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Geschichte & Geschichten

Blog des Museums Burg Posterstein

Eine Salondame und ein Ritter auf einer Picknickdecke vor Burg Posterstein
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Von Musen, Erinnerungen und einem Spargel – über die Schriftstellerin Emilie von Binzer

Geschichte & Geschichten Veröffentlicht am 17. November 2020 von Museum Burg Posterstein17. November 2020
Ausschnitt aus der Zeichnung Ernst Welkers, die Emilie von Binzer als Spargel darstellt.
Ausschnitt aus der Zeichnung Ernst Welkers, die Emilie von Binzer als Spargel darstellt. Zu finden in der Sammlung Kurland des Museums Burg Postersteins.

Ob Künstlerinnen, Wissenschaftlerinnen, Schriftstellerinnen, in der Geschichte oder der Moderne: Frauen spielen im kulturellen Gedächtnis eine wichtige Rolle, jedoch viel zu oft noch immer eine untergeordnete. Die Münchner Stadtbibliothek Monacensia im Hildebrandhaus lädt gerade zur Blogparade #femaleheritage, um die Rolle von Frauen in der Erinnerungskultur zur Diskussion zu stellen und herausragende Frauen in den Mittelpunkt zu rücken. Das Museum Burg Posterstein beteiligt sich mit Freude daran, denn ein großer Teil unserer Forschungsarbeit beschäftigt sich mit starken und kreativen Frauen des 18. und 19. Jahrhunderts, allen voran der Herzogin Anna Dorothea von Kurland (1761–1821). Dieser Beitrag widmet sich einer ihrer Weggefährtinnen: Der Schriftstellerin Emilie von Binzer (1801–1891), deren ganz eigene Erinnerungen noch heute eine wichtige Quelle unserer Arbeit sind.

Starke Frauen im Museum Burg Posterstein

Aus den Pariser Salons des 18. Jahrhunderts entstand in der Zeit der Aufklärung eine Kultur, die sich über ganz Europa ausbreitete. Sowohl adlige als auch gebildete bürgerliche Damen versammelten gewichtige Gäste um sich. Den Mittelpunkt dieser Musenhöfe und Salons bildete stets die Gastgeberin.

Berühmt ist der gesellschaftliche Zirkel um die Weimarer Herzogin Anna Amalia (1739–1807). Weitere bekannte Gastgeberinnen waren Madame de Staël (1766–1817) oder Madame Récamier (1777–1849) in Frankreich sowie Henriette Herz (1764–1847), Rahel Varnhagen (1771–1833) oder Dorothea Schlegel (1764–1839) in Berlin.

Schloss Löbichau im Altenburger Land
Schloss Löbichau im Herbstlicht. Das Schloss ist heute nicht mehr im Originalbau erhalten. 2009 erfolgte ein Totalabriss von Schloss und Herrenhaus mit anschließendem Neubau als Altenheim. Nur die Fassade an der Parkseite erinnert noch an das historische Aussehen zu Zeiten des Salons der Herzogin von Kurland.

Ende des 18. Jahrhunderts entwickelte sich Löbichau – nur zwei Kilometer von Posterstein entfernt – zu einem solchen Zentrum des geistig-kulturellen Lebens in Deutschland. Der dortige Salon der Herzogin Anna Dorothea von Kurland gehörte zu den bekanntesten seiner Art. Die gebildete und agile Herzogin verfügte über ein erstklassiges Netzwerk in die höchsten gesellschaftlichen Kreise Europas und schaffte es, Künstler, Politiker und Gelehrte zusammenzuführen. Bedeutende Staatsmänner kannte sie persönlich. In der bewegten Zeit zwischen Französischer Revolution, Napoleonischen Kriegen und Wiener Kongress ermöglichte ihr dieses Netzwerk einen einzigartigen Einblick und Einfluss auf das Geschehen in einer Gesellschaft, in der selbst eine reiche Frau wie sie einen rechtlichen Vormund benötigte.

Aber nicht nur die Biografie Anna Dorothea von Kurlands ist beeindruckend. Die Lebensläufe ihrer ebenso weltgewandten Töchter, Enkelinnen und Pflegekinder und ihre vielfaltigen Kontakte, deren Ansichten, ihr Werk und ihr Wirken faszinieren gleichermaßen. Eine von ihnen ist die Schriftstellerin Emilie von Binzer.

Emilie von Binzer oder: Die Frau, die unter dem Pseudonym „Ernst Ritter“ schrieb

In diesem Beitrag soll nicht die Herzogin von Kurland im Mittelpunkt stehen, sondern ihre Enkelin Emilie von Binzer. Die spätere Schriftstellerin wurde als Emilie von Gerschau in Berlin geboren und war die Tochter eines illegitimen Sohnes des Herzogs Peter von Kurland (1724–1800). Ihr Vater Peter von Gerschau (1779–1852) erbte nach dem Tod des Herzogs ein ansehnliches Vermögen.

„Er heirathete, noch ehe er 21 Jahre alt war, ein unbemitteltes Mädchen von 15 Jahren, und die beiden Kinder wirthschafteten so gut zusammen, daß schon im Jahr 1806 das ganze Vermögen in den Wind gegangen war“, schreibt Emilie von Binzer später in ihrem Erinnerungsbuch „Drei Sommer in Löbichau“ (S. 2) über ihre Eltern.

Die Familie entschloss sich nach Kurland zu ziehen. Ihre Tochter Emilie ließ sie aber in der Obhut Wilhelmine von Sagans (1781–1839), der ältesten Tochter der Herzogin von Kurland. Emilie von Gerschau wuchs mit ihren beiden Pflegeschwestern Klara Bressler (die bereits 1818 starb) und Marie Wilson von Steinach (1805–1893) bei ihrer bewunderten und temperamentvollen Tante auf. Sie erhielt eine hervorragende Ausbildung, reiste viel und wurde so in das Salonleben und die höchsten Gesellschaften ihrer Zeit eingeführt. Schon in jungen Jahren lernte Emilie von Gerschau bedeutende Persönlichkeiten wie Fürst Metternich (1773–1859), Talleyrand (1754–1838) oder Zar Alexander I. (1777–1825) persönlich kennen.

Als schönes, wildes Pferd stellte Ernst Welker Wilhelmine von Sagan, die älteste Tochter der Herzogin von Kurland dar.
Als schönes, wildes Pferd stellte der Maler Ernst Welker Wilhelmine von Sagan, die älteste Tochter der Herzogin von Kurland, dar.

Einige Sommer verbrachte sie gemeinsam mit ihrer Tante auf Schloss Löbichau. Im Salon ihrer Großmutter traf sie neben dem Dichter Jean Paul (1763–1825) unter anderem die Familien Körner und Feuerbach, den Verleger Brockhaus (1772–1823), die Schriftsteller Tiedge (1752–1841) und Elisa von der Recke (1754–1833) sowie den Archäologen und Schriftsteller Carl August Böttiger (1760–1835). Auch den Burschenschaftler, Schriftsteller und Journalist August Daniel Freiherr von Binzer (1793–1868), den sie 1822 im Schloss Sagan heiratete, lernte sie in Löbichau kennen.

Durch den Altenburger Hoforganisten Johann Christian Barthel (1776–1813) erhielt der Freiherr Zugang zum Löbichauer Salon. Unter anderem ist er Autor des bekannten Grablieds der Burschenschaft „Wir haben gebauet ein stattliches Haus“. Seine Teilnahme am Wartburgfest 1817 verdarb Binzer eine möglicherweise grandiose Laufbahn und bereitete ihm ein Leben lang Schwierigkeiten. Durch die Gunst des Weimarer Herzogs litt er jedoch keine finanzielle Not. In Altenburg bearbeitete der Schriftsteller den ersten Band des „Enzyklopädischen Wörterbuches“, des späteren „Piererschen Universal-Lexikons“. Beim zweiten Band verwehrte man ihm die Arbeit jedoch aus politischen Gründen.

Der Salon der Herzogin von Kurland in Schloss Löbichau zählte zu den bekanntesten in Deutschland.
Der Salon der Herzogin von Kurland in Schloss Löbichau zählte zu den bekanntesten in Deutschland.

Nach der Hochzeit begann für das Paar ein unstetes Reiseleben durch viele Teile Europas, bis sie sich 1845 in Wien und später in Linz niederließen.

Auf Emilie von Binzers literarische Werke, die sie unter dem Pseudonym Ernst Ritter veröffentlichte, übten vor allem Personen und Erlebnisse der Zeit des Wiener Kongresses Einfluss aus. Ihre Dramen „Die Gauklerin“ und „Die Neuberin“ wurden 1846 am Wiener Burgtheater aufgeführt. Zwischen 1849 und 1870 unterhielt sie in ihren Häusern in Linz und Altaussee musische Kreise. Freundschaften verbanden sie mit den österreichischen Schriftstellern Adalbert Stifter (1805–1868), Franz Grillparzer (1791–1872) und besonders mit dem Dichter Christian von Zedlitz (1790–1862). Der musische Kreis um Emilie von Binzer in Linz und Aussee ermöglichte vielen Künstlern ihrer Zeit, eine kulturelle und soziale Atmosphäre zu erleben, die sich in schwierigen Umbruchszeiten erleichternd auf ihr Leben und Werk auswirkte. Nach dem Tod ihres Mannes zog Emilie von Binzer zu ihrem Sohn nach München, wo sie 1891 starb.

Zwischen Revolution, Biedermeier und „Drei Sommern in Löbichau“

Obwohl Emilie von Binzer nicht zu den bekanntesten Schriftstellerinnen ihrer Zeit gehörte, ist ihr Werk vielfältig und bildet die volle Breite der Themen und Einflüsse auf einen Schriftsteller des 19. Jahrhunderts ab.

„Das Leben und Schaffen der Binzer umspannte die literarischen Epochen der Klassik, Romantik, Junges Deutschland, Biedermeier, Vormärz und Realismus“, schreibt Traute Zacharasiewicz in ihrer Monografie „Nachsommer des Biedermeier. Emilie von Binzer. Eine Freundin Adalbert Stifters“ (S. 107.)

Emilie von Binzers Werk thematisiert Freundschaft, Liebe und Leidenschaft, ebenso wie die sozialen und politischen Umwälzungen ihrer Zeit und frauenemanzipatorische Gedanken. Ihr Schaffen reicht von Erzählungen und Theaterstücken bis hin zu ihren Memoiren. In Bezug auf Frauen, Erinnerungskultur und auch im Hinblick auf den Forschungsschwerpunkt unseres Museums sind diese tatsächlichen Erinnerungen der Emilie von Binzer am interessantesten.

„Als ich im Sommer 1871 auf meinem Landhause in Aussee (Steiermark) anlangte, fand ich auf dem Tische zwei dicke Bände liegen mit der Aufschrift: ‚Jugenderinnerungen von Gustav Parthey, Handschrift für Freunde.‘ Das Packet war unter meiner Adresse mit der Post angekommen. Bei diesem Anblick durchzuckte es mich freudig, denn der Name auf dem Titelblatte gehörte nicht nur einem in weiten Kreisen geachteten Manne und gründlichem Gelehrten, sondern auch einem theuren Jugendfreunde, den ich viele Jahre nicht gesehen hatte, und mit dem ich überhaupt nur als junges Mädchen in regem Verkehr gewesen bin. Daß er mich nicht vergessen hatte, bewies mir dieses Buch – und welch ein Buch!“

Emilie von Binzer, Drei Sommer in Löbichau, Vorwort

So beginnt Emilie von Binzers Buch „Drei Sommer in Löbichau“, das 1877 in Stuttgart veröffentlicht wurde. Dabei handelt es sich um ihre verschriftlichten Erinnerungen der Jahre 1819, 1820 und 1821, die sie mit ihrer Pflegemutter und Tante Wilhelmine von Sagan im Sommerschloss ihrer Großmutter Anna Dorothea von Kurland verbracht hatte. 50 Jahre nach den eigentliche Geschehnissen beschreibt sie Auszüge aus ihrer Jugendzeit, spricht über ihre Familie und über die Löbichauer Gäste, über besondere und weniger besondere Situationen des Salonalltags und gibt auf humoristische, unterhaltende und nicht selten ironische Weise einen ganz speziellen und persönlichen Einblick in das Leben der damaligen Zeit.

Ernst Welker (links) und Emilie von Binzer (2. von links) im Salon der Herzogin von Kurland in Löbichau. - Eine Zeichnung aus dem Konvolut aus Binzers Besitz, das sich nun in der Sammlung Kurland des Museums Burg Posterstein befindet.
Ernst Welker (links) und Emilie von Binzer (2. von links) im Salon der Herzogin von Kurland in Löbichau. – Eine Zeichnung aus dem Konvolut aus Binzers Besitz, das sich nun in der Sammlung Kurland des Museums Burg Posterstein befindet.

Den Anlass dafür beschreibt sie im Vorwort des Buches selbst: Die Jugenderinnerungen ihres alten Freundes Gustav Partheys, der oft selbst mit seiner Familie Gast der Herzogin war und wie Emilie damals zur eigenwilligen Jugend gehörte.

Emilie von Binzer ist sich in ihren Beschreibungen sehr wohl bewusst, dass Erinnerungen trügen können und ein Autor oft dazu neigt, dem Leser Dinge zu erzählen und zu erklären, die so nie gewesen sind. Sie versucht ein objektives Bild der Personen und Ereignisse zu zeichnen, wobei sie sich ihrer eigenen Meinung immer bewusst ist. Die Eigenarten und Charaktere beschreibt sie von verschiedenen Standpunkten und ist dabei nicht gewillt, zu beschönigen. Mit Kritik, einer guten Portion Selbstironie, aber immer mit Feingefühl gibt sie ihre Eindrücke wieder. Oft benutzt sie Zitate aus den Schriften anderer Autoren oder gibt Dialoge wieder, so gut sie sich daran erinnert.  Entstanden ist ein persönlicher Rückblick auf drei Jahre einer erfüllten Jugendzeit und eine ehrliche Würdigung ihrer großen weiblichen Vorbilder: der Herzogin Anna Dorothea von Kurland und ihrer Tante Wilhelmine von Sagan.

Emilie von Binzers Werk galt lange Zeit – neben der 1823 erschienenen Biografie von Christoph August Tiedge und den Erinnerungen Gustav Partheys und Elisa von der Reckes – als wichtigste biografische Quelle zur Herzogin von Kurland.

„Den Spargel jeder gerne iszt, Emilie gar zu länglich ist.“ – Löbichauer Gäste in Karikaturen

Was Emilie von Binzers „Drei Sommer in Löbichau“ so wertvoll für die Forschung zum Salon der Herzogin von Kurland macht, ist ihre Nähe zur Realität. Ihre Beschreibungen sind zeitlich korrekt und decken sich mit denen anderer Quellen – natürlich immer mit Blick auf die persönliche Sicht Emilie von Binzers.

Emilie von Gerschau wurde später besser bekannt als Emilie von Binzer oder „Ernst Ritter“. In dieser Karikatur von Ernst Welker ist sie als Spargel dargestellt. Der heitere Spruch darunter lautet: „Den Spargel jeder gerne iszt / Emilie gar zu länglich ist.“
Emilie von Gerschau wurde später besser bekannt als Emilie von Binzer oder „Ernst Ritter“. In dieser Karikatur von Ernst Welker ist sie als Spargel dargestellt. Der heitere Spruch darunter lautet: „Den Spargel jeder gerne iszt / Emilie gar zu länglich ist.“

Im Jahr 2014 gelang es dem Museum Burg Posterstein mit finanzieller Unterstützung des Freistaats Thüringen und der Bürgerstiftung Altenburger Land ein Konvolut Zeichnungen zu erwerben. Aufbewahrt in einer grünen Halblederkassette, entpuppte sich der Inhalt als ausgesprochene Rarität: eine Sammlung von Portraitblättern, hautsächlich von der Hand des Malers Ernst Welkers (1784/88–1857), der den Sommer 1819 als Zeichenlehrer Emilie von Binzers in Löbichau verbrachte. Die von Ernst Welker portraitierten Personen gehören alle zum engeren Umfeld der Herzogin von Kurland und treten als Fabelwesen auf. Meist wählte der Künstler eine Tiergestalt aus, deren Kopf er durch ein Portrait der entsprechenden Person ersetzte. Doch: Mindestens eine der Zeichnungen stammt von Emilie von Binzer selbst. Nachweislich befanden sich diese kleinen kolorierten Zeichnungen, die immer in einem humoristischen Vers enden, 1871 noch in ihrem Besitz.

„Ich besitze eine Mappe, die klein Welckerchen in Löbichau mit Porträts der ihm zugänglichen anwesenden Gäste, meist in Thiergestalt, füllte; darunter stehen Fibelverse, die sich mehr durch gute Laune, ja Uebermuth, als durch Witz auszeichnen; die Mappe enthielt siebenundvierzig Blätter, die gelegentlichen Besucher aus der Nachbarschaft sind nicht darunter, nur solche, die wirklich in Löbichau wohnten; ich sondere diejenigen Personen aus, die erst nach den Universitätsferien eintrafen, mische dann die Blätter und nenne der Reihe nach einige der Gäste.“

Emilie von Binzer, Drei Sommer in Löbichau, S. 86
In dieser Lederkassette bewahrte Emilie von Binzer die 47 Karikaturen Löbichauer Salongäste auf.
In dieser Lederkassette bewahrte Emilie von Binzer die 47 Karikaturen Löbichauer Salongäste auf.

Auf den folgenden Seiten berichtet Binzer nicht nur über die dargestellten Personen, auch die Zeichnungen selbst werden beschrieben und stimmen mit den Originalen im Detail überein.

Momentan befindet sich ein Großteil dieser einzigartigen Zeichnungen im Depot des Museums. In hoher Auflösung sind sie auf Wikimedia Commons zu finden. Für 2021 plant das Museum Burg Posterstein eine Sonderschau zu Ernst Welker, seinem Leben und seinem Werk. Im Zuge dieser Ausstellung werden nicht nur der Künstler und die Herzogin von Kurland thematisiert, auch Emilie von Binzer wird eine wichtige Rolle spielen.

Zum Weiterlesen:

  • Emilie von Binzer: Drei Sommer in Löbichau, Stuttgart 1877.
  • Klaus Hofmann (Hrsg.): Salongeschichten. Paris-Löbichau-Wien, Posterstein 2015.
  • Traute Zacharasiewicz: Nachsommer des Biedermeier. Emilie von Binzer. Eine Freundin Adalbert Stifters, Linz 1983.

Von Franziska Engemann und Marlene Hofmann

Je kleiner die Einheit ist, desto direkter kann Demokratie sein – Unser Beitrag zur Blogparade #DHMDemokratie / #rainbowMW

Geschichte & Geschichten Veröffentlicht am 16. Mai 2019 von Museum Burg Posterstein10. Mai 2019

Über Demokratie im ländlichen Raum und ein ganz aktuelles Kulturprojekt im Altenburger Land schreibt Museumsvereinschefin Sabine Hofmann zur Blogparade „Was bedeutet mir die Demokratie?“ des Deutschen Historischen Museums Berlin im Rahmen seines Demokratie-Schwerpunkts 2019. Gleichzeitig teilen wir den Beitrag in unserer Blogserie zur internationalen Museumswoche #MuseumWeek unter dem Stichwort #rainbowMW, wobei wir das Thema „rainbow“ als Offenheit für alle interpretiert haben.

Im Oktober 2018 verfasste ich einen Beitrag zur Blogparade #SalonEuropa, zu der das Museum Burg Posterstein aufgerufen hatte. Unter dem Titel „Was hat die Gebietsreform in Thüringen mit Europa zu tun?“ setzte ich mich damit auseinander, wie Demokratie und Verwaltungsreformen zusammenpassen. Ein halbes Jahr später hat sich an meinen Feststellungen nichts geändert. Zusammenlegungen finden weiter statt, obwohl die Wirtschaft gerade den Prozess der Zerlegung von Konzernen einläutet.

Das Altenburger Land ist ein ländlich geprägter Landkreis mit bisher sehr kleinen Kommunen.

Zunächst: Die Auflösung von kleinen Kommunen und deren Angliederung an größere Einheiten finden nicht nur in Thüringen oder Deutschland, sondern in ganz Europa statt.

Denn überall in Europa glauben seit Jahrzehnten Politiker, unterstützt von den immer selben Beraterfirmen, durch Fusionen von Gebietskörperschaften zu Kosteneinsparungen, höherer Leistungsfähigkeit und Wachstumsimpulsen zu kommen. Nie mussten diese Effekte nachgewiesen werden. Das wäre auch schwer – es gibt sie nämlich nicht, wie Sebastian Blesse und Felix Rösel in einer Veröffentlichung des IFO-Instituts München eindrücklich darlegten, nicht nur für Deutschland, sondern auch in Dänemark, den Niederlanden und anderswo ist das belegt.

Stattdessen gibt es Kosten, die unsere Demokratie zu tragen hat. Noch 40 Jahre nach der Gebietsreform in Baden-Würtemberg fühlen sich die Bürger der Ortsteile nicht den neuen Großgemeinden zugehörig oder gar unterdrückt. Die drittgrößte deutsche Flächenstadt ist Gardelegen. Mit über 40 Ortsteilen erstreckt sie sich über den gesamten vormaligen Landkreis. Wenn sich in Sachsen Städte oder Gemeindekonglomerate über 20 Kilometer und mehr ausdehnen, ist es kein Wunder, dass vermeintlich nur noch die Wölfe heulen und die Zurückgebliebenen zu einem großen Teil das Heil in populistischen Ideen suchen.

Erwiesen ist, dass Gebietsreformen zu zurückgehender Demokratiezufriedenheit, zu weniger Verbundenheit mit der Gemeinde und geringerer Wahlbeteiligung führen. Das leuchtet auch Laien ein, denn das Wissen über die Großgemeinde schwindet, die Gestaltungsmöglichkeiten ebenso.

Wenn wir Demokratie stärken wollen, wenn wir wollen, dass Europa gemeinsam agiert, was dringend geboten ist angesichts der Konflikte in der Welt, braucht es Demokratie von unten und Instrumente, die es den Bürgern ermöglichen, demokratisch zu handeln und tatsächlich mitzubestimmen.

Je kleiner die Einheit ist, desto direkter kann die Demokratie sein:  Europa beginnt im Lokalen und das Lokale ist dort, wo man wohnt.

Genau hier setzt das Konzept „Der fliegende Salon – Kulturaustausch im Altenburger Land“ für die Bewerbung im Rahmen von TRAFO 2, Modelle für Kultur im Wandel an.

Mit dem Projekt „Der Fliegende Salon“ bewirbt sich der Landkreis Altenburger Land im Rahmen von TRAFO2, Modelle für Kultur im Wandel.

Seit mehreren Jahren gibt es ein Programm der Bundeskulturstiftung, das sich zum Ziel gesetzt hat die Kultur im ländlichen Raum zu stärken, Teilhabe zu ermöglichen und den Bürgern dadurch Gestaltungsspielräume zu eröffnen. Das Altenburger Land hat in den letzten Jahren ein Viertel seiner Bevölkerung verloren. Der Landkreis gehört zu den Regionen mit der ältesten Bevölkerung und das alles trotz günstiger Lage zwischen Leipzig, Chemnitz und Zwickau. Vereine, deren Mitglieder häufig Ü70 sind, können nicht auffangen, was einst Gemeinden leisteten oder die Ausgewanderten hätten leisten können, wenn sie denn noch da wären.

Wenn sich die Region auf ihre Stärken besinnt, kommt man rasch auf die Kultur. Museen, Theater, Musikschulen, Bibliotheken haben hauptamtliches Personal, das von der Region zum großen Teil unterhalten wird. Hier will der Landkreis ansetzen, wenn er sich bewirbt, TRAFO-Region zu werden.

Die Kulturschaffenden wollen gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern kreative Angebote entwickeln, die das Leben im ländlichen Raum lebenswerter machen. Eigeninitiative und Nachhaltigkeit stehen im Vordergrund. Vorbild ist die Salonkultur des 19. Jahrhunderts, in der sich Menschen bei gemeinsamer künstlerischer Betätigung und in Diskussionen offen und frei von gesellschaftlichen Schranken begegneten.

Der fliegende Salon ist zukunftsorientiert. Er will Generationen und politische Meinungsverschiedenheiten überbrücken im gemeinsamen Tun. Dafür werden spartenübergreifendende Projektideen entwickelt, die sich an vielen Orten reproduzieren lassen. Der Salon „fliegt“ von Ort zu Ort, animiert zum Mitmachen, aber auch zum Besuch von Theater oder Museen. So schlägt er eine lebendige Brücke zwischen Stadt und Land.

TRAFO heißt eigentlich Transformation – wenn die gelingt, gewinnen die Bürger Mut zur Initiative, stärken ihr demokratischen Zusammenleben und erleben durch die Zusammenarbeit mit den etablierten Kultureinrichtungen genau wie diese einen Perspektivenwechsel. Im besten Sinne wissen dann Theater- oder Ausstellungsmacher durch die direkte Begegnung mit ihrem potentiellen Publikum viel besser, was die bewegenden Themen sind.

Im Schloss Löbichau im Altenburger Land versammelte die Herzogin von Kurland um 1800 Geistesgrößen ihrer Zeit.

Der Ausgangspunkt der Idee: Der Salon der Herzogin von Kurland

Im Schloss Löbichau hatte er seine Heimstatt. Hier entstand, der sogenannte Musenhof der Herzogin Anna Dorothea von Kurland. Hierher hat die aufgeklärte, reiche Saloniere Künstler, Wissenschaftler, Politiker zum Dialog geladen. Von hier aus zog der Salon nach Altenburg, nach Ronneburg, nach Nöbdenitz und in andere Orte. Hier wurde die örtliche Bevölkerung eingebunden, wenn sich hunderte Fremde trafen. Die Kirche des Ortes stellte einen Ankerpunkt dar.

Heute bewegen die Bürger von Löbichau andere Themen. Sie haben eine Zeit des intensiven Bergbaus hinter sich. Ihre Schule soll geschlossen werden. Rings um den Ort sollen Windparks entstehen. Die Busanbindung ist schlecht. Thüringen will mit aller Macht Gemeinden zusammenlegen. Die Kirche findet nur noch wenig Zulauf, der Park in Tannenfeld mit seinen historischen Gebäuden ist in restaurierungswürdigen Zustand und die Tradition des Musenhofes wird im benachbarten Museum Burg Posterstein gepflegt.

Hier setzt die TRAFO-Idee an. Denn natürlich ist es an der Zeit die Herausforderungen anzunehmen und Strategien des Umgangs mit der Situation in der Gegenwart zu entwickeln. Warum nicht dafür Mittel aus der Vergangenheit nutzen und ins Heute transformieren? Kunst und Kultur in den gesellschaftlichen Dialog der Bürger einbinden und Lösungen suchen durch Begegnung der Kompetenzen vor Ort mit Sachkunde von Außen. Bildende Künstler, Wissenschaftler, Schriftsteller, Kuratoren, Musiker, Schauspieler, immer in sehr engem Kontakt und interagierend mit dem Publikum.

Löbichau ist nur ein Beispiel für Begegnungs- und Aktionsräume.

Im Schloss Ponitz fand als Pilotprojekt der erste „Fliegende Salon“ statt.

Ein Pilotprojekt fand bereits statt.

Die Gemeinde Ponitz und der Förderverein Renaissanceschloss Ponitz waren dem Aufruf des TRAFO-Teams um das Lindenau-Museum, das Landestheater Altenburg und das Museum Burg Posterstein gefolgt und hatten ihr Interesse an der Pilotveranstaltung bekundet. Ponitz schien am besten geeignet, weil gleich mehrere Akteure die Idee aufgreifen wollten. In einer ersten Zusammenkunft vor Ort wurde auch gleich ein Salonthema gefunden – nämlich die mehr oder weniger durchlässige Landesgrenze zu Sachsen, die seit Jahrhunderten das Leben der Ponitzer bestimmt. Natürlich hatten die Vorfahren ganz andere Probleme mit der Grenzlage als die Bürger heute. Sie brauchten z. B. einen Pass, um ins sächsische Meerane zu gelangen. Aber auch heute unterscheidet sich das Leben der Ponitzer durch ihre nahe Lage zu Sachsen durchaus von dem in anderen Gemeinden der Region. Doch wie gehen die Bürger mit dieser Grenzlage heute um, da Grenzen in Europa kaum noch eine Rolle spielen? Um diese Fragen herum hatten Kulturakteure des Altenburger Landes gemeinsam mit Ponitzern ein spannendes Programm gestrickt.



  • Eindrücke vom „Fliegenden Salon in Ponitz“

Letztlich erlebten über 100 Salonakteure und -gäste einen über fünfstündigen Salonabend im Ponitzer Schloss. Viel wurde angesprochen, von dem man meinte, dass es in heutiger Zeit eigentlich keine Rolle mehr spielen sollte: Verbreitungsgrenzen für Tageszeitungen; Schulamtsgrenzen, die den länderübergreifenden Schulbesuch erschweren, einschließlich unterschiedlicher Ferienzeiten an den Schulen in Thüringen und Sachsen, die gemeinsame Unternehmungen der Schüler im Grenzgebiet erschweren; oder Bauen und Baugenehmigungen über Flur- und Ländergrenzen hinweg. Die Ponitzer sangen und spielten gemeinsam, aber vor allem kamen sie ins Gespräch miteinander, mit Schauspielern, Musikern, aber auch mit ihrem Bürgermeister und ihrem Landrat. Alles funktionierte wie im Salon mit Höflichkeit, gegenseitiger Achtung, Anteilnahme – eben demokratisch.

„ein Orthe wo meine Phantasie mich oft führte“ – Der Salon der Herzogin von Kurland in Paris

Geschichte & Geschichten Veröffentlicht am 13. Mai 2019 von Museum Burg Posterstein1. Juli 2021
Die Herzogin Anna Dorothea von Kurland unterhielt Anfang des 19. Jahrhunderts mehrere Salons. (Sammlung Museum Burg Posterstein)

Zar Alexander I. reiste persönlich nach Löbichau, um die Ehe von Dorothée von Biron (1793-1862), Prinzessin von Kurland, mit Edmond de Talleyrand-Périgord (1787-1872), dem Neffen des französischen Staatsmanns Talleyrand, in die Wege zu leiten. Das Paar heiratete 1809 in Frankfurt am Main und die 16-jährige Dorothée zog mit ihrer Mutter Anna Dorothea von Kurland (1761-1821) nach Frankreich, wo sie später Hofdame am kaiserlichen Hof Napoleons wurde. Die Chance, Teil der Pariser Gesellschaft zu werden, ließ sich Anna Dorothea von Kurland, die bereits in Löbichau und Berlin ein reges gesellschaftliches Leben pflegte, nicht entgehen.

Die gesellschaftliche Bühne der Frau

Aus den Pariser Salons des 18. Jahrhunderts, in denen sich Mitglieder des Hofes, Gelehrte und Künstler begegneten, ging in der Zeit der Aufklärung eine Kultur hervor, die sich über ganz Europa ausbreitete. Den gesellschaftlichen Mittelpunkt bildete stets die Gastgeberin. Ende des 18. Jahrhunderts entwickelte sich Schloss Löbichau zu einem solchen Zentrum des geistig-kulturellen Lebens in Deutschland. Der Salon der Herzogin von Kurland (1761-1821) in Löbichau gehörte zu den bekanntesten seiner Art.

Zu den bekannten Pariser Salonieren zählte Madame Genlis, bei der Anna Dorothea von Kurland auch Gast war. (Sammlung Museum Burg Posterstein)

Von Löbichau nach Paris

Seit über 20 Jahren beschäftigt sich das Museum Burg Posterstein mit dieser beeindruckenden Dame, die nicht nur in Löbichau und Tannenfeld einen europaweit vernetzten Musenhof unterhielt, sondern auch in Berlin und Paris Salons führte. Anna Dorothea von Kurland, eine schöne, begehrte und vor allem reiche Dame der herrschenden europäischen Adelsgesellschaft, gehörte zu jenen bekannten Salonieren des 19. Jahrhunderts, die weltoffen und geistreich gleichsam als Vermittlerinnen von Kultur und Politik agierten. Ihr Medium war die Konversation. Willkommen war jeder, der zu einer niveauvollen Unterhaltung beitragen konnte, und zwar unabhängig von seinem Stand.

Nach seinem Aufenthalt in Löbichau im Sommer 1819 resümierte Jean Paul über die Redefreiheit des Musenhofes:

„[…] Schöne Leserin, Sie konnten, wenn Sie in Löbichau an der Tafel saßen oder nachher auf dem Kanapee, welche Meinung Sie wollten, ergreifen oder angreifen – gegen oder für Magnetiseurs – gegen oder für Juden – gegen oder für die Ultras und Liberale; – ja Sie konnten besonders im letzten politischen Falle, wie Sie da wohl als Dame zuweilen tun, Ihre schöne Stimme geben als eine lauteste: niemand wird etwas dagegen sagen – als höchstens seine Gründe […]“

Paul, Jean: „Briefblättchen an die Leserin des Damen-Taschenkalenders bei gegenwärtiger Übergabe meiner abgerissenen Gedanken vor dem Frühstück und dem Nachtstück in Löbichau“, in: Paul, Jean: Taschenbuch für Damen auf das Jahr 1821, Tübingen bey Cotta 1821. S. 293.

Im Paris Napoleons

So verhielt es sich auch im Pariser Salon der Herzogin von Kurland. 1809 reiste sie das erste mal „[…] an ein Orthe wo meine Phantasie mich oft führte“ (ThULB, FA Biron, Tagebuch X, 4. Mai 1809).

Ihr erstes Quartier fand die Herzogin im Haus Talleyrands in der Rue Florentin. Später unterhielt sie eine eigene Wohnung im Hotel de Perigord. Zwar legte sich die Euphorie und Begeisterung über die Stadt schnell: „ […] die boulevards die ich passiere erinnern mich an Berlin. […] Petersbourg scheint mir eine schönere stadt als Paris“ (ThULB, FA Biron, Tagebuch X, 6. Mai 1809), resümierte Anna Dorothea nur zwei Tage nach ihrer Ankunft, doch fand sie durch den bekannten Politiker Talleyrand Zugang zur hohen Gesellschaft der französischen Hauptstadt. Sie traf den Österreicher Metternich, den Russen Kurakin, ihren guten Bekannten Batowski und verschiedene Minister und Vertreter des Hochadels. Kontakte pflegte sie zur bekannten Saloniere Madame Genlis und besuchte die Ateliers von Gérad, Prud’hon und David. Der Maler Grassi stattete der Herzogin einen Besuch ab und fertigte ein Portrait ihrer Tochter Dorothée. Besonders mit der französischen Kaiserin Josephine, der ersten Frau Napoleons, schien sich die Herzogin gut zu verstehen und war oft zu den kaiserlichen Empfängen geladen.

Von einem Aufenthalt in Paris hatte Anna Dorothea von Kurland schon länger geträumt, als sie 1809 das erste Mal dorthin kam. (Sammlung Museum Burg Posterstein)

„Mir geht es hier ganz wohl, und ich habe in dem Laufe von 10 Monathen die wichtigsten Begebenheiten beygewohnt. Nach der Vermählung des Kaysers u. den Feyerlichkeiten denke ich Ende May nach Deutschland über Wien zu gehen u. dort meine drey ältesten Kinder zu sehen, die sich vereint daselbst befinden“, schreibt die Herzogin am 14, März 1810 an Maria Elisabeth Neander.

In einem Brief an Agathe Neander schreibt Dorothea von Kurland am 30. Oktober 1818: „Von mir kann ich Ihnen nur noch sagen, daß ich 2 Monathe in Valencey mit meiner Tochter und meine Enkel angenehm verlebt habe. Die Witterung begünstigt das Landleben, die Wiesen deckten zum zweiten Male mit Frühlingsblumen, sogar der Wein schmückte sich zum andern male an einigen Orthen mit Blüthen. Mein Garten an meinem Hause ist voller Rosen u. grün, wie im Sommer. Ein mildes Klima hat doch einen großen Vorzug. Ich kehrte früher nach Paris zurück als ich wollte, in der Hoffnung, den Kayser [Alexander I.] aufzuwarten, er blieb aber nur 6 Stunden, die er dem König gab und eilte zum Kongress nach Aachen zurück. Sr. Majestäth waren aber so gütig, mir seinen Adjutanten zu schicken und sagen zu lassen, daß sein kurzer Aufenthalt ihn behindert, mich zu besuchen.“

Beide Zitate stammen aus dem Kapitel „Das briefliche Erbe der Herzogin Dorothea von Kurland in Lettland“ von Valda Kvaskova im Buch „Die Herzogin von Kurland im Spiegel ihrer Zeitgenossen – Europäische Salonkultur um 1800. Zum 250. Geburtstag der Herzogin von Kurland.“ (Museums Burg Posterstein, 2011).

Ihre letzte Reise nach Paris unternahm Anna Dorothea von Kurland 1820. Über den dortigen Umgang und die Redekultur berichtet unter anderen Gustav Parthey in seinen „Jugenderinnerungen“. Gustav Friedrich Konstantin Parthey (1798–1872) wurde später Altertumsforscher und Buchhandler. Er stammte aus der ersten Ehe des Hofrates Friedrich Parthey (1745–1822) mit Charlotte Wilhelmine (1767–1803), der ältesten Tochter des Buchhandlers Friedrich Nicolai. Mit seinen Eltern und seiner Schwester Lilly war er oft Gast auf den Schlössern der Herzogin von Kurland.

Gustav Parthey über Dorothea von Kurlands Salon in Paris

Nach Abschluss seines Studiums in Heidelberg ging Gustav Parthey auf Grand Tour durch Europa. Auf Bitten seines Vaters verbrachte er auch einige Zeit in Paris und wurde von der Herzogin von Kurland in die dortige Gesellschaft eingeführt. Am 26. Oktober 1820 reisten die beiden aus Löbichau ab und fuhren über Bayreuth und Heidelberg in die französische Hauptstadt. Sein Quartier fand Parthey in der Rue de Bourgogne, Ecke Rue de l’Université, im Petit hôtel de Rome.

„Die Herzogin wohnte im vornehmsten Theile der Stadt, im Faubourg Saint Germain in der Rue Saint Dominique. […] Man wandelte zwischen langen, hohen, zuweilen von Bäumen überragten Backsteinmauern, in denen man nur große geschlossene Thorwege und kleine Gitterthüren bemerkte. […] Im Hintergrunde des Hofes stand das meist einstöckige Wohnhaus mit allem wirtschaftlichen Zubehör an Stallung und Remisen. Hinter dem Hause lag ein schattiger wohlgepflegter Garten. So lebten die Bewohner in gänzlicher Abgeschiedenheit, und genossen inmitten der geräuschvollen Hauptstadt einer vollkommenen Ruhe.“

Gustav Parthey: Jugenderinnerungen, Teil II., Berlin 1907, S. 413f.
Fürst Talleyrand verband eine enge Freundschaft mit Anna Dorothea von Kurland, deren jüngste Tochter seine ständige Begleiterin und später seine Universalerbin wurde. (Sammlung Museum Burg Posterstein)

Im Pariser Salon der Herzogin lernte Parthey Fürst Talleyrand kennen, der mit der jüngsten Tochter der Herzogin, Dorothée, oft zu Besuch kam. Zu der regelmäßigen Gesellschaft zählte auch ein älterer, italienischer Herr namens Giamboni de‘ Sposetti.

„Er besaß die natürliche Anlage, das Tischgespräch ohne Zwang, Anstrengung oder vorlautes Wesen immer im Flusse zu erhalten. Solche Personen sind in großen Häusern von unschätzbarem Werthe: denn es kann vorkommen, daß die geistreichen Personen mit einander zu Tische sitzen, und daß trotzdem, sei es durch üble Laune oder Trägheit oder irgend ein widerhaariges Wort veranlaßt, plötzlich ein allgemeines Stillstehen der Unterhaltung erfolgt. […] Durch sanft herausfordernde Fragen wußte er [Giamboni de‘ Sposetti] einen wirksamen Widerspruch hervorzurufen; der niemals ermangelte, die Unterhaltung anzuregen“.

Gustav Parthey: Jugenderinnerungen, Teil II., Berlin 1907, S. 417.

Den politischen Diskurs hielten vor allem die beiden Gesellschaftsdamen der Herzogin von Kurland am Laufen, die unterschiedlicher nicht hätten sein können.

„Noch muß ich der beiden Gesellschaftsdamen der Herzogin erwähnen, einer Gräfin von Chassepot und einer Madame Waldron. Die erste, von Geburt eine Kurländerin, glänzte in ihrer Jugend als Fräulein von Knabenau durch ausgezeichnete Schönheit, heiratete einen Baron von Rönne und nach dessen Tode einen Grafen von Chassepot […] Der Graf Chassepot, ein Legitimist vom Kopf bis zur Zeh, rühmte sich, mit einem im Jahre 1815 in Belgien organsierten Freicorps bedeutende Kriegsthaten zu Gunsten der Restauration verübt zu haben; […] Seine Frau theilte seine ultraroyalistischen Gesinnungen.“

Gustav Parthey: Jugenderinnerungen, Teil II., Berlin 1907, S. 418.

Im Gegensatz zur Gräfin Chassepot war die Herzogin von Kurland lange Zeit eine Verehrerin Napoleons gewesen. Doch die Napoleonischen Kriege hatten dieses Bild erschüttert und sie hatte sich den Ideen der konstitutionellen Parteien zugewandt. „Sie misbilligte auf das entschiedenste das Hetzen und Wühlen der Reactionäre“ (Gustav Parthey: Jugenderinnerungen, Teil II., Berlin 1907, S. 419.), was laut Parthey oft zu heftigen Diskursen im Salon führen konnte.

„Die Gräfin Chassepot stritt so heftig und so anhaltend über diese Materie mit der Herzogin, daß ich oft Gelegenheit fand, die Geduld und Nachsicht der letzteren gegen ihre geistig unebenbürtige Gegnerin zu bewundern. Mehr als einmal dachte ich an die Regel unserer guten Madame Clause: toujours se souvenir, que la troisièmereplique es tune impertinence! [Denken Sie immer daran, dass die dritte Entgegnung eine Unverschämtheit ist!] Danach mußte ich die Gräfin zu den impertinentesten Personen rechnen […].“

Gustav Parthey: Jugenderinnerungen, Teil II., Berlin 1907, S. 419.

In solchen Situationen stand Madame Waldron der Herzogin von Kurland bei.

„Die zweite Gesellschaftsdame, Madame Waldron, eine alte gutmüthige Engländerin mit einem lahmen Beine, Wittwe eines englischen See-Offiziers, besaß negative Lebensart genug, um auch in der feinsten Gesellschaft nicht anzustoßen. […] In der Politik kannte Madame Waldron nichts höheres als das englische Parlament, und blickte sehr verachtend auf die französischen Versuche, etwas ähnliches einzuführen. Ihrer Gesinnung nach ganz liberal, unterstützte sie getreulich die Herzogin in ihren Kämpfen gegen die Gräfin Chassepot.“

Gustav Parthey: Jugenderinnerungen, Teil II., Berlin 1907, S. 419f.

Die Kultur der Rede- und Meinungsfreiheit der literarischen und politischen Salons um 1800 war auch das Aushängeschild des Salons der Herzogin von Kurland. Die einzige Grenze, die im Diskurs nicht überschritten werden durfte, war der höfliche Ton. So entwickelten sich diese kulturellen Orte zu Vermittlungsstellen von Kultur und Politik.

1821 verließ die Herzogin von Kurland Paris und kehrte auf ihr Schloss Löbichau zurück. Es sollte ihre letzte Reise sein. Am 20. August 1821 starb Anna Dorothea von Kurland nach langer Krankheit mit 60 Jahren in ihrem Schloss in Löbichau. 7000 Gäste begleiteten ihren Sarg zur Ruhestätte im Hain nahe des Schlosses. Ihr Sarg wurde Jahrzehnte später von der kurländischen Familie nach Sagan in Schlesien überführt.

Von Franziska Engemann & Marlene Hofmann / Museum Burg Posterstein

Zum Weiterlesen:

Die Herzogin von Kurland im Spiegel ihrer Zeitgenossen – Europäische Salonkultur um 1800. Zum 250. Geburtstag der Herzogin von Kurland. Museum Burg Posterstein, 2011. (248 Seiten, farbig, ISBN 978-3-86104-086-6, 29,00 Euro

Die Herzogin von Kurland im Spiegel ihrer Zeitgenossen – Europäische Salonkultur um 1800. Zum 250. Geburtstag der Herzogin von Kurland. Museum Burg Posterstein, 2011. 

Ein Jahr im Zeichen Europas geht zu Ende: Auswertung #SalonEuropa 5

Geschichte & Geschichten Veröffentlicht am 31. Dezember 2018 von Museum Burg Posterstein16. Dezember 2022

Das Ausstellungsjahr 2018 stand für das Museum Burg Posterstein im Zeichen Europas. Angefangen mit der Fotoausstellung London Urban Sketches – Urbane Skizzen von London – Fotografie von Frank Rüdiger (18. März bis 27. Mai 2018), über die Kunstausstellung #SalonEuropa im Hier und Jetzt: Schloss Tannenfeld – Inspiration und Wirklichkeit (17. Juni bis 9. September 2018), gipfelte es mit der experimentellen Ausstellung #SalonEuropa vor Ort und digital: Vernetzung damals und heute – Europa bedeutet für mich …? (23. September bis 11. November 2018) und schließt ab mit europäischen Weihnachtskrippen und Adventskalender auf Burg Posterstein (2. Dezember 2018 bis 6. Januar 2019).

So etwas wie die Labor-Ausstellung #SalonEuropa vor Ort und digital hat es auf Burg Posterstein vorher noch nie gegeben und sie ist ein Experiment auf Grund ihrer konsequenten Verknüpfung von digital und analog, von Museumsausstellung und Besuchermeinungen. Grund genug, am Jahresende Bilanz zu ziehen. In mehreren Teilen fassten wir den Diskurs zusammen: (1) Die Zusammenfassung der Gespräche am Salonabend, (2) der Kommentare, (3) der Video-Interviews, (4) der Blogparade und (5) ein dieses Gesamtfazit. Darüber hinaus stellen wir hier das Kunstwerk „Europa“ von Pernille Egeskov vor.

Humoristische Karte von Europa im Jahre 1870 - https://www.europeana.eu/portal/record/2058618/object_KUAS_22286976.html. Kulturarvsstyrelsen - https://www.kulturarv.dk/mussam/VisGenstand.action?genstandId=7205047. CC BY - http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/
Europa damals und heute war Thema der Ausstellung #SalonEuropa. Das Bild zeigt: Humoristische Karte von Europa im Jahre 1870 – Museum Sønderjylland https://www.europeana.eu/portal/record/2058618/object_KUAS_22286976.html Kulturarvsstyrelsen – https://www.kulturarv.dk/mussam/VisGenstand.action?genstandId=7205047. CC BY

Hintergrund: Die Ausstellung #SalonEuropa

Im Mittelpunkt derAusstellung #SalonEuropa vor Ort und digital standen nicht wie sonst Exponate und historische Infos, sondern vor allem die Meinungen ganz normaler Bürger Europas. Das Museumsteam fragte „Was bedeutet Europa für dich?“ und brachte den aktuell fragilen Zustand Europas in Verbindung mit der Zeit zwischen Französischer Revolution und des Wiener Kongress, als sich Europa ebenfalls im Umbruch befand, in Zusammenhang. Damals wurden in den Salons der adligen und bürgerlichen Damen gesellschaftliche Fragen diskutiert und Entscheidungen mit auf den Weg gebracht. Die Ausstellung experimentierte damit wie ein solcher Salon heute aussehen könnte. Der #SalonEuropa war ein Versuch, Bürgern vor Ort und im Digitalen die Möglichkeit zu geben, ihre Gedanken zu Europa zu äußern und darüber ins Gespräch zu kommen. Dazu gab es einmal die dynamische, mitwachsende Ausstellung selbst, in der bereits zu Beginn über hundert Meinungen zu Wort kamen. Darüber hinaus gab es die Projektwebseite, die Blogparade, die Diskussionen im Social Web und drei Veranstaltungen vor Ort.

Blick in die Ausstellung #SalonEuropa vor Ort und digital 2018 im Museum Burg Posterstein

Über Europa zu reden ist kein Selbstläufer

Auf die Frage „Was bedeutet Europa für mich…?“ bekamen wir in der Ausstellung #SalonEuropa vor Ort und digital über 200 Meinungen aus fünfzehn Ländern in Form von schriftlichen Kommentaren, Blogposts, Fotos, Video- und Audio-Statements, als Kunstwerk der dänischen Künstlerin Pernille Egeskov und natürlich auch im persönlichen Gespräch vor Ort. Auf Twitter erreichte der Hashtag #SalonEuropa etwa 9 Millionen Impressions. Auch auf Instagram und Facebook kam es zu Gesprächen. Vielen Meinungsäußerungen gingen persönliche Gespräche vor Ort und digital voraus. Es gab eine breite Masse an Besuchern, die die Ausstellung vor Ort oder digital mit Interesse verfolgte, sich lobend äußerte, aber keine eigene Meinung hinzufügte. Europa ist nicht schwarz-weiß und das Thema kein einfaches.

Es wurde anschaulich deutlich, dass die verschiedenen „Kanäle“, über die Meinungen zu #SalonEuropa eingingen (Salonabend, Kommentare, Videos, Blogparade), in unterschiedlichen Themengewichtungen resultierten bzw. dass sich der Diskurs in den unterschiedlichen Formaten anders entwickelt hat. Zum Vergleich noch einmal die einzelnen Grafiken über die wichtigsten Themen der einzelnen „Kanäle“.

Themen der Blogartikel zur Blogparade #SalonEuropa.
Themen der Blogartikel zur Blogparade #SalonEuropa.
Themen der Video-Interviews für die Ausstellung #SalonEuropa.
Auswertung des Diskurses am Salonabend nach Themen, die am häufigsten angesprochen wurden.
Themen am Salonabend #SalonEuropa.
Häufig angesprochene Themen in den schriftlichen Kommentaren zu #SalonEuropa (ohne Blogparade)
Themen in den schriftlichen Kommentaren zu #SalonEuropa (ohne Blogparade)

Bezogen auf die eingegangenen Kommentare werden gemeinsame Nenner wie Gemeinschaft, Einheit, Zusammenarbeit und gemeinsame Kultur, Tradition und Werte deutlich. Frieden, Sicherheit und Freiheit verbinden viele mit Europa. Aber auch aktuelle Probleme werden angesprochen. Enttäuschung ist spürbar, aus verschiedenen Gründen. Manche Themen polarisieren. Beispiel Migration: Während manche enttäuscht sind, dass Europa nicht ausreichend Verantwortung für Geflüchtete übernimmt und nicht weltoffen genug ist, geht anderen das bisherige Engagement zu weit. Das gleiche gilt für die europäische Integration. Einige sind enttäuscht, weil die europäische Gesellschaft noch nicht enger zusammengewachsen ist, anderen wäre mehr Unabhängigkeit für die Nationalstaaten lieber. Auffallend ist die unterschiedliche Bewertung und Betonung von Offenheit und Grenzen, vom positiv besetzten Begriff „Vielfalt“ und dem eher abgrenzenden Wort „Unterschiede“. Es geht um Gemeinsamkeiten und Unterschiede, um Einheit und Frieden einerseits und um Uneinigkeit und Streit andererseits. Es gibt Visionen von Europa als Staatenbund und als Bundesstaat. Es wird deutlich, dass Europa als Chance genauso wie als Herausforderung verstanden wird.

Die Videos: Europa ist weder schwarz noch weiß

Gunter Auer und Nils Lauterbach führten für die Ausstellung 25 Video-Interviews zum Thema „Was bedeutet Europa für dich?“. Im Vergleich zu den schriftlich eingegangenen Kommentaren und den Themen der Blogparade #SalonEuropa kamen viel häufiger auch die aktuellen Probleme Europas zur Sprache – nicht ohne die Vorteile der europäischen Gemeinschaft hervorzuheben. Deutlich wurde, dass viele der Interviewten die Meinung vertreten, dass Probleme in Europa dringend angesprochen und Lösungen gefunden werden müssten. Wir sind der Meinung, dass Formate wie #SalonEuropa dazu einen Anstoß geben und einen Beitrag leisten können. Unser Dank gilt den Interviewpartnern, die den Mut hatten, sich öffentlich zu äußern. Alle Videos kann man auf dem YouTube–Kanal des Museums ansehen.

Thumbnail Playlist SalonEuropa
In der Ausstellung „#SalonEuropa vor Ort und digital“ entstanden eine Reihe Zeitzeugen-Interviews – wir sammeln sie in einer YouTube-Playlist.

Die Veranstaltungen vor Ort: „Außerhalb Europas gilt Europa als Erfolgsgeschichte“

Ein Salonabend, ein Kooperationsprojekt mit der Heinrich-Böll-Stiftung Thüringen, fand am 27. Oktober 2018 mit rund vierzig Gästen im Museum statt. Auch zur Eröffnung und zur Finissage der Ausstellung kam es zu angeregten Gesprächen über Europa. Eines der großen Themen waren die verschiedenen Blickwinkel auf Europa: von Ost und West, Außen und Innen, Jung und Alt. Während Europa außerhalb Europas als Erfolg gilt, sei das in den Mitgliedsstaaten leider nicht immer so.

Das Gespräch drehte sich um Europas Grenzen und Region, um Ost und West und um Identität.
Das Gespräch drehte sich um Europas Grenzen und Region, um Ost und West und um Identität.

Die Blogparade: über 400 Seiten Gedanken zu Europa

Unsere erste Blogparade führten wir in Kooperation mit Dr. Tanja Praske vom Blog KULTUR-MUSEUM-TALK durch, die das Projekt auch auf Twitter, Facebook, Instagram und Pinterest begleitete. Die Blogparade lud interessierte Blogger ein, Artikel zur Frage „Europa bedeutet für mich…?“ zu verfassen. Insgesamt erhielt das Museum 75 Blogposts, die ausgedruckt rund 445 A4-Seiten Text ergaben, die auch in der Ausstellung vor Ort zugänglich waren. Viele Blogger beschäftigten sich mit der Tradition, Geschichte und Kultur Europas, schilderten ihre ganz persönlichen Europa-Erlebnisse von der DDR-Kindheit bis zum deutsch-französischen „Erasmus-Baby“ oder berichteten von ihren schönsten Europareisen.

Für alle Meinungsäußerungen zur Ausstellung #SalonEuropa legte das Museum im Vorfeld „Salonregeln“ fest, als Instrument, um eventuelle unangemessene Beiträge außen vor zu lassen: 1) Äußern Sie Ihre Meinung höflich; 2) Ihr Kommentar darf nicht gegen das Bürgerliche Gesetzbuch und die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland verstoßen; 3) Äußerungen, die diesen Salonregeln widersprechen, können kommentarlos gelöscht werden. Schlussendlich musste kein Beitrag gelöscht werden, denn auch die kritischen Äußerungen wurden sachlich vorgetragen.

Insgesamt zielte das Projekt #SalonEuropa neben der Visualisierung in der Ausstellung vor Ort vor allem auf das Gespräch mit allen, auch mit denen, deren Meinung zwischen den Extremen liegt, die Europa als bürokratisches Monster und nicht als Chance zur Bewältigung nationaler wie internationaler Probleme sehen. Den Unzufriedenen wollten wir genauso eine Stimme geben, wie denen, die Europa bereits jetzt leben. Insofern ist festzustellen, dass genau dieser Austausch nur in Einzelfällen erreicht werden konnte.

Es bestätigte sich die These, dass in großen Teilen der Gesellschaft die öffentliche kontroverse Diskussion nicht miteinander geführt, sondern stattdessen übereinander gesprochen wird. Diese Art der Diskussion bezeugt deutlich den breiten gesellschaftlichen Diskurs, der sich derzeit in zwei Lager teilt: Während die eine Seite der Meinung ist, dass Europa-kritischen Stimmen keine Bühne geboten werden sollte, vertritt die andere die Ansicht, dass gerade durch Miteinanderreden die aktuelle Spaltung Europas überwinden werden könnte.

Ganz unterschiedliche Visionen für die Zukunft Europas

In vielen Beiträgen zu #SalonEuropa kommen Zukunftswünsche und Visionen für Europa zu Wort, die teilweise weit auseinander gehen. Diese Spaltung zieht sich natürlich durch den gesamten Kontinent. Ein Lichtblick für uns: Der Tonfall im #SalonEuropa blieb immer sachlich. Wir hatten den Eindruck, dass man gerade in der Ausstellung vor Ort und auch in den Social Media-Kanälen die Verschiedenheit der Sichtweisen zur Kenntnis genommen hat. Für uns bildete das die Grundlage für einen ausgewogenen Diskurs auf Augenhöhe.

Im Rahmen der Ausstellung wurden wichtige, zeitlose, lesenswerte Gedanken geäußert. Vielleicht konnte sie die Aufmerksamkeit für das Thema Europa ein wenig erhöhen.

Europa fehlen eine gemeinsame Öffentlichkeit und europäische Medien, forderten die Autoren Andre Wilkens und Markus Rhomberg 2015 in einem Beitrag im Tagesspiegel. Der MDR -Twitterkanal für Medien verfolgte #SalonEuropa regelmäßig. Die Ostthüringer Zeitung (Funke-Mediengruppe) berichtete oft über unser Projekt. Allerdings sprang der „Europafunken“ nie so recht über. In Thüringen finden 2019 Landtagswahlen statt und laut aktuellen Sonntagsfragen wären CDU, Linke und AfD wohl mit jeweils rund 23 bzw. 22 Prozent der Stimmen die stärksten Kräfte. Zeit, zumindest darüber nachzudenken, welche Position man selbst vertritt, Probleme offen anzusprechen und ernst zu nehmen. Und Zeit, miteinander ins Gespräch zu kommen.

Das folgerten auch einige der Gäste im #SalonEuropa: „Gerade die Unterschiede und Widersprüche gehören zur Pluralität Europas“, betonte Reinhard Laube, Direktor der Weimarer Anna Amalia Bibliothek.

Mit der Idee Europas, was heute davon übrig ist und wie unterschiedliche Generationen dazu stehen, beschäftigten sich auch andere Posts. Viele kamen wie Kulturkramkiste zu dem Schluss: „Es ist Zeit, Verantwortung zu übernehmen und Europa weiterzuentwickeln.“

Ein Konzept für den Wiederaufbau des seit 1953 fehlenden Nordflügels der Burg als "Zentrum für europäische Salonkultur" gibt es - ob es umgesetzt wird, wird die Zukunft zeigen.
Ein Konzept für den Wiederaufbau des seit 1953 fehlenden Nordflügels der Burg als „Zentrum für europäische Salonkultur“ gibt es – ob es umgesetzt wird, wird die Zukunft zeigen.

Auch im Jahr 2019 wollen wir im Museum Burg Posterstein weiter mit dem Salonformat experimentieren. Eine ideale Bühne wäre dafür das Konzept eines Zentrums für europäische Salonkultur im ruinösen Nordflügel der Burg, das immer noch in der Schwebe hängt. In diesem Sinne schauen wir gespannt in die Zukunft, danken allen, die #SalonEuropa so tatkräftig unterstützt und die Diskussion bereichert haben und wünschen einen guten Start ins Jahr 2019!

Zusammengefasst von Marlene Hofmann / Museum Burg Posterstein

„Mehr als nur Geografie“ – Auswertung #SalonEuropa 2: Die Kommentare

Geschichte & Geschichten Veröffentlicht am 23. November 2018 von Museum Burg Posterstein23. November 2018

Die Ausstellung #SalonEuropa vor Ort und digital war für uns ein Experiment. Auf die Frage „Was bedeutet Europa für mich…?“ bekamen wir insgesamt über 200 Meinungen aus 15 Ländern in Form von schriftlichen Kommentaren, Blogposts, Fotos, Video- und Audio-Statements, als Kunstwerk und natürlich auch im persönlichen Gespräch vor Ort. In mehreren Teilen fassen wir den Diskurs zusammen: (1) Die Zusammenfassung der Gespräche am Salonabend, (2) der Kommentare, (3) der Video-Interviews, (4) der Blogparade und (5) ein kurzes Gesamtfazit. Vorangestellt sei noch einmal die Idee der Ausstellung:

#SalonEuropa vor Ort und digital - eine dynamisches Ausstellungsexperiment

Was will #SalonEuropa?

Blick in die Ausstellung #SalonEuropa vor Ort und digital im Museum Burg Posterstein

Blick in die Ausstellung #SalonEuropa vor Ort und digital im Museum Burg Posterstein

Die Ausstellung „#SalonEuropa vor Ort und digital“ konzipierten wir als Labor. Ausgehend von der historischen Salonkultur um 1800 sollte sie den Bogen schlagen in die heutige Zeit. Europa befindet sich im Umbruch, es sind Visionen gefragt, um Europa eine Identität für die Bürger und Handlungsfähigkeit in der Welt zu verleihen. Nach Französischer Revolution und der Ära Napoleons musste auch im frühen 19. Jahrhundert mit dem Wiener Kongresses eine Basis für die europäische Gemeinschaft geschaffen werden. In den Salons der bürgerlichen und adligen Damen fand Austausch über wichtige gesellschaftliche, aber auch kulturelle Themen statt. Wir sind der Meinung, dass auch heute nur in einem breiten Diskurs, in dem jeder den anderen und dessen Meinung respektiert, zukunftsweisende Lösungen gefunden werden können. Alle sind gefordert: Politik, Wirtschaft, Kunst, Kultur und die Bürger selbst. Der #SalonEuropa war ein Versuch, Bürgern vor Ort und im Digitalen die Möglichkeit zu geben, ihre Gedanken zu Europa zu äußern und darüber ins Gespräch zu kommen. Dazu gab es einmal die dynamische, mitwachsende Ausstellung selbst, in der bereits zu Beginn über hundert Meinungen zu Wort kamen. Darüber hinaus gab es die Projektwebseite, die Blogparade, die Diskussionen im Social Web und drei Veranstaltungen vor Ort.

93 Wortmeldungen per Kommentar, Social Media und Postkarte

Europa bedeutet für dich? - Licht und Schatten

Europa bedeutet für dich? – Licht und Schatten

Die Bewertung von Europa in den schriftlichen Kommentaren ist breit gefächert: „Europa ist für mich ein Geschenk.“ (Dr. Kristin Jahn, Deutschland), „Europe first of all is my Home!“ (Svetlana Loew, Lettland), „Europa ist für mich eine Sammlung toller Möglichkeiten und vertaner Chancen. […] Wir könnten mit gutem Beispiel vorangehen und tun es nicht…“ (Daniela Schwarzböck, Österreich) und „[Europa ist für mich] Licht und Schatten“ (@ostblocktechnik, Deutschland via Instagram). Und natürlich ist die eigene Meinung zu Europa gar nicht so leicht auf den Punkt zu bringen: „Eigentlich mehr als nur Geographie. Aber was, ist schwer in Worte zu fassen.“ (@kulturtussi, Deutschland via Twitter).

Insgesamt 93 Statements zur Frage „Europa bedeutet für mich…?“ erreichten uns schriftlich auf verschiedensten Wegen. Auf der Projekt-Webseite #SalonEuropa können sie nachgelesen werden. Die meisten Statements gingen per Instagram-Story ein (30). 25 erreichten uns per E-Mail oder Direktnachricht auf Facebook und Instagram und 16 als Tweets. Dahingegen gingen nur sechs Statements über das Formular auf der Projektwebseite ein. Von den gedruckten Postkarten kamen nur fünf mit handschriftlichem Statement zu uns zurück, obwohl viele persönlich verteilt worden waren. Fünf Meinungen wurden per Blogpost (außerhalb der Blogparade #SalonEuropa) geäußert, zwei erreichten uns als Instagram-Posts und vier stammten von den Künstlerinnen der vorangegangenen Kunstausstellung #SalonEuropa im Hier und Jetzt.

Auswertung der schriftlichen Kommentare zu #SalonEuropa (ohne die Blogparade)

Auswertung der schriftlichen Kommentare zu #SalonEuropa (ohne die Blogparade)

Ein erstes Fazit: Über Europa zu reden ist kein Selbstläufer. Spontan zu Wort meldeten sich nur wenige, oft diejenigen, die sich ohnehin schon engagieren oder die, die damit gleichzeitig auch eine Botschaft auf einem eigenen Kanal (z.B. Blog, Social Media-Account) an ein eigenes Publikum (ihre Follower) senden. Vielen Meinungsäußerungen gingen persönliche Gespräche vor Ort und digital voraus. Es gibt eine breite Masse, die die Ausstellung vor Ort oder digital mit Interesse verfolgte, sich lobend äußerte, aber keine eigene Meinung hinzufügte. Europa ist nicht schwarz-weiß und das Thema kein einfaches. In Thüringen findet im Oktober 2019 die nächste Landtagswahl statt. In aktuellen Umfragen sind CDU, Linke und AfD beinahe gleich auf. Zeit, wenigstens darüber nachzudenken, welche Position man selbst vertritt.

Aktuelle Probleme aus unterschiedlichen Perspektiven

Den Inhalt der Wortmeldungen haben wir versucht, nach der Häufigkeit der Nennung bestimmter Themen grafisch darzustellen. Auf diese Weise wird anschaulich deutlich, dass die verschiedenen „Kanäle“, über die Meinungen zu #SalonEuropa eingingen (Salonabend, Kommentare, Videos, Blogparade), in unterschiedlichen Themengewichtungen resultierten bzw. dass sich der Diskurs in den unterschiedlichen Formaten anders entwickelt hat.

Häufig angesprochene Themen in den schriftlichen Kommentaren zu #SalonEuropa (ohne Blogparade)

Häufig angesprochene Themen in den schriftlichen Kommentaren zu #SalonEuropa (ohne Blogparade)

Bezogen auf die eingegangenen Kommentare werden gemeinsame Nenner wie Gemeinschaft, Einheit, Zusammenarbeit und gemeinsame Kultur, Tradition und Werte deutlich. Frieden, Sicherheit und Freiheit verbinden viele mit Europa. Aber auch aktuelle Probleme werden angesprochen. Enttäuschung ist spürbar, aus verschiedenen Gründen. Manche Themen polarisieren. Beispiel Migration: Während manche enttäuscht sind, dass Europa nicht ausreichend Verantwortung für Geflüchtete übernimmt und nicht weltoffen genug ist, geht anderen das bisherige Engagement zu weit. Das gleiche gilt für die europäische Integration. Einige sind enttäuscht, weil die europäische Gesellschaft noch nicht enger zusammengewachsen ist, anderen wäre mehr Unabhängigkeit für die Nationalstaaten lieber.

Auffallend ist die unterschiedliche Bewertung und Betonung von Offenheit und Grenzen, vom positiv besetzten Begriff „Vielfalt“ und dem eher abgrenzenden Wort „Unterschiede“. Es geht um Gemeinsamkeiten und Unterschiede, um Einheit und Frieden einerseits und um Uneinigkeit und Streit andererseits. Es gibt Visionen von Europa als Staatenbund und als Bundesstaat. Es wird deutlich, dass Europa als Chance genauso wie als Herausforderung verstanden wird.

Laura Jung, die in Großbritannien studiert, schrieb: „Europa ist eine Chance, die uns viele Türen öffnet. Wir müssen sie bloß wahrnehmen und aufpassen, dass sie uns nicht entwischt. Die Augen vieler meiner britischen Freunde verraten die Sorge, diese Chance vertan zu haben.“

Europa als gemeinsames Haus

Mehrere Menschen verglichen Europa mit einem großen Haus: „Ich bin Mieter im Haus Europa mit allen Rechten und Pflichten – KEIN Besitzer.“, lautet ein anonymer Kommentar per Postkarte. Angela Kiesewetter-Lorenz zeichnet ein sehr anschauliches Bild von diesem Haus: „Ja, mein Europa ist ein Haus, in dem ich mich gern bewege, wo ich wohne, mich entfalten kann, wo ich Begegnungen haben kann, wie ich es möchte, wo ich offen sein kann und auch mal ganz für mich in einem Zimmer sein kann… Und auch in meinem Haus ändert sich ab und an die Ordnung, die Einrichtung, ändere ich mich, ändern sich meine Bedürfnisse…“

Im Großen und Ganzen überwiegen die Europa-positiven Meinungen, aber auch darin kamen Sorge, Enttäuschung und Probleme zum Ausdruck. Mehrere Male wurde erwähnt, dass man Europa als (bisher) alternativlos sehe. Anton B. aus Slowenien schrieb beispielsweise: „Ich meine, dass Europa das Beste ist, was die Leute bis jetzt politisch entwickelt haben. Natürlich gibt es auch viele Probleme, aber die Vision ist etwas, das wir uns bewahren müssen. Ruhe, Freiheit und große Chancen für alle, das ist doch etwas Wertvolles!“

Europa ist ein Friedensprojekt

Als Museum war es uns wichtig, mit der Ausstellung #SalonEuropa einen virtuellen und realen Ort zu bieten, an dem Austausch über ein kontroverses Thema – in diesem Fall Europa – stattfinden kann. Wir sind der Meinung, dass wir einander zuhören und miteinander ins Gespräch kommen müssen, um die aktuellen Herausforderungen, vor denen Europa steht, gemeinsam lösen zu können. Mit Blick auf die Geschichte Europas ist die EU ein historisch einmaliges Friedensprojekt. Gleichzeitig ist klar, dass Europa mehr ist als die EU und dass es Probleme gibt, über die gesprochen werden muss und die es erlaubt sein muss, anzusprechen. Wir wollen einige Stimmen aus dem Diskurs im #SalonEuropa herausgreifen, die die Ambivalenz und die Herausforderungen deutlich machen:

„Für mich ist Europa (trotz Schwächen) die natürlichste Antwort auf mein grundlegendes Bedürfnis, in Freiheit und Vielfalt zusammenzuleben, mich an Ländern und Sprachen erfreuen zu können, an Gerichten, Kunst und Bräuchen.“ (Peter Soemers, Niederlande)

„Europe should never be a fort, but instead a mindset, a set of European values based on human rights, open-mindedness and equality, and by welcoming others – like we have done for centuries – we enrich and enlighten ourselves and maintain our humanity. In short, xenophobia can go fuck itself.“ (Jakob Stig Nielsen, Dänemark)

„What condition is Europe in today? Historically, Europe is one of the most successful societies of the post World War era, but its structure is revealing ever deeper and more severe crevices. Is Europe falling apart, or do these crevices signify that Europe is sloughing to reinvent itself?“ (Merete Sanderhoff, Dänemark)

#SalonEuropa - die Ausstellung stellte den Besucher in den Mittelpunkt

#SalonEuropa – die Ausstellung stellte den Besucher in den Mittelpunkt

„Diese Vereinigung lässt Europa Beziehungen und den nachhaltigen Austausch in allen Gebieten erschaffen: Kultur, Gesellschaft, Wirtschaft, Bildung, Forschung, Gesundheitswesen und Umweltschutz. Ein einzelnes und isoliertes Land hätte weder solche Kraft noch solchen Reichtum. Aber seit 2016 ist dieses Europa zerbrechlich geworden: Brexit, Terrorgefahr, Anschläge, Flüchtlingskrise und Aufstieg von Populismus. Sind wir uns bewusst, was uns Europa bringt?“ (Verok Gnos, Frankreich)

„Europa ist für mich eine schöne Vision im Interesse der Menschen – mit aufeinander gerichteten Waffen und selbstherrlichen, ignoranten Politikern jedoch ein Trauerspiel.“ (Frank Wunderlich, Deutschland)

„Europa hat sich zubetoniert. Geistig, kulturell – und menschlich. Sicher nicht jedes Du und Ich – aber der politische Trend ist erschreckend. Dieses Europa wollte ich so nicht, sondern ein humanes.“ (@mellubo1, Deutschland/Spanien)

„In meinen Augen ist Europa nicht dort, wo wir uns es gewünscht haben, sodass im Moment der Eindruck entsteht, dass Europa eher auseinander driftet.“ (Andreas Oeser, Deutschland)

„I am a citizen of the world. Project Europe is failing fast – let’s look at project Earth.“ (Halina Zerko, Großbritannien/Polen)

Wir haben ganz unterschiedliche Visionen für die Zukunft Europas

In vielen Beiträgen kommen Zukunftswünsche und Visionen für Europa zu Wort, die teilweise weit auseinander gehen. Diese Spaltung zieht sich natürlich durch den gesamten Kontinent. Ein Lichtblick für uns: Der Tonfall im #SalonEuropa blieb immer sachlich. Wir hatten den Eindruck, dass man gerade in der Ausstellung vor Ort und auch in den Social Media-Kanälen die Verschiedenheit der Sichtweisen zur Kenntnis genommen hat. Für uns bildet das die Grundlage für einen ausgewogenen Diskurs auf Augenhöhe.

Den allerersten Beitrag zu #SalonEuropa schickte uns Neil McCallum aus Großbritannien.

Den allerersten Beitrag zu #SalonEuropa schickte uns Neil McCallum aus Großbritannien.

Den allerersten Beitrag zu #SalonEuropa schickte uns Neil McCallum aus Großbritannien, nachdem er zur #MuseumWeek im Mai 2018 auf das Projekt aufmerksam geworden war. Auch er appelliert an unseren Willen zum Gespräch und zur Teilhabe, um Lösungen für aktuelle innereuropäische Konflikte zu finden:

„Europe is a community of nations, and community means coming together. Now, we need to come together to not just share in the wonders of each other’s cultures, but to tackle the great questions and debates on migration, climate change, and equality which face the continent. We listen to what each other has to say, we think about what they have to say, and we formulate responses. Solutions don’t just need to be found in the hallowed halls of some parliament somewhere, but can be found amongst friends just chatting, wanting to better and make a difference to their local community. As the sayings go, two heads are better than one, and many hands make light work.“ (Neil McCallum, Großbritannien)

André Körndörfer vertritt die Sichtweise, dass die aktuellen innereuropäischen Konflikte durch mehr Rücksichtnahme und Verständnis für nationalstaatliche Befindlichkeiten und Bedenken, auch in Sachen Migration, zu lösen seien:

„Nur durch mehr Zurückhaltung und mehr Verständnis für die einwanderungskritischen Positionen vieler Länder und eines bedeutenden Teils der Völker Europas und nur durch stärkere Rücksichtnahme auf nationalstaatliche Besonderheiten und Befindlichkeiten kann in der Zukunft wieder dazu beigetragen werden, dieses innereuropäische Zerwürfnis allmählich zu kitten und die europäischen Völker einander (wieder) näher zu bringen.“ (André Körndörfer, Deutschland)

Online eingegangene Kommentare waren auf dem Bildschirm in der Ausstellung sichtbar - neben Videointerviews (hier Anthony Lowe), Beiträgen zur Blogparade, aktuellen Tweets und Instagram-Kommentaren.

Online eingegangene Kommentare waren auf dem Bildschirm in der Ausstellung sichtbar – neben Videointerviews (hier Anthony Lowe), Beiträgen zur Blogparade, aktuellen Tweets und Instagram-Kommentaren.

Für den Künstler Anthony Lowe gibt es derzeit keine Alternative für ein starkes Europa:

„Ich glaube an das Europa-Projekt, weil ich keine Alternative sehe. Die Kleinstaaterei hat in Deutschland ausgedient und musste ersetzt werden, aber Bayern gibt es noch. Doch das Europa-Projekt wird jetzt angegriffen von denen, die nicht vermochten es zu gestalten, es aber beenden und die Zeit zurückdrehen wollen.“ (Anthony Lowe, Deutschland/Großbritannien)

Auch Helmut Hellrung sieht das größte Potential in einem stärkerem Europa:

„Der europäische Verwaltungsapparat hat sich etabliert, er ist schwerfällig und bürgerfern. Aber Kleinstaaterei und Nationalismus können auf Dauer keine Lösung sein, vor allem nicht im Hinblick auf den Frieden. Ich traue Europa zu, lernfähig zu sein und die anliegenden globalen Probleme (Umwelt, Migration) zu lösen, die auf Länderebene nicht gelöst werden können.“ (Helmut Hellrung, Deutschland)

Rudolf Hellmuth geht noch einen Schritt weiter:

„Europa bedeutet für mich die Überwindung der Nationalstaaten. Die “Vereinigten Staaten von Europa” sind unsere einzige Zukunft!“ (Rudolf Hellmuth, Deutschland)

Vor Ort kam man durchaus über Europa ins Gespräch - wenn dies auch selten in eigenen Meinungsäußerungen der Besucher resultierte.

Vor Ort kam man durchaus über Europa ins Gespräch – wenn dies auch selten in eigenen Meinungsäußerungen der Besucher resultierte.

Gespräche vor Ort

Vor und während der Ausstellung (23. September bis 18. November 2018) suchten wir immer wieder das Gespräch mit Museumsbesuchern vor Ort und auch im Digitalen. Oft entspann sich ein interessanter Austausch.

Ein Besuch ist besonders in Erinnerung geblieben: Andreas Oeser aus Chemnitz hatte in seinem Kommentar zu #SalonEuropa vor allem die negativen Eindrücke geschildert, die er in seiner täglichen Arbeit als Polizist mit Kriminalität, Migration und Unzufriedenheit erfährt. Vor Ort kamen wir ins Gespräch und über Instagram erreichte uns dann seine Bewertung der Ausstellung:

„Es sind sehr ansprechende Kommentare zu Europa zu lesen, sehr konstruktiv und weltoffen, selbstkritisch und visionär… Ich finde die Ausstellung nicht einfach nur interessant, sie hat mir auch ein bisschen mehr die Sichtweise erweitert, auf Europa – dass ich nicht so schwarz sehen sollte…“

Jeder von uns entscheidet über Europa

In welche Richtung sich Europa in den nächsten Jahren entwickeln wird, entscheidet jeder einzelne von uns mit. Als kulturhistorisches Museum ist uns einerseits der Blick auf die Geschichte wichtig, denn wer mit den Fehlern der Geschichte vertraut ist, kann vermeiden, sie zu wiederholen. #SalonEuropa ist unser Versuch, einen modernen Ort des Austauschs zu bieten. Im nächsten Blogpost folgt die Auswertung der Video-Interviews und danach die der Blogparade.

Zusammengefasst von Marlene Hofmann / Museum Burg Posterstein

Europa ist für uns ein großer Kulturraum, ein intensiv verflochtener kultureller Rahmen

Geschichte & Geschichten Veröffentlicht am 19. Oktober 2018 von Museum Burg Posterstein19. Oktober 2018

Die Alte Sternwarte in Mannheim.

Die Alte Sternwarte in Mannheim.

Helen Heberer und Raimund Gründler von LeseZeichen Mannheim senden uns ihren Gast-Beitrag zu unserer Blogparade #SalonEuropa. Mitmachen könnt ihr bis 23. Oktober 2018. Wer keinen eigenen Blog hat, dessen Artikel veröffentlichen wir gern wie diesen hier als Gastbeitrag hier im Blog. 

Als der Kurfürst von Bayern die Münchner Theatinerkirche errichten ließ, beauftragte er mit Planung und Umsetzung den Architekten und Baumeister Agostino Barelli aus Bologna. In seiner norditalienischen Heimatstadt hatte dieser sein Handwerk bei seinem Vater erlernt und bereits eine Kirche errichtet. Ab 1662 schuf er dann mit den Kenntnissen und Erfahrungen, die er aus seiner Heimat mitbrachte, in München das erste Bauwerk des Hochbarocks nördlich der Alpen. Der barocke Baustil hatte nun auch die deutschen Lande erreicht, nachdem er sich zuvor von Rom kommend bereits nach Frankreich und England verbreitet hatte.

Anders vollzog sich Jahrhunderte zuvor die Verbreitung der Gotik. Hier liegt der Ursprung in Frankreich und die Kathedralen von Saint Denis unweit von Paris und von Sens (Burgund) aus der Mitte des 12. Jahrhunderts gelten als die ersten Kirchenbauten in diesem Stil. Wandernde Handwerker und Baumeister trugen ihr Wissen von Baustelle zu Baustelle, von Land zu Land. Knapp 30 Jahre später hatte die Gotik England erreicht und Anfang des 13. Jahrhunderts wird in Deutschland mit dem Magdeburger Dom der erste gotische Kirchenbau in Angriff genommen. Der rege Austausch hielt an, Vorbild für den Kölner Dom waren beispielsweise die Kathedrale von Amiens und die Saint Chapelle in Paris.

Auch in den anderen kulturellen Domänen lässt sich ein beständiger Transfer nachweisen. Kunst-, Literatur- und Musikstile wurden übernommen. Künstler reisten quer durch Europa, um sich zu bilden und Erfahrungen zu sammeln. Viele kehrten nach einer gewissen Zeit wieder in ihre Heimat zurück. Andere wurden in der Fremde heimisch und sind dort aus der örtlichen Kulturgeschichte nicht mehr wegzudenken. So wurde der Komponist Georg Friedrich Händel in Halle an der Saale geboren. Seine berufliche Laufbahn startete er in Hamburg. Zur Weiterbildung reiste er durch Italien. Doch sesshaft wurde er in London. Hier feierte er seine großen Erfolge, er ging am Hofe ein und aus und hier wurde er 1750 in Westminster Abbey inmitten all der englischen Geistesgrößen begraben.

Obwohl in unterschiedlichen Sprachen geschrieben wurde, existierte selbst in der Literatur ein reger europäischer Austausch. Erfolgreiche Autoren wirkten über die Sprachgrenzen hinweg stilbildend. Theodor Fontane, der Chronist des kaiserlichen Preußens, verwies beispielsweise selbst auf den Einfluss, den der englische Autor Charles Dickens auf ihn ausübte.

Durch eine rege Übersetzertätigkeit wurden Sprachbarrieren niedergerissen. Mit großer Ernsthaftigkeit wurden interessante Werke in die einzelnen Landessprachen übersetzt. Selbst Johann Wolfgang von Goethe war immer wieder als Übersetzer tätig. Zeitgenössische Werke französischer und englischer Autoren nahm er sich genauso vor wie die Schriften Homers. Er wiederum profitierte natürlich davon, dass seine Werke sehr schnell in viele Sprachen übersetzt wurden. Mit seinem Werther prägte er den Stil einer ganzen europäischen Schriftstellergeneration.

Astrid Lindgren wiederum ließ mit ihren Büchern über Michel, Pippi Langstrumpf und Bullerbü Generationen von Kindern in ganz Europa davon träumen, nach Schweden auszuwandern.

Unzählige Beispiele für Wirkung und Gegenwirkung, für Austausch und Befruchtung könnten noch aufgeführt werden.

Wer heute von der deutschen, französischen oder polnischen Kultur spricht, wer die bayerischen, flämischen oder bretonischen Besonderheiten betrachtet, sollte diesen alle Zeiten und Epochen überdauernden Dialog vor Augen haben. Die kulturelle Entwicklung aller europäischen Länder und Regionen lässt sich als ein beständiger, überregionaler Prozess verstehen, der Sprachgrenzen genauso überschreitet, wie geographische Grenzen. Es war nicht Abschottung, sondern intensiver Dialog und vielfältiger Kontakt in Kombination mit örtlichen Besonderheiten und geographischen Vorgaben, die unsere vielfältige europäische Kulturlandschaft hervorgebracht haben. Mit hunderten, ja tausenden unverwechselbaren Einheiten. Jede auf ihre Art einzig und an vielen Stellen doch geprägt von gleichen Wurzeln und Impulsen.

Auch in Zukunft werden Einflüsse aus den unterschiedlichen Gegenden Europas den kulturellen Rahmen des ganzen Kontinents mitprägen. Der europäische Lesesalon des Mannheimer LeseZeichens, das regelmäßig Literaturveranstaltungen organisiert, wird immer wieder diesen kulturellen Spuren folgen, die sich quer durch Europa ziehen.

Von LeseZeichen Mannheim / Helen Heberer und Raimund Gründler

#SalonEuropa im Hier und Jetzt: Die Künstlerin Jana Borath im Portrait

Geschichte & Geschichten Veröffentlicht am 9. August 2018 von Museum Burg Posterstein20. Dezember 2022
Schloss Tannenfeld steht seit vielen Jahren leer
Schloss Tannenfeld steht seit vielen Jahren leer

Wir vom Museum Burg Posterstein widmen 2018 gleich zwei Ausstellungen dem Motto #SalonEuropa. Bis 9. September 2018 ist die Kunstausstellung „Schloss Tannenfeld – Inspiration und Wirklichkeit“ im Museum Burg Posterstein zu sehen. Anlass sind die bevorstehenden Veränderungen, die für Parkanlage und Schloss Tannenfeld ab Sommer 2018 anstehen. Die Idee dazu kam von zwei Künstlerinnen aus Thüringen, die eine Künstlerin aus Polen und eine Künstlerin aus Frankreich mit ins Boot holten. Zu sehen sind Bilder, Fotos, eine Installation im Raum und eine dreidimensionale Installation. In diesem Blogpost – Teil 2 einer Reihe – möchten wir die Fotografin Jana Borath vorstellen. Hier geht es zu Teil 1.

Steht Schloss Tannenfeld bald nicht mehr leer?

Der idyllische Ort Tannenfeld nahe Löbichau – einst von Anna Dorothea von Kurland beseelt – bekommt nach Jahren des Stillstandes neue Nutzung und neue Bewohner. Die Besitzverhältnisse haben sich geändert: Das Ensemble ist aus dem Eigentum des Landkreises Altenburger Land in Privathand übergegangen. Jana Borath nahm diese Veränderungen zum Anlass, den stillen Ort Tannenfeld zu dokumentieren.

Jana Borath dokumentierte ein Jahr lang Schloss und Park Tannenfeld.
Jana Borath dokumentierte ein Jahr lang Schloss und Park Tannenfeld.

Jana Borath – Fotografien eines verlorenen Ortes?

Jana Borath wurde 1970 in Gera geboren und lebt seit 2007 in Schmölln. Seit 1992 ist sie als Journalistin für die Ostthüringer Zeitung tätig und im Altenburger Land unterwegs. Ihre Leidenschaft gilt der Fotografie und dem Reisen fernab touristischer Pfade. Ihre Fotos dokumentieren zum einen die Schönheit und verblichene Eleganz des weitläufigen Parks Tannenfeld. Zu jeder Jahreszeit lädt er zum Verweilen ein, spendet Ruhe und schenkt Augenblicke der Stille und des Innehaltens. Zum anderen richten sie den Blick auf den Verfall, dem vor allem das Schloss Tannenfeld in jüngster Vergangenheit preisgegeben wurde.

Im 19. Jahrhundert gaben sich hier auf Einladung von Anna Dorothea von Kurland Politiker, Künstler, Dichter und damalige Akteure des politischen Europas die Klinke in die Hand. Ihr Leben, ihr Agieren, ihre Offenheit wirken bis heute nach. Auch in Tannenfeld. Der Park, das Schloss animieren, sich mit dem Tun ihrer einstigen Besitzer, Besucher und Gäste näher zu beschäftigen. Ein verlorener Platz? Nur auf den ersten Blick. Eher ein geheimer Ort, der mehr Achtsamkeit verdient, als er in den vergangenen Jahren erfuhr.

Besucherin in der Ausstellung #SalonEuropa im Hier und Jetzt.
Besucherin in der Ausstellung #SalonEuropa im Hier und Jetzt.

Lost Places: Tannenfeld zwischen Vergessen und Hoffnung – ein fotografischer Kurzbesuch

Jana Borath beschreibt Tannenfeld mit Schloss, Villen und Park selbst als ihren Lieblingsort im Altenburger Land.

„Auch, weil er für all das steht, was Europa so wertvoll macht für seine Bewohner und was heute bedrohter scheint als je zuvor. Der einstige Musenhof war ein Podium für offenes Denken und Reisen, für das Kennen- und Verstehenlernen über Grenzen hinweg. Seine Bewohner und ihre Gäste galten als weltoffen, modern und fortschrittlich. Vor 200 Jahren, unter Regie der Herzogin von Kurland, waren hier Austausch von Kunst, Literatur, Gedanken, Ideen und Meinungen so normal, wie Toleranz und Akzeptanz. Bis vor wenigen Jahren war Tannenfeld zudem ein Ort, der Menschen ausruhen und genesen ließ, der Schutz bot und Geborgenheit, an dem geholfen wurde, gepflegt, getröstet und wieder aufgerichtet. Selbst verlassen war und ist Tannenfeld ein Ort, der Ruhe und Erholung spendet, der Alltag und Stress aussperrt für einen langen Moment, um Harmonie und klares Denken zu schenken.“ (Jana Borath, Europa im Hier und Jetzt. Ein Kunstprojekt, S. 6)

Doch Tannenfeld steht auch für das Vergessen, für das Brutale und das Respektlose. Besonders das Schloss trägt deutlich sichtbare Spuren von Verfall, Einbruch und das auf Funktion beschränkte Denken seiner Besitzer in jüngerer Zeit.

„Einbruchsspuren an Türen und Möbeln. Billige Bad-Armaturen brechen wertvollen Marmor. Zerschlagene Ornamente. Ein Art-Déco-Brunnen als Aschenbecher. Moos im Waschbecken. Vernagelte Fenster. Ein Spaten als Türsicherung. Schmutzige Krankenwäsche im Schrank, die niemand mitnehmen wollte beim Auszug.“ (Jana Borath)

Augenblick der Vergänglichkeit, (c) Jana Borath, 2017
Augenblick der Vergänglichkeit, (c) Jana Borath, 2017

Trotzdem birgt dieser verlassen anmutende Ort Schönheit und neue Hoffnung für die Fotografin:

„Eine Motte breitet an der Quelle ihres Todes ein letztes Mal ihre Flügelchen aus. Ehe sie verglüht, wird sie zum Engel. Durch Löcher in dünnen Holzplatten, mit denen die Fenster vernagelt wurden, dringt fingerbreit Tageslicht und verwandelt die billigen Gardinen drinnen in feurige Mäntel, die sacht im einst prachtvollen Saal schwingen.“ (Jana Borath)

All diese Momente hält sie mit ihrer Kamera fest. Dabei war das ursprünglich gar nicht ihr Ziel. Eine Ausstellung daraus zu entwickeln, schon gar nicht.

Im Sommer 2017 besiegelten der Landkreis Altenburger Land und eine Investorengruppe mit sieben Unternehmern aus Leipzig, Erfurt, Altenburg, Kriebitzsch, Gößnitz und Schmölln den Verkauf von Schloss und Park Tannenfeld. Jana Bortah wollte ab August 2017 lediglich den Ist-Zustand vor allem des Schlossparkes dokumentieren, bevor die Bauarbeiten für das Pflegezentrum beginnen. Zusammen mit der Künstlerin Petra Herrmann und dem Museum Burg Posterstein entwickelte sich aus diesem Vorhaben schließlich die Idee zur Ausstellung.

Die Investorengruppe als neue Besitzerin von Schloss und Park Tannenfeld begegnete dem Projekt offen und unterstütze es mit der Erlaubnis einer Fotodokumentation sowie einem Ausblick in die Zukunft Tannenfelds.

Blick in die Ausstellung #SalonEuropa im Hier und Jetzt mit den Bildern von Jana Borath
Blick in die Ausstellung #SalonEuropa im Hier und Jetzt mit den Bildern von Jana Borath

Aus der Vielzahl der Bilder und Eindrücke, die Jana Borath im Laufe eines Jahres sammelte, wählte sie 16 Motive aus, die sie als Fotodrucke auf großformatigen Alu-Dibond-Platten in die Ausstellung einbrachte. Ein Teilbereich der Ausstellung wird von drei großen Foto-Fahnen eingerahmt. Eine Bank lädt den Betrachter ein, sich im Park sitzend zu wähnen. Schloss und Park Tannenfeld aus einem ganz anderen, einmaligen Blickwinkel zu betrachten, sollte nicht nur für Kenner der Anlage eine Besonderheit sein. Die Bilder sind Ausgangspunkt für eine Entwicklung, die sich in Tannenfeld vollziehen wird. Sie zeigen schöne, wenn auch verlassene Orte, die vielleicht bald mit Leben erfüllt werden.

„Es gibt Hoffnung, dass all das Besondere nicht nur bewahrt, sondern mit neuem Leben erfüllt werden kann. Tannenfeld mit Schloss, Villen und Parkanlage soll wieder ein Ort werden, an dem Menschen ausruhen können, Hilfe und Geborgenheit finden. Und er könnte erneut ein Ort werden, der offenen Austausch von Kunst, Ideen und Meinungen ermöglicht. Ganz im Sinne seiner Erschaffer.“ (Jana Borath)

Hinter den Bäumen kann man Schloss Tannenfeld erahnen (Foto: Jana Boarath 2017)
Hinter den Bäumen kann man Schloss Tannenfeld erahnen (Foto: Jana Boarath 2017)

#SalonEuropa – Europa bedeutet für mich …?

Ab 23. September 2018 zeigt das Museum Burg Posterstein die Ausstellung „#SalonEuropa vor Ort und digital: Vernetzung damals und heute – Europa bedeutet für mich …?“. Das Projekt ist auch für uns als Museum ein Experiment. Ausgehend von der historischen Salonkultur um 1800 wollen wir den Bogen schlagen in die heutige Zeit und zur aktuellen politischen Lage. Wir wollen das Format „Salon“ ins Heute übertragen und den Besuchern im #SalonEuropa vor Ort und im Digitalen die Möglichkeit geben, ihre Gedanken zu Europa heute zu äußern. Auf einem Bildschirm in der Ausstellung und auf der Website #SalonEuropa sollen unter der Überschrift “Europa bedeutet für mich…?” in Videos, kurzen Statements und Blogposts unterschiedliche Meinungen zu Europa zu Wort kommen.

Auch die vier Künstlerinnen des Kunstprojektes „#SalonEuropa im Hier und Jetzt: Schloss Tannenfeld – Inspiration und Wirklichkeit“ haben ihre Statements zu Europa eingebracht und nicht nur in ihrer Arbeit, sondern auch in Wort und Schrift in die Ausstellung eingebracht. Jana Borath schrieb dazu:

„Mein Europa: Meine Idealvorstellung von Europa ist ein großes, gemeinsames Haus. Für all seine Bewohner gilt eine verbindliche Hausordnung und es gibt genug Platz, dass sich jeder Bewohner selbst verwirklichen kann. Die Zimmertüren können geschlossen werden, sind aber niemals verschlossen. Dafür gibt es regen Austausch: über Kultur, Gesellschaftliches, Politik, Umweltschutz… Man besucht Zimmer für Zimmer, man hilft sich gegenseitig. Es ist ein Haus, in dem Hinzukommende mit offenen Armen willkommen geheißen werden und man gemeinsam überlegt, wie Probleme gelöst werden können. Zu naiv?“

Zusammengefasst von Franziska Engemann / Museum Burg Posterstein

Zum Weiterlesen:

Die Ausstellung #SalonEuropa im Hier und Jetzt

Video-Bericht zur Ausstellung

Schlossgenuss in Potsdam – Der Museumsverein Burg Posterstein auf den Spuren europäischer Geschichte und Kunst

Geschichte & Geschichten Veröffentlicht am 17. Mai 2018 von Museum Burg Posterstein17. Mai 2018

Noch bis 5. Juni rufen die Schlösser und Gärten Deutschland zur Blogparade #SchlossGenuss auf. Die Mitglieder des Museumsvereins Burg Posterstein folgen traditionell bevorzugt den Spuren der Herzogin von Kurland durch ganz Europa. Die Frühjahrsexpedition führte sie in diesem Jahr nach Potsdam, eine Stadt, die sich wie wohl keine andere Stadt in Deutschland in den letzten zehn Jahren in Bezug auf den Wiederaufbau historischer Gebäude enorm entwickelt hat – und reichlich Potential für Schlossgenuss bietet.

Das wieder aufgebaute Palais Barberini - in der Zeit der Aufklärung pilgerten Künstler und Adlige nach Italien, um sich von der schönen Baukunst und der Geschichte inspirieren zu lassen. (Foto: Bernd Nienhold)

Das wieder aufgebaute Palais Barberini – in der Zeit der Aufklärung pilgerten Künstler und Adlige nach Italien, um sich von der schönen Baukunst und der Geschichte inspirieren zu lassen. (Foto: Bernd Nienhold)

Das Palais Barberini

Das bereits zu Zeiten des Preußenkönigs Friedrichs II. nach dem Vorbild des Palazzo Barberini in Rom errichtete Palais Barberini in Potsdam war im Zweiten Weltkrieg stark zerstört und in den Nachkriegsjahren komplett abgerissen worden. Zwischen 2011 und 2016 wurde es wieder aufgebaut, die Fassaden wurden originalgetreu rekonstruiert, während die Innenarchitektur nach den funktionellen Anforderungen eines modernen Kunstmuseums gestaltet wurde. Architektonisch fügt sich das Gebäude harmonisch in das Ensemble am Alten Markt (Altes Rathaus, St. Nikolaikirche und altes Schloss (jetzt Landtag von Brandenburg) ein.

Das Museum Berberini

Seit dem Jahr 2017 beherbergt dieses Palais das Museum Barberini. Ein Großteil der Räume dient Ausstellungen mit wechselnder Thematik. Wir interessierten uns für die Werke von Max Beckmann, die unter dem Titel „Max Beckmann. Welttheater“ gezeigt wurden. Offenbar war diese Ausstellung nicht nur bei den Mitgliedern des Postersteiner Museumsvereins sehr gefragt, die Besucherzahl schien an diesem Tag sehr groß. Der elektronische Guide gab uns einen guten Einblick in Beckmanns Leben und Werk und erlaubte jedem Teilnehmer sein eigenes Tempo durch die Ausstellung zu wählen.

Auch die Herzogin von Kurland genoss die Schönheit von Sanssouci (Foto: Bernd Nienhold)

Auch die Herzogin von Kurland genoss die Schönheit von Sanssouci (Foto: Bernd Nienhold)

„Salongeschichten“ im Schlosspark Sanssouci

Das Wetter meinte es gut mit uns. Während des Mittagessens hatte sich die angekündigte Regenwolke entleert und danach die Sonne wieder freigegeben, ein Grund mehr für uns, den geplanten Spaziergang durch den Schlosspark auch anzutreten und zu genießen, zumal uns eine sachkundige Potsdamerin die Führung zugesagt hatte. Die Schlossparkführung war natürlich eine besondere, speziell auf unsere Gruppe zugeschnitten. Wir erhielten interessante Einblicke in die Geschichte der preußischen Residenzen rund um Potsdam und Berlin, in die Parkgeschichte, z.B. in das Krongut Bornstedt, in das Drachenhaus mit dem wunderschönen Café, in das Antikenhaus sowie auch in die Geschichte des Weinanbaus im Schlossgarten.

Die Herzogin von Kurland kam 1786 gemeinsam mit ihrem Mann nach Sanssouci und reiste dann weiter nach Italien.

Die Herzogin von Kurland kam 1786 gemeinsam mit ihrem Mann nach Sanssouci und reiste dann weiter nach Italien.

Auch die Herzogin von Kurland ist mindestens einmal in Sanssouci gewesen, denn 1786 war sie noch zu Lebzeiten Friedrich II. gemeinsam mit ihrem Ehemann in der außergewöhnlichen Residenz zu Gast. Von hier aus startete das Paar auf eine große Europareise, die über Wien nach Rom und Neapel führte. Unterwegs stiftete man in Bologna der traditionsreichen Universität einen kunsthistorischen Lehrstuhl.

Nicht nur Kunst brachten die Kurländer aus Italien mit – das von der berühmten Angelika Kaufmann gemalte Porträt gehört zu den schönsten Darstellungen Anna Dorothea von Kurlands –, sondern auch die Gewissheit, dass die Welt außerhalb der eigenen Besitzungen einiges bereithält an Bildung, an Kontakten und an Einflussmöglichkeiten. Europa war von nun an ihre Heimat.

Ausgehend von diesem damals gelebten Europagefühl, wirft das Museum Burg Posterstein im Herbst 2018 in der Labor-Ausstellung „#SalonEuropa vor Ort und digital“ die Frage auf: Was bedeutet Europa für uns heute? Auch dazu wird es eine Blogparade geben, zu der alle herzlich eingeladen sind.

von Dr. Helmut Hellrung/ Museumsverein Burg Posterstein

#differenceMW: Vernetzung damals und heute – Europa bedeutet für mich…?

Geschichte & Geschichten Veröffentlicht am 29. April 2018 von Museum Burg Posterstein26. April 2018

Brachte der Wiener Kongress 1815 nach den verheerenden napoleonischen Kriegen für Jahrzehnte wieder Frieden und Stabilität in Europa, so kann man das in vergleichbarer Weise ebenso von der europäischen Einigung, der politischen Wende 1989 und der Überwindung der europäischen Teilung nach dem zweiten Weltkrieg behaupten. Nach der Euphorie der 1990er Jahre, in der Europa in den Augen vieler seiner Bürger für Wachstum und Stabilität stand, hat sich die Lage spätestens mit der Finanzkrise 2007/08 gewandelt. Heute scheint unter dem Einfluss von Terror, Flüchtlingskrise und Populismus Europaskepsis vorzuherrschen. Zusätzlich setzen viele das europäische Projekt mit verkrusteten bürokratischen EU-Strukturen gleich. Wir nehmen das letzte Thema – #differenceMW – dieser internationalen Museumswoche #MuseumWeek zum Anlass, um über die unterschiedlichen Sichtweisen auf Europa, heute wie damals, zu schreiben – und über es sehr experimentelles Ausstellungsprojekt.

Auch in der Zeit zwischen Aufstieg und Fall Napoleons und Wiener Kongress befand sich Europa im Umbruch. Ein Portrait Anna Dorothea von Kurlands, von Grassi.

Auch in der Zeit zwischen Aufstieg und Fall Napoleons und Wiener Kongress befand sich Europa im Umbruch. Ein Portrait Anna Dorothea von Kurlands, von Grassi.

Es sind Visionen gefragt, um Europa eine Identität für die Bürger und Handlungsfähigkeit in der Welt zu verschaffen, denn wir leben in Europa und müssen miteinander auskommen, ob wir wollen oder nicht. Wie schnell Frieden auch im Inneren verlorengehen kann, haben die Balkankriege gegen Ende des letzten Jahrhunderts anschaulich gezeigt. Alle sind also gefordert: Politik, Wirtschaft, Kunst, Kultur und die Bürger selbst. Nur wenn ein Dialog stattfindet und in diesem Dialog jeder den anderen und dessen Meinung respektiert, können zukunftsweisende Lösungen gefunden werden. Verständigung braucht Nähe und Nähe muss gefördert werden. Der Salon des 18. und 19. Jahrhunderts hatte diese Nähe und birgt das Potential, sie auch heute zu erzielen. Werden wir salonfähig und nehmen wir die Kultur der Salonnièren aktiv auf, transportieren sie ins Hier und Jetzt.

Die Herzogin von Kurland – eine selbstbewusste Europäerin

Zwischen 1795 und 1821 gab es auf Schloss Löbichau bei Posterstein einen lebendigen Musenhof, der bildende Künstler, Schriftsteller und Politiker, Adlige wie Bürgerliche, aus ganz Europa anzog. Die Gastgeberin, die kluge und schöne Herzogin Anna Dorothea von Kurland (1761–1821), zählte zu den reichsten Frauen Europas. Sie verstand es geschickt, ein soziales Netzwerk zu knüpfen, das sich über den ganzen europäischen Kontinent zog. Ihre Briefe gingen in ihre Heimat Kurland im heutigen Lettland, nach Russland, Polen und Frankreich, nach Italien und Dänemark, nach Wien und nach Karlsbad. Per Kutsche reiste sie zwischen Berlin, Karlsbad, Schlesien, Paris, Wien und Löbichau hin und her.

Schloss Löbichau, Ansichtskarte von 1904 (Museum Burg Posterstein)

Schloss Löbichau, Ansichtskarte von 1904 (Museum Burg Posterstein)

In den Sommermonaten versammelte sie ihre Gäste in ihren Schlössern Löbichau und Tannenfeld im heutigen Altenburger Land. In den Salons dieser Zeit wurden bei Musik, Theater und Tee Kontakte geknüpft und politische Entscheidungen auf den Weg gebracht. Unzählige Briefe dokumentieren diese Zeit. Hätten Menschen wie Anna Dorothea von Kurland damals schon heutige soziale Medien zur Verfügung gestanden, man hätte sie sicher zu den „Influencern“ ihre Zeit zählen dürfen.

Die Ausstellung „#SalonEuropa vor Ort und digital“

Die Ausstellung versteht sich als ein Labor. Ausgehend von der historischen Salonkultur um 1800 soll sie den Bogen schlagen in die heutige Zeit und zur aktuellen politischen Lage. Wie der Dichter Jean Paul anerkennend berichtete, durfte im Salon der Herzogin von Kurland jeder frei seine Meinung äußern, so lange sie höflich vorgetragen wurde. Analog dazu soll im #SalonEuropa Labor Besuchern vor Ort und im Digitalen die Möglichkeit gegeben werden, ihre Gedanken zu Europa heute zu äußern. Auf einem großen Bildschirm in der Ausstellung und auf einer Website sollen unter der Überschrift „Europa bedeutet für mich…?“ in Videos, kurzen Statements und Blogposts unterschiedliche Meinungen zu Europa zu Wort kommen.

Die Ausstellung #SalonEuropa: Vor Ort und digital versteht sich als Labor. Besuchern und uns selbst stellen wir die Frage: Was bedeutet Europa für uns selbst?

Die Ausstellung #SalonEuropa: Vor Ort und digital versteht sich als Labor. Besuchern und uns selbst stellen wir die Frage: Was bedeutet Europa für uns selbst?

Im Vorfeld entstehen Videos, in denen lokale Politiker, Wirtschaftstreibende, Künstler und ganz normale Menschen zu Wort kommen. Kommentare können direkt in der Ausstellung eingegeben werden und sind nach Freischaltung im Internet auf der Website www.salon-europa.eu einsehbar. Per soziale Netzwerke und in Blogs sollen Menschen motiviert werden, ihre Meinung zu Europa unter dem Hashtag #SalonEuropa zu teilen. Möglichst viele dieser Meinungen sollen auf der Website zusammenlaufen und somit wieder in der Ausstellung sichtbar werden.

Wir suchen Europa-Meinungen und Fotos für die Ausstellung!

Durch Bilder von verschiedenen europäischen Orten um 1800 und heute (in Lettland, Polen, Deutschland, Österreich und Frankreich) soll die Ausstellung das Damals und das Heute verbinden. Wir suchen Fotos von europäischen Orten heute und Menschen, die mit ihrer Meinung zur Frage „Europa bedeutet für mich…?“ in der ein oder anderen Form in der Ausstellung vertreten sein möchten. Kontaktieren Sie uns gern in den sozialen Netzwerken, per Mail oder persönlich.

An einem Arbeitstisch werden die Pläne für ein Zentrum für Europäische Salonkultur im Museum Burg Posterstein öffentlich vorgestellt.

Über ein Vierteljahrhundert wetteiferte alles, was in Europa Rang und Namen hat, darum, vom illustren Diplomaten Talleyrand in Valençay empfangen zu werden. Nach dem Wiener Kongress und der Rückkehr der Bourbonen zog sich Talleyrand mit der jüngsten Tochter der Herzogin von Kurland, Dorothée, auf Schloss Valençay zurück.

Historische Orte in Ansichten von damals und heute sollen in der Ausstellung #SalonEuropa eine Rolle spielen – zum Beispiel Schloss Valençay, Frankreich: Über ein Vierteljahrhundert wetteiferte alles, was in Europa Rang und Namen hat, darum, vom illustren Diplomaten Talleyrand in Valençay empfangen zu werden. Nach dem Wiener Kongress und der Rückkehr der Bourbonen zog sich Talleyrand mit der jüngsten Tochter der Herzogin von Kurland, Dorothée, auf Schloss Valençay zurück.

Verschiedene Formate begleiten die Ausstellung:

Blogparade #SalonEuropa vom 23. September bis 23. Oktober 2018

Wir wollen zu einer Blogparade einladen in Kooperation mit Dr. Tanja Praske von KULTUR-MUSEUM-TALK . Blogger aller Art werden dazu eingeladen, unser Ausstellungsthema zum Anlass für eigene Artikel zu nehmen, die wiederum auf der Ausstellungswebsite #SalonEuropa gesammelt und in den sozialen Netzwerken geteilt werden. Die Blogparade wird die Ausstellung im Internet begleiten. Tanja Praske über Blogparaden:

„Der Grundgedanke einer Blogparade ist die Vernetzung der Blogger untereinander sowie die erhöhte Sichtbarkeit der Blogs im Netz.“

Ziel der Blogparade ist es, die Idee der Ausstellung im Netz mit anderen zu diskutieren,  sich mit ihnen zu vernetzen und dadurch der spannenden aktuellen Thematik eine große Reichweite zu ermöglichen.

Salonabend „Was bedeutet Europa für mich…?“
mit der Heinrich-Böll-Stiftung Thüringen am 27. Oktober 2018

#SalonEuropa: Legetrickfilm-Workshop mit der Kunstschule Gera

am 19. Juli und 2. August 2018, 10–15 Uhr, für Kinder und Jugendliche ab 10 Jahren. In Legetrick-Technik entstehen kurze Filme, thematisch inspiriert von der europäischen Salonkultur im 19. Jahrhundert.

Von Klaus Hofmann / Museum Burg Posterstein

Weitere Beiträge zur #MuseumWeek 2018:
#WomenMW: Die Dame, die unter dem Pseudonym „Ernst Ritter“ schrieb
#CityMW: Tee im Salon – Die Altenburger Gesellschaft um 1810
#heritageMW: Ein europäisches Tourismus- und Informationszentrum im Geiste der historischen Salons in der Burg Posterstein
#professionsMW: Ein lebendiges Museum braucht Helfer und Unterstützer
#kidsMW: Bitte ins Museum, Mami! Die Familienausstellung „Die Kinderburg“ auf Burg Posterstein
#natureMW: Ein naturverbundener Minister – Hans Wilhelm von Thümmel

Ein lebendiges Museum braucht Helfer und Unterstützer

Geschichte & Geschichten Veröffentlicht am 26. April 2018 von Museum Burg Posterstein20. Dezember 2022

Es ist europäische Museumswoche #MuseumWeek und das heutige Thema #professionsMW rückt die Leute hinter den Kulissen ins Zentrum des Interesses. Wir wollen das zum Anlass nehmen, den Museumsverein Burg Posterstein vorzustellen, der die Arbeit des Museums nicht nur finanziell und tatkräftig unterstützt, sondern seit über zehn Jahren auch Träger des Museums ist.

Der Förderverein des Museums gründete sich zur Erforschung, Pflege und Bewahrung regionaler Geschichte, Kultur und Kunst. 1990, mit Sitz auf Burg Posterstein, gegründet ist er als gemeinnützig anerkannt. Der Museumsverein Burg Posterstein e.V. steht allen Freunden des Museums für private oder Firmenmitgliedschaften offen, ermöglicht Mitarbeit, Spenden oder Stiftungen. Derzeit zählt der Museumsverein über 50 Mitglieder, die engagiert und regelmäßig bei Veranstaltungen, auch bei Übersetzungs- und Korrekturarbeiten im Museumsalltag einspringen. Auch die Sponsorensuche ist eine der Prioritäten unserer Vereinsmitglieder und dafür gebührt ihnen ein Herzliches Dankeschön!

1735 erwarb der kurländische Herzog Ernst Johann von Biron das Gut Rundãle und ließ es als Sommerresidenz ausbauen. Baumeister war Francesco Bartolomeo Rastrelli, ein italienischer Architekt, der auch das Winterpalais in St. Petersburg errichtete.
1735 erwarb der kurländische Herzog Ernst Johann von Biron das Gut Rundãle und ließ es als Sommerresidenz ausbauen. Baumeister war Francesco Bartolomeo Rastrelli, ein italienischer Architekt, der auch das Winterpalais in St. Petersburg errichtete.

Ein Verein als Träger des Museums

Seit dem 1. Januar 2007 betreibt der Förderverein das Museum Burg Posterstein. Lange Verhandlungen, Networking und ein überzeugendes Konzept haben im Juni 2017 zum Erfolg geführt: Der Trägerschaftsvertrag mit dem Landkreis Altenburger Land zur Betreibung unseres Museums wurde für weitere zehn Jahre mit Budgeterhöhung und Personalabsicherung abgeschlossen.

Das Netzwerk – Freunde der europäischen Salongeschichte

200 Jahre nach dem Wiener Kongress schloss der Museumsverein Burg Posterstein 2015 einen Vertrag mit der Pariser Gesellschaft Les Amis de Talleyrand , der gemeinsame Forschungsarbeiten ermöglichen und fortführen soll. https://blog.burg-posterstein.de/2015/08/24/vertrag-zwischen-paris-und-posterstein-zusammenarbeit-mit-les-amis-de-talleyrand/.

Fotoshoot mit der Herzogin von Kurland und ihrer Tochter Wilhelmine von Sagan bei der Eröffnung der Sonderausstellung "Salongeschichten" in Posterstein.
Fotoshoot mit der Herzogin von Kurland und ihrer Tochter Wilhelmine von Sagan bei der Eröffnung der Sonderausstellung „Salongeschichten“ in Posterstein.

Vielen der Mitglieder des Museumsvereins liegt besonders die europäische Salongeschichte am Herzen, die in regelmäßigen Bildungsfahrten erkundet wird. Wir wollen einige bisherige Höhepunkte der Vereinsarbeit nennen.

Zwischen 1795 und 1821 gab es auf Schloss Löbichau bei Posterstein einen lebendigen Musenhof, der bildende Künstler, Schriftsteller und Politiker, Adlige wie Bürgerliche, aus ganz Europa anzog. Die Gastgeberin, die kluge und schöne Herzogin Anna Dorothea von Kurland (1761–1821), zählte zu den reichsten Frauen Europas. Sie verstand es geschickt, ein soziales Netzwerk zu knüpfen, das sich über den ganzen europäischen Kontinent zog.

In den Sommermonaten versammelte sie ihre Gäste in ihren Schlössern Löbichau und Tannenfeld im heutigen Altenburger Land. In den Salons dieser Zeit wurden bei Musik, Theater und Tee Kontakte geknüpft und politische Entscheidungen auf den Weg gebracht. Wie der Dichter Jean Paul anerkennend berichtete, durfte im Salon der Herzogin von Kurland jeder frei seine Meinung äußern, so lange sie höflich vorgetragen wurde.
In den Sommermonaten versammelte sie ihre Gäste in ihren Schlössern Löbichau und Tannenfeld im heutigen Altenburger Land. In den Salons dieser Zeit wurden bei Musik, Theater und Tee Kontakte geknüpft und politische Entscheidungen auf den Weg gebracht. Wie der Dichter Jean Paul anerkennend berichtete, durfte im Salon der Herzogin von Kurland jeder frei seine Meinung äußern, so lange sie höflich vorgetragen wurde.

Seit fast 30 Jahren beschäftigt sich das Museum Burg Posterstein mit der Geschichte des Salons der Herzogin von Kurland. Dabei stehen im Mittelpunkt des Interesses die Herzogin selbst, aber auch ihre Töchter und die Personen, mit denen sie am meisten im Kontakt stand. Neben der Dauerausstellung zu diesem Thema wurden in den letzten Jahren auch mehrere Sonderausstellungen gezeigt.

Einmal im Jahr begeben sich die Mitglieder des Museumsvereins auf eine gemeinsame Bildungsfahrt auf die „Spuren der Herzogin von Kurland in Europa“. Auf dem Programm standen in den letzten Jahrzehnten Berlin, Wien, Prag, Südböhmen, Paris, Schloss Valencay, St. Petersburg, Riga und Schloss Rundale, Krakau, Breslau, Brüssel, Rom oder London.

Eine Ausstellung folgt den Reisewegen der Herzogin von Kurland

Die Wanderausstellung „Lebensstationen der Herzogin von Kurland“ verband die historischen Orte in Europa. Die Exposition reiste nach der Eröffnung in Posterstein (2006) nach Lettland (Schloss Ruhental 2008), Polen (Schloss Sagan 2009) und Frankreich (Schloss Valencay 2007). Zur Schau im französischen Schloss Valençay des ehemaligen Ministers Talleyrand kamen 43.000 Besucher. In der Sommerresidenz der Kurländischen Herzöge, Schloss Rundãle in Lettland, wurden rund 200.000 und im polnischen Schloss Sagan etwa 20.000 Besucher gezählt. Unterstützt wurde das Gesamtvorhaben von der Bürgerstiftung Altenburger Land.

Über ein Vierteljahrhundert wetteiferte alles, was in Europa Rang und Namen hat, darum, vom illustren Diplomaten Talleyrand in Valençay empfangen zu werden. Nach dem Wiener Kongress und der Rückkehr der Bourbonen zog sich Talleyrand mit der jüngsten Tochter der Herzogin von Kurland, Dorothée, auf Schloss Valençay zurück.
Über ein Vierteljahrhundert wetteiferte alles, was in Europa Rang und Namen hat, darum, vom illustren Diplomaten Talleyrand in Valençay empfangen zu werden. Nach dem Wiener Kongress und der Rückkehr der Bourbonen zog sich Talleyrand mit der jüngsten Tochter der Herzogin von Kurland, Dorothée, auf Schloss Valençay zurück.

Ausstellung und Konferenz: Salon-Flair in Posterstein und im Park von Tannenfeld

2011 jährte sich der Geburtstag der Herzogin von Kurland zum 250sten Mal. Aus diesem Anlass wurde das Leben der Salonnière in einer Sonderausstellung näher beleuchtet. Die Ausstellung und die begleitende Publikation griffen diese Art des damaligen gesellschaftlichen Lebens auf und zeigten, wie es Frauen zu Beginn des 19. Jahrhunderts gelang, gesellschaftliche, politische und kulturelle Netzwerke zu knüpfen und durch diese eigenen Einflusses auf den Verlauf von Ereignissen erlangten.

Am Beispiel der Herzogin Anna Dorothea von Kurland wurden die Emanzipationsbestrebungen und die Möglichkeiten der Teilhabe von Frauen am gesellschaftlichen Leben jenseits der juristischen Schranken der Zeit deutlich gemacht. Einen Schwerpunkt bildete die Rolle des weiblichen Geschlechtes bei der Gestaltung nationaler und internationaler Beziehungen in der napoleonischen Zeit.
Am Beispiel der Herzogin Anna Dorothea von Kurland wurden die Emanzipationsbestrebungen und die Möglichkeiten der Teilhabe von Frauen am gesellschaftlichen Leben jenseits der juristischen Schranken der Zeit deutlich gemacht. Einen Schwerpunkt bildete die Rolle des weiblichen Geschlechtes bei der Gestaltung nationaler und internationaler Beziehungen in der napoleonischen Zeit.

Die Ausstellung und internationale Konferenz zum 250. Geburtstag der Herzogin Kurland widmete sich mit etwa 200 Gästen aus Frankreich, Lettland, Polen Finnland und Deutschland  dieser umfangreichen Thematik der Rolle der Frauen in der Gestaltung der Gesellschaft des beginnenden 19. Jahrhunderts.

Die Herzogin von Kurland im Spiegel ihrer Zeitgenossen – Europäische Salonkultur um 1800. Zum 250. Geburtstag der Herzogin von Kurland. Museum Burg Posterstein, 2011. (248 Seiten, farbig, ISBN 978-3-86104-086-6, 29,00 Euro
Die Herzogin von Kurland im Spiegel ihrer Zeitgenossen – Europäische Salonkultur um 1800. Zum 250. Geburtstag der Herzogin von Kurland. Museum Burg Posterstein, 2011. (248 Seiten, farbig, ISBN 978-3-86104-086-6, 29,00 Euro

Das Buch mit Beiträgen deutscher und internationaler Autoren beleuchtet Stationen des Lebens der Herzogin von Kurland. Neben zahlreichen Abbildungen werden erstmals die Briefe des französischen Gesandten zum Wiener Kongress, Charles Maurice de Talleyrand, an die Anna Dorothea von Kurland in deutscher Sprache veröffentlicht. Diese Dokumente, die sich im Familienbesitz in Paris befinden, bieten ein eindrucksvolles Zeugnis der politischen Lage im Wien 1815. Dem Verhandlungsgeschick Talleyrands war es schließlich zu verdanken, dass Frankreich nach der verheerenden Niederlage Napoleons die Stellung als europäische Großmacht zurück gewann bzw. behalten konnte. Darüber hinaus werden erstmals die Resultate der Auswertung der Briefe der Herzogin von Kurland an Auguste Charlotte von Kielmannsegge, einer Vertrauten Napoleons, publiziert.

Auch im Jahr 2018 steht die Salonkultur im Zentrum der Arbeit des Museums und des Museumsvereins. Unter dem Hashtag #SalonEuropa soll es Ausstellungen und Veranstaltungen geben, darunter in neuen Formaten wie Salonabenden, einer Blogparade und Workshops für Kinder und Jugendliche.

Wir freuen uns über jegliche finanzielle und tatkräftige Unterstützung der Arbeit des Museumsvereins Burg Posterstein – ob als neues Mitglied oder in sonstiger Form.

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Von Klaus Hofmann / Museum Burg Posterstein

Weitere Beiträge zur #MuseumWeek 2018:
#WomenMW: Die Dame, die unter dem Pseudonym „Ernst Ritter“ schrieb
#CityMW: Tee im Salon – Die Altenburger Gesellschaft um 1810
#heritageMW: Ein europäisches Tourismus- und Informationszentrum im Geiste der historischen Salons in der Burg Posterstein

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