Die Straßen waren selten ausgebaut – stell sie dir mehr wie Feldwege vor. Jedes Schlagloch und jeder große Stein wurde von der ungefederten Kutsche an die Insassen weitergeben und schüttelte sie durch. Es konnte sogar passieren, dass ein Wagen umkippte oder bei starkem Regen einfach im Schlamm stecken blieb.
Wurde die Straße zu schlecht, mussten die Passagiere sogar aussteigen und zu Fuß neben der Kutsche herlaufen, bis sich der Weg besserte. Meist kam man so kaum schneller voran als zu Fuß. Selbst kurze Strecken konnten so in einem Abenteuer enden. Und wurden die Holzräder der Kutschen nicht ordentlich geschmiert, konnten sie sogar Feuer fangen. So eine Situation hielt der Maler Ernst Welker in seiner Bleistiftskizze (oben) fest.
„Sie fahren wie eine Schnecke“
Reisen vor 200 Jahren hieß, Zeit mit auf den Weg zu nehmen. Heute können wir mit dem Auto in wenigen Stunden durch ganz Deutschland fahren. Mit dem Flugzeug sind wir sogar in Europa und der ganzen Welt in kürzester Zeit am Ziel. Kutschen waren im Vergleich dazu langsame Gefährte. Sie fuhren nicht schneller, als die Zugpferde liefen. Und die waren nicht im Galopp unterwegs. Schon im Mittelalter konnte ein Bote zu Pferd bis zu 60 Kilometer am Tag weit reiten, eine Kutsche war nicht schneller. Waren die Straßen schlecht, ging es noch langsamer voran. Heute bräuchten wir mit dem Auto vermutlich keine Stunde für so eine Tagesstrecke.
Der Maler Ernst Welker stellte die Gräfin Trogoff als Krebs dar. Dazu schrieb er den Reim „Die Krebse immer rückwärts gehn / Das Kartenspiel man muss verstehn“, denn die Gräfin spielte sehr gern Karten. (Sammlung Museum Burg Posterstein).
Das Tempo ging auch vor 200 Jahren manchem Reisenden zu schleppend. Die Schriftstellerin Emilie von Binzer schrieb in einem ihrer Bücher, dass ihre Reisebegleiterin, die französische Gräfin Trogoff, oft die Kutscher mit den Worten „Sie fahren wie eine Schnecke!“ anfeuerte.
Ganz schön teuer!
Zudem war eine Reise ziemlich teuer. Die Pferde konnten nicht den ganzen Tag eine voll beladene Kutsche ziehen. Auch sie mussten sich einmal ausruhen. Und auch der Kutscher und die Passagiere brauchten Pausen. An sogenannten „Stationen“ konnten Reisende deshalb die Kutsche oder die Pferde wechseln. Oder sie übernachteten auf ihrer Fahrt an verschiedenen Orten. So musste man bei einer Reise nicht nur mit einem Fahrtgeld für das Ticket rechnen, sondern auch für die Kosten für Pferdefutter, Speisen und Übernachtungen aufkommen.
Und noch etwas lauerte auf dem Weg! Deutschland gab es vor 200 Jahren noch nicht in seiner jetzigen Form. Es war in viele Fürstentümer und Staaten aufgeteilt. Und jeder Staat hatte seine eigenen Grenzen, erhob Zollgebühren und hatte im schlimmsten Fall eine eigene Währung. Wollte man ins Ausland reisen, benötigte man Passierscheine, um über die Grenzen zu dürfen. Und alles kostete Geld. Das konnte sich nicht jeder leisten. Vor 200 Jahren waren es vor allem die Adligen und reiche Bürger, die einen Blick auf die weite Welt erhaschen konnten.
Eine Reise mit Kunst und Genuss
Wer die Fahrtkosten scheute, der konnte sich natürlich auch zu einer Fußreise aufmachen. Das langsame Vorankommen hatte immer den Vorteil, die Natur in aller Ruhe genießen zu können. Zu Fuß ging das sogar noch besser. Vor allem Künstler reisten viel zu Fuß, machten unterwegs Halt und zeichneten und malten die Landschaften, durch die sie reisten. Oft waren sie mit Mappen, Stiften, Papier oder zumindest mit einem Skizzenbuch unterwegs. Nicht selten fanden sie sich mit anderen Malern zusammen und reisten gemeinsam an verschiedene Orte, um gemeinsam den Zauber der Natur einzufangen.
Ein Reisender an einem Brunnen in Italien auf einem Bild von Johann Adam Klein (Sammlung Uwe Buchheim)
Einer dieser Maler hieß Johann Adam Klein. Er hielt besonders gern Reisende auf Pferden, mit Kutschen oder Fuhrwerken fest.
Eine Reise bildet
Ein sehr beliebtes Reiseziel vor 200 Jahren war Italien. Nicht nur Künstler zog es in den Süden, auch Adlige und Bürgerliche wollten das „fremde Land“ kennenlernen, antike Bauwerke und Kunst bestaunen und sich so weiterbilden. Damals war es üblich, junge Männer auf eine „Bildungsreise“ zu schicken. Diese nannte man „Grand Tour“. Sie sollten Städte, Länder und Menschen kennenlernen und neue Erfahrungen sammeln. Italien war eines der beliebtesten Reiseziele. Denn von hier stammten die großen Vorbilder dieser Zeit.
Die Zeit um das Jahr 1800 nennt man auch Renaissance, was so viel bedeutet wie „Wiedergeburt der Antike“. Damals waren die Menschen begeistert von den Schriften und Ideen der alten Römer und Griechen. Das Mittelalter galt als düster und seine Zeitgenossen oft als ungebildet. (Den Begriff Mittelalter erklären wir in diesem Blogpost noch genauer.) Deshalb wurde Italien zum begehrten Reiseziel für alle, die es sich leisten konnten.
Blick auf den Petersdom in Rom von der Villa Borghese aus, Ernst Welker, Aquarell, signiert: Welker fec., o. J., Museum Burg Posterstein
Für alle, die zu Hause bleiben mussten, blieben nur das Lesen von Reiseberichten oder das Besuchen von Kunstausstellungen. Sowohl in Büchern als auch in Bildern wurden die Eindrücke des Landes so in die Heimat gebracht.
Die Sammlung Welker auf Europeana – Hier findet ihr alle Zeichnungen, in denen Ernst Welker die Gäste der Herzogin von Kurland in Tiergestalt oder als Gegenstände darstellte.